Urteil des BGH vom 20.03.2014

BGH: einstellung des verfahrens, sachbeschädigung, farbe, eltern, brandstiftung, androhung, schweigen, leiter, überzeugung, nacht

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 S t R 3 5 3 / 1 3
vom
20. März 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerde-
führer und des Generalbundesanwalts am 20. März 2014 gemäß § 349 Abs. 4,
§ 354 Abs. 1, § 206a Abs. 1 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des
Landgerichts Stralsund vom 4. Juni 2013 wird
a) das Verfahren eingestellt, soweit die Angeklagten im Fall II.
4. der Urteilsgründe wegen Brandstiftung verurteilt worden
sind; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Ver-
fahrens sowie die notwendigen Auslagen der Angeklagten
der Staatskasse zur Last;
b) das vorbezeichnete Urteil mit den Feststellungen aufgeho-
ben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten
der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landge-
richts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten L. wegen Anstiftung zur ge-
fährlichen Körperverletzung, Brandstiftung in zwei Fällen, Sachbeschädigung in
drei Fällen sowie Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straf-
taten in Tateinheit mit versuchter Nötigung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von
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drei Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten B. wegen gefährlicher
Körperverletzung, Brandstiftung in zwei Fällen sowie Sachbeschädigung in zwei
Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und den Angeklagten
A. wegen Brandstiftung in zwei Fällen sowie Sachbeschädigung in zwei
Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verur-
teilt. Schließlich hat es zu Lasten der Angeklagten L. und B. eine Ad-
häsionsentscheidung getroffen. Gegen dieses Urteil richten sich die jeweils auf
die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisio-
nen der Angeklagten. Die Rechtsmittel haben mit der Sachrüge Erfolg, weswe-
gen es eines Eingehens auf die Verfahrensbeanstandungen nicht bedarf.
I. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Am 4. Juli 2012 warf der gesondert verfolgte Z. den Anweisungen
des Angeklagten L. entsprechend ein mit Buttersäure gefülltes Glas in
den Eingangsbereich eines Hotels. Die übelriechende Säure verteilte sich auf
dem Fliesenboden und wurde von Gästen und Mitarbeitern über die Schuhe
auf angrenzenden Teppichboden verteilt, der "infolgedessen ausgetauscht
werden" musste. Der auf Anraten der Feuerwehr unternommene Versuch, die
Fliesen mit Wasser zu reinigen, gelang nur unzureichend. Die verdünnte Säure
drang in die Fliesen und die Fugenmasse ein und bewirkte, dass noch heute
bei deren Wischen ein "leichter buttersäuretypischer Geruch wahrnehmbar" ist
(Fall II. 1. der Urteilsgründe).
Der Angeklagte B. begab sich am 6. Juli 2012 auf Auftrag des Ange-
klagten L. zum Anwesen des Geschädigten H. , Leiter des Bauamts
der Stadt S. , trat - als dieser das Haus verließ - maskiert aus seinem
Versteck von hinten an diesen heran und versetzte ihm mit einem mitgeführten
Schlagstock mehrere Schläge auf Kopf und Beine (Fall II. 2. der Urteilsgründe).
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Entsprechend eines "von L. erläuterten und von ihnen [den Ange-
klagten B. und A. ] gebilligten und mitgetragenen Tatplans" überschüt-
tete der Angeklagte B. am 7. Juli 2012, gegen 1 Uhr, einen PKW mit
Brandbeschleuniger und entzündete diesen (Fall II. 3. der Urteilsgründe). Ent-
sprechend verfuhr zeitgleich der Angeklagte A. mit einem Fischkutter, der
im Jahr 2010 kurzzeitig als Imbiss-Verkaufseinrichtung im S. Hafen
genutzt worden war, bevor er im Hafenbecken sank. Seit der Hebung arbeitete
die Eigentümerin in Eigenleistung an der Instandsetzung des Kutters, der auch
zukünftig als schwimmender Verkaufsstand, nicht jedoch als seetüchtiges Boot
genutzt werden sollte (Fall II. 4. der Urteilsgründe). In derselben Nacht schütte-
ten die Angeklagten B. und A. rote und blaue Farbe gegen die Fassa-
de eines Hotels (Fall II. 5. der Urteilsgründe) und einer von beiden in Anwesen-
heit des anderen rote Farbe an eine Gaststätte (Fall II. 6. der Urteilsgründe).
