Urteil des BGH vom 23.05.2001

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 148/99
Verkündet am:
23. Mai 2001
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGB § 1610 Abs. 2
Zu den Voraussetzungen des engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhangs bei
Beanspruchung von Ausbildungsunterhalt für ein Studium, das nach Abschluß einer
Ausbildung zur Sekretärin aufgenommen wird.
BGH, Urteil vom 23. Mai 2001 - XII ZR 148/99 - OLG Frankfurt am Main
AG Bad Homburg
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 23. Mai 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die
Richter Dr. Hahne, Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz und Fuchs
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 3. Senats für
Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom
30. April 1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum
Nachteil des Beklagten erkannt worden ist.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts
- Familiengerichts - Bad Homburg von der Höhe vom 27. Februar
1997 wird in vollem Umfang zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren hat die Klägerin zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt den Beklagten, ihren Vater, auf Zahlung von Ausbil-
dungsunterhalt für die Zeit von Juni 1994 bis einschließlich Mai 1998 in An-
spruch.
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Die Ehe der Eltern, aus welcher der 1967 geborene Sohn Tobias, die
1968 geborene Klägerin und die 1973 geborene Tochter Miriam hervorgegan-
gen sind, wurde 1992 geschieden. Beide Eltern sind berufstätig.
Die Klägerin beendete 1988 ihre allgemeine Schulausbildung mit dem
Abitur. Im Mai 1988 schloß sie mit einem "FTO Fachinstitut" ["FTO" für: Fremd-
sprachen, Textverarbeitung, Organisation] einen Vertrag über eine zweijährige
Ausbildung zur "Europasekretärin". Die im Oktober 1988 begonnene Ausbil-
dung schloß die Klägerin im September 1990 erfolgreich ab; in der Folgezeit
arbeitete sie als "FTO-Sekretärin".
Im Sommer 1991 forderte die Mutter der Klägerin diese auf, sich nun-
mehr um ein Studium zu bemühen. Eine im Januar 1992 erfolgte Bewerbung
der Klägerin um einen Studienplatz an der privaten Universität Wit-
ten/Herdecke wurde nach einem Auswahlverfahren im Juli 1992 abschlägig
beschieden. Daraufhin bewarb sich die Klägerin an der Universität Trier mit
Erfolg um einen Studienplatz für Volkswirtschaftslehre.
Im Sommer 1992 trafen sich die Parteien zufällig. Die Klägerin sprach
dabei auch ihre weiteren Ausbildungsabsichten an; der Beklagte bezeichnete
diese Pläne als ihre "Privatsache".
Im Oktober 1992 nahm die Klägerin ihr Studium in Trier auf. In einem
Schreiben vom November 1992 bat sie den Beklagten hierfür um finanzielle
Hilfe. Der Beklagte lud die Klägerin daraufhin zu einem Gespräch zu sich ein,
das am 23. Dezember 1992 stattfand. Bei ihrem Besuch erklärte sich der Be-
klagte bereit, die Klägerin finanziell zu unterstützen - allerdings nur unter der
Voraussetzung, daß er nur an seinen Sohn Tobias Unterhalt zu zahlen habe,
daß fortlaufend geprüft werde, inwieweit die Klägerin ihren Unterhalt durch eine
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mit dem Studium einhergehende Erwerbstätigkeit selbst bestreiten könne, und
daß die Mutter der Klägerin keine Berufung gegen das einen nachehelichen
Aufstockungsunterhalt versagende Urteil des Familiengerichts einlegen werde.
Die Mutter legte in der Folgezeit keine Berufung ein. Der Beklagte er-
brachte an die Klägerin monatlich folgende Zahlungen: Von Dezember 1992
bis April 1993 monatlich 620 DM, von Mai bis November 1993 595 DM und von
Dezember 1993 bis Februar 1995 645 DM. Die Zahlungen ab Oktober 1993
waren ausdrücklich als Darlehen bezeichnet.
