Urteil des BGH vom 29.07.2009

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 212/06 Verkündet
am:
29. Juli 2009
Führinger
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
HGB § 660 Abs. 3
Wird das Transportgut wegen unzureichender Sicherung während der Seebe-
förderung beschädigt, so spricht dies zunächst für ein grobes Organisationsver-
schulden des Verfrachters. Dieser muss daher im Einzelnen darlegen, welche
organisatorischen Maßnahmen er selbst oder die für ihn handelnden Organe
zur Verhinderung von Verladungsfehlern ergriffen haben. Kommt der Verfrach-
ter der ihm obliegenden Darlegungslast nicht nach, erstreckt sich die Vermu-
tung eines groben Organisationsverschuldens auch auf das Verhalten seiner
Organe.
BGH, Urteil vom 29. Juli 2009 - I ZR 212/06 - OLG Bremen
LG
Bremen
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 20. Mai 2009 durch die Richter Dr. Bergmann, Pokrant, Prof.
Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Koch
für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten und die Anschlussrevision der Klägerin
gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlan-
desgerichts in Bremen vom 2. November 2006 werden zurückge-
wiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander auf-
gehoben.
Von Rechts wegen
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Tatbestand:
1
Die Klägerin ist Transportversicherer der A. W. GmbH in
Bremen (im Weiteren: Versicherungsnehmerin). Sie nimmt die Beklagte, ein in
Bremen ansässiges Speditionsunternehmen, aus abgetretenem und überge-
gangenem Recht ihrer Versicherungsnehmerin wegen Beschädigung von
Transportgut auf Schadensersatz in Anspruch.
Die Versicherungsnehmerin veräußerte mit Vertrag vom 2. Februar 2001
14 Windenergieanlagen zu einem Gesamtpreis von etwa 11.250.000 € an ein
australisches Unternehmen. Nach den getroffenen Vereinbarungen hatte sie die
Anlagen nach Codrington/Australien zu liefern und dort aufzustellen. Mit dem
Transport der 14 Anlagen vom Herstellungswerk in Dänemark nach Australien
beauftragte die Versicherungsnehmerin die Beklagte zu fixen Kosten. Die Anla-
gen sollten zunächst auf dem Seeweg bis zum Bestimmungshafen Port-
land/Australien und von dort per Lastkraftwagen zum Aufstellungsort befördert
werden. Mit dem Landtransport in Australien von Portland nach Codrington be-
auftragte die Beklagte ein australisches Transportunternehmen. Für den Trans-
port wurden die Anlagen in Einzelteile zerlegt. Im vorliegenden Rechtsstreit
geht es um die Beförderung einer sogenannten Gondel mit einem Gewicht von
48.400 kg.
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Da es auf dem letzten Abschnitt des Weges zum Aufstellungsort der
Windenergieanlagen keine öffentliche Straße gab, ließ die Versicherungsneh-
merin auf dieser Strecke eine Baustraße aus sogenanntem "limestone", einer
Art Kalksandstein, errichten. Nachdem fünf Gondeln vom Hafen in Portland zum
Aufstellungsort reibungslos transportiert worden waren, kam es bei der Beförde-
rung der sechsten Gondel am 6. Mai 2001 zu einem Unfall. Der Tieflader, auf
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dem sich das Transportgestell mit der Gondel befand, neigte sich im Bereich
einer ansteigenden Linkskurve mit Außengefälle derart stark nach rechts, dass
die Gondel zusammen mit dem Transportgestell vom Tieflader kippte und er-
heblich beschädigt wurde. Über die Ursache des Unfallgeschehens besteht zwi-
schen den Parteien Streit.
Die beschädigte Gondel wurde zunächst nach Portland zurückbefördert
und dort im Auftrag der Versicherungsnehmerin von einem Sachverständigen
untersucht. Anschließend entschloss sich die Versicherungsnehmerin, die Gon-
del zur Reparatur nach Dänemark zurückzuschicken. Die auch mit dem Rück-
transport zu fixen Kosten beauftragte Beklagte übernahm die beschädigte Gon-
del am 31. Oktober 2001 und lieferte sie nach Durchführung des Seetransports
am 25. Januar 2002 in Hamburg ab. Beim Eintreffen der Gondel in Hamburg
wurde festgestellt, dass sie während des Rücktransports zusammen mit dem
Transportgestell und dem Transport-Flat (Mafi-Trailer) umgefallen war.
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Nach Ansicht der Klägerin haftet die Beklagte für die entstandenen
Schäden unbeschränkt. Dazu hat sie behauptet, der von der Beklagten mit dem
Landtransport beauftragte Frachtführer habe die Kurve auf der Baustraße in
einem zu engen Radius befahren, so dass der Tieflader, auf dem sich die Gon-
del befunden habe, gekippt sei. Darüber hinaus habe der Frachtführer, dessen
Verhalten sich die Beklagte zurechnen lassen müsse, das Frachtgut nur unzu-
reichend gegen Transportgefahren gesichert gehabt. Eine unbeschränkte Haf-
tung der Beklagten für den während des Landtransports eingetretenen Schaden
ergebe sich zudem daraus, dass sie ihrer sekundären Darlegungslast hinsicht-
lich der Einzelheiten des Unfallhergangs nicht genügt habe. Für die auf der
Seestrecke eingetretenen Schäden hafte die Beklagte ebenfalls unbegrenzt, da
es an jeglicher Aufklärung der Beklagten über den Schadenshergang fehle. Die
Grundsätze über die sekundäre Darlegungslast seien auch im Seefrachtrecht
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anzuwenden. Die Beklagte habe der ihr obliegenden sekundären Darlegungs-
last in keiner Weise genügt, so dass ein qualifiziertes Verschulden zu vermuten
sei.
