Urteil des BGH vom 06.04.2006

Werbung für Klingeltöne Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 125/03 Verkündet
am:
6. April 2006
Führinger
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ
: nein
BGHR
:
ja
Werbung für Klingeltöne
UWG § 4 Nr. 2
Eine Werbung für Handy-Klingeltöne, in der nur der nicht unerhebliche Minu-
tenpreis angegeben wird und nicht die voraussichtlich entstehenden höheren
Kosten, ist grundsätzlich geeignet, die geschäftliche Unerfahrenheit Minderjäh-
riger auszunutzen.
BGH, Urt. v. 6. April 2006 - I ZR 125/03 - OLG Hamburg
LG
Hamburg
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 6. April 2006 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die
Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Pokrant, Dr. Schaffert und Dr. Bergmann
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesge-
richts Hamburg, 5. Zivilsenat, vom 10. April 2003 wird auf Kosten
der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger ist der Dachverband von 16 Verbraucherzentralen und 18 wei-
teren verbraucher- und sozialorientierten Verbänden. Die Beklagte vertreibt an
Endverbraucher unter anderem Klingeltöne, Logos und SMS-Bilder, die sich die
Kunden durch einen Anruf zum Preis von 1,86 € (= 3,63 DM) pro Minute über
eine kostenpflichtige 0190-Service-Telefonnummer auf ihre Mobiltelefone laden
können. Nach dem Vortrag der Beklagten dauert das Herunterladen eines Klin-
geltons oder Logos durchschnittlich 110 Sekunden, so dass Kosten in Höhe von
3,40 € (= 6,66 DM) entstehen, die sich durch Eingabefehler noch erhöhen kön-
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nen. Die Beklagte hat ihr Angebot im September 2001 unter anderem in der
Zeitschrift "BRAVO Girl" beworben.
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Der Kläger hat behauptet, bei der Zeitschrift "BRAVO Girl" handele es
sich um eine Jugendzeitschrift. Er ist der Ansicht, die in Rede stehende Wer-
bung der Beklagten gegenüber Jugendlichen, die besonders anfällig für das
Leistungsangebot der Beklagten seien, stelle einen Verstoß gegen die guten
Sitten dar. Die Ausnutzung der dem Werbenden bekannten geschäftlichen Un-
erfahrenheit der angesprochenen Personengruppe sei unlauter. Ein durch-
schnittlicher aufgeklärter Verbraucher komme bei rationaler Betrachtung nicht
auf die Idee, für die telefonische Bestellung eines Klingeltons 1,86 € pro Minute
auszugeben, zumal bei der bloßen Angabe des Minutenpreises nicht klar sei,
wie teuer der Klingelton tatsächlich werde. Das Angebot der Beklagten sei auch
deshalb zu beanstanden, weil die Leistung in krassem Missverhältnis zum Preis
stehe. Es werde bestritten, dass das Herunterladen eines Klingeltons durch-
schnittlich Kosten in Höhe von nur 3,40 € verursache.
Schließlich habe das Verhalten der Beklagten auch gegen den zum Zeit-
punkt der Werbung geltenden Verhaltenskodex der "Freiwilligen Selbstkontrolle
Telefonmehrwertdienste" (im Folgenden: FST-Kodex) verstoßen, wonach Ange-
bote der in Rede stehenden Art an Minderjährige nur bis zu einem maximalen
Preis von 3 DM zulässig gewesen seien.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung der gesetzlichen Ord-
nungsmittel zu unterlassen,
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im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in Ju-
gendzeitschriften - wie nachfolgend abgebildet - für die Bestellung
von Klingeltönen, Logos oder Sounds oder ähnlichem per Mehr-
wertdiensttelefonnummer (3,63 DM/Minute bzw. 1,86 €/Minute) zu
werben bzw. werben zu lassen, die der umworbene Anrufer durch
einen Anruf auf sein Handy laden kann:
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Die Beklagte hat demgegenüber die Auffassung vertreten, der Unterlas-
sungsantrag sei zu unbestimmt, da der Begriff "Jugendzeitschrift" keine festen
Konturen aufweise. Zudem enthalte der Antrag eine zu weitgehende Verallge-
meinerung, da es um eine konkrete Anzeige in der Zeitschrift "BRAVO Girl" ge-
he.