Schließlich bepackte der Angeklagte L. am 15. August 2012 einen
Karton u.a. mit TNT und verschloss ihn mit Klebeband. Er veranlasste seine
Großmutter, auf die Oberseite des Kartons zu schreiben: "H. , Du korrup-
tes Schwein, verpiß Dich, aus unserem Amt, sonst wird das, was sich im Paket
befindet: Ernst!!!". Den Karton deponierte der Angeklagte L. in der Fol-
genacht vor dem Eingang des Bauamts der Stadt S. . Das Paket sollte
den Eindruck einer Bombe erwecken, die alsbald hochgehen werde; eine Ge-
fährdung war jedoch weder beabsichtigt noch wurde sie billigend in Kauf ge-
nommen. Dem Angeklagten war aber bewusst, dass das Auffinden des Pa-
ketes nicht nur bei Mitarbeitern des Amtes für Aufregung und Angst vor mögli-
chen Anschlägen sorgen würde, sondern auch einer größeren Öffentlichkeit
bekannt werden und bei dieser Verunsicherung auslösen würde. Nach Auffin-
den des Kartons wurden das Amt und die umliegenden Gebäude durch die Po-
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lizei evakuiert. Der Munitionsbergungsdienst "entschärfte" die Bombe (Fall II. 7.
der Urteilsgründe).
II. Das angefochtene Urteil kann keinen Bestand haben, weil sich die
Beweiswürdigung im Fall II. 2. der Urteilsgründe als rechtsfehlerhaft erweist;
dies entzieht dem Schuldspruch in allen abgeurteilten Fällen die Grundlage.
1. Das Landgericht hat seine Überzeugung von den getroffenen Feststel-
lungen in erster Linie aufgrund der Angaben des Zeugen W. gewonnen.
Dieser machte zu allen abgeurteilten Fällen Angaben, die die schweigenden
Angeklagten belasteten. Zu Fall II. 2. der Urteilgründe gab er unter anderem an,
einem Auftrag des Angeklagten L. entsprechend den Angeklagten B.
am Tag der gefährlichen Körperverletzung, dem 6. Juli 2012, von D. nach
S. in die Nähe des Tatorts gefahren zu haben. Die den entgegenste-
henden Angaben der Eltern des Angeklagten B. , dieser habe sich zur Tat-
zeit auf dem elterlichen Grundstück aufgehalten, hat die Kammer als vorsätzli-
che Falschaussage gewertet. Diesen Schluss hat sie "vor allem" aus dem lan-
gen, von beiden Zeugen nicht plausibel erklärten Schweigen zum Alibi ihres
Sohnes gezogen. Es widerspräche jeglicher Lebenserfahrung, dass Eltern ei-
nen entlastenden Umstand gegenüber den Strafverfolgungsbehörden ver-
schweigen und ihren Sohn über sechs Monate in Untersuchungshaft verbringen
lassen. Auf Frage, warum sie diese Angaben nicht früher gemacht habe, habe
die Mutter des Angeklagten B. mit der Gegenfrage geantwortet, warum man
sie nicht früher gefragt habe.
2. Diese Würdigung ist rechtsfehlerhaft. Die Eltern eines Angeklagten
sind zur Aussage nicht verpflichtet, § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO. Der unbefangene
Gebrauch dieses Schweigerechts wäre nicht gewährleistet, wenn der verweige-
rungsberechtigte Zeuge die Prüfung und Bewertung der Gründe für sein Aus-
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sageverhalten befürchten müsste (BGH, Beschluss vom 2. April 1968 - 5 StR
153/68, BGHSt 22, 113, 114). Deshalb dürfen weder aus der durchgehenden
noch aus der nur anfänglichen Zeugnisverweigerung dem Angeklagten nachtei-
lige Schlüsse gezogen werden (BGH, Urteil vom 18. September 1984 - 4 StR
535/84, NStZ 1985, 87). Letzterem steht es gleich, wenn es ein zur Zeugnis-
verweigerung Berechtigter zunächst unterlässt, von sich aus Angaben zu ma-
chen (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 1986 - 4 StR 569/86, NStZ 1987, 182,
183). Einer Würdigung zugänglich ist allein das nur teilweise Schweigen des
Zeugen zur Sache (BGH, Urteil vom 2. April 1987 - 4 StR 46/87, BGHSt 34,
324, 327 ff.).