Nach einem vorangegangenen Treffen mit seinen drei Kindern hatte der
Beklagte an die Klägerin am 13. Januar 1994 einen als "Letztes Angebot zur
Weiterfinanzierung Deines VBL- und Soziologiestudiums" überschriebenen
Brief gerichtet, in dem es unter anderem heißt:
"Du hast Dein Studium ... in der Ungewißheit begonnen, ob Du
von Deinem Vater dafür Geld bekommst. Ich habe Dir dann ... bei
unserem Treffen am 23.12.92 Unterhaltszahlung für Dein Studium
nach dem Modell für Tobias (65 % x (BAföG + 100) zugesagt un-
ter der Voraussetzung, daß ... ich neben Dir nur Tobias Unterhalt
zahle .... d.h. wenn Miriam dazu kam, war eine neue Vereinba-
rung zu treffen, denn ich sagte Dir, daß ich dann nicht bereit war,
noch einmal den gleichen Betrag für Miriam zu zahlen. ... Miriam
hat ihr Studium im Oktober 1993 begonnen ... . ... Ich bin bereit,
Dir im Rahmen meiner Möglichkeiten (die ich selbst bestimmen
muß) Dein weiteres Studium zu ermöglichen, indem ich Dir hiermit
zum letzten Mal anbiete: weitere Zahlungen in zu vereinbarender
Höhe ab Zahlung Februar [1994] als zinsloses Darlehen ... . ...".
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Die Klägerin schloß ihr Studium im April 1998 mit der Diplomprüfung ab
und arbeitet seither in ihrem neuen Beruf.
Ihre Klage auf Unterhalt für die Zeit von Juni 1994 bis Dezember 1995 in
Höhe von monatlich 630,50 DM und für die Zeit von Januar 1996 bis Mai 1998
in Höhe von monatlich 799,50 DM hat das Amtsgericht abgewiesen. Das
Oberlandesgericht hat der Klage teilweise entsprochen und der Klägerin für die
Zeit von Juni bis Dezember 1994 monatlich 548 DM, für 1995 monatlich
586 DM, für 1996 monatlich 706 DM und für die Zeit von Januar 1997 bis Mai
1998 monatlich 638 DM zuerkannt. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der
zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe:
Das Rechtsmittel hat Erfolg; die Klage ist unbegründet.
1. Der Klägerin steht ein gesetzlicher Anspruch auf Ausbildungsunterhalt
nicht zu.
a) Nach § 1610 Abs. 2 BGB umfaßt der Unterhalt eines Kindes die Ko-
sten einer angemessenen Ausbildung zu einem Beruf. Darunter ist eine Be-
rufsausbildung zu verstehen, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Lei-
stungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten ent-
spricht und die sich in den Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der
Eltern hält. Haben Eltern ihrem Kind - wie hier der Beklagte der Klägerin - eine
angemessene Berufsausbildung in dem dargelegten Sinn zukommen lassen,
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so sind sie nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nicht verpflichtet,
die Kosten einer weiteren Ausbildung zu tragen. Ausnahmen von diesem
Grundsatz sind nur unter besonderen Umständen angenommen worden - etwa
wenn sich nachträglich herausstellt, daß die erste Ausbildung auf einer deutli-
chen Fehleinschätzung der Begabung des Kindes beruhte, wenn die weitere
Ausbildung zweifelsfrei als eine bloße Weiterbildung anzusehen ist und die
Weiterbildung von vornherein angestrebt war oder wenn während der ersten
Ausbildung eine besondere, die Weiterbildung erfordernde Begabung des Kin-
des deutlich wurde (BGHZ 69, 190 = FamRZ 1977, 629; BGHZ 107, 376,
379 ff. = FamRZ 1989, 853, 854). Das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalles
hat das Oberlandesgericht nicht festgestellt.
b) Für die Fälle, in denen das Kind nach Erlangung der Hochschulreife
zunächst eine praktische Ausbildung durchlaufen hat und es sodann darum
geht, ob die Eltern ein sich hieran anschließendes Hochschulstudium zu finan-
zieren haben, hat der Senat diese Grundsätze modifiziert (BGHZ 107, 376,
379 ff. = FamRZ 1989, 853, 854 ff.; seither st.Rspr.). In diesen "Abitur-Lehre-
Studium-Fällen" umfaßt der Unterhalt auch die Kosten eines Hochschulstudi-
ums, wenn dieses mit den vorangegangenen Ausbildungsabschnitten in einem
engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang steht und die Finanzierung
des Ausbildungsgangs den Eltern wirtschaftlich zumutbar ist. Es kann dahin-
stehen, ob der Besuch des "FTO-Fachinstituts" eine der Lehre vergleichbare
praktische Ausbildung darstellt. Jedenfalls fehlt es an dem erforderlichen Zu-
sammenhang dieser Ausbildung mit dem von der Klägerin später aufgenom-
menen Studium der Volkswirtschaftslehre.