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Die angegriffene Werbung sei wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstan-
den. Der Minutenpreis von 1,86 € sei angemessen, da er dem Preis entspreche,
der üblicherweise für das Herunterladen von Klingeltönen verlangt werde. Die
beanstandete Werbung richte sich weder ausschließlich noch überwiegend an
Minderjährige, sondern an alle Erwachsenen, da in zahlreichen, jedermann zu-
gänglichen Publikumszeitschriften gleichartige Anzeigen geschaltet würden. Ju-
gendliche bedürften auch keines besonderen wettbewerbsrechtlichen Schutzes,
weil sie durchaus in der Lage seien, Werbung richtig einzuschätzen.
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Die Angabe eines Festpreises für ihr Angebot sei nicht möglich, so dass
die für das Herunterladen von Klingeltönen und Logos konkret entstehenden
Kosten in der Werbung nicht genannt werden könnten. Die Werbung sei selbst
nach den strengen Regelungen des FST-Kodexes zulässig, weil der Höchstbe-
trag bei Angeboten, die sich an Minderjährige richteten, im November 2002 auf
5 € angehoben worden sei.
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Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete
Berufung ist ohne Erfolg geblieben (OLG Hamburg WRP 2003, 1003).
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Mit der vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der
Kläger beantragt, verfolgt die Beklagte ihr Begehren auf Abweisung der Klage
weiter.
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Entscheidungsgründe:
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I. Das Berufungsgericht hat dem Unterlassungsantrag stattgegeben, weil
es die Werbung der Beklagten als sittenwidrig angesehen hat. Dazu hat das
Berufungsgericht ausgeführt:
Die streitgegenständliche Werbung richte sich überwiegend an Kinder
und Jugendliche, da sie in der Jugendzeitschrift "BRAVO Girl" veröffentlicht sei.
Kernzielgruppe der Zeitschrift seien ausweislich der redaktionellen Konzeption
Personen zwischen 12 und 14 Jahren. Gegenüber Minderjährigen sei die bean-
standete Werbung sittenwidrig, da sie sich im Hinblick auf die Bestellung des
Angebots der Beklagten die Unerfahrenheit der Kinder und Jugendlichen im
Wettbewerb in unlauterer Weise zunutze mache.
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Die Inanspruchnahme von Telefonmehrwertdienstleistungen der hier in
Rede stehenden Art berge eine Reihe von Gefahren in sich, die bei Bestellun-
gen anderer Produkte und Dienstleistungen nicht aufträten. Die eigentlich ent-
stehenden Kosten blieben dem Minderjährigen bei der Bestellung unbekannt,
da er der Anzeige lediglich entnehmen könne, dass der Minutenpreis 1,86 €
betrage. Es komme hinzu, dass den Bestellern die tatsächlich entstandenen
Kosten erst mit Zugang der Telefonrechnung nach ein bis zwei Monaten be-
kannt würden. Dies sei gerade bei Minderjährigen problematisch, die noch ler-
nen müssten, mit ihrem Geld hauszuhalten. Die Situation stelle sich völlig an-
ders als bei einem Kauf oder der Bestellung eines Produktes dar, das unmittel-
bar bezahlt werden müsse. Eine weitere nicht unerhebliche Gefährdung liege
darin, dass die Bestellmöglichkeit zu jeder Zeit und an jedem Ort bestehe. Ge-
rade bei den zu spontanen Entscheidungen neigenden Kindern und Jugendli-
chen fehle damit jeder Abstand, der für eine rationale Entscheidung erforderlich
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sei. Schließlich gebiete es die generelle Schutzbedürftigkeit von Kindern und
Jugendlichen, die in zahlreichen Gesetzen ihren Niederschlag gefunden habe,
die Werbung für Telefonmehrwertdienstleistungen jedenfalls insoweit einzu-
schränken, als sie unmittelbar und gezielt gegenüber Kindern und Jugendlichen
erfolge. Der Einwand der Beklagten, derartige Werbung sei in jeder Tageszei-
tung zu finden, die auch von Minderjährigen gelesen würde, sei unerheblich.
Ohne Bedeutung sei auch der Umstand, dass sich das Angebot inner-
halb der nachträglich angehobenen Preisobergrenze des FST-Kodexes bewe-
ge, da diese Grenze mit Blick auf die in kurzer Zeit erfolgte Verdreifachung des
Betrages nicht gerechtfertigt sei.
