Urteil des BGH vom 04.11.2008

BGH (stgb, beihilfe, schuldspruch, nachteil, aufhebung, stpo, freiheitsstrafe, sache, rücknahme, umfang)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 196/08
vom
4. November 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts und des Beschwerdeführers am 4. November 2008 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Bochum vom 28. März 2007
a) im
Schuldspruch
dahin geändert, dass der Ange-
klagte des Betruges in Tateinheit mit Beihilfe zum
schweren Parteiverrat und des Betruges in drei so-
wie des versuchten Betruges in 13 Fällen schuldig
ist;
b) in den Aussprüchen über die Einzelstrafen – aus-
genommen diejenigen wegen vollendeten Betruges
in drei Fällen, die bestehen bleiben – und über die
Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Ver-
handlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landge-
richts zurückverwiesen.
3.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in Tateinheit mit
Beihilfe zum Parteiverrat in zwei Fällen sowie wegen Betruges in 16 weiteren
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Fällen, wobei es in 13 Fällen beim Versuch blieb, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe
von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Ange-
klagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Ver-
letzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem
aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbe-
gründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Der Schuldspruch wegen zweifachen Betruges zum Nachteil des Zeu-
gen P. , jeweils begangen in Tateinheit mit Beihilfe zum Parteiverrat, hält der
rechtlichen Nachprüfung nicht stand, weil das Landgericht die Konkurrenzfrage
rechtsfehlerhaft beurteilt hat. Die Annahme des Landgerichts, die Durchführung
der Zivilklage gegen den Zeugen P. beim Amtsgericht Essen-Steele bis zum
Erstreiten des obsiegenden Urteils und die von dem Angeklagten veranlasste
Rücknahme der Berufung des P. gegen dieses Urteil bildeten jeweils rechtlich
selbständige Taten, trifft nicht zu. Indem der Angeklagte die Rücknahme der
Berufung des P. veranlasste und dadurch einen rechtskräftigen Zahlungstitel
erlangte, setzte er lediglich den mit der Klageerhebung gegen P. begonne-
nen Prozessbetrug fort, ohne dass der Betrugsschaden dadurch erweitert wur-
de (vgl. BGH NStZ 2001, 195 f.; BGH, Urteil vom 27. August 2008 – 2 StR
329/08). Unter diesen Umständen ist nur von einer einheitlichen Betrugstat aus-
zugehen.
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Angeklagte sich
sowohl im Zusammenhang mit dem erstinstanzlichen Verfahren vor dem Amts-
gericht als auch im Zusammenhang mit der Berufungsrücknahme der Beihilfe
zum (insoweit nach § 356 Abs. 2 StGB qualifizierten) Parteiverrat des gesondert
abgeurteilten S. schuldig gemacht hat. Insoweit liegt als Haupttat entgegen
der Rechtsauffassung des Landgerichts nur eine einheitliche Tat des (schwe-
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ren) Parteiverrats durch S. vor. Denn ungeachtet seiner in dem zivilrechtli-
chen Verfahren in zwei Instanzen ausgeübten Tätigkeit hat S. dem Geschä-
digten P. in derselben Rechtssache im Sinne des § 356 Abs. 1 StGB
pflichtwidrig gedient. Dies begründet bei S. eine tatbestandliche Handlungs-
einheit (vgl. Gillmeister in LK-StGB 11. Aufl. § 356 Rdn. 106; Kuhlen in NK-
StGB 2. Aufl. § 356 Rdn. 69; Lackner/Kühl StGB 26. Aufl. § 356 Rdn. 12; Ru-
dolphi/Rogall in SK-StGB 7. Aufl. § 356 Rdn. 38). Ohne Belang ist insoweit, ob
der Angeklagte selbst als Gehilfe zum Parteiverrat mehrfach tätig geworden ist.
Denn mehrere Beihilfehandlungen zu einer einheitlichen Haupttat stellen nach
den Grundsätzen der Akzessorietät nur eine Beihilfe dar (Fischer StGB 55. Aufl.
§ 27 Rdn. 31 m.w.N.).
Es liegt demnach nur ein Fall des Betruges zum Nachteil des P. , tat-
einheitlich begangen mit Beihilfe zum schweren Parteiverrat vor. Der Senat än-
dert den Schuldspruch entsprechend. Dabei muss die Qualifikation des § 356
Abs. 2 StGB („schwerer“ Parteiverrat) ihren Ausdruck im Schuldspruch finden.
§ 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, weil sich der An-
geklagte insoweit nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
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2. Im Übrigen weist die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisions-
rechtfertigung zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Ange-
klagten auf. Dagegen kann der Strafausspruch mit Ausnahme der drei wegen
vollendeten Betruges verhängten Einzelfreiheitsstrafen von jeweils neun Mona-
ten nicht bestehen bleiben.
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a) Soweit es die Taten zum Nachteil des Geschädigten P. anlangt,
zieht schon die Schuldspruchänderung die Aufhebung der davon betroffenen
beiden Einzelstrafen nach sich. Im Übrigen könnten die Einzelstrafen von einem
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Jahr sechs Monaten und einem Jahr Freiheitsstrafe auch deshalb nicht beste-
hen bleiben, weil - wie der Beschwerdeführer zu Recht einwendet - die Straf-
zumessungserwägungen durchgreifenden rechtlichen Bedenken unter dem Ge-
sichtspunkt des Verbots der Doppelverwertung (§ 46 Abs. 3 StGB) begegnen.
Indem das Landgericht dem Angeklagten insoweit strafschärfend anlastet, er
habe "die deutsche Justiz in erheblicher Weise getäuscht und für seine betrüge-
rischen Absichten instrumentalisiert, indem durch das kollusive Zusammenwir-
ken der Parteivertreter eines Zivilverfahrens ein zunächst vorläufig vollstreckba-
rer und schließlich rechtskräftiger Titel erlangt wurde" (UA 138), hat es letztlich
die Tatbegehung als solche zu seinem Nachteil gewertet. Das ist rechtsfehler-
haft (vgl. Fischer aaO § 46 Rdn. 76 f.).
b) Die in den 13 Fällen des versuchten Betruges verhängten Einzelstra-
fen von jeweils sechs Monaten Freiheitsstrafe hat das Landgericht jeweils dem
Strafrahmen des § 263 Abs. 1 StGB entnommen. Die eher floskelhafte Begrün-
dung für die Versagung der Strafrahmenmilderung nach § 23 Abs. 2 i.V.m. § 49
Abs. 1 StGB (UA 137) wird den Anforderungen der Rechtsprechung an die ge-
botene umfassende Würdigung insbesondere der versuchsbezogenen Ge-
sichtspunkte, der Nähe zur Tatvollendung und der Gefährlichkeit des Versuchs
(vgl. BGH NStZ-RR 2003, 72) nicht gerecht. Insbesondere ist der in diesem Zu-
sammenhang genannte Gesichtspunkt der erheblichen kriminellen Energie der
Sache nach nichts anderes als der Vorwurf der Tatbegehung als solcher (§ 46
Abs. 3 StGB).
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c) Die Aufhebung der von den aufgezeigten Rechtsfehlern betroffenen
Einzelstrafen zieht auch die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach
sich.
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Tepperwien Maatz Kuckein
Solin-Stojanović Mutzbauer