Das Oberlandesgericht hat zwar das Vorliegen eines sachlichen Zu-
sammenhangs zwischen der Ausbildung zur "Europa-Sekretärin" und dem an-
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schließenden Studium mit Abschluß als Diplom-Volkswirtin bejaht. Wie sich
aus den Ausbildungsplänen des "FTO-Fachinstituts" und des Studiums ergebe,
griffen beide Lerngebiete ineinander über; beide seien wirtschaftlich und
sprachlich orientiert. Mit dieser Begründung werden die Anforderungen an die
Einheitlichkeit des Ausbildungsganges, die § 1610 Abs. 2 BGB in dem Merkmal
der Vorbildung zu einem Beruf grundsätzlich voraussetzt, jedoch nur unzuläng-
lich wiedergegeben. Zu fordern ist hierfür vielmehr ein enger sachlicher Zu-
sammenhang. Praktische Ausbildung und Studium müssen, wenn sie - wie
hier - nicht ohnehin derselben Berufssparte angehören, so aufeinander bezo-
gen sein, daß das eine für das andere eine fachliche Ergänzung, Weiterfüh-
rung oder Vertiefung bedeutet oder daß die praktische Ausbildung eine sinn-
volle Vorbereitung auf das Studium darstellt (BGHZ 107, 376, 382 = FamRZ
1989, 853, 855). Diese Voraussetzung ist vom Oberlandesgericht nicht festge-
stellt. Die von dem "FTO-Fachinstitut" vermittelten Fremdsprachenkenntnisse
mögen für ein späteres Studium und den weiteren beruflichen Werdegang ei-
nes Auszubildenden hilfreich sein; sie reichen für sich genommen aber nicht
aus, um einen engen Zusammenhang der die Fremdsprachenkenntnisse ver-
mittelnden Ausbildung zu später aufgenommenen und nicht artverwandten
Studiengängen zu begründen (vgl. Senatsurteil vom 12. Mai 1993 - XII ZR
18/92 - FamRZ 1993, 1057, 1058). Ebenso ist nicht ersichtlich, ob die in den
Ausbildungsplänen dieses Instituts aufgeführten wirtschaftlich orientierten
Lerngebiete, auf die das Oberlandesgericht abstellt, speziell auf das Berufsbild
einer Sekretärin zugeschnitten sind und insoweit das schwerpunktmäßig auf
Textverarbeitung zielende Unterrichtsprogramm abrunden oder ob sie darüber
hinaus nach Qualität, Umfang und Intensität der Wissensvermittlung als
Grundlegung für ein späteres Studium der Volkswirtschaftslehre geeignet und
- auch unter dem Gesichtspunkt der finanziellen Lasten, die eine dem Studium
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vorgeschaltete entgeltpflichtige Ausbildung an einer privaten Schule mit sich
bringt - sinnvoll und dem Unterhaltspflichtigen als Vorstufe zum Studium zu-
mutbar sind.
