Urteil des BGH vom 05.12.2012

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 44/11
Verkündet am:
5. Dezember 2012
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
BGB §§ 288 Abs. 1, 556 Abs. 3 Satz 1
Wenn ein Betriebskostenguthaben verspätet an den Mieter ausbezahlt wird, weil der
Vermieter mit der Verpflichtung auf Erstellung einer Betriebskostenabrechnung in
Verzug geraten ist, ergibt sich ein Anspruch auf gesetzliche Verzugszinsen auch
nicht aus einer entsprechenden Anwendung des § 288 Abs. 1 BGB.
BGH, Urteil vom 5. Dezember 2012 - XII ZR 44/11 - OLG Brandenburg
LG Potsdam
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. Dezember 2012 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter
Schilling, Dr. Günter, Dr. Nedden-Boeger und Dr. Botur
für Recht erkannt:
Die Revision
gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des
Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 9. März 2011 wird
auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten im Rahmen der Widerklage nur noch darüber, ob
die Beklagte von der Klägerin Verzugszinsen wegen der verspäteten Abrech-
nung von Betriebskosten verlangen kann.
Die Beklagte hatte von der Klägerin Gewerberäume angemietet. Das
Mietverhältnis endete am 31. Dezember 2009.
Neben der Nettomiete für die angemieteten Räume vereinbarten die Par-
teien Betriebskostenvorauszahlungen. Nach § 13 des Mietvertrags sollten die
entstandenen Nebenkosten "in einem Zeitraum von zwölf Monaten in tatsächli-
cher Höhe abgerechnet" werden.
Die Klägerin rechnete die Betriebskosten für die Jahre 2002 bis 2007
nicht binnen zwölf Monaten seit dem Ende des jeweiligen Abrechnungszeit-
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raums ab. Erst nach einer schriftlichen Aufforderung durch die Beklagte vom
25. August 2009 erstellte sie die Betriebskostenabrechnungen, aus denen sich
ein erhebliches Guthaben zu Gunsten der Beklagten ergab. Dieses wurde von
der Klägerin sodann vollständig ausgeglichen.
Mit der Klage hat die Klägerin rückständige Miete für den Monat Novem-
ber 2009 geltend gemacht. Mit der Widerklage verlangt die Beklagte wegen der
verspäteten Abrechnung für die Guthaben aus den Abrechnungszeiträumen
2004 bis 2007 jeweils vom ersten Tag des Folgejahres an bis zum Zeitpunkt der
Abrechnung die Zahlung gesetzlicher Verzugszinsen.
Das Landgericht hat der Widerklage stattgegeben. Das Oberlandesge-
richt hat auf die Berufung der Klägerin das landgerichtliche Urteil abgeändert
und die Widerklage abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision
möchte die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils errei-
chen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Beklagten auf Zahlung von
Verzugszinsen auf das Abrechnungsguthaben verneint. Zur Begründung hat es
ausgeführt, es fehle bereits an der konkreten Festlegung eines Abrechnungs-
zeitraumes für die Betriebskostenvorauszahlungen, um die Fälligkeit der vorzu-
nehmenden Abrechnung kalendermäßig bestimmen zu können. Im Mietvertrag
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laute es hierzu nur, dass die Betriebskosten in einem Zeitraum von zwölf Mona-
ten in tatsächlicher Höhe abzurechnen seien. Diese Formulierung lasse für sich
betrachtet bereits keine kalendermäßige Bestimmung der Abrechnungsfrist zu.
