Urteil des BGH vom 02.04.2009

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZB 182/08
vom
2. April 2009
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
GVG § 13; ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a, Nr. 4 lit a, § 3; InsO §§ 129 ff
Für die Anfechtungsklage des Insolvenzverwalters gegen einen Arbeitnehmer
des Schuldners ist der ordentliche Rechtsweg auch dann gegeben, wenn die
Anfechtung eine vom Schuldner geleistete Vergütung betrifft.
BGH, Beschluss vom 2. April 2009 - IX ZB 182/08 - LG Bayreuth
AG Kulmbach
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter und die Richter Raebel, Prof. Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein und
Grupp
am 2. April 2009
beschlossen:
1. Das Rechtsbeschwerdeverfahren wird ausgesetzt.
2. Dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bun-
des wird die Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt, ob für die
Klage des Insolvenzverwalters gegen einen Arbeitnehmer des
Schuldners aus Insolvenzanfechtung der ordentliche Rechts-
weg auch dann gegeben ist, wenn die Anfechtung eine vom
Schuldner geleistete Vergütung betrifft.
Gründe:
I.
Der Kläger ist Verwalter in dem auf Gläubigerantrag vom 10. Juli 2007
am 10. September 2007 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des
B. N. als Inhaber der N. e.K. (fortan: Schuldner).
Der Beklagte war Arbeitnehmer des Schuldners. Das Arbeitsverhältnis ist durch
eine am 25. Mai 2007 wegen Zahlungsverzugs erklärte Kündigung des Beklag-
ten beendet worden.
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Der Kläger verlangt im Wege der Insolvenzanfechtung Rückgewähr der
vom 13. April bis 25. Juni 2007 geleisteten Lohnzahlungen des Schuldners in
Höhe von insgesamt 2.701,37 €. Diese betreffen den Arbeitslohn für die Monate
Januar und Februar 2007. Der Kläger trägt zur Begründung vor, der Schuldner
sei zum Zeitpunkt der Zahlungen nicht mehr in der Lage gewesen, seine fälli-
gen Verbindlichkeiten zu erfüllen. Die Zahlungsunfähigkeit sei dem Beklagten
auch bekannt gewesen, weil es seit Dezember 2006 zu erheblichen Zahlungs-
stockungen gekommen und die wirtschaftliche Situation des Schuldners Thema
von Betriebsversammlungen gewesen sei.
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Der Beklagte hält die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte nicht für
gegeben. Zuständig seien die Gerichte für Arbeitssachen.
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Das Amtsgericht hat sich für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an
das örtlich zuständige Arbeitsgericht verwiesen. Das Landgericht hat die sofor-
tige Beschwerde des Klägers zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zu-
gelassen. Mit dieser begehrt der Kläger, den Rechtsweg zu den ordentlichen
Gerichten für zulässig zu erklären.
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II.
Das Verfahren ist auszusetzen und die Sache dem Gemeinsamen Senat
der obersten Gerichtshöfe des Bundes zur Entscheidung der bezeichneten
Rechtsfrage vorzulegen (§ 2 Abs. 1, § 11 RsprEinhG).
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Die Rechtsbeschwerde ist aufgrund der Zulassung durch das Beschwer-
degericht statthaft (§ 17a Abs. 4 S. 4 und 6 GVG). Nach dem Wortlaut dieser
Vorschrift kann zwar nur das obere Landesgericht die Rechtsbeschwerde zu-
lassen. Es ist jedoch geklärt, dass nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform
des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 die Zulassung durch das Landgericht als
Beschwerdegericht erfolgen kann (BGHZ 155, 365, 366 ff; MünchKomm-
ZPO/Zimmermann, 3. Aufl. § 17a GVG Rn. 35; Musielak/Wittschier, ZPO
6. Aufl. § 17a GVG Rn. 16; Hk-ZPO/Rathmann, 2. Aufl. § 17a GVG Rn. 13; a.A.
Zöller/Lückemann, ZPO 27.
Aufl. §
17a GVG Rn.
16a; Baumbach/
Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 67. Aufl. § 17a GVG Rn. 17). Andernfalls
wäre eine Zulassung schlechthin unmöglich, weil die obenen Landesgerichte
aus dem Instanzenzug ausgeschieden sind. Die Rechtsbeschwerde ist auch im
Übrigen zulässig. Nach Auffassung des Senats ist sie ferner begründet, weil der
Anfechtungsrechtsstreit vor die ordentlichen Gerichte gehört.
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Der erkennende Senat möchte deshalb der Rechtsbeschwerde des Klä-
gers stattgeben. An der beabsichtigten Entscheidung sieht er sich indes gehin-
dert, weil er damit von der Rechtsprechung des 5. Senats des Bundesarbeits-
gerichts abwiche.
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Der 5. Senat des Bundesarbeitsgerichts hat mit Beschluss vom 27. Feb-
ruar 2008 (5 AZB 43/07, ZIP 2008, 1499 f, z.V.b. in BAGE) entschieden, der
Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen sei eröffnet, wenn der Insol-
venzverwalter des Arbeitgebers vom Arbeitnehmer Rückzahlung der vor Insol-
venzeröffnung geleisteten Vergütung wegen Anfechtbarkeit der Erfüllungshand-
lung fordere. Nach dieser Rechtsprechung wäre die Rechtsbeschwerde zurück-
zuweisen. Daran ändert die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Eröffnung
des Insolvenzverfahrens nichts. Nach der Auffassung des Bundesarbeitsge-
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richts handelt es sich bei dem Anfechtungsrechtsstreit um einen Rechtsstreit
zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber aus dem Arbeitsverhältnis (§ 2 Abs. 1
Nr. 3 lit. a ArbGG), jedenfalls aber um eine Streitigkeit, die damit nach § 2
Abs. 1 Nr. 4 lit. a ArbGG in rechtlichem oder unmittelbar wirtschaftlichem Zu-
sammenhang steht (BAG, Beschl. v. 27. Februar 2008, aaO S. 1500 Rn. 8). Für
die Anwendung des § 2 ArbGG kommt es nicht darauf an, ob das Arbeitsver-
hältnis bei Anrufung der Gerichte noch besteht. Die Vorschrift findet in gleicher
Weise auf ehemalige Arbeitnehmer Anwendung (vgl. BT-Drucks. 8/1567,
S. 1567).
III.
Nach Auffassung des Senats ist die Vorlagefrage dahin zu beantworten,
dass die ordentlichen Gerichte zuständig sind.
