Urteil des BGH vom 29.07.2003
Dynamisches Mikrofon Leitsatzentscheidung
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 26/00
Verkündet am:
29. Juli 2003
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Dynamisches Mikrofon
PatG 1981 § 84 Abs. 2; ZPO § 93
Der Patentinhaber sichert dem Nichtigkeitskläger in einer wie ein soforti-
ges Anerkenntnis zu behandelnden Weise einen Erfolg der Nichtigkeits-
klage, wenn und soweit er sofort auf das Streitpatent verzichtet oder des-
sen Beschränkung herbeiführt. Die bloße beschränkte Verteidigung im
Nichtigkeitsverfahren, an die der Patentinhaber nicht gebunden ist, steht
dem nicht gleich.
BGH, Urteil vom 29. Juli 2003 - X ZR 26/00 - Bundespatentgericht
- 2 -
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 29. Juli 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die
Richter Prof. Dr. Jestaedt und Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und den
Richter Dr. Meier-Beck
für Recht erkannt:
Die Berufung der Klägerin und die Anschlußberufung der Beklagten
gegen das Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bun-
despatentgerichts vom 20. Oktober 1999 werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden zu 9/10 der Klägerin
und zu 1/10 der Beklagten auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 30. Juli 1981 angemel-
deten und im Verlaufe des Verfahrens durch Zeitablauf erloschenen deutschen
Patents 31 30 087 (Streitpatents). Der erteilte Patentanspruch 1, dem elf weite-
re Ansprüche untergeordnet sind, lautet:
- 3 -
"Schaltungsanordnung für ein dynamisches Mikrofon, insbesondere
für eine Fernsprechkapsel, dessen Tauchspule mit dem Eingang
eines Verstärkers verbunden ist, welcher die relativ kleinen Sprech-
spannungen des Mikrofons auf einen bestimmten Pegel anhebt,
wobei ein Kondensator vorgesehen ist, der entsprechend einer vor-
gegebenen Zeitkonstanten aus einer Gleichspannungsquelle auf-
ladbar ist, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß der Verstärker (6)
ab einer bestimmten Spannung am Kondensator (10) aktiviert wird,
daß der Kondensator (10) zwischen einem Anschluß der Tauch-
spule (11) und dem Eingang des Verstärkers (6) liegt und daß
Schaltmittel (9) vorgesehen sind, welche in Abhängigkeit von der
Größe der an ihnen liegenden Spannung die Zeitkonstante für die
Aufladung des Kondensators (10) zu verringern, um die Aktivierung
des Verstärkers (6) zu beschleunigen."
Die Klägerin, die von der Beklagten aus dem Streitpatent in Anspruch
genommen wird, hat Nichtigkeitsklage erhoben. Die Beklagte hat das Streitpa-
tent beschränkt verteidigt und mit dieser Maßgabe der Klage widersprochen.
Das Bundespatentgericht hat unter Klageabweisung im übrigen das
Streitpatent für nichtig erklärt, soweit es nicht verteidigt worden ist. Patentan-
spruch 1 lautet hiernach:
"Schaltungsanordnung für ein dynamisches Mikrofon, insbesondere
für eine Fernsprechkapsel, dessen Tauchspule mit dem Eingang
eines Verstärkers verbunden ist, welcher die relativ kleinen Sprech-
- 4 -
spannungen des Mikrofons auf einen bestimmten Pegel anhebt,
wobei ein Kondensator vorgesehen ist, der entsprechend einer vor-
gegebenen Zeitkonstante aus einer Gleichspannungsquelle auflad-
bar ist, und wobei der Verstärker ab einer bestimmten Spannung
am Kondensator aktiviert wird und der Kondensator zwischen ei-
nem Anschluß der Tauchspule und dem Eingang des Verstärkers
liegt, und daß Schaltmittel vorgesehen sind, welche in Abhängigkeit
von der Größe der an ihnen liegenden Spannung die Zeitkonstante
für die Aufladung des Kondensators verringern, um die Aktivierung
des Verstärkers zu beschleunigen, wobei die Aufladung des Kon-
densators mittels eines Schwellwertfühlers steuerbar ist, d a d u r c h
g e k e n n z e i c h n e t , daß der Schwellwertfühler eine Zener-Diode
(9) ist."