Da die Parteien im Mietvertrag nicht bestimmt hätten, dass die Betriebskosten-
vorauszahlungen für das im Juni bzw. Juli 2004 begonnene Mietverhältnis als
Rumpfjahr und danach kalenderjährlich abgerechnet werden, habe es in jedem
Fall einer Mahnung durch die Beklagte bedurft, um die Klägerin in Verzug zu
setzen. Zwar seien Betriebskostenvorauszahlungen auch in Gewerberaummiet-
verhältnissen regelmäßig jährlich abzurechnen; dies bedeute aber nicht
zwangsläufig, dass dies kalenderjährlich geschehen müsse, sondern unterliege
der Vereinbarung der Parteien. Sei der Beginn des Abrechnungszeitraums ver-
traglich nicht vereinbart, habe der Vermieter insoweit gemäß § 315 BGB ein
Leistungsbestimmungsrecht. Dass die Klägerin dieses Leistungsbestimmungs-
recht hier bereits vor der tatsächlich durchgeführten Abrechnung im August
bzw. September 2009 ausgeübt habe, sei von den Parteien nicht vorgetragen
worden. Entsprechend fehle es an der Vereinbarung einer kalendermäßig be-
stimmten Leistung.
Aber selbst wenn man von einer kalendermäßig bestimmbaren Fälligkeit
der Leistung und damit von einem möglichen Verzugseintritt ohne Mahnung
ausginge, sei Voraussetzung für den Erfolg der Widerklage, dass auch der An-
spruch des Mieters auf Erstattung etwaiger Überzahlungen mit Ablauf der Ab-
rechnungsfrist fällig werde. Dieser werde aber erst mit Erteilung der Abrech-
nung fällig. Soweit der Bundesgerichtshof für die Geschäftsraummiete ent-
schieden habe, dass der Vermieter in der Regel spätestens bis zum Ablauf des
zwölften Monats nach dem Ende des - zu vereinbarenden - Abrechnungszeit-
raums die Betriebskostenabrechnung zu erteilen habe, folge hieraus lediglich,
dass der Mieter ab diesem Zeitpunkt den Vermieter auf Erteilung der Betriebs-
kostenrechnung in Anspruch nehmen könne und keine weiteren Vorauszahlun-
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gen auf die Betriebskosten mehr erbringen müsse. Dies gelte jedenfalls solange
das Mietverhältnis nicht beendet sei. Der Mieter sei grundsätzlich hinreichend
dadurch geschützt, dass er nicht nur einen Anspruch auf Abrechnung der Be-
triebskosten habe, sondern die fortlaufenden Vorauszahlungen gemäß § 273
BGB verweigern könne. Damit könne er Druck auf den Vermieter ausüben, da-
mit dieser die geschuldete Abrechnung erteile. Ein Anspruch auf Rückzahlung
der bereits entrichteten Vorschüsse - den die Beklagte im Streitfall im Übrigen
nicht geltend mache - komme dagegen erst mit Beendigung des Mietverhältnis-
ses in Betracht. Die Klägerin habe die Betriebskosten jedoch vor Beendigung
des Mietverhältnisses abgerechnet und die Abrechnungsguthaben an die Be-
klagte ausgekehrt. Entsprechend sei die Klägerin weder mit der Rückerstattung
zu viel bezahlter Betriebskosten noch mit einem Anspruch auf Rückzahlung der
geleisteten Vorschüsse in Verzug geraten. Der Beklagten stünden daher die
geltend gemachten Verzugszinsen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
II.
Die Entscheidung hält den Angriffen der Revision im Ergebnis stand. Sie
erweist sich jedenfalls deshalb als richtig, weil die Beklagte von der Klägerin
weder in direkter noch in entsprechender Anwendung des § 288 Abs. 1 BGB
Verzugszinsen für die zwischenzeitlich an sie ausbezahlten Betriebskostengut-
haben verlangen kann.
1. Nach § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine Geldschuld, mit der der
Schuldner in Verzug geraten ist, zu verzinsen. Die Voraussetzungen dieser
Vorschrift liegen bereits deshalb nicht vor, weil die Klägerin in dem Zeitraum, für
den die Beklagte Verzugszinsen verlangt, nur zur Erstellung einer Betriebskos-
tenabrechnung verpflichtet war und daher keine Geldschuld vorlag. Die Beklag-
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te konnte in dem genannten Zeitraum von der Klägerin weder die Erstattung
eines Betriebskostenguthabens noch die Rückerstattung der geleisteten Vo-
rauszahlungen auf die Betriebskosten verlangen.