Im übrigen fehlt es auch an dem erforderlichen zeitlichen Zusammen-
hang zwischen der im September 1990 abgeschlossenen Ausbildung zur "Eu-
ropa-Sekretärin" und dem erst im Oktober 1992 - nach rund zweijähriger Be-
rufstätigkeit als Sekretärin - aufgenommenen Studium. Das Oberlandesgericht
hat den Vortrag der Klägerin, eine rechtzeitige Bewerbung um einen Studien-
platz sei ihr aufgrund des Scheidungsverfahrens der Eltern nicht möglich ge-
wesen, insoweit zutreffend für nicht durchgreifend erachtet: Zwar ist der zeitli-
che Zusammenhang auch dann als gewahrt anzusehen, wenn die zwischen der
praktisch-beruflichen Ausbildung und dem Studienbeginn des Kindes vergan-
gene Zeit auf zwangsläufige, dem Kind nicht anzulastende Umstände zurück-
zuführen ist. Dabei kann beispielsweise von Bedeutung sein, ob die familiären
Schwierigkeiten zu einer nachhaltigen Entwicklungsstörung bei dem Kind ge-
führt haben und die Verzögerung bei der Aufnahme des Studiums als nicht
vorwerfbar oder doch als nur leichteres Versagen erscheinen lassen (Senats-
urteil vom 27 September 1989 - XII ZR 83/88 - FamRZ 1989, 149, 150). So lie-
gen die Dinge hier jedoch nicht: Die bei der Trennung der Eltern 20jährige Klä-
gerin hat keine Beeinträchtigung ihrer Persönlichkeitsentwicklung geltend ge-
macht, die für die späte Herausbildung ihrer endgültigen Berufsvorstellungen
ursächlich geworden ist. Sie hat auch nicht vorgetragen, wann welche ihrer
beruflichen oder berufsvorbereitenden Entscheidungen in welcher Weise durch
welche familiären Ereignisse beeinflußt, verhindert oder erschwert worden
sind. Fest steht allerdings, daß die Klägerin ihre Ausbildung zur "Euro-
pa-Sekretärin" rund eineinhalb Jahre nach der Trennung ihrer Eltern mit der
Note "sehr gut" abgeschlossen und anschließend rund zwei Jahre in dem er-
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lernten Beruf gearbeitet hat. Wie die Klägerin in ihrem vom Berufungsgericht in
Bezug genommenen Schreiben vom 7. November 1992 verdeutlicht hat, haben
erst diese beruflichen Erfahrungen mit einer von der Klägerin als "erniedrigend"
empfundenen Tätigkeit ihren Studienwunsch reifen lassen. Auch vor diesem
Hintergrund ist nicht erkennbar, inwieweit der Streit ihrer Eltern um das ge-
meinsame Haus und Teile des Hausrats einen zügigen Studienbeginn nach
Abschluß der "FTO"-
Ausbildung gehindert haben könnten.
c) Das Oberlandesgericht hält den Beklagten gleichwohl - unter Hinweis
auf § 1610 Abs. 2 i.V.m. § 242 BGB - für verpflichtet, der Klägerin Ausbil-
dungsunterhalt für ihr Studium zu bezahlen, weil er sich durch seine Erklärun-
gen und seine jedenfalls bis September 1993 vorbehaltlosen Unterhaltszahlun-
gen selbst gebunden habe.
Gegen diese Ausführungen wendet sich die Revision mit Recht:
Fehlt es - wie hier - an den tatbestandlichen Voraussetzungen für einen
gesetzlichen Unterhaltsanspruch, so kann die Berufung auf Treu und Glauben
das fehlende Tatbestandsmerkmal nicht ersetzen und gleichwohl eine gesetzli-
che Unterhaltsschuld begründen. Eine andere Frage ist, ob und bejahenden-
falls unter welchen Voraussetzungen sich aus der für Eltern und Kindern in
§ 1618 a BGB wechselseitig begründeten Pflicht zu Beistand und Rücksicht-
nahme im Einzelfall ausnahmsweise auch eine Verpflichtung eines Elternteils
ergeben kann, Zahlungen, die er in der Vergangenheit an das Kind ohne
Rechtspflicht erbracht hat, für einen begrenzten Zeitraum fortzusetzen, wenn
das Kind auf die Fortdauer dieser Zahlungen vertrauen durfte und in diesem
berechtigten Vertrauen Dispositionen getroffen hat, die sich nicht sofort und
ohne erhebliche Nachteile für das Kind rückgängig machen lassen. Diese Fra-
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ge braucht indes nicht entschieden zu werden; denn ein solcher Fall liegt hier
nicht vor: Der Beklagte hat der Klägerin bereits bei ihrem Gespräch im Sommer
1992, in dem die Klägerin dem Beklagten erstmals von ihren Studienplänen
berichtete, erklärt, daß es sich bei dieser Zweitausbildung um ihre "Privatsa-
che" handele; auch in der Folgezeit hat der Beklagte keinen Zweifel daran ge-
lassen, daß ihn keine gesetzliche Verpflichtung trifft, die Klägerin für die Dauer
der von ihr begonnenen Zweitausbildung zu unterhalten.