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1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehört
der Anfechtungsrechtsstreit als bürgerlich-rechtliche Streitigkeit gemäß § 13
GVG vor die ordentlichen Gerichte (BGHZ 114, 315, 320 f; BGH, Beschl. v.
2. Juni 2005 - IX ZB 235/04, WM 2005, 1573, 1574; v. 27. Juli 2006 - IX ZB
141/05, ZIP 2006, 1603 f). Für die Bestimmung des Rechtswegs ist die Natur
des Rechtsverhältnisses entscheidend, aus dem der Klageanspruch hergeleitet
wird (GmS-OBG BGHZ 102, 280, 283). Ob der Insolvenzverwalter bestimmte
Rechtshandlungen anfechten und daraus einen Rückgewähranspruch herleiten
kann, ist nach den Rechtssätzen der Insolvenzordnung zu entscheiden. Der
Anfechtungsanspruch ist generell ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch, der die
materiellen Ordnungsvorstellungen des Insolvenzrechts gegenüber sämtlichen
Gläubigern nach Maßgabe der §§ 129 ff InsO durchsetzt. Grundsätzlich ver-
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drängt er insoweit die allgemeinen Regelungen etwa im Schuldrecht, im Han-
dels- und Arbeitsrecht sowie im Sozialversicherungs-, Steuer- und Abgaben-
recht. Es handelt sich mithin nach der Rechtsnatur der zu beurteilenden Ver-
hältnisse um einen Rechtsstreit im Sinne von § 13 GVG. Der Bundesgerichtshof
hatte sich zwar in der Vergangenheit noch nicht ausdrücklich mit der Frage des
Rechtswegs für eine gegen einen Arbeitnehmer gerichtete Anfechtungsklage zu
befassen. Die für die Zuordnung des Rechtswegs zu den ordentlichen Gerich-
ten im Verhältnis zur Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit maßgeblichen Erwä-
gungen (vgl. BGHZ 114, 315, 320 f; s. ferner Urt. v. 21. September 2006
- IX ZR 89/05, WM 2006, 2382, 2383 sowie BGH, Beschl. v. 2. Juni 2005
- IX ZB 235/04, aaO) gelten jedoch in gleicher Weise im Verhältnis zu den Ar-
beitsgerichten.
Für das Verhältnis zu den Finanzgerichten hat der Bundesgerichtshof
entschieden, dass dieser Anspruch nicht die Umkehrung des öffentlich-
rechtlichen Anspruchs auf Abgaben darstellt (BGHZ 114, 315, 320). Diese
Feststellung folgt nicht etwa aus dem Abgabenrecht, sondern aus dem materiel-
len Insolvenzrecht (ebenso zuletzt FG Münster ZInsO 2009, 256). Sie gilt des-
halb allgemein für das Verhältnis zwischen den Ansprüchen aus den zugrunde
liegenden Rechtsverhältnissen und dem Anfechtungsanspruch. Zwar hat der
vorlegende Senat mit Beschluss vom 27. Juli 2006 - IX ZB 141/05, ZIP 2006,
1603 f) entschieden, dass der Rechtsweg zu den Finanzgerichten eröffnet ist,
wenn eine Finanzbehörde den Anfechtungsanspruch durch Duldungsbescheid
geltend gemacht hat oder einen solchen Duldungsbescheid androht. Dies be-
ruht aber auf der neu gefassten Vorschrift des § 191 Abs. 1 Satz 2 AO, die eine
eindeutige Rechtswegzuweisung enthält. Für einen Insolvenzverwalter kommt
etwas Vergleichbares nicht in Betracht. Er kann insbesondere keinen Dul-
dungsbescheid erlassen.
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Auch arbeitsrechtliche Rechtshandlungen betreffende Anfechtungsan-
sprüche sind nicht die Umkehrung von Ansprüchen aus dem Arbeitsrecht (Kreft
ZInsO 2009, 578, 579; Barth EWiR 1995, 1157, 1158; Stiller EWiR 2008, 641,
642; Weitzmann EWiR 2008, 259, 260). Die Anfechtungsvoraussetzungen sind
vielmehr allein nach den besonderen Rechtssätzen der Insolvenzordnung zu
beurteilen (BGHZ 114, 315, 320 zur Konkursordnung).
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Der anfechtungsrechtliche Rückgewähranspruch ist von Ansprüchen aus
dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis wesensverschieden und folgt eige-
nen Regeln. Er verdrängt in seinem Anwendungsbereich die allgemeineren Re-
geln der zugrunde liegenden Rechtsverhältnisse und eröffnet dem Insolvenz-
verwalter eine Rückforderungsmöglichkeit, die nach dem außerhalb der Insol-
venz geltenden Recht dem Verfügenden selbst verwehrt ist (BGH, Urt. v.
11. Dezember 2008 - IX ZR 195/07, WM 2009, 179, 180 Rn. 15 z.V.b. in
BGHZ). Bei dem Rückgewähranspruch handelt es sich um einen originären ge-
setzlichen Anspruch (BGHZ 15, 333, 337; 83, 102, 105; BGH, Urt. v.
11. Dezember 2008 - IX ZR 195/07, aaO S. 180 f Rn. 15), der mit Insolvenzer-
öffnung entsteht (BGHZ 101, 286, 288; 130, 38, 40; 171, 38, 44 Rn. 20; BGH,
Beschl. v. 29. April 2004 - IX ZB 225/03, ZIP 2004, 1653, 1654) und der dem
Insolvenzverwalter vorbehalten ist, mit dessen Amt er untrennbar verbunden ist
(BGHZ 83, 102, 105; 86, 190, 196; 106, 127, 129; 118, 374, 381; 171, 38, 44
Rn. 20). Der Insolvenzverwalter handelt materiellrechtlich wie prozessual im
eigenen Namen und aus eigenem Recht, jedoch mit Wirkung für und gegen die
Masse; er wird dabei in Erfüllung der ihm durch die Insolvenzordnung auferleg-
ten gesetzlichen Verpflichtungen tätig (BGHZ 88, 331, 334; 100, 346, 351). Aus
der selbstständigen Natur des Anfechtungsanspruchs folgt zwingend, dass es
für seine gerichtliche Durchsetzung nicht darauf ankommen kann, welchen
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Rechtsweg der Anfechtungsgegner für die Durchsetzung seines ursprünglichen
Leistungsrechts hätte beschreiten müssen.
2. Diese Grundsätze sind bis zu der Entscheidung des 5. Senats des
Bundesarbeitsgerichts vom 27. Februar 2008 (aaO S. 1500) weder für die Kon-
kursordnung noch für das neue Insolvenzrecht in Frage gestellt worden.
