Urteil des BGH vom 08.02.2007

AIDOL Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 77/04 Verkündet
am:
8.
Februar
2007
Walz
Justizamtsinspektor
als
Urkundsbeamter
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ
: nein
BGHR
:
ja
AIDOL
MarkenG § 24 Abs. 1
Verwendet ein Händler zu Werbezwecken eine fremde Marke als Metatag im
HTML-Code oder in "Weiß-auf-Weiß-Schrift", kann er sich nur dann auf die Er-
schöpfung der Rechte aus der Marke berufen, wenn sich die Werbung auf kon-
krete Originalprodukte dieser Marke bezieht (im Anschluss an BGHZ 168, 28
- Impuls).
BGH, Urt. v. 8. Februar 2007 - I ZR 77/04 - OLG Hamburg
LG
Hamburg
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 8. Februar 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Pokrant, Dr. Schaffert und Dr. Kirchhoff
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesge-
richts Hamburg, 3. Zivilsenat, vom 6. Mai 2004 wird auf Kosten der
Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Verbot nur
für Internet-Seiten gilt, die nicht in Zusammenhang mit einem kon-
kreten Angebot von "AIDOL"-Produkten stehen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin stellt Holzschutzmittel, Holzlasuren und Holzklarlacke her
und vertreibt diese unter der Bezeichnung "AIDOL". Sie ist Inhaberin der für
Holzschutzmittel und Feuerschutzmittel, Holzschutzlasuren und Klarlacke ein-
getragenen deutschen Wortmarke Nr.
"AIDOL" mit Zeitrang vom
17. September 1976 (im Weiteren: Klagemarke).
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Die Beklagte vertreibt ebenfalls Holzschutzmittel, Holzschutzlasuren und
Klarlacke und steht insoweit mit der Klägerin in Wettbewerb. Sie ist Inhaberin
von drei Domainnamen, unter denen sie ihre Produkte im Internet anbietet. Auf
einigen der Internet-Seiten befand sich als so genannter Metatag bzw. in "Weiß-
auf-Weiß-Schrift", d.h. für den Leser der Seiten zwar unsichtbar, für Suchma-
schinen aber auffindbar, die Bezeichnung "AIDOL".
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Die Klägerin sieht hierin eine Verletzung der Klagemarke. Die Beklagte
habe von ihr in den Jahren 2000 und 2001 "AIDOL"-Produkte nur in geringfügi-
gen Mengen bezogen. Die von der Beklagten vorgelegten Rechnungen beleg-
ten keinen ernsthaften Vertrieb dieser Produkte. Im Farben- und Lackhandel sei
das "Metatagging" mit fremden Herstellermarken nicht branchenüblich. Die Be-
klagte habe auf Abmahnung hin zwar zugesagt, die Metatags zu entfernen, sich
daran aber nicht gehalten.
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Die Klägerin hat beantragt, es der Beklagten unter Androhung näher be-
stimmter Ordnungsmittel zu untersagen,
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im geschäftlichen Verkehr, insbesondere im Internet, die Bezeichnung
"AIDOL" zu verwenden und/oder verwenden zu lassen, insbesondere die
Bezeichnung als Metatag im HTML-Code für Internet-Seiten
"www.h. -s. .de",
"www.h. -o. .de"
oder
"www.s. -d. .com", auch in Verbindung mit Subdomains zu be-
nutzen.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Das Recht der Klägerin an
der Klagemarke sei im Hinblick auf die konkret bezogenen "AIDOL"-Produkte
erschöpft. Ein Händler mit ständiger Geschäftsbeziehung zum Hersteller dürfe
auch dauernd für solche Produkte werben, die er erst bei einer Einzelbestellung
zu beziehen beabsichtige. Die Beklagte habe gemäß der Branchenübung im
Hinblick auf ihre Geschäftsbeziehungen zur Klägerin auf die Klagemarke in
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Form von Metatags hinweisen dürfen. Ihr Warenbestand bzw. die Bestellungen
von "AIDOL"-Produkten hätten hierfür stets ausgereicht. Die Beklagte habe En-
de Januar 2001 sämtliche Metatags entfernen lassen.