a) Grundsätzlich wird der Anspruch des Mieters auf Rückerstattung zu
viel bezahlter Betriebskosten erst mit der Erteilung einer formell ordnungsge-
mäßen Abrechnung fällig (BGHZ 113, 188 = NJW 1991, 836; BGH Urteil vom
9. März 2005 - VIII ZR 57/04 - NJW 2005, 1499, 1501). Da die Klägerin nach
den von der Revision unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts
die Betriebskostenabrechnungen für die Abrechnungszeiträume 2004 bis 2007
erst im August bzw. September 2009 erstellt hat, wurde der Anspruch der Be-
klagten auf Erstattung der Betriebskostenguthaben erst zu diesem Zeitpunkt
fällig.
b) Die Beklagte hatte bis zur Erstellung der Betriebskostenabrechnungen
auch keinen Anspruch gegen die Klägerin auf Rückzahlung der geleisteten Be-
triebskostenvorauszahlungen.
Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Mieter
nach Ablauf der Abrechnungsfrist unmittelbar die Rückzahlung der in dem
Abrechnungszeitraum geleisteten Betriebskostenvorauszahlungen verlangen,
wenn der Vermieter nicht innerhalb einer angemessenen Frist über die Be-
triebskosten abgerechnet hat, es sei denn, der Vermieter ist an der Einhaltung
der Frist aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen gehindert gewesen (BGH
Urteil vom 9. März 2005 - VIII ZR 57/04 - NJW 2005, 1499, 1501). Dies gilt je-
doch nur, wenn der Vermieter bis zur Beendigung des Mietverhältnisses keine
Betriebskostenabrechnung erstellt hat. Während eines laufenden Mietverhält-
nisses ist der Mieter bereits dadurch ausreichend geschützt, dass er im Falle
der verspäteten Abrechnung die Zahlung weiterer Betriebskostenvorauszahlun-
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gen bis zur Erstellung der Betriebskostenabrechnung gemäß § 273 Abs. 1 BGB
verweigern kann (Senatsurteil vom 27. Januar 2010 - XII ZR 22/07 - NJW 2010,
1065 Rn. 39; BGH Urteil vom 29. März 2006 - VIII ZR 191/05 - NJW 2006, 2552
Rn. 11 f.). Zudem kann der Mieter für die Abrechnungszeiträume, in denen er
während des noch laufenden Mietverhältnisses die Möglichkeit gehabt hätte,
von seinem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch zu machen, auch nach Beendi-
gung des Mietverhältnisses nicht unmittelbar die Rückzahlung der geleisteten
Vorauszahlungen auf die Betriebskosten verlangen (BGH Urteil vom 26. Sep-
tember 2012 - VIII ZR 315/11 - NJW 2012, 3508 Rn. 10).
Danach stand der Beklagten bis zur Erstellung der Betriebskostenab-
rechnung kein Anspruch auf Rückzahlung der in den Jahren 2004 bis 2007 ge-
leisteten Betriebskostenvorauszahlungen zu. In diesen Abrechnungszeiträumen
hätte die Beklagte jeweils die Möglichkeit gehabt, hinsichtlich der Betriebskos-
tenvorauszahlungen ihr Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB auszuüben
und so die Klägerin zur Erstellung der Betriebskostenabrechnungen anzuhalten.
Die Voraussetzungen für den vom Bundesgerichtshof im Wege der ergänzen-
den Vertragsauslegung entwickelten Rückzahlungsanspruch lagen daher nicht
vor (vgl. BGH Urteil vom 29. März 2006 - VIII ZR 191/05 - NJW 2006, 2552
Rn. 12). Da das Mietverhältnis nach den Feststellungen des Berufungsgerichts
erst zum 31. Dezember 2009 endete, konnte die Beklagte lediglich hinsichtlich
der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2008 kein Zurückbehaltungsrecht
geltend machen. Dieser Abrechnungszeitraum ist jedoch nicht Gegenstand des
vorliegenden Verfahrens, so dass dahingestellt bleiben kann, wann die Fällig-
keit des Erstattungsanspruchs für diesen Abrechnungszeitraum eingetreten ist.
2. Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich ein Anspruch auf
Verzugszinsen für die Beklagte auch nicht aus der entsprechenden Anwendung
des § 288 Abs. 1 BGB.
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a) Zu der Frage, wann und unter welchen Voraussetzungen ein Mieter
bei einer unterbliebenen oder verspäteten Abrechnung der Betriebskosten Ver-
zugszinsen auf sein Guthaben verlangen kann, werden unterschiedliche Auf-
fassungen vertreten.
Teilweise wird eine entsprechende Anwendung des § 288 Abs. 1 BGB
bejaht und angenommen, dass ein Vermieter, der schuldhaft nicht fristgerecht
über die Betriebskosten abgerechnet habe, ein etwaiges Guthaben des Mieters
gemäß § 288 Abs. 1 BGB verzinsen müsse (AG Berlin-Mitte GE 2005, 805;
Staudinger/Weitemeyer BGB [2010] § 556 Rn. 135; Neuhaus Handbuch der
Geschäftsraummiete 4. Aufl. Rn. 1056; Beyerle in Lindner-Figura/Oprée/
Stellmann Geschäftsraummiete Rn. 145; Kirsch/Leonhard GE 2010, 1306).
Eine andere Ansicht lehnt eine entsprechende Anwendung des § 288
Abs. 1 BGB mit der Begründung ab, der Vermieter schulde nur eine fristgerech-
te Abrechnung und damit keine Geldschuld iSv § 288 Abs. 1 BGB. Außerdem
sei der Mieter vor den Folgen einer verspäteten Abrechnung durch die Möglich-
keit, in einem laufenden Mietverhältnis die Zahlung weiterer Betriebskostenvor-
auszahlungen verweigern und bei einem beendeten Mietverhältnis unmittelbar
die Rückzahlung der geleisteten Vorauszahlungen verlangen zu können, aus-
reichend geschützt (Beuermann GE 2010, 1306, 1307; Kinne GE 2005, 768;
Schmid Handbuch der Mietnebenkosten 12. Aufl. Rn. 3187; vgl. dazu auch
Schmid GE 2005, 905 f.).
b) Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an. § 288
Abs. 1 BGB kann nicht entsprechend angewendet werden, wenn ein Betriebs-
kostenguthaben verspätet an den Mieter ausbezahlt wird, weil der Vermieter mit
der Verpflichtung auf Erstellung einer Betriebskostenabrechnung in Verzug ge-
raten ist.
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aa) § 288 Abs. 1 BGB gewährt dem Gläubiger einer Geldschuld einen
Anspruch auf Verzugszinsen in der durch die Vorschrift festgelegten Höhe,
ohne dass ein konkreter Verzugsschaden dargelegt werden muss (vgl. BGH
Urteil vom 25. April 2006 - XI ZR 271/05 - NJW 2006, 2398 Rn. 9). Damit trägt
das Gesetz dem Umstand Rechnung, dass die Vorenthaltung geschuldeten
Geldes stets einen Schaden darstellt, weil die mit dem Besitz von Geld verbun-
denen Nutzungsmöglichkeiten regelmäßig geldwerte Vorteile bieten, die dem
Gläubiger durch die Nichterfüllung einer Geldschuld genommen werden (so
schon BGHZ 74, 231 = NJW 1979, 1494). Der Sinn der Regelung des § 288
Abs. 1 BGB liegt jedoch nicht nur in einer abstrakten Entschädigung des Gläu-
bigers für die entbehrte Kapitalnutzung (BGHZ 94, 330 = NJW 1985, 2325,
2326). Durch die in § 288 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BGB bestimmte Höhe der
Verzugszinsen soll der Schuldner auch angehalten werden, eine Geldschuld