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a) Bereits unter Geltung der Konkursordnung entsprach es nahezu ein-
helliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, dass die Arbeitsgerichte
für gegen Arbeitnehmer gerichtete anfechtungsrechtliche Klagen auf Rückge-
währ nicht zuständig sind (KG ZIP 1996, 1097; LG Bonn ZIP 1998, 1726 f; LAG
Schleswig-Holstein ZIP 1995, 1756 f; ArbG Rheine AP Nr. 2 zu § 30 KO; Jae-
ger/Henckel, KO 9. Aufl. § 37 Rn. 139; Kuhn/Uhlenbruck, KO 11. Aufl. § 29
Rn. 56; Kilger/K. Schmidt, Insolvenzgesetze 17. Aufl. § 29 KO Anm. 22;
Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht 12. Aufl.
Bd. II Rn. 20.19; Friedrich Weber Anm. AP Nr. 1 zu § 29 KO; Barth aaO
S. 1157 f). Der Übergang vom Konkursrecht zum neuen Insolvenzrecht hat an
dem Meinungsstand nichts geändert. In den Materialien zur Insolvenzordnung
wird die Frage des Rechtswegs nicht ausdrücklich angesprochen. Hierzu be-
stand auch kein Grund, weil die Rechtsfrage geklärt war. Aus der Begründung
des Regierungsentwurfs ergibt sich, dass die Insolvenzordnung in § 129 Abs. 1
(§ 144 RegE) ohne inhaltliche Änderungen die Regelungen der §§ 29, 36 KO
übernommen hat (BT-Drucks. 12/2443 S. 157). Da unter der Konkursordnung
die Frage des Rechtswegs nicht umstritten war, ging der Gesetzgeber von der
Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte als selbstverständlich aus (vgl. Kreft
ZInsO 2009, 578, 579). Gleiches gilt für den Gesetzgeber des neuen Anfech-
tungsgesetzes, der sich die vom Bundesgerichtshof (BGHZ 114, 315, 319 f)
vertretene Auffassung ebenfalls zu Eigen gemacht hat, wonach der konkurs-
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rechtliche Rückgewähranspruch nicht die Umkehrung des Leistungsanspruchs
ist. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 7 AnfG in der ab dem
1. Januar 1999 geltenden Fassung war der Anfechtungsanspruch deshalb
selbst dann, wenn der Gläubiger eine Finanzbehörde war, die eine Steuerfor-
derung verfolgte, gegenüber dem Anfechtungsgegner vor den ordentlichen Ge-
richten geltend zu machen; die Geltendmachung durch Duldungsbescheid soll-
te ausgeschlossen sein (BT-Drucks. 12/3803, S. 57; hierzu Kreft ZInsO 2009,
578 f).
b) Nach Inkrafttreten der Neuregelungen entsprach es bis zu dem Be-
schluss des Bundesarbeitsgerichts vom 27. Februar 2008 (aaO S. 1500) eben-
falls der ganz überwiegenden Auffassung, dass gegen Arbeitnehmer gerichtete
Klagen aus Insolvenzanfechtung vor die ordentlichen Gerichte gehören (LAG
Rheinland-Pfalz NZI 2005, 644; AG Gera ZIP 2007, 2231 f; MünchKomm-
InsO/Kirchhof, 2. Aufl. § 146 Rn. 30; HK-InsO/Kreft, 4. Aufl. § 129 Rn. 94;
Jaeger/Henckel, InsO § 143 Rn. 169; FK-InsO/Dauernheim, 4. Aufl. § 143
Rn. 45; HmbKomm-InsO/Rogge, 2. Aufl. § 143 Rn. 110; Braun/de Bra, InsO
3. Aufl. § 129 Rn. 49; Paulus in Kübler/Prütting, InsO § 143 Rn. 41; Nerlich/
Römermann, InsO § 129 Rn. 120; Uhlenbruck/Hirte, InsO 12. Aufl. § 143
Rn. 63; Hess/Weis, Anfechtungsrecht 2. Aufl. § 129 Rn. 99 f; Kissel/Mayer,
GVG 5. Aufl. § 13 Rn. 176, 372a; Bork/Jacoby, Handbuch des Insolvenzanfech-
tungsrechts (2006) S. 472; Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch, 3. Aufl.
§ 51 Rn. 30; Häsemeyer, Insolvenzrecht 3. Aufl. Rn. 21.106; Zeuner, Die An-
fechtung in der Insolvenz, 2. Aufl. Rn. 522; Schwab/Weth/Walker, ArbGG
2. Aufl. § 2 Rn. 96; Ziemann in Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommen-
tar 3. Aufl. § 2 Rn. 72; ErfK-ArbR/Müller-Glöge, 8. Aufl. InsO Einführung Rn. 25;
Tschöpe/Rolfs, Anwalts-Handbuch Arbeitsrecht 5. Aufl. S. 2434; Ries ZInsO
2007, 1037 [bei Fußn. 1]; Reichold EWiR 2004, 299, 300; Zenker NJW 2008,
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1038, 1039; a.A. nur LAG Thüringen, Beschl. v. 6. Februar 2008 - 1 Ta 157/07,
n.v.; Zwanziger, Das Arbeitsrecht der InsO 3. Aufl. Einführung Rn. 327; ders.
BB 2007, 42, 46). Hiervon geht auch die Bundesregierung in ihrer Antwort auf
eine Kleine Anfrage aus (BT-Drucks. 16/6488, S. 5).
3. Der Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 27. Februar 2008 (aaO
S. 1500) weicht von dieser als geklärt geltenden Frage ab (Kreft ZInsO 2009,
578, 579 f; Kirchhof aaO S. 1293; Humberg ZInsO 2008, 487, 491; Weitzmann
EWiR 2008, 259). Die in der Entscheidung vertretene Auffassung ist mehrheit-
lich auf Ablehnung gestoßen (HK-InsO/Kreft, 5. Aufl. § 129 Rn. 97; FK-InsO/
Dauernheim, 5. Aufl. § 143 Rn. 45; Jacoby in Kübler/Prütting/Bork, InsO § 143
Anh. Rn. 3; Gerhardt in FS für Karsten Schmidt (2009), 457, 460; Kreft ZInsO
2009, 578, 580 ff; Kirchhof aaO S. 1294 f; Stiller EWiR 2008, 641 f; Weitzmann
EWiR 2008, 259, 260; Humberg aaO S. 490 f; Bork ZIP 2008, 1041, 1049; Ries
FD-InsR 2008 256843; zustimmend hingegen LG Essen ZVI 2008, 539 f; ArbG
Marburg ZIP 2008, 2432; ErfK-ArbR/Koch, 9. Aufl. § 3 ArbGG Rn. 3; ErfK-
ArbR/Müller-Glöge, aaO Einführung InsO Rn. 25; Berkowsky NZI 2008, 422;
ders. NZI 2008, 669, 671; Cranshaw jurisPR-InsR 23/2008 unter C. 1.). Die
Entscheidung kann sich nicht auf Gründe stützen, die es rechtfertigen könnten,
von der Rechtswegzuständigkeit der ordentlichen Gerichte abzurücken.