Wegen des Wortlauts der sich hieran anschließenden Patentansprüche 2
bis 6 wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin den Antrag weiter, das Streitpatent
insgesamt für nichtig zu erklären. Sie sieht den Gegenstand des Streitpatents
durch die deutsche Offenlegungsschrift 29 25 919 und die Veröffentlichung der
europäischen Patentanmeldung 16 920 nahegelegt.
Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen. Ferner wendet sie sich da-
gegen, daß das Bundespatentgericht ihr zwei Drittel der erstinstanzlichen Ko-
sten auferlegt hat. Sie ist der Auffassung, in dem Umfang, in dem sie das
Streitpatent nicht verteidigt hat, zur Klage keine Veranlassung gegeben zu ha-
ben.
- 5 -
Als gerichtlicher Sachverständiger hat Prof. Dr.-Ing. J. H. ,
, ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Ver-
handlung erläutert und ergänzt hat.
Entscheidungsgründe:
Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg. Die mit Rücksicht auf die Inan-
spruchnahme der Klägerin aus dem Streitpatent auch nach dessen Erlöschen
zulässige Klage ist unbegründet. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat
der Senat jedenfalls nicht die Überzeugung gewinnen können, daß sich der
Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in der Fassung des an-
gefochtenen Urteils für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand
der Technik ergab und somit nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht (§§ 4, 21
Abs. 1 Nr. 1, 22 Abs. 1 PatG). Wie die danach zutreffende Sachentscheidung
hat auch die Kostenentscheidung des Bundespatentgerichts Bestand.
I. Das Streitpatent betrifft eine Schaltungsanordnung für ein dynamisches
Mikrofon, wie es insbesondere in Telefonen verwendet wird.
Bis in die 1970er Jahre wurden in Telefonen Kohlemikrofone verwendet,
die hinsichtlich ihrer Wandlereigenschaften relativ empfindlich waren und kei-
nen Verstärker benötigten. Mit dem Fortschreiten der Transistortechnik und der
Miniaturisierung wurde es möglich, anstelle von Kohlemikrofonen dynamische
Mikrofone mit Tauchspule und Magnetfeld einzusetzen, die eine bessere Lang-
zeitstabilität aufwiesen, jedoch einen Verstärker benötigten, um Ausgangs-
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signale zu erhalten, die vom Endgerät zur Vermittlungsstelle übertragen werden
konnten. Dabei trat ein Kompatibilitätsproblem auf:
Die Verbindung zwischen Endgerät und den elektromagnetischen Wäh-
lern der Vermittlungsstelle wurde nach der vorhandenen Technik über eine
Zweidrahtleitung bewirkt, über die die Wählimpulse, der Sprechwechselstrom
und der Hörwechselstrom laufen. Das Wählen erfolgt über ein periodisches
Kurzschließen der Drahtadern über Nummernschalter. Da Nummernschalter
und Mikrofon parallel geschaltet sind, wird das Mikrofon spannungsfrei, wenn
der Nummernschalter betätigt wird. Nach dem Ende der Ziffernwahl wird das
Kohlemikrofon verzögerungsfrei leitend, um den Haltestrom zu erzeugen, der
größer Null und kleiner als der Scheitelwert des Impulsstroms beim Wählen ist.
Um die Kompatibilität mit den Kohlemikrofonen zu gewährleisten, muß
auch die Versorgungsspannung für den Verstärker eines dynamischen Mikro-
fons aus dem Telefonnetz kommen. Infolge des Kurzschlusses beim Wählvor-
gang entlädt sich der Kondensator, durch den die Tauchspule vom Verstär-
kereingang gleichstrommäßig getrennt wird. Beim Anlegen der Betriebsspan-
nung an das Mikrofon muß, wie die Streitpatentschrift beschreibt, der Konden-
sator dementsprechend zunächst wieder auf das für den Eingang des Verstär-
kers erforderliche Potential aufgeladen werden. Dafür wird eine Zeit von 30 bis
100 Millisekunden benötigt, weil der Kondensator, um die niedrigen Sprachfre-
quenzen nicht zu schwächen, eine relativ große Kapazität von einigen Mikrofa-
rad aufweist. Solange sein für den Betrieb erforderliches Potential nicht erreicht
ist, ist der Verstärker in gesperrtem Zustand, und das dynamische Mikrofon
weist an seinen Ausgangsklemmen einen höheren Gleichstromwiderstand als
im stationären Zustand auf. Die damit verbundene Verzögerung kann bei der
- 7 -
Impulswahl zur Vortäuschung einer zusätzlichen Schleifenunterbrechung und
damit zur Falschwahl führen, da die Schleifenunterbrechungen beim Wählen in
derselben Größenordnung liegen wie die für das Aufladen des Kondensators
erforderliche Zeit.