2. In einem solchen Fall kann sich ein Unterhaltsanspruch des Kindes
allenfalls aus einer vertraglichen Abrede ergeben. Auch ein solcher vertragli-
cher Anspruch steht der Klägerin gegen den Beklagten jedoch nicht zu.
Das Oberlandesgericht geht von einer "Unterhaltszusage" des Beklag-
ten an die Klägerin aus. Aus den vorliegenden Erklärungen ergebe sich, daß
der Beklagte bereit gewesen sei, Ausbildungsunterhalt an die Klägerin zu zah-
len - vor allem dann, wenn deren Mutter selbst auf nachehelichen Unterhalt
verzichten, nämlich - wie auch geschehen - kein Rechtsmittel gegen die Ab-
weisung ihrer Unterhaltsklage einlegen würde. Soweit der Beklagte in seiner
Unterhaltszusage an die Klägerin darauf hingewiesen habe, daß neu zu über-
legen sei, wenn die Schwester Miriam Unterhaltsansprüche geltend mache, so
könne dies nur dahin verstanden werden, daß erneut über die Höhe des zu
zahlenden Unterhalts nachzudenken sei, nicht jedoch über seine grundsätzli-
che Unterhaltsverpflichtung. Das Oberlandesgericht weist in diesem Zusam-
menhang darauf hin, daß etwa mit Beginn der Ausbildungsforderungen der
Tochter Miriam die Unterhaltsverpflichtung des Beklagten gegenüber seinem
Sohn Tobias geendet habe.
Auch diese Begründung hält indes einer rechtlichen Überprüfung nicht
stand:
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Eine vertragliche Abrede über die Gewährung eines - nach dem Gesetz
an sich nicht geschuldeten - Ausbildungsunterhalts kann etwa in dem Verspre-
chen einer Ausstattung gesehen werden, das nach § 1624 Abs. 1 BGB der
Form des § 518 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht bedarf und deshalb durch ausdrückli-
che wie schlüssige Erklärungen zustande kommen kann. Daß der Beklagte
sich gegenüber der Klägerin in diesem Sinne rechtsgeschäftlich verpflichtet
habe, der Klägerin für die Dauer ihres Studiums Unterhalt zu leisten, hat das
Oberlandesgerichts jedoch nicht festgestellt.
Die vom Beklagten für die Zeit von Dezember 1992 bis Mai 1994 er-
brachten Zahlungen erfolgten nicht vorbehaltlos, sondern nach Maßgabe der
Erklärungen im Gespräch der Parteien vom 23. Dezember 1993. In diesem Ge-
spräch hat der Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts der
Klägerin Unterhaltsleistungen unter anderem unter der Voraussetzung zuge-
sagt, daß er daneben nur an seinen Sohn Tobias Unterhalt zu leisten habe.
Diese Voraussetzung entfiel, als die Schwester der Klägerin im Oktober 1993
ebenfalls ein Studium aufnahm und dafür vom Beklagten Unterhaltsleitungen
erhielt.