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Die Zuständigkeitsordnung geht in Bezug auf bürgerliche Rechtsstreitig-
keiten von der in § 13 GVG verankerten Allzuständigkeit der ordentlichen Ge-
richte aus. Die Arbeitsgerichte sind danach nur zuständig, wenn der Rechts-
streit zu einer der enumerativ aufgezählten Fallgruppen des § 2 ArbGG gehört
(vgl. Schwab/Weth/Walker, aaO § 2 Rn. 5; Ziemann in Henssler/Willemsen/
Kalb, aaO § 2 Rn. 3; Düwell/Lipke/Krasshöfer, ArbGG 2. Aufl. § 2 Rn. 2). Der
Anfechtungsrechtsstreit unterfällt keinem dieser Tatbestände (dazu unter a
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und b). Es handelt sich auch nicht um einen Rechtsstreit, den der Insolvenz-
verwalter gemäß § 3 ArbGG als Rechtsnachfolger des Arbeitgebers führt (dazu
unter c).
a) Der Anfechtungsrechtsstreit zwischen Insolvenzverwalter und Arbeit-
nehmer ist keine Rechtsstreitigkeit aus dem Arbeitsverhältnis (§ 2 Abs. 1 Nr. 3
lit. a ArbGG).
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aa) Das Bundesarbeitsgericht führt aus (Beschl. v. 27. Februar 2008,
aaO S. 1500 Rn. 9), die Insolvenzanfechtung begründe zwar ein gesetzliches
Schuldverhältnis, dieses sei aber auf die Rückabwicklung einer arbeitsrechtli-
chen Leistungsbeziehung gerichtet. Der Masse solle wieder zugeführt werden,
was ihr im Rahmen der arbeitsrechtlichen Austauschbeziehung zwischen dem
späteren Schuldner und dem Arbeitnehmer in anfechtbarer Weise entzogen
worden sei. Der Kläger fordere Erstattung von Lohnzahlungen an die Masse
und damit an das dem Insolvenzverfahren unterliegende Vermögen des Ver-
tragsarbeitgebers, der die streitigen Lohnzahlungen erbracht habe. Der Verwal-
ter erhebe zwar einen Zahlungsanspruch, den der Vertragsarbeitgeber nicht auf
die hier einschlägige Anspruchsgrundlage stützen könnte, doch gehe es bei
wirtschaftlicher Betrachtung um die Rückabwicklung einer ansonsten wirksa-
men Erfüllungshandlung des Arbeitgebers in einem Arbeitsverhältnis. Der im
Rechtsstreit erhobene Anspruch bestimme sich nach Regelungen der Insol-
venzordnung, die zwar für alle Rechtsverhältnisse des Schuldners gälten, aber
eine Mehrzahl unbestimmter Rechtsbegriffe enthielten, deren Anwendung durch
spezifisch arbeitsrechtliche Fragestellungen beeinflusst werde.
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bb) Diese Begründung ist unzutreffend. Die Argumentation, das durch
die Insolvenzanfechtung begründete gesetzliche Schuldverhältnis sei auf die
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Rückabwicklung einer arbeitsrechtlichen Leistungsbeziehung gerichtet, ver-
kennt, dass die Insolvenzanfechtung gegenüber dem schuldrechtlichen, hier
arbeitsrechtlichen Leistungsrecht abstrahiert.
(1) Der anfechtungsrechtliche Rückgewähranspruch aus § 143 InsO stellt
- wie ausgeführt - einen originären gesetzlichen Anspruch des Insolvenzverwal-
ters dar, der mit dessen Amt untrennbar verbunden ist und mit Beendigung des
Insolvenzverfahrens erlischt. Die Rückgewährpflicht des Arbeitnehmers hat ihre
Grundlage nicht im Arbeitsrecht, sondern allein im (materiellen) Insolvenzrecht
(vgl. KG aaO S. 1097; LAG Schleswig-Holstein aaO S. 1757; LAG Rhein-
land-Pfalz aaO S. 644; AG Gera aaO S. 2232; ArbG Rheine AP Nr. 2 zu § 30
KO; Uhlenbruck/Hirte, aaO § 143 Rn. 63; Kilger/K. Schmidt, aaO § 29 KO
Anm. 22; Hess/Weis, aaO § 129 Rn. 99; Gerhardt, aaO S. 464; Barth aaO
S. 1158; Humberg aaO S. 490; Stiller aaO S. 642). Die §§ 129 ff InsO begrün-
den ein gesetzliches Schuldverhältnis ohne jede Rücksicht auf ein in der Insol-
venz fortbestehendes oder ein früheres Arbeitsverhältnis zum Insolvenzschuld-
ner (BAGE 108, 367, 373). Normadressaten dieses Schuldverhältnisses sind
weder der Insolvenzverwalter gerade auch in seiner Arbeitgeberfunktion noch
die Gläubiger gerade auch als Arbeitnehmer (BAGE 108, 367, 374). Zwar erge-
ben sich die Voraussetzungen der Anfechtung nach §§ 129 ff InsO aus Sach-
verhalten, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegen, doch bilden
diese nur den tatbestandlichen Anknüpfungspunkt für den erst mit Verfahrens-
eröffnung entstehenden Rückgewähranspruch aus § 143 InsO (BGHZ 171, 38,
44, Rn. 20, 22; Humberg aaO S. 490). Dies gilt auch für die Tatbestände der
Deckungsanfechtung (§§ 130, 131 InsO). Insoweit besteht nur ein äußerlicher,
weil zufälliger Bezug (Kreft ZInsO 2009, 578, 582). Demgemäß finden arbeits-
oder tarifvertragliche Verfallklauseln auf den anfechtungsrechtlichen Rückge-
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währanspruch keine Anwendung (BAGE 108, 367, 373 f; MünchKomm-
InsO/Kirchhof, aaO Rn. 5).