Dem Streitpatent liegt das Problem zugrunde, bei einem dynamischen
Mikrofon die Gefahr der Vortäuschung einer solchen zusätzlichen Schleifenun-
terbrechung und damit die Verursachung einer Fehlwahl zu vermeiden.
Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent in dem verteidigten
Patentanspruch 1 eine Schaltungsanordnung für ein dynamisches Mikrofon vor,
die sich wie folgt gliedern läßt:
1. Die Schaltungsanordnung weist einen Verstärker auf, der die
relativ kleinen Sprechspannungen des Mikrofons auf einen be-
stimmten Pegel anhebt.
2. Das dynamische Mikrofon weist eine Tauchspule auf, die mit
dem Eingang des Verstärkers verbunden ist.
3. Es ist ein Kondensator vorgesehen,
3.1. der zwischen einem Anschluß der Tauchspule und dem
Eingang des Verstärkers liegt und
3.2. entsprechend einer vorgegebenen Zeitkonstante aus einer
Gleichspannungsquelle aufladbar ist;
3.3. ab einer bestimmten Spannung am Kondensator wird der
Verstärker aktiviert.
- 8 -
4. Es sind Schaltmittel vorgesehen, die in Abhängigkeit von der
Größe der an ihnen anliegenden Spannung die Zeitkonstante
für die Aufladung des Kondensators verringern, um die Aktivie-
rung des Verstärkers zu beschleunigen.
5. Die Steuerung der Aufladung des Kondensators erfolgt
5.1. mittels eines Schwellwertfühlers,
5.2. der eine Zener-Diode ist.
Wie die Streitpatentschrift erläutert, wird eine Verwechslung der An-
sprechverzögerung des Mikrofon-Verstärkers mit einer Schleifenunterbrechung
dadurch vermieden, daß von einer bestimmten anliegenden Spannung an ein
Schwellwertfühler aktiviert wird, der bewirkt, daß die Ladezeitkonstante des
Kondensators verkürzt wird. Bei der im Berufungsverfahren allein und zur Ent-
scheidung stehenden Fassung ist dieser Fühler eine Zener-Diode. Im Augen-
blick des Einschaltens der Betriebsspannung wird die Zener-Diode, die bei-
spielsweise eine Durchbruchspannung von 5 bis 7 Volt hat, mit einer über ihrer
Durchbruchspannung liegenden Spannung versorgt. Hierdurch wird die Zener-
Diode leitend, so daß der Kondensator schnell aufgeladen wird und in den sta-
tionären Zustand übergeht. Nach Erreichen eines dem aufgeladenen Zustand
entsprechenden Niveaus sinkt die Speisespannung am Mikrofon, die im Zeit-
punkt des Anlegens der Betriebsspannung fast der gesamten Betriebsspan-
nung entspricht, auf 4 bis 6 Volt, und unterschreitet damit die Durchbruchspan-
nung der Zener-Diode. Die Zener-Diode wird nichtleitend und hat damit auf den
stationären Betriebszustand des Verstärkers keinen Einfluß mehr. Eine gege-
benenfalls erforderliche weitere Aufladung des Kondensators auf das volle
- 9 -
Spannungsniveau und dessen Aufrechterhaltung werden durch andere Mittel
bewirkt. Der gerichtliche Sachverständige hat diesen Vorgang dahin zusam-
mengefaßt, daß mittels der erfindungsgemäßen Lösung die fernmeldetechni-
sche Funktion des Widerstands des Kohlemikrofons innerhalb einer begrenzten
kurzen Zeitspanne nach der Anschaltung nachgebildet wird.
Die nachfolgend wiedergegebene einzige Zeichnung der Patentschrift
zeigt ein Ausführungsbeispiel der erfindungsgemäßen Schaltungsanordnung.
Sachlich geht es der Erfindung nach diesem Ausführungsbeispiel darum,
daß der Widerstand 7 für die Zeit der Aufladung doch die Diode 9 überbrückt
und diese nach der Aufladung in einen sperrenden Zustand übergeht.
