Urteil des BGH vom 18.06.2008

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 344/08 Verkündet
am:
23. September 2009
Ring
Justizhauptsekretärin
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 307 Abs. 1 Satz 1 Bb; § 503c Abs. 2
Die formularmäßige Verpflichtung des Mieters, Decken und Oberwände auch wäh-
rend der Mietzeit zu "weißen", ist wegen unangemessener Benachteiligung des Mie-
ters nach § 307 BGB unwirksam, da der Begriff "weißen" bei der nach § 305c Abs. 2
BGB gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung jedenfalls auch dahin verstanden
werden kann, dass der Mieter die Schönheitsreparaturen in weißer Farbe vorzuneh-
men hat (Fortführung von BGH, Urteil vom 18. Juni 2008 - VIII ZR 224/07, NJW
2008, 2499, Tz. 15 ff.).
BGH, Urteil vom 23. September 2009 - VIII ZR 344/08 - LG Berlin
AG
Berlin-Schöneberg
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 23. September 2009 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richter
Dr. Milger, die Richter Dr. Achilles und Dr. Schneider sowie die Richterin
Dr. Fetzer
für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil der Zivilkammer 63 des
Landgerichts Berlin vom 11. November 2008 wird zurückgewie-
sen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagten mieteten mit Vertrag vom 15. März 2000 einen Teil des
Hauses des Klägers. § 3 Abs. 6 des vom Kläger verwendeten vorformulierten
Vertragstextes lautet:
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"Die Schönheitsreparaturen trägt der Mieter.
Der Verpflichtete hat die Schönheitsreparaturen innerhalb der Wohnung
regelmäßig und fachgerecht vornehmen zu lassen. Hat der Mieter die
Schönheitsreparaturen übernommen, so hat er spätestens bis Ende des
Mietverhältnisses alle bis dahin - je nach dem Grad der Abnutzung oder
Beschädigung - erforderlichen Arbeiten auszuführen.
Die Schönheitsreparaturen umfassen insbesondere:
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Anstrich und Lackierungen der Innentüren sowie der Fenster und Au-
ßentüren von Innen sowie sämtlicher Holzteile, Versorgungsleitungen
und Heizkörper, das Weißen der Decken und Oberwände sowie der
wischfeste Anstrich bzw. das Tapezieren der Wände."
Gegenstand der Klage - soweit für das Revisionsverfahren noch von In-
teresse - ist ein bezifferter Schadensersatzanspruch des Klägers wegen nicht
durchgeführter Schönheitsreparaturen. Das Amtsgericht hat diesem Klagean-
trag teilweise stattgegeben, das Berufungsgericht hat ihn in vollem Umfang ab-
gewiesen. Mit der beschränkt zugelassenen Revision erstrebt der Kläger inso-
weit die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
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I.
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Das Berufungsgericht hat - soweit hier von Interesse - ausgeführt, dem
Kläger stehe kein Schadensersatzanspruch wegen nicht ausgeführter Schön-
heitsreparaturen aus § 280 Abs. 1, § 281 Abs. 1 BGB zu, da die Beklagten zur
Vornahme der Schönheitsreparaturen nicht verpflichtet gewesen seien. Die ih-
nen diese Verpflichtung auferlegende Klausel in § 3 Abs. 6 des Mietvertrages
sei gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, da sie die Beklagten während
der Mietzeit in ihrer Farbwahl einschränke und in die Gestaltung ihres persönli-
chen Lebensbereichs eingreife. Dies stelle eine unangemessene Benachteili-
gung des Mieters dar, da ein anerkennenswertes Interesse des Vermieters, die
vermieteten Räume auch während der Mietzeit in weißer Farbe gestrichen zu
halten, nicht bestehe. Ohne Erfolg berufe sich der Kläger darauf, dass in der
Klausel keine Farbvorgabe enthalten sei, die Decken und Oberwände in der
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Farbe weiß zu streichen. Selbst wenn man davon ausgehe, dass dem Begriff
"weißen" die von dem Kläger behauptete Bedeutung zukomme, sei die Ausle-
gung, darunter einen Anstrich in der Farbe weiß zu verstehen, jedenfalls nicht
fernliegend. Derartige Zweifel in der Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbe-
dingungen gingen indessen gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Klägers
als Verwender der Klausel.
II.
Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand, so dass
die Revision des Klägers zurückzuweisen ist.
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Zutreffend hat das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch des
Klägers wegen unterlassener Schönheitsreparaturen mit der Begründung ver-
neint, dass § 3 Abs. 6 des Mietvertrages nach § 307 BGB unwirksam ist.
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Die Klausel ist Teil eines vom Kläger verwendeten Formularmietvertra-
ges und somit eine von dem Kläger gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung.
Der Senat hat entschieden, dass eine formularvertragliche Klausel, die den Mie-
ter dazu verpflichtet, die auf ihn abgewälzten Schönheitsreparaturen "in neutra-
len, hellen, deckenden Farben und Tapeten auszuführen", unwirksam ist, wenn
sie nicht auf den Zustand der Wohnung im Zeitpunkt der Rückgabe der Mietsa-
che beschränkt ist, sondern auch für Schönheitsreparaturen gilt, die der Mieter
im Laufe des Mietverhältnisses vorzunehmen hat. Eine derartige Klausel be-
nachteiligt den Mieter regelmäßig deshalb unangemessen, weil sie ihn auch
während des laufenden Mietverhältnisses zu einer Dekoration in der vorgege-
benen Farbwahl verpflichtet und dadurch in seiner persönlichen Lebensgestal-
tung einschränkt, ohne dass dafür ein anerkennenswertes Interesse des Ver-
mieters besteht (Senatsurteil vom 18. Juni 2008 - VIII ZR 224/07, NJW 2008,
2499, Tz. 15 ff.).
