Urteil des BGH vom 07.05.2009

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZR 22/08
vom
7. Mai 2009
in dem Rechtsstreit
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter und die Richter Raebel, Prof. Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein und
Grupp
am 7. Mai 2009
beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem
Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom
4. Januar 2008 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 9.979.906,23 € fest-
gesetzt.
Gründe:
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft (§ 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO)
und zulässig (§ 544 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO). Sie hat jedoch keinen Erfolg.
Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fort-
bildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
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Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die von der Beklagten erklärte
Aufrechnung sei nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO unzulässig, weil die Beklagte die
Möglichkeit der Aufrechnung durch eine nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfecht-
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bare Rechtshandlung erlangt habe, ist nicht zu beanstanden. Dies gilt entgegen
der Auffassung der Beschwerde auch bezüglich der tatbestandlichen Voraus-
setzungen einer Gläubigerbenachteiligung und der Inkongruenz.
1. Bei der Prüfung, ob die Erlangung einer Aufrechnungsmöglichkeit die
Gläubiger des Insolvenzschuldners benachteiligt, sind die Folgen der Aufrech-
nung einzubeziehen, weil § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO die Masse gerade vor dem
durch die Aufrechnung entstehenden Vermögensverlust schützen will. Die Gut-
schriften, welche der Beklagten die Aufrechnung mit ihrem Schadensersatzan-
spruch ermöglichten, führten zu einer Schmälerung der Insolvenzmasse. Mit
Erteilung der Gutschriften erlosch der Anspruch gegen die Beklagte auf die
Gutschrift; der Anspruch aus den Gutschriften war der Aufrechnung durch die
Beklagte ausgesetzt. Dieser Nachteil wurde dadurch, dass in Höhe der Auf-
rechnung auch der Schadensersatzanspruch der Beklagten erlosch, nicht aus-
geglichen, weil diese Forderung lediglich mit der Insolvenzquote zu bedienen
gewesen wäre.
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2. Ob eine Sicherung oder Befriedigung kongruent oder inkongruent ist,
macht der Senat auch bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 96 Abs. 1
Nr. 3 InsO entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 131 Abs. 1 InsO davon
abhängig, ob der Insolvenzgläubiger einen Anspruch auf die Erlangung der Auf-
rechnungsmöglichkeit hatte (BGHZ 147, 233, 240). Eine Ausnahme hat er für
den Fall der Verrechnung von Gutschriften mit dem Sollstand eines Kontokor-
rentkontos innerhalb der Kontokorrentbeziehung anerkannt. Eine solche Ver-
rechnung von Zahlungen, welche die Bank von Dritten hereingenommen hat, ist
kongruent, wenn sie vertragsgemäß unter Einhaltung der für die Kontokorrent-
beziehung geltenden Vereinbarungen erfolgt und soweit Belastungen in gleicher
Höhe gebucht werden (BGHZ 150, 122, 129; BGH, Urt. v. 15. November 2007
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- IX ZR 212/06, ZIP 2008, 235, 236 f, Rn. 15). Bei der Aufrechnung mit einer
außerhalb des Kontokorrents stehenden Forderung liegen diese Voraussetzun-
gen nicht vor. Klärungsbedürftige Grundsatzfragen stellen sich in diesem Zu-
sammenhang nicht.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2
Halbs. 2 ZPO abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraus-
setzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.
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Ganter Raebel Kayser
Gehrlein
Grupp
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 14.11.2006 - 2 O 465/05 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 04.01.2008 - 17 U 406/06 -