Der Sonderrechtscharakter der Insolvenzanfechtung zeigt sich auch bei
einem Vergleich des Anfechtungsanspruchs mit einem Anspruch aus unge-
rechtfertigter Bereicherung. Allein bei einem Bereicherungsanspruch träfe die
Annahme des Bundesarbeitsgerichts zu, es handle sich um die Rückabwicklung
einer arbeitsrechtlichen Leistungsbeziehung. Macht der Insolvenzverwalter et-
wa nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitge-
bers die Rückforderung von überzahltem Arbeitslohn geltend (§ 812 Abs. 1
Satz 1 BGB), so handelt es sich um einen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis.
Insoweit ist der Insolvenzverwalter an die für den Arbeitgeber (Schuldner) gel-
tenden Beschränkungen des Anspruchs (z.B. nach § 814 BGB) gebunden (vgl.
BGH, Urt. v. 11. Dezember 2008 - IX ZR 195/07, aaO S. 180 Rn. 15 m.w.N.).
Im Unterschied hierzu eröffnet die Insolvenzanfechtung dem Verwalter eine
durch das Insolvenzereignis begründete besondere Rückforderungsmöglichkeit,
die nach dem allgemeinen Recht dem Arbeitgeber (Schuldner) selbst verwehrt
ist (vgl. BGH, Urt. v. 11. Dezember 2008 - IX ZR 195/07, aaO; Bork, Handbuch
des Insolvenzanfechtungsrechts (2006) S. 154; Gerhardt ZIP 1991, 273, 283).
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(2) Selbst bei einer rein wirtschaftlichen Betrachtung handelt es sich nicht
um die Rückabwicklung einer arbeitsrechtlichen Leistungsbeziehung. Von einer
solchen kann nur die Rede sein, wenn diese zwischen den Parteien des ur-
sprünglichen Leistungsverhältnisses erfolgte. Dies ist bei der Insolvenzanfech-
tung nicht der Fall.
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(a) Das Bundesarbeitsgericht erkennt an, dass der Vertragsarbeitgeber
einen Anspruch niemals auf Insolvenzanfechtung stützen kann, beantwortet
sodann aber nicht die Frage, warum es sich gleichwohl um einen Anspruch aus
dem Arbeitsverhältnis handeln soll (vgl. Gerhardt in FS für Karsten Schmidt
S. 460). Allein mit dem Hinweis auf eine "wirtschaftliche Betrachtungsweise"
kann nicht überspielt werden, dass im Falle der Insolvenz die in §§ 129 ff InsO
verankerten besonderen Verteilungsmaßstäbe die allgemeinen verdrängen, die
außerhalb der Insolvenz gelten. An dem durch die Insolvenz begründeten neu-
en gesetzlichen Schuldverhältnis ist der Arbeitgeber wirtschaftlich nicht beteiligt.
Obgleich der Insolvenzverwalter im Interesse der Masse handelt, welche das
dem Insolvenzverfahren unterliegende Vermögen des Arbeitgebers umfasst,
handelt er damit nicht zwangsläufig in dessen Interesse. Mittelbar richtet sich
die Insolvenzanfechtung im Gegenteil sogar häufig gegen den Arbeitgeber, weil
dieser in der wirtschaftlichen Krise solche Gläubiger bevorzugt bedienen wird,
von denen er sich wirtschaftlich persönliche Vorteile verspricht (Kirchhof aaO
S. 1294). Die Insolvenzanfechtung dient somit allein den Interessen der Insol-
venzgläubiger (BGHZ 83, 102, 105; Kreft ZInsO 2009, 578, 582; Kirchhof aaO
S. 1294; Ries aaO; Schlussantrag des Generalanwalts Colomer, Rs C-339/07,
ZIP 2008, 2082, 2087 Rn.
56; vgl. auch Art. 18 Abs. 2 Satz 2
EuInsVO). Diese stehen außerhalb der rechtlichen und wirtschaftlichen Bezie-
hungen, die der Insolvenzschuldner zu seinen Arbeitnehmern begründet hat.
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(b) Die Zuweisung der materiell den Insolvenzgläubigern zustehenden
Anfechtungsansprüche zur Masse, die als Sondervermögen dem Schuldner
(Arbeitgeber) zugeordnet bleibt, beruht allein auf verfahrensrechtlichen Zweck-
mäßigkeitserwägungen, insbesondere dem Umstand, dass die Masse nicht mit
Rechtsfähigkeit ausgestattet ist (Gerhardt, aaO S. 460; Kreft aaO S. 581). Hier-
aus ist aber nicht etwa zu folgern, das Anfechtungsrecht solle mittelbar der
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- 15 -
Mehrung des Schuldnervermögens dienen (Kreft aaO S. 581 f). Die Zugehörig-
keit des Anfechtungsanspruchs zur Masse kann deshalb die ausschließlich in-
solvenzrechtliche Natur dieses Anspruchs nicht in Frage stellen (Kreft aaO
S. 582).
(3) Nicht durchgreifend ist die weitere Erwägung des Bundesarbeitsge-
richts, die Regelungen der Insolvenzordnung enthielten eine Mehrzahl unbe-
stimmter Rechtsbegriffe, deren Anwendung durch spezifisch arbeitsrechtliche
Fragestellungen beeinflusst werde.
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(a) Die Zuständigkeitsregelung der §§ 2 ff ArbGG bezieht sich nach an-
erkannter Rechtsauffassung auf den prozessualen Streitgegenstand und nicht
auf Art und Schwierigkeit etwaiger Vorfragen, zumal es auch keinen Erfah-
rungssatz gibt, welche Vorfragen aus welchem Rechtsgebiet sich voraussicht-
lich stellen werden (BAGE 53, 317, 322). Ist für den Streitgegenstand die Zu-
ständigkeit der ordentlichen Gerichte begründet, ist es deshalb unerheblich, ob
sich Vorfragen stellen, die - isoliert betrachtet - einem anderen Rechtsweg zu-
zuordnen wären (vgl. GmS-OGB BGHZ 102, 280, 283).
