Urteil des BGH vom 07.11.2008

BGH (rechtliches gehör, zpo, rechtsbehelf, kenntnis, verletzung, beurteilung, tragweite, anlass, rechtsschutz, form)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IV ZR 271/07
vom
7. November 2008
in dem Rechtsstreit
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Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Seiffert, Wendt, die Richterin Dr. Kessal-Wulf
und den Richter Felsch
am 7. November 2008
beschlossen:
Die Anhörungsrüge vom 17. Oktober 2008 gegen den Se-
natsbeschluss vom 2. Oktober 2008 wird auf Kosten der
Klägerin verworfen.
Gründe:
Die Anhörungsrüge ist nicht in der von § 321a Abs. 2 Satz 5 ZPO
vorgeschriebenen Form begründet und war deshalb als unzulässig zu
verwerfen (§ 321a Abs. 4 Satz 2 ZPO).
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1. Nach § 321a Abs. 2 Satz 5 Halbs. 2 i.V. mit Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
ZPO muss in der Rügebegründung dargelegt werden, dass und inwie-
weit das Gericht in der angegriffenen Entscheidung den Anspruch auf
rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Es
handelt sich insoweit um eine besondere Verfahrensrüge, für deren Be-
gründungserfordernisse ergänzend auf die Bestimmung des § 551
Abs. 3 Nr. 2 b ZPO zurückgegriffen werden kann (Zöller/Vollkommer,
ZPO 26. Aufl. § 321a Rdn. 13). Eine ordnungsgemäße Begründung
setzt daher voraus, dass die Tatsachen benannt werden, aus denen
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sich die beanstandete Gehörsverletzung ergibt; ferner ist die Darlegung
der Entscheidungserheblichkeit der behaupteten Gehörsverletzung ge-
boten. Da der Rechtsbehelf des nach einem abgeschlos-
senen Revisionsverfahren zur Verwirklichung des verfassungsrechtlich
gebotenen Maßes an Rechtsschutz nur dann erforderlich ist, wenn sich
die Rüge gegen eine "neue und eigenständige" Verletzung des
h den Bundesgerichtshof selbst richtet, muss sich aus
der Rügebegründung gerade eine solche Verletzung des Verfahrens-
grundrechts ergeben. Andernfalls ist die Anhörungsrüge als Rechtsbe-
helf nicht geboten und infolgedessen unzulässig (BGH, Beschlüsse vom
20. November 2007 - VI ZR 38/07 - NJW 2008, 923 Tz. 5; vom 13. De-
zember 2007 - I ZR 47/06 - NJW 2008, 2126 Tz. 1-3; BVerfG NJW
2008, 2635 f.).
2. Dem genügt die Rügebegründung nicht. Sie beanstandet im
Kern, dass angesichts der von der Klägerseite schon in den Tatsachen-
instanzen umfangreich dargelegten wirtschaftlichen Verhältnisse der
Beklagten kein ausreichender Anlass für die Systemumstellung bei der
Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst bestanden und der Senat die-
sen auch in der Revisionsinstanz gehaltenen Vortrag nicht ausreichend
beachtet habe.
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Der Senat hat allerdings in der angegriffenen Entscheidung aus-
drücklich darauf hingewiesen, dass er den vorbezeichneten Klagvortrag
zur Kenntnis genommen, jedoch aus Rechtsgründen für nicht entschei-
dungserheblich erachtet hat, insbesondere wegen der den Tarifver-
tragsparteien mit Blick auf deren Tarifautonomie (Art. 9 Abs. 3 GG) zu-
gebilligten Einschätzungsprärogative für die Beurteilung der wirtschaft-
lichen Situation der Beklagten und die künftige Finanzierbarkeit des von
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ihr getragenen Zusatzversorgungssystems. Dazu verhält sich die Rüge-
begründung nicht. Ihr Einwand, den Tarifvertragsparteien werde in der
angegriffenen Entscheidung eine zu weit gehende Einschätzungspräro-
gative zugestanden, zeigt angesichts der vorgenannten Entscheidungs-
gründe nicht auf, dass das Vorbringen zu den Wirtschaftsdaten der Be-
klagten nicht dennoch zur Kenntnis genommen und erwogen worden ist.
Vielmehr legt die Anhörungsrüge lediglich dar, dass die Rechtsauffas-
sung des Senats zur Tragweite des Schutzes der Tarifautonomie nach
Art. 9 Abs. 3 GG auf Klägerseite nicht geteilt wird. Einen Verstoß gegen
das Verfahrensgrundrecht aus Art. 103 Abs. 1 GG zeigt dies aber nicht
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auf (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. November 2007 aaO Tz. 6 und vom
13. Dezember 2007 aaO Tz. 2).
Terno Seiffert Wendt
Dr. Kessal-Wulf Felsch
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 25.08.2006 - 6 O 176/03 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 20.09.2007 - 12 U 209/06 -