Urteil des BGH vom 17.09.2013

BGH: gesellschafter, beweislast, erfüllung, einzahlung, rückzahlung, stammeinlage, kontrolle, überzeugung, beweisergebnis, buchführung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
II ZR 142/12
vom
17. September 2013
in dem Rechtsstreit
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. September 2013 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann, den Richter Prof. Dr. Strohn, die
Richterinnen Caliebe und Dr. Reichart sowie den Richter Sunder
einstimmig beschlossen:
Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat
beabsichtigt, die Revision der Beklagten gegen das Urteil
des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom
28. März 2012 durch Beschluss nach § 552a ZPO auf ihre
Kosten zurückzuweisen.
Streitwert : 22.100 €
Gründe:
Zulassungsgründe liegen nicht vor, die Revision hat auch keine Aussicht
auf Erfolg.
I. Die Frage, ob der Inferent die Beweislast für das Fehlen des soge-
nannten Hin- und Herzahlens trägt, wenn der klagende Insolvenzverwalter le-
diglich konkrete Anhaltspunkte dafür dartun kann, deretwegen das Berufungs-
gericht die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zugelassen hat, ist in der
Rechtsprechung des Senats geklärt. Weitere Zulassungsgründe sind nicht er-
sichtlich.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (siehe nur BGH, Ur-
teil vom 22. Juni 1992 - II ZR 30/91, ZIP 1992, 1303, 1305; Urteil vom
13. September 2004 - II ZR 137/02, ZIP 2005, 28, 29) ist in einem Rechtsstreit
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um die Erfüllung einer Einlageschuld (§ 19 Abs. 1 GmbHG, § 362 BGB) grund-
sätzlich der Inferent darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass die Einlage
vollständig erbracht ist. Das gilt im Grundsatz auch bei einem längeren Zeitab-
stand seit der behaupteten Zahlung und späterem Erwerb des Geschäftsanteils
durch den nunmehrigen Gesellschafter, wie hier dem Beklagten zu 2 (BGH,
Beschluss vom 9. Juli 2007 - II ZR 222/06, ZIP 2007, 1755 Rn. 2). Dabei unter-
liegt es der - revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbaren - Entscheidung
des Tatrichters, ob der Nachweis geführt worden ist. Steht die Einzahlung - wie
hier - fest, dann ist es nach Ansicht des erkennenden Senats aus Rechtsgrün-
den nicht zu beanstanden, wenn der Tatrichter verlangt, dass der Insolvenz-
verwalter für einen ausnahmsweise nicht zur Tilgung der Einlageschuld führen-
den Umstand Vortrag hält. Insbesondere nach einem langen Zeitraum wäre es
einem Gesellschafter schwerlich möglich, alle denkbaren, der Erfüllungswirkung
entgegenstehenden Umstände als nicht vorhanden darzulegen.
Nichts anderes folgt aus dem Beschluss des erkennenden Senats vom
8. November 2004 (II ZR 202/03, DStR 2005, 297). Dort ist entgegen der An-
sicht des Berufungsgerichts nicht etwa entschieden, dass der Insolvenzverwal-
ter die Beweislast dafür trägt, dass ein Hin- und Herzahlen tatsächlich stattge-
funden hat. Vielmehr äußert sich der Senat in dieser Entscheidung lediglich zur
Vortragslast des Insolvenzverwalters, wenn er ausführt, dass bei unstreitiger
oder bewiesener Einlageleistung auf ein Konto der Gesellschaft von der Erfül-
lung der Einlageschuld (als bewiesener Haupttatsache) jedenfalls solange aus-
zugehen sei, als nicht vom Insolvenzverwalter konkrete Anhaltspunkte dafür
dargetan sind, dass die Gesellschaft daran gehindert war, über den eingezahl-
ten Betrag zu verfügen (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 1990 - II ZR 215/89,
ZIP 1991, 445, 446 f.; s. auch Goette, DStR 2005, 297 f. sowie Leitzen, RNotZ
2010, 254, 255 mwN). Danach obliegt dem Insolvenzverwalter lediglich eine
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gesteigerte Vortragslast. Mit dem Beweis ist der Insolvenzverwalter in diesen
Fällen jedoch nicht belastet, vielmehr verbleibt die Beweislast bei dem Inferen-
ten, wenn der Insolvenzverwalter seiner gesteigerten Vortragslast nachgekom-
men ist.
2. Auf den Fall des hier vom Berufungsgericht angenommenen "Hin- und
Herzahlens" übertragen bedeutet das, dass der Insolvenzverwalter - angesichts
der unstreitigen Einzahlung der Stammeinlage auf das Konto der Schuldnerin -
Anhaltspunkte dafür aufzeigen muss, dass trotz der Einzahlung der Wert der
Stammeinlage nicht in das freie Vermögen der GmbH gelangt ist. Kommt er
dem nach, muss der Inferent (und/oder der Erwerber) seinerseits darlegen und
beweisen, dass der Betrag im Vermögen der GmbH verblieben und nur für ei-
gene Aufwendungen der GmbH verwendet worden ist.