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So liegt der Fall auch hier. Die Klausel unterscheidet nicht zwischen wäh-
rend der Mietzeit vorzunehmenden Schönheitsreparaturen und der vor Rückga-
be an den Vermieter fälligen Endrenovierung. Vergeblich wendet sich die Revi-
sion gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, es sei jedenfalls nicht fern-
liegend, unter dem Begriff "weißen" nicht nur ein Synonym zu streichen, son-
dern einen Anstrich in der Farbe weiß zu verstehen. Der Einholung eines ety-
mologischen Sachverständigengutachtens bedurfte es für diese Auslegung ent-
gegen der Auffassung er Revision nicht. Allgemeine Geschäftsbedingungen
sind ausgehend von den Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorge-
bildeten Durchschnittskunden einheitlich so auszulegen, wie sie von verständi-
gen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der norma-
lerweise beteiligten Kreise verstanden werden (st. Rspr. des Bundesgerichts-
hofs, z.B. Senatsurteil vom 23. November 2005 - VIII ZR 154/04, NJW 2006,
1056, Tz. 9). Dass nach diesen Kriterien das vom Berufungsgericht als nicht
fernliegend erachtete Verständnis des Begriffs "weißen" auszuschließen wäre,
kann nicht angenommen werden und wird von der Revision auch nicht geltend
gemacht. Auf eine möglicherweise abweichende Deutung aus sprachwissen-
schaftlicher Sicht kommt es nicht an. Lässt die Klausel somit die Auslegung zu,
dass Decken und Oberwände in weiß zu streichen sind, so ist sie gemäß
§ 305c Abs. 2 BGB der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB in dieser dem Mieter
günstigsten, weil zur Unwirksamkeit der Klausel führende Auslegung zugrunde
zu legen.
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Die Revision ist ferner der Auffassung, selbst wenn der Begriff "weißen"
als Synonym für "weiß streichen" angesehen werden müsste, benachteilige
dies den Mieter nicht unangemessen, weil er nach dem weiteren Wortlaut der
Klausel dann lediglich gehalten sei, "Decken und Oberwände" weiß zu strei-
chen. Eine derartige meist durch Stuckleisten erfolgte Trennung in Ober- und
Unterwände finde sich in dem den Beklagten vermieteten Haus jedoch nicht.
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Damit seien die Beklagten bis auf den Deckenanstrich in ihrer Farbwahl voll-
kommen frei gewesen. Hinsichtlich der Decken bestehe indes ein schützens-
wertes Interesse des Klägers, nur weiße Farbe zu verwenden, da Farbanstriche
eine Substanzverletzung insbesondere der Stuckverzierungen im Deckenbe-
reich zur Folge hätten. Insoweit kann die Revision schon deshalb nicht durch-
dringen, weil sie entsprechenden Sachvortrag des Klägers in den Instanzen
nicht aufzeigt.
Folge der unangemessenen Einengung des Mieters in der Art der Aus-
führung von Schönheitsreparaturen ist die Unwirksamkeit der Abwälzung der
Pflicht zur Vornahme der Schönheitsreparaturen schlechthin. Eine teilweise
Aufrechterhaltung oder Umgestaltung der Klausel kommt nicht in Betracht (Se-
natsurteil vom 18. Juni 2008, aaO, Tz. 20). Denn entgegen der Auffassung der
Revision ist eine Trennung der Klausel in einen der Inhaltskontrolle standhal-
tenden - die Schönheitsreparaturen bei Endrenovierung betreffenden (§ 3
Abs. 6 Satz 3 der Klausel) - und einen unwirksamen - die Schönheitsreparatu-
ren während der Mietzeit betreffenden (§ 3 Abs. 6 Satz 2 der Klausel) - Teil
nicht möglich, ohne den Verständnis- und Regelungszusammenhang der Klau-
sel zu zerstören. Dies erschließt sich ohne weiteres aus dem Wortlaut von § 3
Abs. 6 Satz 3 der Klausel, der in seinem ersten Satzteil voraussetzt, dass dem
Mieter die Pflicht zur Vornahme der in § 3 Abs. 6 Satz 4 näher definierten
Schönheitsreparaturen wirksam übertragen ist. Daran fehlt es - wie dargelegt -
bereits. Die weitere Wendung "spätestens" ergibt darüber hinaus nur dann ei-
nen Sinn, wenn es eine (eventuelle) Verpflichtung des Mieters bereits vor Aus-
zug gibt. Diese (eventuelle) frühere Verpflichtung regelt der jedenfalls unwirk-
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same § 3 Abs. 6 Satz 2 der Klausel. Eine Trennung der Klausel in einen wirk-
samen und einen unwirksamen Teil ist damit nicht möglich.
Ball
Dr. Milger
Dr. Achilles
Dr. Schneider
Dr. Fetzer
Vorinstanzen:
AG Berlin-Schöneberg, Entscheidung vom 31.01.2007 - 5a C 59/06 -
LG Berlin, Entscheidung vom 11.11.2008 - 63 S 64/07 -