II. Der Gegenstand des Streitpatents ist, wie auch die Klägerin nicht in
Zweifel zieht, neu, weil die Verwendung einer Zener-Diode als Schwellwertfüh-
- 10 -
ler in einer Schaltungsanordnung für ein dynamisches Mikrofon im Stand der
Technik nicht bekannt ist. Daß der Stand der Technik dem Fachmann eine sol-
che Lösung nahegelegt hat, hat sich nach dem Ergebnis der Verhandlung und
Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung des Senats ergeben.
1. Der maßgebliche Fachmann ist ein Diplom-Ingenieur der Elektrotech-
nik, der die Studienrichtung Nachrichtentechnik eingeschlagen oder sich je-
denfalls eingehend mit elektrotechnischen Problemen der Nachrichtentechnik
befaßt hat und mit der Schaltungstechnik von Halbleiterbauelementen gut ver-
traut ist. Ob, wie der gerichtliche Sachverständige meint, die erforderliche Qua-
lifikation eine neunsemestrige Regelstudienzeit und einen Universitätsabschluß
voraussetzt oder ob auch ein Fachhochschulabschluß in Betracht kommt, kann
dahinstehen, da auch für den Fachmann mit der höheren Qualifikation nicht
festgestellt werden kann, daß die erfindungsgemäße Lösung naheliegend war.
2. In der deutschen Offenlegungsschrift 29 25 919 wird eine Schaltungs-
anordnung für den Verstärker einer Fernmeldeapparatur beschrieben, deren
prinzipieller Aufbau aus der nachfolgenden Figur 1 ersichtlich ist und in einer
Ausführungsform mit Schnelladeschaltung für den Fachmann von Interesse ist,
der sich mit dem Problem der Vortäuschung einer zusätzlichen Schleifenunter-
brechung bei einem dynamischen Mikrofon befaßt.
- 11 -
Die Schrift zeigt einen Mikrofonverstärker für eine Fernsprechkapsel,
dessen Arbeitspunkt am Verstärkereingang durch einen Spannungsteiler R
1
, R
3
mit - um das Mikrofon nicht zu belasten - verhältnismäßig hochohmigen Wider-
standwerten eingestellt ist. Zwar wird ein dynamisches Mikrofon nicht ausdrück-
lich erwähnt; der Fachmann erkennt jedoch, wie bereits das Bundespatentge-
richt angenommen hat, unschwer, daß sich die Schaltungsanordnung für den
Anschluß eines dynamischen Mikrofons eignet, da der Mikrofonverstärker eine
relativ kleine Eingangsspannung U
IN
auf den erforderlichen Pegel anheben
kann. Ein Wechselspannungsgenerator liegt dabei in Reihe mit einem Konden-
sator C zwischen dem Eingang A des Verstärkers V
und seinem Fußpunkt
(Fig. 1). In der zeichnerischen Darstellung ist der Generator zwischen den
Punkten A und B eingefügt und liegt somit in einem einen Gleichstromfluß auf-
weisenden Pfad. Für den Fachmann ist jedoch die Alternative erkennbar, den
Generator auch in einen einen solchen Gleichstromfluß nicht aufweisenden
Pfad zwischen dem Kondensator C und dem Fußpunkt des Verstärkers V
le-
- 12 -
gen zu können. Damit bietet sich dem Fachmann die Möglichkeit, die Tauch-
spule eines dynamischen Mikrofons über den Kondensator C mit dem Eingang
A des Verstärkers V
zu verbinden. Nach Anlegen der Betriebsspannung lädt
sich der Kondensator C entsprechend einer vorbestimmten Zeitkonstanten auf,
und eine bestimmte Spannung am Kondensator aktiviert den Verstärker V
.
Zum Verkürzen der Ladezeit dient die in der nachfolgenden Figur 2 dar-
gestellte, parallel zum Spannungsteiler R
1
, R
3
liegende Schnelladeschaltung
aus einem Spannungsteiler R
4,
R
5
und einem Transistor T
4
mit einem Kollektor-
widerstand R
7
als Ladewiderstand für den Kondensator C.