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(b) Im Übrigen trifft der Hinweis auf die "spezifisch arbeitsrechtlichen
Fragestellungen" auch in der Sache nicht zu und ist schon aus diesem Grunde
nicht geeignet, eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit unter den Ge-
sichtspunkten der Sachkunde, der Sachnähe oder des Sachzusammenhangs
(vgl. GmS-OGB, Beschl. v. 4. Juni 1974 - GmS OGB 2/73, NJW 1974, 2087,
2088; BGHZ (GrSen) 67, 81, 87 f; BGHZ 43, 34, 40; 57, 130, 136; 89, 250, 252;
BFHE 55, 277, 282 f; Gerhardt JZ 1990, 961, 962) zu begründen. Das Bundes-
arbeitsgericht legt nicht dar, welche Rechtsbegriffe des Insolvenzanfechtungs-
rechts durch arbeitsrechtliche Fragen beeinflusst werden könnten. Vorstellbar
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ist dies wohl nur bei der Frage, ob im Rahmen einer Deckungs-
oder Vorsatzanfechtung eine kongruente (§ 130 InsO) oder eine inkongruente
(§ 131 InsO) Sicherung oder Erfüllung vorliegt. Für die Beantwortung dieser
Frage kann es - auch - auf den Inhalt und die Auslegung des Arbeitsvertrages,
etwa was die vereinbarten Zahlungsmodalitäten angeht, ankommen. Diese hat
sich allerdings an spezifisch insolvenzrechtlichen Grundsätzen auszurichten, für
die das besondere Ziel einer gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubi-
ger maßgeblich ist. Für eine Auslegung, die durch "spezifisch arbeitsrechtliche
Fragestellungen" entscheidend beeinflusst wird (vgl. BAG, Beschl. v. 27. Feb-
ruar 2008, aaO Rn. 9 a.E.), ist angesichts des Umstandes, dass in der Insol-
venz die Ordnungsvorstellungen des Insolvenzrechts diejenigen des schuld-
rechtlichen Leistungsrechts verdrängen, kein Raum. Wäre dies anders, könnten
mit Recht auch andere Leistungsempfänger, die einem Anfechtungsanspruch
ausgesetzt sind, eine sie schützende "spezifische Auslegung" für sich in An-
spruch nehmen, etwa Kleingewerbetreibende und Handwerker, die Leasing-
oder Versicherungswirtschaft oder der Kreis der öffentlichen Gläubiger. Die
Förderung von Partikularinteressen im Wege der Auslegung unbestimmter
Rechtsbegriffe ginge in allen Fällen zu Lasten der Gemeinschaft der Insolvenz-
gläubiger; dies wäre mit dem die gesamte Insolvenzordnung beherrschenden
Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung (§ 1 InsO; vgl. Amtliche Begründung
zum Regierungsentwurf der Insolvenzordnung, BT-Drucks. 12/2443 S. 90) nicht
zu vereinbaren.
(c) Für die meisten Fragen, von denen die Begründetheit oder Unbe-
gründetheit des Anfechtungsanspruchs gegen einen Arbeitnehmer abhängt,
besteht ohnehin kein Zusammenhang mit einem Rechtsgebiet, welches außer-
halb der Insolvenz in den Zuständigkeitsbereich der Gerichte für Arbeitssachen
fallen kann. Dies gilt insbesondere für die Bestimmung des maßgeblichen Zeit-
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punkts einer Rechtshandlung (§ 140 InsO), der Berechnung der Fristen vor dem
Insolvenzantrag (§ 139 InsO), die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit oder
Zahlungseinstellung (vgl. z.B. § 17 Abs. 2, § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 131
Abs. 1 Nr. 2 InsO) und der subjektiven Voraussetzungen der einzelnen Anfech-
tungstatbestände (vgl. z.B. § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2, § 131
Abs. 1 Nr. 3, § 133 Abs. 1 Satz 1 und 2 InsO). Gleiches gilt etwa für die Beurtei-
lung als anfechtbare Rechtshandlung im Anwendungsbereich der §§ 130 f InsO
oder des § 133 Abs. 1 InsO. Diese Voraussetzungen bestimmen sich nach rein
insolvenzrechtlichen Maßstäben; eine Unterscheidung nach den Parteien des
Ausgangsrechtsverhältnisses wäre von vornherein unzulässig, weil systemwid-
rig. Die Herstellung der Rechtseinheit bei der Anwendung dieser Vorschriften,
die den Kern des Insolvenzanfechtungsrechts ausmachen, wäre in hohem Ma-
ße erschwert, wenn es zu einer Rechtswegzersplitterung käme.
b) Der insolvenzrechtliche Anfechtungsanspruch steht nicht in einem
rechtlichen oder unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Ar-
beitsverhältnis (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 lit. a ArbGG). Von einem rechtlichen Zusam-
menhang mit dem Arbeitsverhältnis geht offenbar auch das Bundesarbeitsge-
richt nicht aus, welches sich lediglich auf eine wirtschaftliche Betrachtung stützt
(Beschl. v. 27. Februar 2008, aaO S. 1500 Rn. 9). Die zweite Variante scheidet
ebenfalls aus, weil - wie ausgeführt - keine Rückabwicklung einer arbeitsrechtli-
chen Leistungsbeziehung in Rede steht.
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aa) Abgesehen von dem Erfordernis der Unmittelbarkeit lässt es der
Wortlaut der Vorschrift zu, dass ein irgendwie gearteter wirtschaftlicher Zu-
sammenhang mit dem Arbeitsverhältnis für ihre Anwendung ausreicht. Diesem
Verständnis stehen jedoch der Grundsatz des § 13 GVG und das Enumerati-
onsprinzip des § 2 ArbGG entgegen, welches die Sonderzuweisungen an die
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Arbeitsgerichtsbarkeit abschließend bezeichnet. Die Vorschrift kann daher nicht
in einer Weise ausgelegt werden, die das Enumerationsprinzip aufweicht und
Ausnahmetatbeständen eine unberechenbare Ausweitungstendenz verleiht.
Nach der Entstehungsgeschichte hat § 2 Abs. 1 Nr. 4 lit. a ArbGG des-
halb nur eine klarstellende Funktion. Die durch Gesetz vom 21. Mai 1979
(BGBl. I S. 545) eingeführte Vorschrift sollte im Wesentlichen absichern, dass
die Arbeitsgerichte auch für Streitigkeiten aus der betrieblichen Altersversor-
gung zuständig sind (BT-Drucks. 8/1567, S. 26). Dies entsprach allerdings oh-
nehin schon dem Stand der Rechtsprechung (BGHZ 16, 339, 340 f; BAGE 19,
100, 103). Nach der Begründung des Regierungsentwurfs verfolgte die Vor-
schrift im Übrigen den Zweck, die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte aus Grün-
den des sachlichen Zusammenhangs geringfügig zu erweitern (BT-Drucks.
8/1567, S. 26). Dies steht einer generalklauselartigen Ausdehnung der Vor-
schrift entgegen.