Das Oberlandesgericht bezieht den Vorbehalt des Beklagten, daß die
Unterhaltsfrage neu zu überlegen sei, falls auch die Schwester der Klägerin
Unterhaltsforderungen an ihn stelle, demgegenüber nur auf die Höhe des dann
an die Klägerin zu zahlenden Unterhalts, nicht jedoch auf die grundsätzliche
Unterhaltsverpflichtung des Beklagten. Diese tatrichterliche Würdigung hält
einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Sie steht mit dem Wortlaut
des Gesprächs, wie er im Schreiben des Beklagten vom 13. Januar 1994 wie-
dergegeben und auch in den Ausführungen des Oberlandesgerichts zugrunde
gelegt ist, nicht im Einklang und läßt zudem wesentliche vom Oberlandesge-
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richt festgestellte Umstände unberücksichtigt: So ist die Übernahme einer dem
Grunde nach uneingeschränkten Unterhaltspflicht des Beklagten mit dessen
früherer Erklärung, bei der von der Klägerin aufgenommenen Zweitausbildung
handele es sich um deren "Privatsache", ebensowenig zu vereinbaren wie mit
den vom Beklagten im Gespräch vom 23. Dezember 1993 aufgestellten Vor-
aussetzungen für künftige Unterhaltsleistungen an die Klägerin; sie läßt sich
auch nicht mit dem Angebot des Beklagten, der Klägerin weiterhin Zahlungen,
aber nur als Darlehen, zu leisten, in Einklang bringen. Außerdem ließe eine
vom Beklagten dem Grunde nach uneingeschränkt übernommene Unterhalts-
pflicht offen, wie sich die Höhe des Unterhalts bemessen sollte, wenn auch die
Tochter Miriam Unterhaltsforderungen gegen den Beklagten geltend mache
und die Parteien sich über die Höhe des dann an die Klägerin zu zahlenden
Unterhalts nicht einigen würden. Das Oberlandesgericht hält, wie die Bemes-
sung des der Klägerin zuerkannten Unterhalts zeigt, für einen solchen Fall of-
fenbar die gesetzliche Regelung für anwendbar. Damit wird jedoch verkannt,
daß die Parteien mit der Bezugnahme auf das für den Sohn des Beklagten
praktizierte "Modell" eine eigenständige Regelung über Unterhaltsbedarf und
Verteilungsquote getroffen haben, der Beklagte für den Fall einer Inanspruch-
nahme auch durch die Tochter Miriam gerade entlastet werden wollte und der
Rückgriff auf die gesetzlichen Maßstäbe diesem Ziel zuwiderläuft.
Die Annahme einer vom Beklagten dem Grunde nach uneingeschränkt
übernommenen Unterhaltspflicht des Beklagten läßt sich auch nicht, wie das
Oberlandesgericht meint, auf die vom Beklagten - als Voraussetzung künftiger
Unterhaltszahlungen an die Klägerin - geäußerte Erwartung stützen, daß seine
geschiedene Ehefrau keine nachehelichen Unterhaltsansprüche weiterverfol-
gen werde. Das Oberlandesgericht geht offenbar davon aus, daß der Beklagte
die Unterhaltsleistungen an die Klägerin gleichsam als Gegenleistung für einen
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Verzicht seiner geschiedenen Ehefrau zugesagt hat und - nach dem Erhalt der
Gegenleistung - nunmehr auch an seine Zusage dem Grunde nach gebunden
bleiben müßte. Ein solches Gegenseitigkeitsverhältnis ist vom Oberlandesge-
richt jedoch nicht festgestellt; der Vortrag der Parteien bietet hierfür auch kei-
nerlei Anhaltspunkte: Die geschiedene Ehefrau war mit ihrer Klage auf nach-
ehelichen Unterhalt erfolglos; der Beklagte wollte sicherstellten, daß er - neben
den an seinen Sohn zu erbringenden und den von der Klägerin erbetenen Un-
terhaltsleistungen - nicht zusätzlich mit weiteren Unterhaltsforderungen, sei es
von der Tochter Miriam, sei es im Wege des Rechtsmittels von der geschiede-
nen Ehefrau, konfrontiert würde. Dieses Ziel wurde nur erreicht, wenn er die
Unterhaltsgewährung an die Klägerin von einer doppelten Bedingung - kein
Rechtsmittel der geschiedenen Ehefrau, keine Unterhaltsforderung der Tochter
Miriam - abhängig machte; für eine - wenn auch nur dem Grunde nach
- uneingeschränkte Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Klägerin läßt sich
daraus nichts herleiten.
3. Die angefochtene Entscheidung konnte danach keinen Bestand ha-
ben. Da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, kann der Senat in der
Sache abschließend entscheiden. Der Klägerin steht der begehrte Unterhalt
weder aus Gesetz noch aus Vertrag zu. Das klagabweisende Urteil des Famili-
engerichts ist deshalb wiederherzustellen und die gegen dieses Urteil gerich-
tete Berufung der Klägerin in vollem Umfang zurückzuweisen.
Blumenröhr Hahne
Bundesrichterin Weber-Monecke und
Bundesrichter Fuchs sind im Urlaub
und verhindert zu unterschreiben.
Blumenröhr
Wagenitz