- 13 -
Funktionell betrachtet überbrückt diese Schnelladeschaltung im
Strompfad den Gleichstromwiderstand R
1
des Spannungsteilers R
1
, R
3
. Mit der
im Ausführungsbeispiel verwendeten Schaltung gelang es, wie in der Beschrei-
bung ausgeführt wird, die Einschaltverzögerung von 195 msec auf 15 msec zu
verkürzen. Da die Schnelladeschaltung den durch den Spannungsteiler R
1
, R
3
eingestellten Arbeitspunkt des Verstärkers nicht beeinflussen darf, wenn dieser
aktiviert ist, wählt der Fachmann das durch den Spannungsteiler R
4
, R
5
einge-
stellte Potential an der Basis des Transistors T
4
so, daß es während des Ladens
einen Ladestrompfad durch den Transistor T
4
sicherstellt und nach Aktivierung
des Verstärkers diese Aussteuerung beendet. Die vorübergehend aktiv gehal-
tene und somit als Schaltmittel aufzufassende Schnelladeschaltung zeigt damit
ein der patentgemäßen Lehre entsprechendes Schwellwertverhalten.
Lag somit eine Schaltungsanordnung mit den Merkmalen 1 bis 5.1 für
den Fachmann nahe, so kann nicht festgestellt werden, daß er aufgrund seines
Fachwissens auch zu der Möglichkeit gelangt wäre, die in der Offenlegungs-
schrift dargestellte Schnelladeschaltung durch eine Zener-Diode als Schwell-
wertfühler zu ersetzen.
Die Offenlegungsschrift selbst enthält keinerlei Hinweis in diese Rich-
tung. Sie geht vielmehr einen anderen Weg zur weiteren Reduzierung der Ein-
schaltverzögerung, bei der die Schnelladeschaltung völlig entfallen soll.
Zwar stand dem Fachmann, wie bereits erstinstanzlich auch der Beklag-
ten nicht in Abrede gestellt, an sich die Möglichkeit zur Verfügung, eine Zener-
Diode als Schwellwertschalter einzusetzen. Da nämlich die Zener-Diode durch
eine spezifizierte Durchbruchspannung, bei der ein Steilanstieg des Stroms er-
- 14 -
folgt, charakterisiert ist, ist diese ersichtlich geeignet, schaltungstechnisch als
Schwellwertschalter zu dienen. Das legt jedoch noch nicht die Erwägung des
Fachmanns nahe, eine Zener-Diode im Zusammenhang einer Schaltungsan-
ordnung einzusetzen, wie sie in der deutschen Offenlegungsschrift beschrieben
ist.
Wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend und im Kern überein-
stimmend mit den Ausführungen des fachkundig besetzten Bundespatentge-
richt ausgeführt hat, mag der Fachmann, der über Alternativen, insbesondere
mögliche Vereinfachungen der Schnelladeschaltung nach der deutschen Of-
fenlegungsschrift nachdenkt, erwägen, einzelne Elemente der aus R
4
, R
5
, T
4
,
R
7
zusammengesetzten Schnelladeschaltung durch Dioden wie eine Zener-
Diode zu ersetzen. Solche Überlegungen sind jedoch sämtlich nicht zielführend,
wie der Sachverständige im einzelnen ausgeführt hat und zwischen den Partei-
en bis auf die nachfolgend erörterte Variante auch nicht streitig ist. Insbesonde-
re die Möglichkeit, den Transistor T
4
durch eine Zener-Diode zu ersetzen, er-
schließt sich dem Fachmann nicht, da ein wie der Transistor an drei Polen an-
geschlossenes Bauteil nicht ohne weiteres durch ein Bauteil ersetzt werden
kann, das wie ein Widerstand oder eine Zener-Diode nur zwei Pole aufweist.
Wie die ausführliche Erörterung mit dem gerichtlichen Sachverständigen
zur Überzeugung des Senats bestätigt hat, hätte es dem Fachmann die Erfin-
dung auch nicht nahegelegt, wenn er in Betracht gezogen hätte, den Wider-
stand R
4
durch eine Zener-Diode zu ersetzen. Eine solche Erwägung mußte
dem Fachmann schon deshalb als nicht sinnvoll erscheinen, weil der Einsatz
einer Zener-Diode höhere Kosten bedeutet hätte, die nicht durch einen erkenn-
baren Vorzug dieses Schaltungselements gerechtfertigt wurden. Dies gilt, wie
- 15 -
der Sachverständige bestätigt hat, auch dann, wenn der Fachmann erwogen
hätte, daß er bei einer Ersetzung des Widerstands R
4
auch auf den zweiten
Widerstand des Spannungsteilers R
4
, R
5
verzichten könne. Es kommt hinzu,
daß dem Fachmann ein derartiges, wie es der Sachverständige formuliert hat,
"hartes Anschalten" der empfindlichen Transistorbasis, das darauf verzichtet,
diese durch den Spannungsteiler gegen Spannungsschwankungen zu "immuni-
sieren", ohnedies eher fern liegen mußte. In diesem Zusammenhang kommt es
nicht darauf an, ob der Fachmann, wie die Klägerin mit dem von ihr vorgeleg-
ten, in ihrem Auftrag von Prof. Dr.-Ing. K. T. erstatteten Gutachten im
einzelnen dargelegt hat, bei Berücksichtigung des schaltungstechnischen Um-
feldes eine konkrete Gefährdung der Transistorbasis ausschließen konnte. Ent-
scheidend ist vielmehr, daß das damit verbundene potentielle Risiko dem
Fachmann die ohnehin nicht erkennbar weiterführende und schon unter Ko-
stengesichtspunkten nachteilige Maßnahme, den Widerstand R
4
durch eine
Zener-Diode zu ersetzen, um so weniger sinnvoll erscheinen lassen mußte.