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Die Klägerin hat behauptet, ihrer Versicherungsnehmerin sei ein Scha-
den in Höhe von 515.126,84 € entstanden. Davon entfielen auf das Schadens-
ereignis in Australien 283.740,32 €. Die Beklagte hafte für diesen Schaden un-
beschränkt, so dass auch die auf dem Rücktransport eingetretenen weiteren
Schäden als Folgeschäden von dieser Haftung umfasst seien. Den Klagebetrag
habe sie an ihre Versicherungsnehmerin zur Schadensregulierung gezahlt.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Hinsichtlich des bei dem Land-
transport entstandenen Schadens hat sie insbesondere vorgebracht, zum Kip-
pen des Tiefladers sei es deshalb gekommen, weil dieser in den Straßengrund
der mangelhaft hergestellten Baustraße eingesunken sei. Der Unfall sei für den
Frachtführer auch bei Anwendung äußerster Sorgfalt nicht vermeidbar gewe-
sen. Es könne einem Frachtführer nicht zugemutet werden, den baulichen Zu-
stand einer Baustraße zuverlässig zu beurteilen. Für etwaige Beschädigungen
der Gondel während des Rücktransports von Australien nach Hamburg hafte
sie allenfalls im Rahmen der seefrachtrechtlichen Höchstgrenzen. Es gebe kei-
nerlei Anhaltspunkte, die auf ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten selbst
schließen ließen.
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Das Landgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung -
durch Grundurteil ausgesprochen, dass die Beklagte der Klägerin für die bei
dem Unfallereignis am 6. Mai 2001 und die während des Seetransports in der
Zeit vom 31. Oktober 2001 bis 25. Januar 2002 an der Gondel entstandenen
Schäden im Rahmen der gesetzlichen Höchstbeträge (§§ 429 ff. HGB, § 660
HGB) auf Schadensersatz haftet.
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Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht unter Zurückwei-
sung des weitergehenden Rechtsmittels entschieden, dass die Beklagte für die
beim Seetransport an der Gondel entstandenen Schäden unbeschränkt auf
Schadensersatz haftet.
Dagegen richten sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision
der Beklagten und die Anschlussrevision der Klägerin. Die Beklagte erstrebt mit
ihrem Rechtsmittel hinsichtlich der beim Seetransport entstandenen Schäden
die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Klägerin verfolgt mit
ihrer Anschlussrevision ihr Begehren auf Feststellung der unbeschränkten Haf-
tung der Beklagten für die bei dem Landtransport entstandenen Schäden wei-
ter. Sie tritt im Übrigen der Revision der Beklagten, diese der Anschlussrevision
der Klägerin entgegen.
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Entscheidungsgründe:
A. Das Berufungsgericht hat eine auf die gesetzlichen Höchstbeträge
begrenzte Haftung der Beklagten für die bei dem Landtransport an der Gondel
entstandenen Schäden aus § 425 Abs. 1, §§ 428, 429, 430, 431, 452a, 459
HGB bejaht. Hinsichtlich der während des Seetransports entstandenen zusätz-
lichen Schäden hat es eine unbeschränkte Haftung der Beklagten gemäß
§§ 452a, 459, § 606 Satz 2, § 660 Abs. 3 HGB angenommen. Hierzu hat das
Berufungsgericht ausgeführt:
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Auf den zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten ge-
schlossenen Vertrag über die Beförderung von 14 Windenergieanlagen von
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Dänemark nach Australien, der sich auf einen Multimodaltransport beziehe,
komme deutsches Recht zur Anwendung. Gleiches gelte für den hypotheti-
schen Teilstreckenvertrag hinsichtlich der Straßenbeförderung in Australien. Die
Beklagte unterliege der Frachtführerhaftung nach den §§ 425 ff. HGB, weil sie
den Transport der Anlagen zu festen Kosten übernommen habe. Für die erste
Beschädigung der Gondel hafte die Beklagte gemäß § 425 Abs. 1 HGB, da das
Gut während ihrer Obhutszeit zu Schaden gekommen sei. Die Klägerin könne
allerdings nur Schadensersatz innerhalb der gesetzlichen Haftungsbeschrän-
kungen des Handelsgesetzbuchs (§ 431 HGB) verlangen. Es könne nicht fest-
gestellt werden, dass der von der Beklagten eingesetzte Unterfrachtführer den
Schaden leichtfertig und in dem Bewusstsein, dass ein Schaden mit Wahr-
scheinlichkeit eintreten werde, verursacht habe. Dabei könne offenbleiben, ob
die Gondel auf dem Tieflader ordnungsgemäß verzurrt gewesen sei. Der Fahrer
des Lkw habe jedenfalls aufgrund der fünf zuvor reibungslos durchgeführten
Transporte davon ausgehen dürfen, dass es auch beim sechsten Mal "gutge-
hen werde". Eine unbeschränkte Haftung der Beklagten wegen Nichterfüllung
der ihr eventuell obliegenden sekundären Darlegungslast komme ebenfalls
nicht in Betracht. Die Beklagte verfüge gegenüber ihrer Auftraggeberin, der
Versicherungsnehmerin, nicht über einen Wissensvorsprung, da ein Mitarbeiter
der Versicherungsnehmerin beim Transport der Gondeln zugegen gewesen sei.
Dieser könne der Versicherungsnehmerin Einzelheiten des Unfallereignisses
aus eigener Wahrnehmung mitteilen.