3. Im Übrigen irrt das Berufungsgericht, wenn es meint, hier liege ein Fall
des sogenannten Hin- und Herzahlens vor, der seit dem 1. Oktober 2008 unter
§ 19 Abs. 5 GmbHG falle. Die Bestimmung des § 19 Abs. 5 GmbHG betrifft
nicht alle Fälle gegenläufiger Zahlungen, sondern nur solche, bei denen die
Gesellschaft mit der Rückzahlung einen - dazu noch vollwertigen und liquiden -
Anspruch gegen den Gesellschafter erwirbt (siehe hierzu BGH, Beschluss vom
10. Juli 2012 - II ZR 212/10, ZIP 2012, 1857 Rn. 18; Urteil vom 20. Juli 2009 -
II ZR 273/07, BGHZ 182, 103 Rn. 11, 26 ff. - Cash-Pool II). Hier liegt hingegen
nach den Feststellungen des Berufungsgerichts eine reine Scheinzahlung vor,
bei der die im Voraus abgesprochene Rückzahlung keinen außerhalb dieser
Abrede liegenden Rechtsgrund hat (vgl. insoweit BGH, Urteil vom 18. Februar
1991 - II ZR 104/90, BGHZ 113, 335, 347; Urteil vom 22. März 2004 -
II ZR 7/02, ZIP 2004, 1046, 1047).
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II. Die Revision hat auch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg. Es ist
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht den seiner
zutreffenden Ansicht nach den Beklagten obliegenden Nachweis der Erfüllung
der Stammeinlageverpflichtung gemäß § 362 BGB nicht als geführt angesehen
hat.
1. Das Berufungsgericht stellt in tatrichterlicher Würdigung fest, dass oh-
ne jeden erkennbaren Anlass innerhalb von nur wenigen Tagen der eingezahlte
Betrag in mehreren Teilbeträgen fast vollständig abgehoben worden sei und es
jeglicher wirtschaftlicher Vernunft widerspreche, einen Betrag von mehr als
20.000
€ über mehr als neun Monate unverzinst in der Barkasse zu verwahren,
da dies für den Geschäftsbetrieb weder notwendig noch vorteilhaft sei und die
Beklagten hierzu auch keinerlei, ein derart ungewöhnliches Verhalten erklären-
de Ausführungen gemacht hätten. Zwar hätten die Beklagten geltend gemacht,
dass die Schuldnerin auch in der "Startphase" Ausgaben gehabt habe, wofür
liquide Mittel benötigt worden seien, da Kreditmittel nicht zur Verfügung gestan-
den hätten. Aus der Kasse seien diese Mittel aber gerade nicht entnommen
worden, da nach den von den Beklagten eingereichten Unterlagen erste Bar-
entnahmen erst neun Monate nach Gründung feststellbar seien. Durch die Aus-
sage der Zeugin B. hätten die Beklagten ebenfalls nicht nachgewiesen,
dass die Barabhebungen im März 2002 nicht nur buchungsmäßig im Kassen-
buch behandelt, sondern tatsächlich in die Barkasse der Schuldnerin gelangt
und dort verblieben bzw. aus der Barkasse nur für Zwecke der Schuldnerin
verwandt worden seien. Zum einen sei die Zeugin nur mit der Buchführung und
nicht mit der körperlichen Kontrolle der Barkasse selbst befasst gewesen. Zu-
dem habe sie ihre Tätigkeit frühestens in der zweiten Jahreshälfte 2002 aufge-
nommen und könne daher zu Bareinlagen im März 2002 keine Angaben ma-
chen. Die beantragte Vernehmung des Beklagten zu 2 als Partei hat das Beru-
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fungsgericht mit der Begründung abgelehnt, die Voraussetzungen der §§ 447,
448 ZPO lägen nicht vor, insbesondere ergebe sich aus den unstreitigen Tatsa-
chen und der Vernehmung der Zeugin B. keine sogenannte Anfangswahr-
scheinlichkeit für die Richtigkeit der Behauptung der Beklagten.
2. Diese Gesamtwürdigung der festgestellten Umstände durch das Beru-
fungsgericht ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Die dem Berufungsgericht obliegende tatrichterliche Beurteilung ist ge-
mäß § 559 Abs. 2 ZPO revisionsgerichtlicher Nachprüfung weitgehend entzo-
gen. Nach § 286 ZPO hat der Tatrichter unter Berücksichtigung des gesamten
Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nach
freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr
oder für nicht wahr zu erachten ist. Revisionsrechtlich ist lediglich zu überprü-
fen, ob sich der Tatrichter mit dem Prozessstoff und dem Beweisergebnis um-
fassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also voll-
ständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfah-
rungssätze verstößt. Derartige Rechtsfehler sind vorliegend nicht gegeben. Mit
der Behauptung, der Kläger habe der Vernehmung des Beklagten zu 2 zu kei-
nem Zeitpunkt widersprochen, wenden sich die Beklagten in revisionsrechtlich
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unbeachtlicher Weise gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, der Kläger
habe einer Vernehmung nicht zugestimmt.
Bergmann
Strohn
Caliebe
Reichart
Sunder
Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt
worden.
Vorinstanzen:
LG Leipzig, Entscheidung vom 01.07.2011 - 7 O 1947/10 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 28.03.2012 - 13 U 1183/11 -