Urteil des BGH vom 13.12.2001

BGH (bedingter vorsatz, sache, vorsatz, eintritt, sicherung, finanzierung, forderung, zahlung, stand, vorsätzlich)

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 305/99
Verkündet am:
13. Dezember 2001
Seelinger-Schardt,
Justizangestellte
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGB § 823 Bf; BauFordSiG §§ 1, 5
1. Verstöße gegen § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Sicherung der Bauforderungen
führen über § 823 Abs. 2 BGB nur dann zur Schadensersatzpflicht, wenn sie vor-
sätzlich erfolgen.
2. Zu den Anforderungen an die Darlegung des Vorsatzes eines Empfängers von
"Baugeld".
BGH, Urteil vom 13. Dezember 2001 - VII ZR 305/99 - OLG Brandenburg
LG Potsdam
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Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Dezember 2001 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und
die Richter Dr. Haß, Dr. Kuffer, Prof. Dr. Kniffka und Bauner
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 7. Zivilsenats
des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 7. Juli 1999 auf-
gehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Beru-
fungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger verlangt von dem Beklagten als Geschäftsführer der R.-Bau-
GmbH (Fa. R.) Schadensersatz wegen unterlassener Weiterleitung von Bau-
geld.
Die Fa. R. schloß 1996 mit der H.-Wohnbau-GmbH einen Generalüber-
nehmervertrag über das Bauvorhaben "Stadtvilla in M." mit 12 von der Fa. R.
zu errichtenden Eigentumswohnungen. Der Kläger führte dort als Subunter-
nehmer der Fa. R. vor allem Fliesenarbeiten aus. Die Leistungen des Klägers
wurden im wesentlichen im Juni 1997 abgenommen.
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Der Kläger legte eine Schlußrechnung über insgesamt 142.426,33 DM
vor. Die Fa. R. zahlte lediglich 20.000 DM. Die H.-Wohnbau-GmbH zahlte ins-
gesamt 1.581.035 DM an die Fa. R., davon 96.015 DM für Fliesenarbeiten. Das
Amtsgericht P. eröffnete am 1. Dezember 1997 die Gesamtvollstreckung über
das Vermögen der Fa. R.. Nach der Behauptung des Klägers ist die Zahlung
der H.-Wohnbau-GmbH aus durch Grundpfandrechte auf dem Baugrundstück
abgesicherten Krediten erfolgt, die die Bauherrin zum Zweck der Baufinanzie-
rung aufgenommen hätte. Nach Auffassung des Klägers hätte die seine Lei-
stungen betreffende Zahlung in vollem Umfang an ihn abgeführt werden müs-
sen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung ist erfolglos
geblieben. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Schadensersatzan-
spruch weiter, den er auf insgesamt 124.717,48 DM und Zinsen beziffert.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Ur-
teils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht vertritt die Auffassung, der Beklagte hafte nicht
aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 1, 5 des Gesetzes über die Siche-
rung der Bauforderungen vom 1. Juni 1909 (GSB; Juris: BauFordSiG). Es kön-
ne offenbleiben, ob der Kläger die Baugeldeigenschaft der von der H.-
Wohnbau-GmbH gezahlten Summe ausreichend dargelegt habe. Jedenfalls
fehle es an der hinreichenden Darlegung eines vorsätzlichen Verhaltens des
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Beklagten. Der Kläger habe insoweit lediglich vorgetragen, daß der Beklagte
"als sachkundiger Profi" habe davon ausgehen müssen, daß Bauvorhaben wie
dieses in 99% aller Fälle von den Bauherren fremdfinanziert würden und daß
die Finanzierung mittels der Baugrundstücke gesichert werde. Ein schlüssiger
Vortrag für einen Vorsatz hinsichtlich der Baugeldeigenschaft erfordere jedoch
die Darlegung konkreter Umstände des Einzelfalles, aus denen sich die Kennt-
nis von der Baugeldeigenschaft der empfangenen Gelder ergebe.
II.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Ohne Erfolg wendet sich die Revision allerdings dagegen, daß das
Berufungsgericht eine Haftung des Beklagten nur für den Fall eines vorsätzli-
chen Verstoßes gegen § 1 GSB in Betracht gezogen hat. Das entspricht der
ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. nur BGH, Urteil vom
9. Oktober 1990 - VI ZR 230/89, BauR 1991, 96, 98 = ZfBR 1991, 59, 60).
2. Es hält rechtlicher Überprüfung jedoch nicht stand, daß das Beru-
fungsgericht die hinreichende Darlegung eines vorsätzlichen Verstoßes gegen
§ 1 GSB verneint.
Bedingter Vorsatz ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesge-
richtshofes gegeben, wenn der Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs als
möglich und nicht völlig unwahrscheinlich erkannt und gebilligt wird. Die An-
nahme von Billigung liegt nahe, wenn der Täter sein Vorhaben trotz starker
Gefährdung des betroffenen Rechtsguts durchführt, ohne auf einen glücklichen
Ausgang und überhaupt das Nichtvorliegen des objektiven Tatbestandes ver-
trauen zu können, und wenn er es dem Zufall überläßt, ob sich die von ihm er-
kannte Gefahr verwirklicht oder nicht (vgl. nur BGH, Urteil vom 16. Juli 1980
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- 2 StR 127/80, JZ 1981, 35). In Kauf nimmt der Täter auch einen an sich un-
erwünschten Erfolg, mit dessen möglichen Eintritt er sich aber abfindet; anders
ist es, wenn der Täter ernsthaft - nicht nur vage - darauf vertraut, daß der Er-
folg nicht eintritt (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juli 1999 - 2 StR 177/99, BGHR StGB
§ 15 - Vorsatz, bedingter 10 m.w.N.).
Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger schlüssig vorgetragen, daß der
Beklagte vorsätzlich gehandelt hat. Jedenfalls größere Bauvorhaben wie das
vorliegende werden, wie der Kläger zutreffend hervorhebt, regelmäßig durch
grundpfandrechtlich abgesicherte Fremdmittel finanziert (vgl. dazu Hagenloch,
Handbuch zum Gesetz über die Sicherung der Bauforderungen, Rdn. 306).
Nach dem Vortrag des Klägers liegt es nahe, daß der Beklagte als in der Bau-
branche tätiger Unternehmer mit einer Fremdfinanzierung des Bauvorhabens
unter dinglicher Absicherung durch das Baugrundstück rechnete und sich da-
mit um des erstrebten Zieles willen abfand. Daß der Beklagte der Finanzierung
des Geldgebers nachgegangen ist, hat er selbst nicht behauptet.
III.
Das angefochtene Urteil kann daher nicht bestehenbleiben; es ist aufzu-
heben. Für den Beweis eines Verstoßes des Baugeldempfängers gegen die
Verwendungspflicht des § 1 Abs. 1 GSB genügt regelmäßig der Nachweis, daß
der Verwendungspflichtige Baugeld in mindestens der Höhe der Forderung des
Baugläubigers empfangen hat und daß von diesem Geld nichts mehr vorhan-
den ist, ohne daß eine fällige Forderung des Gläubigers befriedigt worden wä-
re. Sache des Baugeldempfängers ist es dann, die (anderweitige) ordnungs-
gemäße Verwendung des Geldes, d.h. seine Auszahlung an andere Baugläu-
biger,
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darzulegen (BGH, Urteil vom 9. Oktober 1990 - VI ZR 230/89, BauR 1991, 96,
98 = ZfBR 1991, 59, 60).
Ullmann Haß Kuffer
Kniffka Bauner