pünktlich zu erfüllen (Staudinger/Löwisch/Feldmann BGB [2009] § 288 Rn. 4;
Prütting/Wegen/Weinreich BGB 7. Aufl. § 288 Rn. 1; Erman/Hager BGB
13. Aufl. § 288 Rn. 1). Die Vorschrift trägt insoweit dem besonderen Schutzbe-
dürfnis des Gläubigers einer Geldforderung Rechnung. Insbesondere dann,
wenn der Gläubiger zur Vorleistung verpflichtet war, steht ihm in der Regel kei-
ne effektive Möglichkeit zur Verfügung, den Schuldner zur Zahlung zu veranlas-
sen. Ein Zurückbehaltungsrecht kann er nach Erbringung der eigenen Leistung
nicht mehr ausüben. Ein konkreter Verzugsschaden in einer Höhe, die den
Schuldner zur Zahlung bewegen könnte, wird von ihm oft nicht dargelegt wer-
den können. Die in § 288 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BGB bestimmten Verzugs-
zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz bzw. acht Pro-
zentpunkten über dem Basiszinssatz bei Rechtsgeschäften, an denen ein Ver-
braucher nicht beteiligt ist, verhindern, dass der Schuldner aus der Zahlungs-
verzögerung oder -verweigerung wirtschaftliche Vorteile zieht und für seine Ver-
tragsuntreue gleichsam belohnt wird (so schon BGHZ 94, 330 = NJW 1985,
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2325, 2326 mwN; vgl. dazu auch BT-Drucks. 14/1246 S. 5, 14/6040 S. 148 f.
und MünchKommBGB/Ernst 6. Aufl. § 288 Rn. 4).
bb) Aufgrund dieses gerade auf den Verzug mit einer Geldschuld bezo-
genen Schutzzwecks des § 288 Abs. 1 BGB kann diese Vorschrift nicht ent-
sprechend angewendet werden, wenn der Vermieter eine Betriebskostenab-
rechnung nicht fristgerecht erfüllt und in der Folge ein Betriebskostenguthaben
verspätet an den Mieter ausgezahlt wird.
Zwar führt die verspätete Abrechnung der Betriebskosten in den Fällen,
in denen sich aufgrund der Abrechnung ein Guthaben für den Mieter ergibt, da-
zu, dass dem Mieter (jedenfalls zeitweise) unberechtigt ein Geldbetrag vorent-
halten wird. Aufgrund des vom Gesetzgeber bewusst eng gefassten Anwen-
dungsbereichs des § 288 Abs. 1 BGB kann die Vorschrift jedoch nicht auf alle
Fälle angewendet werden, in denen mittelbar die Verschaffung von Geld ge-
schuldet wird (Staudinger/Löwisch/Feldmann BGB [2009] § 288 Rn. 11).
Der Vermieter ist nach Ablauf der Abrechnungsfrist zunächst nur dazu
verpflichtet, eine Betriebskostenabrechnung zu erstellen. Erst nach der Erstel-
lung der Abrechnung und unter der Voraussetzung, dass die vom Mieter im Ab-
rechnungszeitraum geleisteten Vorauszahlungen die Höhe der abrechnungsfä-
higen Betriebskosten übersteigen, erlangt der Mieter einen auf die Zahlung von
Geld gerichteten Anspruch. Entsprechen die abrechnungsfähigen Betriebskos-
ten den geleisteten Vorauszahlungen oder übersteigen sie diese sogar, steht
dem Mieter auch bei einer verspäteten Abrechnung kein Zahlungsanspruch zu.
Dies zeigt, dass der Anspruch des Mieters auf Abrechnung der Betriebskosten
nicht mit einer Geldschuld iSv § 288 Abs. 1 BGB gleichgesetzt werden kann,
bei der von vornherein feststeht, dass dem Gläubiger durch eine verspätete
Leistung des Schuldners Geld vorenthalten wird.