Einen solchen Gedanken hätte der Fachmann daher nur dann weiter-
verfolgt, wenn er von vornherein erkannt hätte, daß ihm die Verwendung einer
Zener-Diode die Möglichkeit eröffnete, zugleich auf den Transistor T
4
zu ver-
zichten. Das hat der gerichtliche Sachverständige jedoch nachdrücklich ver-
neint, und nach dem Gesamtinhalt der Verhandlung und der Beweisaufnahme
sind keine Anhaltspunkte dafür hervorgetreten, daß diese Beurteilung unrichtig
sein könnte. Der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung angeführte
Umstand, daß dem Fachmann aus der Literatur für eine Ladeschaltung die
Möglichkeit bekannt war, anstelle hintereinandergeschalteter Zener-Dioden eine
Zener-Diode an einen Transistor als Verstärker anzuschalten, vermag nicht zu
belegen, daß der Fachmann die Möglichkeit erkannt hätte, gegebenenfalls auf
- 16 -
den Transistor zu verzichten. Denn das setzte, wie der Sachverständige ein-
leuchtend dargestellt hat, einen Wechsel der Perspektive voraus, bei der nicht
mehr die Basis-Emitter-Strecke des Transistors den Schwellwertfühler der
Schnelladeschaltung bildet, sondern der Transistor als Verstärker der Zener-
Diode erscheint. Zu einem solchen Perspektivwechsel hatte der Fachmann
aber keine Veranlassung; er ist erst rückschauend in Kenntnis der Erfindung
nach dem Streitpatent plausibel.
Um zu der erfindungsgemäßen Schaltungsanordnung zu finden, hätte
sich der Fachmann daher völlig von dem Aufbau der bekannten Schaltung lö-
sen und seine Erwägungen auf die von diesem Aufbau abstrahierende Überle-
gung stützen müssen, daß bei einer gedanklichen Zerlegung des Transistors T
4
in eine Kollektordiode und eine Emitterdiode, deren gemeinsame Elektrode die
Basis des Transistors bildet, die Emitterdiode als Schwellwertfühler fungiere
und daß er (allein) mit einer derartigen Diode die angestrebte Reduzierung der
Ladezeitkonstante des Kondensators bewirken könne. Eine solche Überlegung
hat der Sachverständige - in Übereinstimmung mit dem fachkundig besetzten
Bundespatentgericht - auch von dem von ihm zugrundegelegten hochqualifi-
zierten Fachmann nicht erwartet, und seine Befragung hat keine Anhaltspunkte
hervorgebracht, die diese Einschätzung zu widerlegen geeignet wären. Viel-
mehr hat der Sachverständige hierzu überzeugend ausgeführt, daß Inhalt und
Kennzeichen der wissenschaftlichen Methodik, mit der der Fachmann sich der
Lösung eines Schaltungsproblems wie dem im Streitfall in Rede stehenden zu-
wende, ein "Kästchendenken" sei, bei der der Fachmann die Schaltung in klein-
ste elementare Module zerlege und diese Bausteine zu einer Gesamtlösung
zusammenführe. Die im Stand der Technik beschriebene Schnelladeschaltung
stelle sich dem Fachmann als Kombination zweier elementarer Bausteine,
- 17 -
nämlich des Ladestrompfads und der Steuerquelle, dar. Zwei derartige be-
kannte, elementare Lösungsmittel für unterschiedliche Aufgaben dadurch zu
ersetzen, daß sie zu einem gemeinschaftlichen Lösungsmittel zusammengefaßt
werden, dränge sich dem Fachmann nur auf, wenn die Ersatzlösung (in dieser
"Doppelfunktion") ihrerseits zum bekannten Stand der Technik gehöre, was hier
nicht der Fall ist. Für die Richtigkeit dieser Überlegungen spricht zudem, daß
gerade die verblüffende Einfachheit der erfindungsgemäßen Lösung es anson-
sten kaum verständlich erscheinen ließe, warum die Fachleute im Stand der
Technik den weitaus aufwendigeren Weg der Schnelladeschaltung nach der
deutschen Offenlegungsschrift gegangen sind oder nach Möglichkeiten gesucht
haben, auf eine solche Schnelladeschaltung völlig zu verzichten.