33
bb) In Literatur und Rechtsprechung wird dem eingeschränkten Anwen-
dungsbereich dadurch Rechnung getragen, dass der Begriff des wirtschaftli-
chen Zusammenhangs eng ausgelegt wird. Von den Arbeitsgerichten sollen
auch bürgerliche Rechtsstreitigkeiten entschieden werden, die zwar nicht unmit-
telbar dem Arbeitsverhältnis, wohl aber Nebenabreden entspringen, die ihren
Ursprung in dem zugrunde liegenden Austauschverhältnis zwischen Arbeit und
Entgelt haben und ohne dieses nicht zustande gekommen wären (OLG Karls-
ruhe NJW-RR 1992, 562 f; Schwab/Weth/Walker, aaO § 2 Rn. 131; Matthes in
Germelmann/Matthes/Müller-Glöge/Prütting, ArbGG 6. Aufl. § 2 Rn. 84). Bei-
spiele sind Streitigkeiten über einen Preisnachlass für einen Arbeitnehmer bei
einem Wareneinkauf bei dem Arbeitgeber (OLG Karlsruhe NJW-RR 1992,
562 f), Darlehensverträge zu Sonderkonditionen und die Nutzung von Einrich-
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tungen des Arbeitgebers (Schwab/Weth/Walker, aaO § 2 Rn. 131; Matthes in
Germelmann/Matthes/Müller-Glöge/Prütting, aaO; Ziemann in Henssler/
Willemsen/Kalb, § 2 Rn. 95).
Hingegen ist bislang noch nirgendwo vertreten worden, dass ein Rechts-
streit über insolvenzrechtliche Anfechtungsansprüche gegen einen Arbeitneh-
mer mit dem Arbeitsverhältnis zwischen dem Insolvenzschuldner und dem Ar-
beitnehmer in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stände. Dieses
Ergebnis ließe sich auch mit den gängigen Auslegungsmethoden nicht begrün-
den und wäre objektiv willkürlich (Kreft, aaO S. 582).
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c) Entgegen der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts fehlt es schließ-
lich an den Voraussetzungen des § 3 ArbGG.
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aa) Das Bundesarbeitsgericht meint (Beschl. v. 27. Februar 2008, aaO
S. 1500 Rn. 7), der Insolvenzverwalter handele als Rechtsnachfolger des insol-
venten Vertragsarbeitgebers (§ 3 ArbGG). Nach § 80 InsO gehe das Verwal-
tungs- und Verfügungsrecht auf den Insolvenzverwalter über. Die Vorschrift des
§ 108 Abs. 1 InsO stelle klar, dass Dauerschuldverhältnisse, insbesondere auch
die dort ausdrücklich genannten Dienstverhältnisse, mit Wirkung für die Insol-
venzmasse fortbestünden. Bei der Anfechtung einer Vergütungszahlung hande-
le der Insolvenzverwalter im Interesse der Masse, nämlich des dem Insolvenz-
beschlag unterliegenden Vermögens des Arbeitgebers. Damit sei der Insol-
venzverwalter dessen Rechtsnachfolger. Die Rechtsprechung gehe bereits seit
Jahren davon aus, der Begriff des Rechtsnachfolgers sei nicht streng wörtlich,
sondern in einem weiten Sinne zu verstehen. Es sei nicht erforderlich, dass der
Rechtsnachfolger an die Stelle des ursprünglichen Schuldners getreten sei,
sondern es genüge die Erhebung oder Abwehr einer Forderung anstelle des
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Arbeitgebers oder Arbeitnehmers, unabhängig davon, ob der jeweilige Arbeit-
nehmer oder Arbeitgeber unter denselben tatsächlichen Voraussetzungen die
Leistung fordern könnte oder sie schuldete oder für sie haften müsste.
bb) Die aus §§ 80, 108 Abs. 1 InsO gezogene Schlussfolgerung des
5. Senats des Bundesarbeitsgerichts, der Insolvenzverwalter sei Rechtsnach-
folger des Arbeitgebers, kann nicht so gemeint sein, als gehe das Gericht von
einer Rechtsnachfolge im wörtlichen Sinn aus. Eine solche liegt nur dann vor,
wenn die Pflichten des Schuldners oder die Rechte des Gläubigers kraft Geset-
zes oder Rechtsgeschäfts von einer Person auf eine andere übergehen
(Schwab/Weth/Walker, aaO § 3 Rn. 4; BAG, Beschl. v. 20. März 2002 - 5 AZB
25/01, ZIP 2002, 992). Das Bundesarbeitsgericht erkennt an, dass der Insol-
venzverwalter einen Zahlungsanspruch erhebt, der in der Person des Vertrags-
arbeitgebers niemals entstehen kann (Beschl. v. 27. Februar 2008, aaO
S. 1500 Rn. 9). Der Insolvenzverwalter kann schon deshalb nicht als Rechts-
nachfolger des Arbeitgebers angesehen werden.
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(1) Die zu § 3 ArbGG veröffentlichte Rechtsprechung versteht den Begriff
des Rechtsnachfolgers allerdings in einem weiten Sinne (BAGE 53, 317, 321;
94, 52, 56; 106, 10, 12; BAG, Urt. v. 23. Oktober 1990 - 3 AZR 23/90, AP Nr. 18
zu § 2 ArbGG 1979; BAG, Beschl. v. 13. Juni 1997 - 9 AZB 38/96, ZIP 1997,
1850, 1851; v. 9. Juli 2003 - 5 AZB 34/03, ZIP 2003, 1617, 1618; BGH, Beschl.
v. 16. November 2006 - IX ZB 57/06, ZIP 2007, 94, 95 Rn. 9; a.A. BAGE 70,
350, 351, 355). Die entschiedenen Fälle sind jedoch sämtlich durch einen un-
mittelbaren Bezug zum Arbeitsrecht gekennzeichnet. Dies gilt insbesondere für
den Beschluss des vorlegenden Senats vom 16. November 2006 (aaO). Dort
hatte der beklagte Insolvenzverwalter, der von dem klagenden Arbeitnehmer
persönlich aus § 61 InsO wegen Nichterfüllung einer Masseverbindlichkeit in
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Anspruch genommen worden war, gemäß § 113 InsO die Kündigung des Ar-
beitsverhältnisses ausgesprochen und in dem Kündigungsschutzprozess einem
Abfindungsvergleich zugestimmt, die versprochene Abfindung jedoch nicht ge-
zahlt, sondern Masseunzulänglichkeit angezeigt. In einem solchen Fall haftet
der Insolvenzverwalter dem Arbeitnehmer nach Maßgabe des § 61 InsO nicht
als Rechtsnachfolger des Arbeitgebers, sondern wegen des eigenen, arbeits-
rechtlichen Vertragsschlusses, den er bei pflichtgemäßem Verhalten hätte un-
terlassen müssen. Die Haftung trifft den Insolvenzverwalter, der den Kündi-
gungsschutzprozess "an Stelle des Arbeitgebers" führt (BGH, Beschl. v.