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Es bestehe auch eine Wiederholungsgefahr für die beanstandete Wer-
bung über die Zeitschrift "BRAVO Girl" hinaus. Denn das Charakteristische des
Wettbewerbsverstoßes liege nicht in der Veröffentlichung der Werbung in der
genannten Zeitschrift, sondern darin, dass es sich bei dieser Zeitschrift um eine
Jugendzeitschrift handele und die Werbung sich demnach speziell an Minder-
jährige richte.
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II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben
keinen Erfolg.
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1. Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass der Un-
terlassungsantrag auch mit Blick auf die Verwendung des Begriffs "Jugendzeit-
schrift" hinreichend bestimmt ist. Es hat in den Gründen, die zur Auslegung des
Verbotsantrags heranzuziehen sind (vgl. BGH, Urt. v. 12.7.2001 - I ZR 40/99,
GRUR 2002, 86, 88 = WRP 2001, 1294 - Laubhefter), ausreichend dargelegt,
dass eine Jugendzeitschrift vorliegt, wenn die Leserschaft zu mehr als 50 %
aus Kindern und Jugendlichen besteht. Über den Sinngehalt des Begriffs "Ju-
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gendzeitschrift" besteht daher kein Zweifel (vgl. auch BGH, Urt. v. 9.12.1993
- I ZR 276/91, GRUR 1994, 304, 305 = WRP 1994, 181 - Zigarettenwerbung in
Jugendzeitschriften).
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2. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die angegriffene Werbung sei
unter dem Gesichtspunkt des Ausnutzens der geschäftlichen Unerfahrenheit
von Kindern und Jugendlichen unlauter, hält im Ergebnis sowohl nach neuem
Recht als auch nach den bis zum 7. Juli 2004 geltenden Bestimmungen des
Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb der rechtlichen Nachprüfung
stand.
a) Der Unterlassungsanspruch ergibt sich nach neuem Recht aus §§ 3, 4
Nr. 2, § 8 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 2 UWG.
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aa) Nach § 4 Nr. 2 UWG sind Wettbewerbshandlungen unter anderem
dann unlauter, wenn sie geeignet sind, die geschäftliche Unerfahrenheit von
Kindern und Jugendlichen auszunutzen. Durch die Bestimmung sollen beson-
ders schutzwürdige Verbraucher vor der Ausnutzung der Unerfahrenheit be-
wahrt werden (vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks.
15/1487, S. 17). Die Vorschrift stellt eine Abweichung vom Leitbild des erwach-
senen Durchschnittsverbrauchers dar, das der Gesetzgeber bei der UWG-
Reform in Übereinstimmung mit der neueren Rechtsprechung (vgl. BGH, Urt. v.
20.10.1999 - I ZR 167/97, GRUR 2000, 619, 621 = WRP 2000, 517 - Orient-
Teppichmuster) zugrunde gelegt hat (vgl. die Begründung zum Regierungsent-
wurf, BT-Drucks. 15/1487, S. 19; BGH, Urt. v. 28.11.2002 - I ZR 110/00, GRUR
2003, 249 = WRP 2003, 379 - Preis ohne Monitor, m.w.N.). Damit verschiebt
sich der an die Bewertung einer Wettbewerbshandlung anzulegende Maßstab
zu Lasten des Unternehmers. Denn maßgebend ist jeweils der Durchschnitt
des von einer Werbemaßnahme angesprochenen Verkehrskreises. Wendet
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sich der Werbende gezielt an eine bestimmte Bevölkerungsgruppe (z.B. Kinder
und Jugendliche), so muss er sich an einem durchschnittlich informierten, auf-
merksamen und verständigen Angehörigen dieser Gruppe orientieren (vgl.
BGHZ 151, 84, 92 - Kopplungsangebot I; 156, 250, 252 - Marktführerschaft;
Köhler in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24. Aufl., § 1 UWG
Rdn. 27). Dementsprechend können Handlungen, die gegenüber einer nicht
besonders schutzwürdigen Zielgruppe noch zulässig sind, gegenüber geschäft-
lich Unerfahrenen unzulässig sein.
bb) Voraussetzung für die Annahme der Unlauterkeit i.S. von § 4 Nr. 2
UWG ist, dass sich die Werbung - zumindest auch - gezielt an Kinder oder Ju-
gendliche wendet, da sich die Vorschrift gegen ein Ausnutzen der Unerfahren-
heit dieser Zielgruppe richtet (vgl. OLG Frankfurt GRUR 2005, 1064, 1065;
Köhler aaO § 4 UWG Rdn. 2.16). Durch das Erfordernis der Zielgerichtetheit
wird dem Umstand Rechnung getragen, dass bei der Beurteilung von Wettbe-
werbshandlungen grundsätzlich auf den Durchschnittsverbraucher des ange-
sprochenen Verkehrskreises abzustellen ist. In vielen Fällen wird Werbung so-
wohl von Erwachsenen als auch von Minderjährigen wahrgenommen. Solche
Werbung ist nicht stets auch am Maßstab des § 4 Nr. 2 UWG zu messen.