Auf den über den Rücktransport geschlossenen Vertrag komme eben-
falls deutsches Recht zur Anwendung. Es habe sich wiederum um einen Multi-
modaltransport gehandelt. Da die zweite Beschädigung während der Seebeför-
derung eingetreten sei, kämen die Haftungsvorschriften des deutschen See-
frachtrechts zur Anwendung. Die Beklagte könne sich nicht auf eine Beschrän-
kung ihrer Haftung nach § 660 Abs. 1 HGB berufen, weil zu ihren Lasten wegen
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Verletzung der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast zu vermuten sei,
dass der in Rede stehende Schaden an der Gondel während des Seetransports
leichtfertig und in dem Bewusstsein verursacht worden sei, dass ein Schaden
mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde (§ 660 Abs. 3 HGB). Die für den Land-
transport entwickelten Grundsätze zur sekundären Darlegungslast des Fracht-
führers würden grundsätzlich auch für den Seetransport gelten. Das sei dann
anzunehmen, wenn der am Frachtgut eingetretene Schaden - wie im Streitfall -
auf einer unzureichenden Sicherung des Transportgutes beruhe. Die Vermu-
tung eines qualifizierten Verschuldens erfasse auch den Personenkreis der Or-
gane i.S. von § 487d HGB.
B. Die Revision der Beklagten und die Anschlussrevision der Klägerin
haben keinen Erfolg.
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I. Revision der Beklagten:
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1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Be-
klagte für die während der Seebeförderung von Australien nach Hamburg an
der Gondel entstandenen (weiteren) Schäden dem Grunde nach gemäß
§§ 459, 452a, 606 Satz 2 HGB haftet.
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a) Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass auf den zwi-
schen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten geschlossenen Vertrag
über den Rücktransport der Gondel von Australien nach Dänemark gemäß
Art. 28 Abs. 4 Satz 1 EGBGB deutsches Sachrecht zur Anwendung kommt.
Nach dieser Vorschrift wird vermutet, dass ein Güterbeförderungsvertrag mit
demjenigen Staat die engsten Verbindungen aufweist, in dem der Beförderer im
Zeitpunkt des Vertragsschlusses seine Hauptniederlassung hat, sofern sich in
diesem Staat auch der Verlade- oder Entladeort oder die Hauptniederlassung
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des Absenders befinden, und sich aus der Gesamtheit der Umstände nicht er-
gibt, dass der Vertrag engere Verbindungen mit einem anderen Staat aufweist
(Art. 28 Abs. 5 EGBGB). Dies gilt auch für multimodale Frachtverträge i.S. des
§ 452 HGB (BGH, Urt. v. 29.6.2006 - I ZR 168/03, TranspR 2006, 466, 467; Urt.
v. 25.10.2007 - I ZR 151/04, TranspR 2008, 210 Tz. 15 = VersR 2008, 1711
m.w.N.). Da die Versicherungsnehmerin und die Beklagte ihre Hauptniederlas-
sungen jeweils in Deutschland haben, sind die Voraussetzungen des Art. 28
Abs. 4 Satz 1 EGBGB erfüllt. Es spricht auch nichts dafür, dass der in Rede
stehende Vertrag zu einem anderen Staat engere Verbindungen aufweist.
b) Das Berufungsgericht hat auch mit Recht angenommen, dass sich die
Haftung der Beklagten für den während der Seebeförderung von Australien
nach Hamburg entstandenen Transportschaden nach den Bestimmungen über
die Haftung eines Verfrachters, §§ 556 ff. HGB, beurteilt.
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aa) Nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellun-
gen des Landgerichts hatten die Versicherungsnehmerin und die Beklagte über
den Rücktransport der Gondel einen multimodalen Transportvertrag gemäß
§§ 452a, 459 HGB geschlossen. Die als solche einheitliche Speditionsleistung
hatte die Beförderung mit verschiedenartigen Transportmitteln (Schiff, Lkw) zum
Gegenstand. Einzelne Teile des Vertrags wären, wenn für sie gesonderte Ver-
träge geschlossen worden wären, verschiedenen Rechtsvorschriften unterwor-
fen gewesen. Der Transport der Gondel per Schiff von Australien nach Ham-
burg wäre nach den §§ 556 ff. HGB zu beurteilen. Für den Transport der Gon-
del von Hamburg nach Dänemark per Lkw kämen die Bestimmungen der CMR
zur Anwendung. Richtet sich die Leistung eines Fixkostenspediteurs auf die
Besorgung eines solchen multimodalen Transports, greift § 452 HGB ein
(BGHZ 173, 344 Tz. 23; Koller, Transportrecht, 6. Aufl., § 452 HGB Rdn. 6).
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bb) Gemäß § 452 Satz 1 HGB sind - auch soweit ein Teil der Beförde-
rung zur See durchgeführt wird (§ 452 Satz 2 HGB) - die Vorschriften der
§§ 407 ff. HGB nur dann einheitlich auf die gesamte Beförderungsleistung an-
zuwenden, wenn sich aus internationalen Übereinkommen oder den besonde-
ren Vorschriften der §§ 452a ff. HGB nichts anderes ergibt. Internationale Über-
einkommen greifen im Streitfall nicht ein. Eine Anwendung unterschiedlicher
Rechtsvorschriften für einzelne Teilstrecken der Beförderung ergibt sich hier
jedoch aus § 452a Satz 1 HGB. Nach dieser Vorschrift bestimmt sich die Haf-
tung bei einem multimodalen Transport nach dem Recht einer Teilstrecke,
wenn feststeht, dass der Schaden auf dieser Teilstrecke eingetreten ist, das
heißt die Schadensursache auf ihr gesetzt worden ist (BGHZ 173, 344 Tz. 24;
Koller aaO § 452a HGB Rdn. 3).
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Nach den unangegriffen gebliebenen Feststellungen des Berufungsge-
richts ist auf der Seestrecke von Australien nach Hamburg ein weiterer, über die
bei der Landbeförderung entstandene Beschädigung hinausgehender Sach-
schaden an der Gondel eingetreten.
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cc) Gemäß § 452a Satz 1 HGB ist für die Haftung des Frachtführers das
Recht maßgeblich, das für einen hypothetischen Vertrag über eine Beförderung
auf der Teilstrecke gelten würde, auf der der Schaden eingetreten ist. Die An-
nahme des Berufungsgerichts, auch der (hypothetische) Teilstreckenvertrag
unterliege dem deutschen Recht, ist ebenfalls frei von Rechtsfehlern.