Der im Berufungsverfahren eingeführten europäischen Patentanmeldung
16 920, die eine der Figur 2 der vorerörterten Offenlegungsschrift ähnliche
Schaltungsanordnung zeigt, sind keine weitergehenden Anregungen zu ent-
nehmen, die den Fachmann in diesem Zusammenhang zur Verwendung einer
Zener-Diode als Schwellwertfühler hätten führen können. Dies gilt auch für das
potentielle Risiko der Anschaltung einer Zener-Diode an die Basis des Transi-
stors (hier T
21
), das, wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend ausge-
führt hat, zwar wegen des Fehlens eines dem Kollektor vorgeschalteten Wider-
stands weniger gravierend erscheint, vom Fachmann deswegen jedoch nicht
von vornherein außer Betracht gelassen wird.
III. Mit Patentanspruch 1 haben auch die auf ihn rückbezogenen und da-
her von seiner Patentfähigkeit getragenen Patentansprüche 2 bis 6 in der Fas-
sung des angefochtenen Urteils Bestand.
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IV. Der als Anschlußberufung zu wertende Antrag der Beklagten, der
Klägerin die gesamten erstinstanzlichen Kosten aufzuerlegen, bleibt ohne Er-
folg. Das Bundespatentgericht, dessen Entscheidung insoweit in BPatGE 42, 92
und Mitt. 2000, 333 veröffentlicht ist, hat zu Recht zwei Drittel der erstinstanz-
lichen Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt, weil das Streitpatent
insoweit für nichtig erklärt worden ist, als es über die von der Beklagten vertei-
digten Patentansprüche hinausging, und die Beklagte insoweit in der Sache
unterlegen ist (§ 84 Abs. 2 PatG i.V.m. § 92 Abs. 1 ZPO). Gegen die Höhe der
Quote, gegen die sich die Beklagte nicht wendet, bestehen keine Bedenken.
Für die Anwendung des § 93 ZPO ist entgegen der Auffassung der Beklagten
im Streitfall kein Raum.
Dabei kann dahinstehen, ob die Beklagte der Klägerin zur Erhebung der
Nichtigkeitsklage Veranlassung gegeben hat, indem sie auf das Streitpatent
gestützt Verletzungsklage erhoben hat. Wie das Bundespatentgericht zu Recht
angenommen hat, kann die Klageveranlassung zwar nicht deshalb verneint
werden, weil die Beklagte sich dabei (nur) auf eine Kombination der erteilten
Patentansprüche 1, 4 und 6 gestützt hat. Denn die Klägerin konnte der Verlet-
zungsklage nur durch eine auch gegen Anspruch 1 des Streitpatents gerichtete
Nichtigkeitsklage die Grundlage entziehen. In der Literatur wird jedoch die Auf-
fassung vertreten, daß auch die Erhebung einer Verletzungsklage die Aufforde-
rung an den Patentinhaber nicht entbehrlich macht, auf das Patent zu verzich-
ten, wenn im Sinne des § 93 ZPO eine Klageveranlassung für die Nichtigkeits-
klage gegeben sein soll (Benkard, PatG, 9, Aufl., § 81 Rdn. 31; a.A. BPatGE
34, 93; BPatG, GRUR 1987, 233; Busse, PatG, 5. Aufl. § 84 Rdn. 20; Schulte,
PatG, 6. Aufl. § 84 Rdn. 30). Die Streitfrage bedarf indes keiner Entscheidung,
da die Beklagte den Klageanspruch jedenfalls nicht "sofort anerkannt" hat.