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Nach den unangegriffen gebliebenen Feststellungen des Berufungsge-
richts besteht die Leserschaft der Zeitschrift "BRAVO Girl", in der die beanstan-
dete Werbung erschienen ist, zu mehr als 50 % aus Jugendlichen. Dement-
sprechend hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen, dass sich
die in der Zeitschrift "BRAVO Girl" veröffentlichte Anzeige gezielt an Minderjäh-
rige richtet. Entgegen der Ansicht der Revision fällt die beanstandete Werbung
nicht deshalb aus dem Verbotstatbestand des § 4 Nr. 2 UWG heraus, weil ent-
sprechende Anzeigen auch in Werbeträgern veröffentlicht werden, die sich
nicht gezielt an Minderjährige wenden (vgl. BGH GRUR 1994, 304, 305
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- Zigarettenwerbung in Jugendzeitschriften; OLG Hamm MMR 2005, 112). Es
ist gerade Zweck des § 4 Nr. 2 UWG, eine Werbemaßnahme strengeren Anfor-
derungen zu unterwerfen, wenn sie sich im konkreten Fall an Kinder oder Ju-
gendliche richtet.
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cc) Nach § 4 Nr. 2 UWG ist jedoch nicht jede gezielte Beeinflussung von
Minderjährigen unlauter. Die konkrete Handlung muss vielmehr geeignet sein,
die Unerfahrenheit auszunutzen (vgl. BGH, Urt. v. 22.9.2005 - I ZR 28/03,
GRUR 2006, 161 Tz. 21 = WRP 2006, 69 - Zeitschrift mit Sonnenbrille; OLG
Frankfurt GRUR 2005, 782, 783 f. = WRP 2005, 1305; Köhler aaO § 4 UWG
Rdn. 2.16; Fezer/Scherer, UWG, § 4-2 Rdn. 114). Maßgeblich ist, ob sich der
Umstand, dass Minderjährige typischerweise noch nicht in ausreichendem Ma-
ße in der Lage sind, Waren oder Dienstleistungsangebote kritisch zu beurteilen
(vgl. Köhler aaO § 4 UWG Rdn. 2.17), auf die Entscheidung für ein unterbreite-
tes Angebot auswirken kann.
Hiervon ausgehend hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen,
dass die angegriffene Werbung geeignet ist, die geschäftliche Unerfahrenheit
von Kindern und Jugendlichen auszunutzen. Es hat ohne Rechtsfehler festge-
stellt, dass Minderjährige aufgrund ihrer geringen Lebenserfahrung in der Regel
weniger in der Lage sind, die durch die Werbung angepriesene Leistung in Be-
zug auf Bedarf, Preiswürdigkeit und finanzielle Folgen zu bewerten, und dass
sie auch noch lernen müssen, mit dem Geld hauszuhalten.
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Im Hinblick darauf sind bei einer an Minderjährige gerichteten Werbung
höhere Anforderungen an die Transparenz zu stellen. Den Kindern und Jugend-
lichen muss ausreichend deutlich gemacht werden, welche finanziellen Belas-
tungen auf sie zukommen (vgl. BGH GRUR 2006, 161 Tz. 22 - Zeitschrift mit
Sonnenbrille; Köhler aaO § 4 UWG Rdn. 2.17). Dem wird die angegriffene Wer-
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Werbung nicht gerecht. Für die Nutzer des Angebots der Beklagten ist nicht
übersehbar, welche Kosten auf sie zukommen, da ihnen die maßgebliche Dau-
er des Ladevorgangs unbekannt ist und dieser zudem von der Geschicklichkeit
des Benutzers abhängt. Anders als bei normalen Telefongesprächen sind die
Kosten auch nicht beherrschbar. Denn es erscheint wenig sinnvoll, den Lade-
vorgang nach Überschreitung einer bestimmten Dauer abzubrechen, weil in
einem solchen Fall die angefallenen Gebühren zu bezahlen sind, ohne dass
eine Gegenleistung erlangt wurde. Die Ungewissheit über die entstehenden
Kosten erhält noch dadurch ein besonderes Gewicht, dass der Kunde erst
durch die spätere Abrechnung seine tatsächliche finanzielle Belastung erfährt.