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Die Anwendung deutschen Rechts folgt daraus, dass sowohl die Versi-
cherungsnehmerin als auch die Beklagte, auf deren vertragliche Beziehung in-
soweit abzustellen ist (BGH, Urt. v. 18.10.2007 - I ZR 138/04, TranspR 2007,
472 Tz. 16 = VersR 2008, 661; OLG Dresden TranspR 2002, 246; Fremuth in
Fremuth/Thume, Transportrecht, § 452a HGB Rdn. 8 f.; Koller aaO § 452a HGB
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Rdn. 5), ihre Hauptniederlassung jeweils in der Bundesrepublik Deutschland
haben und auch nichts dafür spricht, dass der hier in Rede stehende hypotheti-
sche Teilstreckenvertrag engere Verbindungen mit einem anderen Staat auf-
weist (Art. 28 Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 EGBGB; vgl. auch BGH TranspR 2008, 210
Tz. 17).
c) Da der streitgegenständliche weitere Transportschaden nach den
Feststellungen des Berufungsgerichts auf der Seestrecke von Australien nach
Hamburg eingetreten ist und auf den fiktiven Teilstreckenvertrag zwischen der
Versicherungsnehmerin und der Beklagten deutsches Recht zur Anwendung
kommt, richtet sich die Haftung der Beklagten nach den für einen Verfrachter
geltenden Vorschriften der §§ 556 ff. HGB.
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aa) Als (fiktive) Verfrachterin haftet die Beklagte gemäß § 606 Satz 2
HGB für den Schaden, der durch Verlust oder Beschädigung der Güter in der
Zeit von der Annahme bis zur Ablieferung entsteht, es sei denn, dass der Ver-
lust oder die Beschädigung auf Umständen beruht, die durch die Sorgfalt eines
ordentlichen Verfrachters nicht abgewendet werden konnten. Ein Verschulden
seiner Leute und der Schiffsbesatzung hat der Verfrachter gemäß § 607 Abs. 1
HGB in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden.
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bb) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist die bereits be-
schädigte Gondel einschließlich des Transportgestells während des Seetrans-
ports umgekippt und hat dabei zusätzliche Schäden erlitten. Die insoweit darle-
gungsbelastete Beklagte hat nichts dazu vorgetragen, dass sie den Eintritt des
Schadens i.S. von § 606 Satz 2 HGB nicht zu vertreten hat. Sie hat sich ledig-
lich gegen eine unbeschränkte Haftung für die während des Seetransports ent-
standenen Schäden gewandt.
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2. Die Angriffe der Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts,
der Beklagten sei es im Streitfall nach § 660 Abs. 3 HGB verwehrt, sich auf die
Haftungsbegrenzung gemäß § 660 Abs. 1 Satz 1 HGB zu berufen, weil der
Schaden am Transportgut durch ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten
verursacht worden sei, bleiben ohne Erfolg.
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Der Umfang des von einem Verfrachter zu leistenden Schadensersatzes
bestimmt sich nach § 249 BGB (vgl. Rabe, Seehandelsrecht, 4. Aufl., § 606
HGB Rdn. 44). Der gemäß § 249 BGB zu berechnende Schadensersatz wird
durch die Regelungen in § 660 Abs. 1 Satz 1 HGB begrenzt.
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a) Gemäß § 660 Abs. 3 HGB verliert der Verfrachter allerdings sein
Recht auf Haftungsbeschränkung nach Abs. 1, wenn der Schaden auf eine
Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die der Verfrachter in der Ab-
sicht, einen Schaden herbeizuführen, oder leichtfertig und in dem Bewusstsein
begangen hat, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde. Ent-
sprechend dem Wortlaut des § 660 Abs. 3 HGB, in dem nur von dem "Verfrach-
ter" und nicht auch - wie etwa in § 435 HGB - von den in § 428 HGB genannten
Personen die Rede ist, ist das Berufungsgericht mit Recht davon ausgegangen,
dass nur ein qualifiziertes Verschulden des Verfrachters selbst zum Wegfall der
Haftungsbeschränkung nach § 660 Abs. 1 HGB führt (BGH, Urt. v. 18.6.2009
- I ZR 140/06, Tz. 34 ff.; ebenso: Rabe aaO § 660 HGB Rdn. 26; ders., TranspR
2004, 142, 144; Herber, Das neue Haftungsrecht der Schifffahrt, 1989,
S. 215 f.; ders., Seehandelsrecht, 1999, S. 332 f.).
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b) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte könne sich nicht
auf eine Beschränkung ihrer Haftung gemäß § 660 Abs. 1 HGB berufen, weil
sie der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen und
deshalb zu vermuten sei, dass der während des Seetransports an der Gondel
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entstandene Schaden durch ein qualifiziertes Verschulden i.S. von § 660 Abs. 3
HGB verursacht worden sei. Es hat darauf abgestellt, dass die für den Land-
transport entwickelten Grundsätze zur sekundären Darlegungslast des Fracht-
führers grundsätzlich auch für den Seetransport gelten. Die für Verlustfälle ent-
wickelten allgemeinen Grundsätze zur sekundären Darlegungslast des Spedi-
teurs/Frachtführers seien auf Beschädigungsfälle jedoch nur mit Einschränkun-
gen zu übertragen. Es verbleibe grundsätzlich bei der Darlegungs- und Beweis-
last des jeweiligen Anspruchstellers, wenn ein Organisationsverschulden des
Frachtführers in Rede stehe. Abweichendes gelte nur dann, wenn der am
Frachtgut eingetretene Schaden auf einer unzureichenden Sicherung des
Transportgutes beruhe. Der Spediteur/Frachtführer habe die Darlegungs- und
Beweislast hinsichtlich seines Betriebsbereichs zu tragen, wenn der Schaden
nach dem vorgetragenen Sachverhalt auf einem qualifizierten Verschulden des
Spediteurs/Frachtführers beruhen solle. Das Verhalten eines Geschäftsführers
sei ihm gemäß § 487d HGB analog zuzurechnen.