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Hinzu kommt, dass der Mieter - anders als der Gläubiger einer "echten"
Geldschuld - über ausreichende Möglichkeiten verfügt, den Vermieter zur Er-
stellung der Betriebskostenabrechnung zu veranlassen. Während eines laufen-
den Mietverhältnisses kann er die Zahlung weiterer Betriebskostenvorauszah-
lungen gemäß § 273 Abs. 1 BGB verweigern. Da die zurückbehaltenen Be-
triebskostenvorauszahlungen regelmäßig schnell die Höhe eines etwaigen
Rückzahlungsguthabens des Mieters erreichen, kann davon ausgegangen wer-
den, dass der Vermieter die Betriebskostenabrechnung zeitnah erstellen wird,
um die laufenden Betriebskostenvorauszahlungen wieder zu erhalten (vgl. BGH
Urteil vom 29. März 2006 - VIII ZR 191/05 - NJW 2006, 2552 Rn. 13). Im been-
deten Mietverhältnis kann der Mieter nach Ablauf der Abrechnungsfrist sofort
die Rückzahlung der geleisteten Betriebskostenvorschüsse verlangen und die-
se gegebenenfalls auch im Wege einer Klage geltend machen, ohne zuvor auf
die Erstellung der Betriebskostenabrechnung klagen zu müssen (BGH Urteil
vom 9. März 2005 - VIII ZR 57/04 - NJW 2005, 1499, 1501). Darüber hinaus hat
der Mieter auch die Möglichkeit, den Vermieter in Verzug zu setzen und einen
konkreten Schaden, der ihm aufgrund der verspäteten Abrechnung entstanden
ist, nach §§ 280 Abs. 2, 286, 249 BGB geltend zu machen, etwa wenn der Mie-
ter einen Überziehungskredit in Anspruch nimmt. Schließlich kann der Mieter
auch eine abstrakte Schadensberechnung nach § 252 BGB vornehmen, wenn
er zum Beispiel geltend machen kann, er habe das Guthaben gewinnbringend
anlegen können (vgl. hierzu Schmid GE 2005, 905 f.).
Eine zusätzliche Möglichkeit, den Vermieter zur Erbringung der geschul-
deten Leistung zu veranlassen, erfordert der Schutz des Mieters nicht. Entge-
gen der Auffassung der Revision besteht nicht die Gefahr, dass der Vermieter
durch eine verzögerte Abrechnung die Fälligkeit des Erstattungsanspruchs des
Mieters unangemessen hinauszögert. Der Mieter kann durch die genannten
Möglichkeiten auf eine rasche Erstellung der Betriebskostenabrechnung hinwir-
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ken und damit die Fälligkeit eines etwaigen Erstattungsanspruches herbeifüh-
ren.
cc) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs. Soweit dort verschiedentlich eine entsprechende Anwend-
barkeit von § 288 Abs. 1 BGB angenommen wurde, beruhte dies jeweils auf
den Besonderheiten der geltend gemachten Ansprüche, weshalb sich diese
Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall nicht übertragen lässt. Im Urteil vom
26. April 1979 (BGHZ 74, 231 = NJW 1979, 1494), in dem der Bundesgerichts-
hof die entsprechende Anwendbarkeit des § 288 Abs. 1 BGB für einen An-
spruch auf Verschaffung eines zinslosen Darlehens bejaht hat, wurde zur Be-
gründung maßgeblich darauf abgestellt, dass die Nichterfüllung dieses An-
spruchs der Vorenthaltung von Geld gleichkomme. In beiden Fällen werde dem
Gläubiger die mit dem Besitz von Geld verbundene Nutzungsmöglichkeit (zu-
mindest zeitweise) genommen. Dies rechtfertige, beide Fälle schadensmäßig
gleich zu beurteilen.
Im Urteil vom 15. September 2005 (III ZR 28/05 - NJW 2005, 3709,
3710) hat der Bundesgerichtshof darauf abgestellt, dass der in diesem Verfah-
ren geltend gemachte Anspruch auf Herausgabe von Geld gemäß § 667 Alt. 2
BGB wie eine "normale" Geldschuld behandelt werden könne und daher § 288
Abs. 1 BGB entsprechend anzuwenden sei.