16. November 2006, aaO S. 95 Rn. 9).
Im Streitfall müsste zudem ein nach § 3 ArbGG anzuerkennender Fall
der Rechtsnachfolge auf Gläubigerseite anzunehmen sein, um die Zuständig-
keit der Gerichte für Arbeitssachen begründen zu können. In sämtlichen hierzu
ergangenen Entscheidungen stand die arbeitsrechtliche Natur des Anspruchs
nicht in Streit; deren Fehlen ist vor der Entscheidung des 5. Senats des Bun-
desarbeitsgerichts vom 27. Februar 2008 (aaO S. 1500) niemals durch die An-
wendung des § 3 ArbGG überspielt worden. Eine Rechtsnachfolge auf Gläubi-
gerseite wurde bei einem Vertrag zugunsten Dritter bejaht, wenn ein Hinterblie-
bener des Arbeitnehmers Ansprüche aus einer zwischen den Parteien des Ar-
beitsvertrages geschlossenen Versorgungszusage geltend machte (BGHZ 16,
339, 340 f; BAGE 19, 100, 103; vgl. jetzt die ausdrückliche Regelung in § 2
Abs. 1 Nr. 4 ArbGG). Entsprechend wurde der Vertrag mit Schutzwirkung für
Dritte als Beispiel für Rechtsnachfolge auf Gläubigerseite genannt (BAGE 94,
52, 56; Urt. v. 23. Oktober 1990 - 3 AZR 23/90, aaO; Schwab/Weth/Walker,
aaO § 3 Rn. 18). Eine Rechtsnachfolge wurde schließlich in dem Sonderfall
angenommen, dass der vermeintliche Arbeitgeber Leistungen zurückforderte,
die er irrtümlich in der Annahme erbracht hatte, ein Beschäftigungsverhältnis
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sei von der Deutschen Reichsbahn auf die Deutsche Bahn AG übergegangen
(Beschl. v. 28. Oktober 1997 - 9 AZB 34/97, AP Nr. 56 zu § 2 ArbGG).
(2) Der vorliegende Fall ist damit nicht vergleichbar. Die in dem Be-
schluss vom 27. Februar 2008 (aaO, S. 1500 Rn. 7) vom 5. Senat des Bundes-
arbeitsgerichts vertretene Auffassung, eine Rechtsnachfolge sei unabhängig
davon anzunehmen, ob der jeweilige Arbeitgeber oder Arbeitnehmer unter den-
selben tatsächlichen Voraussetzungen die Leistung fordern könnte oder sie
schuldete oder für sie haften müsste, lässt sich deshalb aus der zu § 3 ArbGG
ergangenen Rechtsprechung nicht ableiten. Bei einer noch weiteren Ausdeh-
nung der für eine Rechtsnachfolge entwickelten Grundsätze müsste der An-
spruch jedenfalls an die Stelle eines Anspruchs des Vertragsarbeitgebers treten
oder neben ihm geltend gemacht werden können. Auch das ist nicht der Fall.
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Bei anderen Ansprüchen, die originär in der Person eines Dritten entste-
hen, wird eine zuständigkeitsbegründende Rechtsnachfolge nach § 3 ArbGG
selbst dann verneint, wenn ein Bezug zum Arbeitsrecht besteht. So haben über
Rückgriffsansprüche der Sozialversicherungsträger nach §§ 110, 104 SGB VII
(früher §§ 640, 636 RVO) auch dann die ordentlichen Gerichte und nicht die
Arbeitsgerichte zu entscheiden, wenn Ansprüche gegen einen Arbeitgeber gel-
tend gemacht werden, der einen Arbeitnehmer geschädigt hat (BGH, Urt. v.
30. April 1968 - VI ZR 32/67, NJW 1968, 1429). Hierbei handelt es sich eben-
falls um originäre, nicht aus dem Anspruch des Geschädigten abgeleitete An-
sprüche der Sozialversicherungsträger (Lauterbach/Dahm, Unfallversicherung
SGB VII 4. Aufl. § 110 Rn. 4; Schmitt, SGB VII 3. Aufl. § 110 Rn. 4). Soweit er-
sichtlich wird nicht vertreten, dass die Arbeitsgerichte für diese Streitigkeiten
zuständig seien (Schwab/Weth/Walker, aaO § 3 Rn. 9; Kissel/Mayer, aaO § 13
Rn. 132; für Zuständigkeit der Sozialgerichte: Matthes in Germelmann/Matthes/
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Müller-Glöge/Prütting, aaO § 3 Rn. 7; Kalb in Henssler/Willemsen/Kalb, aaO § 3
Rn. 2). Die Parallele zu den eine Rechtsnachfolge auslösenden Fällen des For-
derungsübergangs, etwa nach §
115 SGB
X (weitere Beispiele bei
Schwab/Weth/Walker, aaO § 3 Rn. 8), wird nicht gezogen. Vielmehr wird der
Inhaber eines originären gesetzlichen Anspruchs auch bei weitester Auslegung
nicht als Rechtsnachfolger einer der Parteien des Arbeitsverhältnisses angese-
hen (Schwab/Weth/Walker, aaO § 3 Rn. 9). Eine Rechtsnachfolge ist schließ-
lich nicht gegeben, wenn die Bundesanstalt für Arbeit Konkursausfallgeld für die
Arbeitnehmer gezahlt hat und die persönlich haftenden Gesellschafter der Ar-
beitgeberin auf Schadensersatz aus § 826 BGB in Anspruch nimmt, weil diese
vorsätzlich verspätet den Konkursantrag gestellt hätten (BAG, Beschl. v.
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20. März 2002 - 5 AZB 25/01, aaO S. 992). Auch dieser Schadensersatzan-
spruch ist nicht mit den Ansprüchen der Arbeitnehmer aus § 611 BGB identisch
(BAG, Beschl. v. 20. März 2002 - 5 AZB 25/01, aaO).
Ganter Raebel Kayser
Gehrlein Grupp
Vorinstanzen:
AG Kulmbach, Entscheidung vom 25.05.2008 - 74 C 67/08 -
LG Bayreuth, Entscheidung vom 24.07.2008 - 12 T 40/08 -