Im Streitfall stehe auf der Grundlage des Vortrags der Parteien im We-
sentlichen fest, auf welche Art und Weise die Gondel während des Seetrans-
ports zu Schaden gekommen sei. Aus den vorgelegten Fotos ergebe sich, dass
die Gondel einschließlich Transportgestell während des Seetransports umge-
kippt sei. Dem Schiffsbericht sei zu entnehmen, dass sich der streitgegenständ-
liche Vorfall am 5. Dezember 2001 gegen 8.20 Uhr ereignet habe. Nach dem
Inhalt des Berichts sei der Schadensfall auf eine "Nichterfüllung von Qualitäts-
anforderungen" zurückzuführen gewesen. Als Ursache werde im Schiffsbericht
angegeben, das Gewicht der Gondel sei fehlerhaft zu niedrig angenommen
worden (15 Tonnen statt 56 Tonnen). Das falsche Gewicht solle im Stauplan
bzw. im Schiffsladeplan vermerkt gewesen sein. Im Konnossement habe die
Reederei hingegen ein Gewicht von 49 Tonnen für die Gondel angegeben. Un-
ter Berücksichtigung dieser Umstände stehe fest, dass die während des See-
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transports eingetretenen Schäden auf eine fehlerhafte Verzurrung bzw. unzu-
reichende Ladungssicherung zurückzuführen seien. Dementsprechend habe
die Beklagte nach Treu und Glauben wegen des unterschiedlichen Informati-
onsstands der Vertragsparteien zu den näheren Umständen aus ihrem Be-
triebsbereich - soweit möglich und zumutbar - eingehend vorzutragen.
Dieser sekundären Darlegungslast sei die Beklagte nicht nachgekom-
men. Es sei völlig ungeklärt geblieben, aus welchen Gründen ein falsches Ge-
wicht in den Stauplan bzw. Schiffsladeplan aufgenommen worden sei. Im Kon-
nossement seien die Zahlen 15 und 56 nicht genannt worden. Ebenso wenig
habe die Beklagte dargelegt, in welcher Form sie die Verträge bezüglich des
Rücktransports abgeschlossen habe. Zudem sei nicht ersichtlich, auf welche Art
und Weise die Beklagte sichergestellt habe, dass ihre Weisungen - wenn sie
überhaupt welche erteilt habe - auch beachtet würden. Es bestehe danach eine
Vermutung für das Vorliegen eines qualifizierten Verschuldens. Gemäß § 660
Abs. 3 HGB i.V. mit § 487d Abs. 1 HGB analog komme es auf ein qualifiziertes
Verschulden des Organs der Beklagten - also ihres Geschäftsführers - an. Die
begründete Vermutung eines qualifizierten Verschuldens erfasse auch den Per-
sonenkreis der Organe i.S. von § 487d Abs. 1 HGB.
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c) Gegen diese Beurteilung des Berufungsgerichts wendet sich die Revi-
sion der Beklagten ohne Erfolg.
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aa) Das Berufungsgericht ist im rechtlichen Ansatz zutreffend davon
ausgegangen, dass auch im Rahmen des § 660 Abs. 3 HGB der Grundsatz gilt,
nach dem die den Anspruchsteller treffende Darlegungs- und Beweislast für die
besonderen Voraussetzungen der unbeschränkten Haftung des Spediteurs da-
durch gemildert wird, dass dieser nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) wegen
des unterschiedlichen Informationsstands der Vertragsparteien zu den näheren
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Umständen aus seinem Betriebsbereich soweit möglich und zumutbar einge-
hend vorzutragen hat (BGH, Urt. v. 3.11.2005 - I ZR 325/02, TranspR 2006, 35,
37 = VersR 2006, 389, insoweit in BGHZ 164, 194 ff. nicht abgedruckt). Vor-
aussetzung dafür ist, dass der Anspruchsteller Anhaltspunkte für das Vorliegen
eines qualifizierten Verschuldens darlegt, die sich insbesondere aus der Art und
dem Ausmaß des Schadens ergeben können (BGHZ 174, 244 Tz. 25). Dieser
für Verlustfälle entwickelte Grundsatz kann auf Fälle der Beschädigung von
Transportgut übertragen werden, wenn der entstandene Schaden auf einer un-
zureichenden Sicherung des Frachtgutes beruht. Der Frachtführer hat in die-
sem Fall, soweit es ihm im konkreten Fall zuzumuten ist, in substantiierter Wei-
se darzulegen, welche auf der Hand liegenden Schadensverhütungsmaßnah-
men er getroffen hat (BGHZ 174, 244 Tz. 26; BGH, Urt. v. 8.5.2002
- I ZR 34/00, TranspR 2002, 408, 409 = VersR 2003, 395). Kommt er seiner
sekundären Darlegungslast nicht im gebotenen Umfang nach, so spricht eine
widerlegliche tatsächliche Vermutung dafür, dass ihn in objektiver wie in subjek-
tiver Hinsicht ein qualifiziertes Verschulden trifft (BGH, Urt. v. 9.10.2003
- I ZR 275/00, TranspR 2004, 175, 176; Urt. v. 4.3.2004 - I ZR 200/01, TranspR
2004, 460, 462).