Zuletzt hat der Bundesgerichtshof im Urteil vom 25. April 2006 (BGHZ
167, 268 = NJW 2006, 2398) für den Fall des Verzugs mit einer Freigabeerklä-
rung für hinterlegtes Geld die entsprechende Anwendbarkeit von § 288 Abs. 1
Satz 1 BGB bejaht. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass § 288 BGB nach
Sinn und Zweck der Vorschrift auch in diesem Fall gelten müsse, weil dem
Gläubiger ein Geldbetrag, auf den er einen Anspruch habe, schuldhaft und
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rechtswidrig vorenthalten werde. Zwar schulde der Schuldner nicht das hinter-
legte Geld. Aber die Auszahlung des Geldes an den Gläubiger hänge allein von
der Freigabeerklärung ab, so dass die Freigabeforderung einen Geldbetrag
zum Gegenstand habe. Lediglich der äußeren Form nach sei der Anspruch
nicht auf Zahlung von Geld, sondern auf die Einwilligung in die Auszahlung von
Geld gerichtet.
Diese Rechtsprechung kann auf den vorliegenden Fall nicht übertragen
werden. In den genannten Entscheidungen begründete der Bundesgerichtshof
die entsprechende Anwendbarkeit des § 288 Abs. 1 BGB jeweils maßgeblich
mit der Erwägung, dass die geltend gemachten Ansprüche unmittelbar darauf
gerichtet waren, dem Gläubiger einen Geldbetrag zu verschaffen. Dieses ge-
meinsame Merkmal rechtfertigte die Gleichstellung mit einer "echten" Geld-
schuld. Die Verpflichtung des Vermieters zur Erstellung einer Betriebskostenab-
rechnung weist dieses Merkmal hingegen nicht auf. Der Mieter kann von sei-
nem Vermieter zunächst nur die Erstellung einer ordnungsgemäßen Abrech-
nung über die im Abrechnungszeitraum angefallenen Betriebskosten verlangen
(§ 556 Abs. 3 Satz 1 BGB). Diesen Anspruch erfüllt der Vermieter bereits
dadurch, dass er eine den von der Rechtsprechung entwickelten Vorgaben ent-
sprechende Abrechnung erstellt (vgl. hierzu Palandt/Weidenkaff BGB 71. Aufl.
§ 535 Rn. 93 mwN) und diese dem Mieter übermittelt. Ein vertraglicher Rücker-
stattungsanspruch steht dem Mieter, wenn der Vermieter ordnungsgemäß ab-
gerechnet hat, nur zu, soweit die geleisteten Nebenkostenvorauszahlungen
durch die in dem betreffenden Abrechnungszeitraum tatsächlich angefallenen
Nebenkosten nicht aufgezehrt sind (vgl. BGH Urteil vom 9. März 2005
- VIII ZR 57/04 - NJW 2005, 1499, 1501). Der Anspruch auf Erstellung einer
Betriebskostenabrechnung ist daher nicht unmittelbar auf die Verschaffung ei-
nes Geldbetrags gerichtet und somit nicht mit den in den genannten Entschei-
dungen des Bundesgerichtshofs geltend gemachten Ansprüchen vergleichbar.
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3. Da die Beklagte mit der Widerklage allein die Verzinsung ihres Be-
triebskostenguthabens nach § 288 Abs. 1 BGB begehrt und einen weiteren
Verzugsschaden nicht konkret dargelegt hat, muss der Senat die zwischen den
Parteien streitige Frage, ob sich die Klägerin auch ohne Mahnung durch die
Beklagte mit der Erstellung der Betriebskostenabrechnung für die Jahre 2004
bis 2007 in Verzug befand, nicht entscheiden.
4. Die Revision ist danach als unbegründet zurückzuweisen.
Dose
Schilling
Günter
Nedden-Boeger
Botur
Vorinstanzen:
LG Potsdam, Entscheidung vom 10.06.2010 - 12 O 466/09 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 09.03.2011 - 3 U 97/10 -
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