Das Berufungsgericht hat mit Recht darauf hingewiesen, dass dies bei vielen
Minderjährigen dazu führen wird, dass sie sich zunächst keine Gedanken über
die entstehenden Kosten machen. Eine besondere Gefährdung besteht zudem
darin, dass das Angebot der Beklagten ohne weiteres zeit- und ortsunabhängig
wahrgenommen werden kann. Aus diesen Gründen ist eine Werbung für Han-
dy-Klingeltöne, in der nur der nicht unerhebliche Minutenpreis angegeben wird
und nicht die voraussichtlich entstehenden höheren Kosten, grundsätzlich ge-
eignet, die geschäftliche Unerfahrenheit Minderjähriger auszunutzen (so im Er-
gebnis auch OLG Hamm MMR 2005, 112; KG MD 2005, 1045; Köhler aaO § 4
UWG Rdn. 2.17; Harte/Henning/Stuckel, UWG, § 4 Nr. 2 Rdn. 14; Benz, WRP
2003, 1160, 1165; Klees/Lange, CR 2005, 684, 686).
Vergeblich macht die Revision geltend, dass der durchschnittliche Preis
von 4,50 € pro Ladevorgang die Minderjährigen in aller Regel finanziell nicht
überfordere. Die Vorschrift des § 4 Nr. 2 UWG zielt nicht allein darauf ab, Kin-
der und Jugendliche vor einer wirtschaftlichen Überforderung zu schützen. Der
Einwand wäre nur dann beachtlich, wenn - was nach den Feststellungen des
Berufungsgerichts nicht der Fall ist - die entstehenden Kosten den angegebe-
nen Minutenpreis nicht überschritten.
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dd) Eine andere Beurteilung ist auch nicht mit Blick auf das Gesetz zur
Bekämpfung des Missbrauchs von 0190/0900-Mehrwertdiensterufnummern
vom 9. August 2003 (BGBl. I 2003, 1590) geboten. Seine Bestimmungen, die
nach § 152 Telekommunikationsgesetz (TKG) noch anwendbar sind, stellen
lediglich allgemeine Bedingungen für die Nutzung von 0190/0900-Mehrwert-
diensterufnummern auf. Eine abschließende Regelung der Werbung für derarti-
ge Dienste enthalten sie nicht.
b) Der Unterlassungsanspruch war auch nach altem Recht begründet, da
die Ausnutzung einer geschäftlichen Unerfahrenheit gegen § 1 UWG a.F. ver-
stieß (vgl. BGH, Urt. v. 7.5.1998 - I ZR 85/96, GRUR 1998, 1041, 1042 = WRP
1998, 1068 - Verkaufsveranstaltung in Aussiedlerwohnheim). Zu den geschäft-
lich Unerfahrenen rechneten auch ohne eine ausdrückliche gesetzliche Rege-
lung insbesondere Kinder und Jugendliche (vgl. OLG Frankfurt GRUR 2005,
782, 787; OLG Hamm MMR 2005, 112, 113; Baumbach/Hefermehl, Wettbe-
werbsrecht, 22. Aufl., § 1 UWG Rdn. 197 ff.; Piper in: Köhler/Piper, UWG,
3. Aufl., § 1 Rdn. 370).
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3. Der Antrag ist durch die Erstreckung auf Werbung in allen Jugendzeit-
schriften nicht zu weit gefasst. Eine Wiederholungsgefahr besteht nicht nur für
identische Verletzungsformen, sondern für alle im Kern gleichartigen Verlet-
zungshandlungen, sodass gewisse Verallgemeinerungen zulässig sind, sofern
auch in dieser Form das Charakteristische der Verletzungshandlung zum Aus-
druck kommt (vgl. BGH, Urt. v. 15.12.1999 - I ZR 159/97, GRUR 2000, 337,
338 = WRP 2000, 386 - Preisknaller). Im vorliegenden Fall ist nicht wesentlich,
in welcher Jugendzeitschrift die angegriffene Werbung platziert wird.
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III. Danach war die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97
Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
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Ullmann
v.
Ungern-Sternberg Pokrant
Schaffert
Bergmann
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 14.05.2002 - 312 O 845/01 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 10.04.2003 - 5 U 97/02 -