bb) Die Revision der Beklagten rügt vergeblich, das Berufungsgericht sei
unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG zu seiner Feststellung gelangt, dass
die Beschädigung der Gondel während des Seetransports auf eine fehlerhafte
Verzurrung bzw. unzureichende Ladungssicherung zurückzuführen sei. Sie
macht geltend, die Beklagte habe unter Hinweis auf den Schiffsbericht vorge-
tragen, dass sich das Schiff, mit dem die Gondel transportiert worden sei, wäh-
rend der Fahrt von Australien nach Europa am 4./5. Dezember 2001 in sehr
schwerem Wetter mit schwerem Seegang befunden habe. Die Wetterverhält-
nisse hätten dazu geführt, dass sich der Mafi-Trailer, auf dem sich die Gondel
befunden habe, habe losreißen können. Die Beklagte habe zudem vorgetragen,
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dass die Sicherung der Gondel auf dem Mafi-Trailer durch die Stauer des Ter-
minals bzw. des Seeschiffs erfolgt sei. Nach dem Schadensbericht des Kapi-
täns sei das Gehäuse mit 14 Ketten gesichert gewesen, von denen einige zu-
sätzlich vor Auslaufen des Schiffs angebracht worden seien. Wenn das Beru-
fungsgericht diesen Vortrag der Beklagten berücksichtigt hätte, hätte es nicht zu
seiner Feststellung gelangen dürfen, als Schadensursache komme (nur) eine
fehlerhafte Verzurrung des Frachtgutes bzw. eine unzureichende Ladungssi-
cherung in Betracht.
Dieses Vorbringen verhilft der Revision nicht zum Erfolg. Nach Art. 103
Abs. 1 GG sind die Gerichte nur verpflichtet, das Vorbringen der Parteien zur
Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Es ist nicht erforderlich, alle
Einzelpunkte des Parteivortrags in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich
zu bescheiden (BVerfGE 96, 205, 216 f.; BGH, Beschl. v. 3.4.2008 - I ZR 94/05,
juris Tz. 7; Beschl. v. 9.10.2008 - I ZR 181/05, juris Tz. 3). Die Revision der Be-
klagten berücksichtigt nicht genügend, dass das Frachtgut auch für den Fall
eines schweren Seegangs in ausreichendem Maße gesichert werden musste.
Sie macht nicht geltend, dass die Wetterverhältnisse zum Zeitpunkt des Scha-
denseintritts (Dezember 2001) völlig ungewöhnlich waren und mit den festge-
stellten Windstärken nicht gerechnet werden musste. Nach den unangegriffen
gebliebenen Feststellungen des Landgerichts hat sich auch nicht lediglich die
Gondel aus den Ketten gelöst. Sie ist vielmehr mitsamt Transportgestell und
Mafi-Trailer umgekippt. Auch dies spricht für eine nicht genügende Sicherung
des Frachtgutes. Unter diesen Umständen kann nicht angenommen werden,
dass das Berufungsgericht das von der Revision in Bezug genommene Vor-
bringen der Beklagten bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen und
nicht erwogen hat. Auch ein Verstoß gegen § 286 ZPO ist daher nicht gegeben.
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cc) Auch die weitere Rüge der Revision der Beklagten, dem Berufungs-
urteil könne nicht entnommen werden, dass die festgestellten Verladungsfehler
der Beklagten persönlich oder - da es sich bei der Beklagten um eine juristische
Person handele - ihrem Geschäftsführer anzulasten seien, bleiben ohne Erfolg.
Das Berufungsgericht hat das qualifizierte Verschulden der Beklagten ersicht-
lich nicht in der unzureichenden Ladungssicherung als solche gesehen. Viel-
mehr hat es angenommen, es sei von einem Organisationsverschulden der Be-
klagten auszugehen, weil diese zu den näheren Umständen aus ihrem Be-
triebsbereich nicht vorgetragen habe. Es kommt daher nicht darauf an, dass die
Beklagte die Ladungssicherung nicht selbst vorgenommen hat. Entscheidend
ist vielmehr, dass sie hätte vortragen müssen, welche Weisungen sie hinsicht-
lich der Ladungssicherung erteilt und auf welche Art und Weise sie deren Ein-
haltung überwacht hatte. Ebenso ist ungeklärt geblieben, aus welchen Gründen
ein falsches Gewicht - 15 Tonnen - in den Stauplan bzw. Schiffsladeplan aufge-
nommen wurde. Die Beklagte hätte im Einzelnen darlegen müssen, was sie zur
Vermeidung des konkreten Schadens unternommen hatte.
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dd) Entgegen der Auffassung der Revision ist der Beklagten der gebote-
ne Vortrag nicht deshalb unzumutbar, weil das Berufungsgericht die Beklagte
erst fünf Jahre nach dem Schadensfall aufgefordert hat, Recherchen anzustel-
len. Die Beklagte wurde spätestens mit Zustellung der Klage im Jahre 2002
über den Schadensfall informiert. Sie hätte daher bereits zu diesem Zeitpunkt
die für die Aufklärung erforderlichen Maßnahmen einleiten müssen. Es kann die
Beklagte daher nicht entlasten, dass sie nunmehr nach ihrem eigenen Vortrag
keine weiteren Recherchen mehr anstellen kann (vgl. Koller aaO § 435 HGB
Rdn. 21a).
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ee) Das Berufungsgericht hat entgegen der Auffassung der Revision des
Weiteren zutreffend angenommen, dass sich im Streitfall die Vermutung eines
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qualifizierten Verschuldens gemäß § 487d Abs. 1 HGB analog auch auf den
Geschäftsführer der Beklagten als ihr Organ erstreckt.
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Verlässt ein Schiff den Hafen mit unzureichend gesicherter Ladung, so
spricht dies zunächst für ein grobes Organisationsverschulden (vgl. BGH
TranspR 2002, 408, 409). Daher muss die Beklagte im Einzelnen vortragen,
was sie zur Vermeidung des konkret eingetretenen Schadens unternommen
hat. Dazu gehört auch der Vortrag, welche organisatorischen Maßnahmen die
Beklagte selbst bzw. die für sie handelnden Organe ergriffen haben, um Verla-
dungsfehler der hier vom Berufungsgericht festgestellten Art zu verhindern.