Ein solches teilweises Schweigen liegt nicht vor. Da sich dies aus den
Urteilsgründen selbst ergibt, ist der Fehler auf die Sachrüge hin zu beachten
(vgl. zum Schweigen des Angeklagten BGH, Beschluss vom 17. Juli 1996
- 3 StR 248/96, NStZ 1997, 147; KK-Gericke, StPO, 7. Aufl., § 337 Rn. 30). Die
im Urteil mitgeteilte Erklärung der Mutter des Angeklagten B. anlässlich ei-
nes Haftprüfungstermins, in dem Betrieb der Eltern sei eine Beschäftigung des
Sohnes sichergestellt, sollte ersichtlich der Entkräftigung eines Haftgrundes
dienen. Eine Äußerung zu den gegen den Sohn erhobenen Tatvorwürfen lag
darin nicht.
3. Auf dieser Rechtsverletzung beruht das Urteil insgesamt. Der Senat
kann nicht ausschließen, dass das Landgericht ohne die zu beanstandende
Erwägung dem durch die Eltern gegebenen Alibi Glauben geschenkt und dem-
entsprechend eine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten B. im
Fall II. 2. der Urteilsgründe nicht gewonnen hätte. Hierdurch wäre jedoch zu-
gleich die Glaubhaftigkeit des Belastungszeugen W. erschüttert gewesen,
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was sich auf die Überzeugungsbildung zu den anderen Taten ausgewirkt haben
könnte.
4. Vor diesem Hintergrund kommt es nicht mehr darauf an, dass die
Feststellung, die in den Fällen II. 5. und 6. der Urteilsgründe verwendete Farbe
sei vom Zeugen W. auf Geheiß des Angeklagten L. am Tag nach
dem Überfall auf den Leiter des Bauamts gekauft worden, mit den übrigen Er-
kenntnissen nicht in Einklang zu bringen ist. Denn nach diesen ereigneten sich
die Farbanschläge bereits in der auf den Überfall folgenden Nacht. Mag dieser
Widerspruch mit Schwierigkeiten des Zeugen bei der zeitlichen Einordnung
einzelner Ereignisse zu erklären sein, auf die das Landgericht an anderer Stelle
hingewiesen hat, so stellt sich allerdings darüber hinaus die im Urteil nicht erör-
terte Frage, ob die verschiedenen, vom Zeugen W. geschilderten eigenen
Tätigkeiten - Fahrt des Angeklagten B. zum und vom Ort des Überfalls
einerseits, Fahrt mit dem Angeklagten L. zum Baumarkt und Erwerb der
Farbe andererseits - zeitlich und räumlich miteinander in Einklang zu bringen
sind.
Ebenfalls kann offenbleiben, ob die Überzeugung des Landgerichts von
der Täterschaft der Angeklagten B. und A. in den Fällen II. 5. und 6.
der Urteilsgründe hinreichend belegt ist. Mag der Schluss von der zeitlichen
Koinzidenz mit den Fällen II. 3. und 4. der Urteilsgründe auf die Täteridentität
möglich sein, gilt dies für das weitere, von der Kammer herangezogene Argu-
ment der Identität der Geschädigten nur für den mit diesen in einer persönli-
chen Beziehung stehenden Angeklagten L. . Darüber hinaus lassen sich
dem Urteil keine Erwägungen entnehmen, die die Schlussfolgerung tragen,
dass bei Fall II. 6. der Urteilsgründe nicht nur eine Person vor Ort war. Dies gilt
umso mehr, als die Kammer nicht genau festzustellen vermocht hat, um welche
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Uhrzeit diese Tat begangen wurde. Augenzeugen, die zwei Täter beschrieben
haben, benennt sie nur für Fall II. 5. der Urteilsgründe.
III. Im Fall II. 4. der Urteilsgründe ist das Verfahren einzustellen (§ 354
Abs. 1, § 206a Abs. 1 StPO). Die zum Tatobjekt (rechtsfehlerfrei) getroffenen
Feststellungen tragen einen Schuldspruch wegen (gemeinschaftlicher) Brand-
stiftung nicht. Soweit sie eine Sachbeschädigung gemäß § 303 Abs. 1 StGB
belegen, fehlt es an der Strafverfolgungsvoraussetzung nach § 303c StGB.
Bei dem Fischkutter handelt es sich entgegen der Ansicht des Landge-
richts nicht um ein Wasserfahrzeug im Sinne des § 306 Abs. 1 Nr. 4 StGB. Die-
ses Tatbestandsmerkmal ist gesetzlich nicht definiert; aus der Regelung des
§ 1 Abs. 2 StVG zum Kraftfahrzeug erschließt sich jedoch, dass das Wesen
eines (jeden) Fahrzeugs in seiner generellen Bestimmung und Eignung zur
Fortbewegung liegt (ebenso SK-StGB/Wolters, 127. Lfg., § 306 Rn. 6;
MüKoStGB/Radtke, 2. Aufl., § 306 Rn. 37). Bereits daran fehlt es, weil der Kut-
ter allein als ortsfester Verkaufsstand dienen sollte.