- 19 -
Da im Patentnichtigkeitsverfahren kein Anerkenntnisurteil ergehen kann,
kommt ein Anerkenntnis im zivilprozessualen Sinne nicht in Betracht. Die vom
Gesetz angeordnete entsprechende Anwendung des § 93 ZPO ist jedoch dann
möglich und geboten, wenn der Beklagte dem Nichtigkeitskläger in vergleichba-
rer Weise einen Erfolg des Klagebegehrens sichert. Es ist anerkannt, daß dies
durch einen Verzicht auf das Streitpatent (sowie gegebenenfalls auf Ansprüche
aus dem Patent für die Vergangenheit) geschehen kann, der seine Wirkung mit
der Abgabe der schriftlichen Verzichtserklärung gegenüber dem Patentamt
(§ 20 Abs. 1 Nr. 1 PatG) entfaltet, die nach ihrem Zugang nicht mehr zurückge-
nommen werden kann, und damit das Erlöschen des Patents unmittelbar her-
beiführt (Benkard aaO, § 81 Rdn. 31; Busse aaO, § 84 Rdn. 26).
Eine vergleichbare Wirkung kommt weder dem Beschränkungsantrag
nach § 64 PatG noch einer entsprechend beschränkten Verteidigung des Pa-
tents im Nichtigkeitsverfahren zu. Denn der Patentinhaber ist an seinen Be-
schränkungsantrag nicht gebunden, solange über den Antrag nicht (bestands-
kräftig) entschieden ist (BGHZ 128, 149, 154 - Lüfterkappe). Er kann den An-
trag vielmehr seinerseits einschränken, ändern oder ganz zurücknehmen. Der
Beschränkungsantrag oder die beschränkte Verteidigung bietet dem Nichtig-
keitskläger daher nicht die Sicherheit eines sachlichen Erfolgs seines Klagebe-
gehrens, die es rechtfertigen würde, sie als Anerkenntnis im Sinne des § 93
ZPO zu werten. Als solches kommt daher grundsätzlich nur die bereits erfolgte
Beschränkung in Betracht.
Allerdings ist nicht zu verkennen, daß ein Bedürfnis nach einer Möglich-
keit für den Patentinhaber besteht, die kostenmäßigen Wirkungen eines Ver-
- 20 -
zichts auch dann herbeiführen zu können, wenn die gewollte teilweise Aufgabe
der durch das Patent eingeräumten Rechtsposition durch einen Verzicht auf
das Patent insgesamt oder auf einzelne Ansprüche nicht zu verwirklichen ist,
weil der Gegenstand, den der Patentinhaber verteidigen will, in einem Anspruch
noch nicht formuliert ist. Es wäre unbefriedigend, wenn die Anwendbarkeit des
§ 93 ZPO in diesem Fall davon abhänge, ob es dem Patentinhaber gelingt,
rechtzeitig eine Entscheidung der Patentabteilung über einen Beschränkungs-
antrag herbeizuführen. Deshalb wird es in einem solchen Fall genügen, wenn
der Patentinhaber, der zur Klageerhebung keine Veranlassung gegeben hat,
dem Nichtigkeitskläger in einer einem Verzicht oder einer Beschränkung ver-
gleichbaren Weise einen Erfolg seines Klagebegehrens sichert. Auf welche
Weise dies geschehen kann, bedarf hier keiner abschließenden Klärung.
Der Senat hat hierfür im Urteil "Isolierglasscheibenrandfugenfüllvorrich-
tung" genügen lassen, daß der Beklagte in einem Schriftsatz an das Bun-
despatentgericht das Patent nur eingeschränkt verteidigt und auf den darüber
hinausgehenden Schutz für die Vergangenheit und Zukunft verzichtet hat
(Sen.Urt. v. 8.12.1983 - X ZR 15/82, GRUR 1984, 272, 276). In Betracht kommt
ferner, daß der Patentinhaber einen zulässigen Beschränkungsantrag mit ei-
nem Verzicht auf das Recht verbindet, diesen Antrag ganz oder teilweise zu-
rückzunehmen, oder mit dem Widerspruch gegen die Nichtigkeitsklage im übri-
gen eine entsprechende verbindliche Erklärung abgibt.
Das hat die Beklagte im Streitfall indessen nicht getan, so daß eine ent-
sprechende Anwendung des § 93 ZPO ausscheidet. Auch die Billigkeit erfordert
bei dieser Sachlage keine andere Kostenverteilung.
- 21 -
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf
§ 121 Abs. 2 PatG i.V.m. § 97 ZPO.
Melullis
Jestaedt
Keukenschrijver
Mühlens
Meier-Beck