Kommt der Verfrachter der ihm obliegenden Darlegungslast - wie im Streitfall -
nicht nach, erstreckt sich folglich die Vermutung eines groben Organisations-
verschuldens auch auf das Verhalten seiner Organe.
II. Anschlussrevision der Klägerin:
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1. Die Anschlussrevision der Klägerin ist zulässig. Die gemäß § 554
Abs. 1 ZPO erforderlichen Voraussetzungen für eine wirksame Anschlussrevi-
sion liegen vor. Ist die Revision - wie hier - nur beschränkt zugelassen, so muss
die Anschlussrevision einen Lebenssachverhalt betreffen, der mit dem von der
Revision geltend gemachten Streitgegenstand in einem unmittelbaren rechtli-
chen oder wirtschaftlichen Zusammenhang steht (BGHZ 174, 244 Tz. 40 f.;
BGH, Urt. v. 26.6.2008 - I ZR 176/05, juris Tz. 34). Dies ist hier schon deshalb
der Fall, weil die Klägerin geltend gemacht hat, die auf dem Rücktransport ent-
standenen Schäden seien als Folgeschäden von der unbegrenzten Haftung der
Beklagten für den Hintransport zum Aufstellungsort Codrington in Australien
umfasst.
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- 19 -
2. Ohne Rechtsverstoß hat das Berufungsgericht die Voraussetzungen
einer vertraglichen Haftung der Beklagten für den an der Gondel bei dem Land-
transport in Australien entstandenen Schaden dem Grunde nach aus §§ 459,
452a, 425 Abs. 1 HGB bejaht.
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a) Die Anwendbarkeit deutschen Rechts sowohl auf den zwischen der
Versicherungsnehmerin und der Beklagten geschlossenen Gesamtvertrag über
die Beförderung von 14 Windenergieanlagen von Dänemark nach Australien als
auch auf den hypothetischen Teilstreckenvertrag betreffend den Straßentrans-
port in Australien hat das Berufungsgericht zutreffend auf Art. 28 Abs. 4 Satz 1
EGBGB gestützt (siehe die Ausführungen unter B I 1 a, b).
b) Gemäß § 425 Abs. 1 HGB haftet der Frachtführer für Schäden, die am
Frachtgut in der Zeit von der Übernahme zur Beförderung bis zur Ablieferung
entstehen. Handlungen und Unterlassungen seiner Leute hat der Frachtführer
nach § 428 Satz 1 HGB in gleichem Umfang zu vertreten wie eigene Handlun-
gen und Unterlassungen, wenn die Leute in Ausübung ihrer Verrichtungen han-
deln. Gleiches gilt für Handlungen und Unterlassungen anderer Personen, de-
ren sich der Frachtführer bei Ausführung der Beförderung bedient (§ 428 Satz 2
HGB). Nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien ist die Gondel wäh-
rend des Landtransports vom Hafen in Portland zum Aufstellungsort in Codring-
ton, mithin vor Beendigung der Obhutszeit der Beklagten, zu Schaden gekom-
men.
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3. Das Berufungsgericht hat eine unbeschränkte Haftung der Beklagten
für den ersten an der Gondel entstandenen Schaden verneint, weil es die Vor-
aussetzungen für ein qualifiziertes Verschulden i.S. von § 435 HGB als nicht
erfüllt angesehen hat. Die dagegen gerichteten Angriffe der Anschlussrevision
der Klägerin haben keinen Erfolg.
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a) Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob die Gondel für den
Transport zum Aufstellungsort auf dem Tieflader ordnungsgemäß verzurrt und
gesichert war, was die Klägerin in Abrede gestellt hat. Für die revisionsrechtli-
che Beurteilung ist daher von dem Vortrag der Klägerin auszugehen. Ein der
Beklagten nach § 428 HGB zuzurechnendes qualifiziertes Verschulden des von
ihr eingesetzten Unterfrachtführers S. hat das Berufungsgericht verneint,
weil der Unterfrachtführer aufgrund der fünf von ihm zuvor beanstandungsfrei
durchgeführten Transporte habe annehmen dürfen, dass es auch beim sechs-
ten Mal "gutgehen werde". Eine andere Beurteilung käme nur dann in Betracht,
wenn nach Durchführung des vierten oder fünften Transports die Sicherung und
Befestigung der Gondel auf dem Tieflader für den sechsten Transport geändert
worden wäre. Für eine solche Annahme gebe es jedoch keinerlei Anhaltspunk-
te.
b) Die gegen diese Beurteilung gerichteten Rügen der Anschlussrevision
haben keinen Erfolg. Die Anschlussrevision macht geltend, das Berufungsge-
richt hätte nicht ohne Beweisaufnahme zu der Feststellung gelangen dürfen, ein
leichtfertiges Handeln des ausführenden Frachtführers sei nicht nachweisbar.
Nach dem Vortrag der Klägerin sei das Unfallereignis durch mehrere Faktoren
aus dem Verantwortungsbereich der Beklagten verursacht worden: Verwen-
dung eines Tiefladers ohne lenkbare Hinterachse, unzureichende Ladungssi-
cherung und Wahl eines zu engen Kurvenradius beim Befahren der Baustraße.
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c) Dieses Vorbringen der Anschlussrevision steht der Verneinung eines
leichtfertigen Handelns des Unterfrachtführers durch das Berufungsgericht nicht
entgegen. Der von der Anschlussrevision für erforderlich erachteten Beweisauf-
nahme bedurfte es schon deshalb nicht, weil das Berufungsgericht seiner Ent-
scheidung den Vortrag der Klägerin zugrunde gelegt hat.