Der Fischkutter stellte auch keine Betriebsstätte im Sinne des § 306
Abs. 1 Nr. 2 StGB (mehr) dar. Dem steht allerdings nicht entgegen, dass es
sich bei einem Verkaufsstand um keinen technischen Betrieb handelt (so aller-
dings Liesching, Die Brandstiftungsdelikte der §§ 306 bis 306c StGB nach dem
Sechsten Gesetz zur Reform des Strafrechts, 2002, S. 92, der dies aus dem
Nebeneinander mit dem weiteren Tatobjekt der technischen Einrichtung
schließt). Eine entsprechende Differenzierung ist weder vom Wortlaut noch der
Systematik her zwingend und erwiese sich nach Sinn und Zweck der Vorschrift
als willkürlich (ebenfalls ablehnend: MüKoStGB/Radtke aaO, Rn. 28; LK/Wolff,
StGB, 12. Aufl., § 306 Rn. 27; S/S-Heine/Bosch, StGB, 29. Aufl., § 306 Rn. 5).
Dadurch, dass der Kutter durch die bereits zwei Jahre dauernde Reparatur für
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einen erheblichen Zeitraum seiner eigentlichen Verwendung entzogen worden
war, hatte er jedoch seine ursprüngliche Eigenschaft als Betriebsstätte einge-
büßt.
Hinsichtlich der verwirklichten Sachbeschädigung findet sich in den Ak-
ten kein Strafantrag der Verletzten; auch hat die Staatsanwaltschaft das be-
sondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bisher nicht bejaht. Da
dies indes noch nachgeholt werden kann, war anstelle von Freispruch der An-
geklagten auf Einstellung des Verfahrens zu erkennen (§ 206a Abs. 1 StPO),
da dieses nach derzeitigem Sachstand insoweit nicht weiterbetrieben werden
darf (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 1951 - 1 StR 102/51, BGHSt 1, 231, 235;
Beschluss vom 8. Juni 1983 - 3 StR 476/82, NJW 1983, 2270, 2271 f.; siehe
auch Palder, JR 1986, 94, 95 f.; aA Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 354
Rn. 6).
IV. Ausgehend von den bislang getroffenen Feststellungen weist der Se-
nat für die neue Hauptverhandlung vorsorglich auf Folgendes hin:
1. Die Begründung der Verurteilung wegen Sachbeschädigung gemäß
§ 303 Abs. 1 StGB in Fall II. 1. der Urteilsgründe, das Eindringen der Buttersäu-
re in die poröse Fugenmasse zwischen den Fliesen habe die Substanz verän-
dert, wodurch die Brauchbarkeit des Fußbodens mehr als nur unerheblich be-
einträchtigt worden sei, vermengt die beiden Arten des Beschädigens (vgl. hier-
zu BGH, Beschluss vom 13. November 1979 - 5 StR 166/79, BGHSt 29, 129,
132). Den bisherigen Urteilsfeststellungen lässt sich weder bezüglich des Flie-
senbodens noch des Teppichs hinreichend deutlich entnehmen, ob eine Sub-
stanzverletzung eingetreten ist. Dabei werden vom Tatbestand allerdings auch
mittelbare Verletzungen der Substanz erfasst, die zwangsläufige Folge der Be-
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seitigung einer Verschmutzung sind (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 27. Mai
2004 - 1 Ss 48/04, NJW 2004, 2843).
2. Der Senat entnimmt der Liste der angewandten Strafvorschriften be-
züglich des Angeklagten L. , dass die Kammer in Fall II. 2. der Urteils-
gründe davon ausgegangen ist, dieser habe den Angeklagten B. auch zur
Hinterlistigkeit des Überfalls bestimmt. Ein dementsprechender Vorsatz ist in-
des bislang nicht festgestellt.