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aa) Die für den Wegfall der Haftungsbegrenzungen bei nicht vorsätzli-
chem Verhalten erforderliche Leichtfertigkeit setzt einen besonders schweren
Pflichtenverstoß voraus, bei dem sich der Frachtführer oder die Personen, de-
ren er sich bei der Ausführung der Beförderung bedient, in krasser Weise über
die Sicherheitsinteressen des Vertragspartners hinwegsetzen. Das subjektive
Erfordernis des Bewusstseins der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist
eine sich dem Handelnden aus seinem leichtfertigen Verhalten aufdrängende
Erkenntnis, es werde wahrscheinlich ein Schaden entstehen. Eine solche Er-
kenntnis als innere Tatsache ist erst dann anzunehmen, wenn das leichtfertige
Verhalten nach seinem Inhalt und nach den Umständen, unter denen es aufge-
treten ist, diese Folgerung rechtfertigt (BGHZ 158, 322, 328 f.; BGH, Urt. v.
17.6.2004 - I ZR 263/01, TranspR 2004, 399, 401 = VersR 2006, 570; BGH
TranspR 2007, 361 Tz. 16). Es bleibt dabei der tatrichterlichen Würdigung vor-
behalten, ob das Handeln nach dem äußeren Ablauf des zu beurteilenden Ge-
schehens vom Bewusstsein getragen wurde, dass der Eintritt eines Schadens
mit Wahrscheinlichkeit drohe. In dieser Hinsicht sind in erster Linie Erfahrungs-
sätze heranzuziehen. Die vom Tatrichter vorgenommene Beurteilung der Frage,
ob danach ein qualifiziertes Verschulden vorliegt, wird vom Revisionsgericht nur
darauf überprüft, ob dabei der Rechtsbegriff des qualifizierten Verschuldens
verkannt worden ist und ob Verstöße gegen § 286 ZPO oder gegen die Denk-
gesetze oder gegen Erfahrungssätze vorliegen (BGH TranspR 2007, 361
Tz. 16).
bb) Die von der Anschlussrevision gerügten Verstöße des Berufungsge-
richts gegen § 286 ZPO und Art. 103 Abs. 1 GG liegen nicht vor. Ebenso wenig
hat das Berufungsgericht den Rechtsbegriff des qualifizierten Verschuldens ver-
kannt.
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(1) Das Berufungsgericht hat als Unfallursache die von der Klägerin be-
hauptete Nichteinhaltung der Ideallinie beim Durchfahren einer Linkskurve auf
der Baustraße unterstellt. Es hat angenommen, dass sich aus dem Verlassen
einer sogenannten Ideallinie kein erheblicher Verschuldensvorwurf herleiten
lasse. Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Das Verfehlen einer
Ideallinie ist für sich genommen in der Regel ein einfacher Fahrfehler, der
- anders als ein Abkommen von einer gerade verlaufenden Straße - nicht den
Rückschluss auf einen besonders schweren Pflichtenverstoß zulässt. Der Um-
stand, dass der vorhandene Kurvenradius ausreichend war und ein Einhalten
der Ideallinie deshalb - wie auch bei den fünf vorausgegangenen Fahrten -
möglich gewesen wäre, vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern. Der
vom Berufungsgericht unterstellte Fahrfehler wird auch nicht dadurch zu einem
groben Pflichtenverstoß, dass der Frachtführer nicht rechtzeitig angehalten und
den Fahrfehler korrigiert hat. Denn es ist nicht festgestellt - und von der Kläge-
rin auch nicht dargelegt -, dass der Frachtführer zu einem Zeitpunkt, als der
Fahrfehler noch hätte korrigiert werden können, diesen auch bemerkt hat.
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(2) Entgegen der Auffassung der Anschlussrevision musste das Beru-
fungsgericht dem Vortrag der Klägerin zu einer angeblich unzureichenden La-
dungssicherung und zur schlechten Kontrollierbarkeit des Transportfahrzeugs
bei Kurvenfahrten nicht durch Einholung von Sachverständigengutachten nach-
gehen. Diese Umstände begründeten schon deshalb keine bewusste Leichtfer-
tigkeit der Beklagten oder ihrer Leute, weil die vorangegangenen fünf Transpor-
te reibungslos durchgeführt worden waren. Es ist nicht ersichtlich und von der
Klägerin auch nicht dargelegt, dass der streitgegenständliche sechste Transport
unter anderen Voraussetzungen, insbesondere mit geringeren Sicherheitsvor-
kehrungen, ausgeführt wurde. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Fracht-
führer habe davon ausgehen dürfen, dass es auch beim sechsten Transport
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"gutgehen werde", ist unter diesen Umständen aus Rechtsgründen nicht zu be-
anstanden.
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cc) Da das Berufungsgericht den Vortrag der Klägerin zur unzureichen-
den Verzurrung der Gondel auf dem Tieflader unterstellt hat, kommt es nicht
darauf an, ob - wie die Anschlussrevision rügt - das Berufungsgericht zu Un-
recht eine Verletzung der der Beklagten obliegenden Darlegungslast verneint
hat.
d) Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge der Anschlussrevision, das Beru-
fungsgericht habe verkannt, dass es der Beklagten oblegen habe darzulegen,
welche Sicherungsmaßnahmen sie zur Vermeidung von Verladungsfehlern er-
griffen habe. Da die Beklagte hierzu keinen Vortrag gehalten habe, sei von ei-
nem groben Organisationsverschulden der Beklagten auszugehen.
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Hierbei lässt die Anschlussrevision außer Acht, dass die Klägerin An-
haltspunkte für ein Organisationsverschulden in der Berufungsinstanz nicht vor-
gebracht hat. Sie hat sich vielmehr nur auf ein leichtfertiges Verhalten des von
der Beklagten eingesetzten Unterfrachtführers gestützt.
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C. Die Revision der Beklagten und die Anschlussrevision der Klägerin
sind danach zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1
ZPO.
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Bergmann
Pokrant
Büscher
Schaffert
Koch
Vorinstanzen:
LG Bremen, Entscheidung vom 30.11.2005 - 11 O 551/02 -
OLG Bremen, Entscheidung vom 02.11.2006 - 2 U 4/06 -