3. Die Annahme von Mittäterschaft beim Angeklagten A. im Fall
II. 3. der Urteilsgründe erweist sich angesichts der bisherigen Feststellungen
als fehlerhaft. Er wirkte bei der Tatausführung durch den Angeklagten B.
nicht mit, sondern entzündete seinerseits zeitgleich an einem anderen Ort ein
anderes Objekt (Fall II. 4. der Urteilsgründe, vgl. oben I.). Der bloße Umstand,
dass mehrere aufgrund gemeinsamer Überlegungen eine Situation für getrenn-
te und selbständig durchgeführte Straftaten nutzen, genügt für die Annahme
von Mittäterschaft jedoch nicht (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 1972 - 2 StR
670/71, BGHSt 24, 286, 288 f.). Die beschriebene Billigung des vom Angeklag-
ten L. vorgegebenen Gesamtplanes und die Bereitschaft zur zeitgleichen
Begehung der eigenen Tat könnte allenfalls eine Stärkung des Entschlusses
des Angeklagten B. zur Inbrandsetzung des PKW bewirkt haben, was als
psychische Beihilfe zu werten wäre. Gleiches gilt spiegelbildlich für die vom
Landgericht angenommene Mittäterschaft des Angeklagten B. im Fall II. 4.
der Urteilsgründe (Inbrandsetzung des Kutters durch den Angeklagten
A. ).
4. Die Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses richtet sich nach dem
Tatbeitrag des jeweiligen Beteiligten (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom
10. Mai 2001 - 3 StR 52/01, StV 2002, 73). Danach liegt bezüglich der in der
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Nacht auf den 7. Juli 2012 begangenen Sachbeschädigungs- und Brandstif-
tungsdelikte nur eine Tat des Angeklagten L. vor. Denn dessen maßgeb-
licher Beitrag lag in dem Transport der Mitangeklagten. Dem zeitlich vorgela-
gerten Erwerb der Farbe kam, da auch er keine unmittelbare Tathandlung dar-
stellte, keine eigenständige Bedeutung zu (vgl. BGH aaO).
5. Für die Subsumtion unter die Tatbestände des § 126 StGB ist zu un-
terscheiden: Während die Androhung einer Katalogstraftat (Absatz 1) begriffs-
notwendig auf ein zukünftiges Ereignis bezogen ist, kann die Täuschung über
deren Bevorstehen (Absatz 2) auch darin liegen, dass diese bereits eingeleitet
sei (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 24. April 2002 - 2 Ss 71/02, NStZ-RR
2002, 209). Dass es dabei um eine eigene Tat des Täters geht, steht der An-
wendbarkeit des § 126 Abs. 2 StGB nicht entgegen (MüKoStGB/Schäfer aaO,
§ 126 Rn. 18; SK-StGB/Stein/Rudolphi, 140. Lfg., § 126 Rn. 4, 5c; Schramm,
NJW 2002, 419, 420; wohl auch BGH, Urteil vom 27. August 1998 - 4 StR
332/98, NStZ-RR 1999, 266, 267; aA Fischer, StGB, 61. Aufl., § 126 Rn. 8). Zu
verlangen ist in diesem Fall lediglich, dass der Täter zugleich vorspiegelt, dass
die Tatvollendung nicht mehr von ihm beeinflussbar sei (OLG Frankfurt aaO).
Auf einen Fall des § 126 Abs. 2 StGB hat das Landgericht der Sache
nach abgestellt, soweit es angenommen hat, der Vorsatz des Angeklagten L.
sei darauf ausgerichtet gewesen, dass die Öffentlichkeit von der Bom-
benattrappe, die den Eindruck erwecken sollte, sie werde alsbald hochgehen,
durch die Entschärfungsmaßnahmen Kenntnis erlange. Darüber hinaus könnte
in der Attrappe in Verbindung mit dem Schreiben aber zugleich (§ 52 StGB) die
Androhung einer zukünftigen Straftat gemäß § 126 Abs. 1 StGB liegen. Dass
deren Begehung unter eine Bedingung gestellt wäre, stünde dem nicht entge-
gen, da es ausreicht, dass der Täter vorgibt, Einfluss auf die Entscheidung zur
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Tatausführung zu haben (BGH, Urteil vom 2. April 1987 - 4 StR 55/87, BGHSt
34, 329, 331). Damit, ob die in dem Schreiben liegende Androhung öffentlich
wurde und - wenn ja - ob dies vom Vorsatz des Angeklagten L. umfasst
war, hat sich das Landgericht jedoch ebenso wenig auseinandergesetzt wie mit
dem Umstand, ob die allein gegen den Leiter des Bauamts gerichtete Drohung
der Eignung zur öffentlichen Friedensstörung entgegenstand (vgl. hierzu
MüKoStGB/Schäfer aaO, Rn. 28).
Becker Pfister Hubert
Mayer Spaniol