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Das Landgericht hat der Klage mit der Maßgabe stattgegeben, dass es
der Beklagten untersagt hat,
im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken, insbesondere im In-
ternet, die Bezeichnung "Aidol" zu verwenden und/oder verwenden zu
lassen, insbesondere die Bezeichnung "Aidol" als Metatag im HTML-
Code
für
Internet-Seiten
"www.h. -s. .de",
"www.h. -
o. .de" auch in Verbindung mit Subdomains zu benutzen.
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Das Oberlandesgericht (OLG Hamburg GRUR-RR 2005, 118) hat die
Berufung der Beklagten entsprechend dem von der Klägerin im zweiten Rechts-
zug gestellten Antrag mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es der Beklagten
untersagt hat,
im geschäftlichen Verkehr die Bezeichnung "AIDOL" - in welcher
Schreibweise auch immer - als Metatag im HTML-Code und/oder in der
Benutzungsform als "Weiß-auf-Weiß-Schrift" für ihre Internet-Seiten, ins-
besondere für die Seiten "www.h. -s. .de", "www.h. -
o. .de" und/oder "www.s. -d. .com", auch in Verbindung mit
Subdomains zu benutzen.
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren
Antrag auf Klageabweisung weiter. Die Klägerin beantragt, das Rechtsmittel
zurückzuweisen.
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Entscheidungsgründe:
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I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
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Der geltend gemachte Unterlassungsantrag beschränke sich auf die Ver-
wendung der Bezeichnung "AIDOL" als Metatag im HTML-Code oder in der
Benutzungsform "Weiß-auf-Weiß-Schrift" für Holzschutzmittel, Holzschutzlasu-
ren und Klarlacke auf solchen Internet-Seiten, die nicht im Zusammenhang mit
einem konkreten Angebot von "AIDOL"-Produkten ständen. Der Klägerin stehe
ein entsprechender Anspruch aus § 14 Abs. 2 und 5 MarkenG zu. Ob die Ver-
wendung fremder Zeichen als Metatag einen kennzeichnenden Gebrauch dar-
stelle, hänge von den Vorstellungen ab, die der Verkehr bei Aufruf des Zei-
chens und der ihm gezeigten Trefferliste habe. Die Klagemarke stelle eine typi-
sche Markenbezeichnung dar, die keinen beschreibenden Inhalt erkennen lasse
und aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs naheliegend nur zur Unter-
scheidung einer unter ihr angebotenen Leistung von dem Angebot eines ande-
ren Unternehmers geeignet sei. Der Nutzer von Suchmaschinen werde auch
bei einer gesteigerten Trefferzahl nach Eingabe des Begriffs "AIDOL" vernünfti-
gerweise nur erwarten können, dort jeweils Angebote von "AIDOL"-Waren aus
dem Betrieb der Klägerin zu bekommen. Der Umstand, dass der Nutzer einen
solchen Hinweis auf den Internet-Seiten nicht "lesen" könne, sei unerheblich, da
der Hinweis gleichwohl vorhanden sei und auch benutzt werde.
Es könne auch nicht von einer Erschöpfung des Markenrechts ausge-
gangen werden. Die Beklagte habe die Klagemarke bei ihrer streitgegenständli-
chen Verwendung nicht im Zusammenhang mit dem Angebot der "AIDOL"-
Waren der Klägerin, sondern auf solchen Internet-Seiten verwendet, die damit
nichts zu tun gehabt hätten.
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Ebensowenig könne von einer (stillschweigenden) Gestattung seitens
der Klägerin für eine solche "umlenkende" Form der Benutzung der Klagemarke
ausgegangen werden. Dass es - wie die Beklagte behauptet habe - einer Bran-
chenübung entspreche, derartige Metatags dann zu verwenden, wenn die
betreffende Markenware auf den jeweiligen Internet-Seiten angeboten werde,
sei unerheblich, da es nach dem Streitgegenstand nicht um eine solche Benut-
zung gehe.
Es bestehe Wiederholungsgefahr, jedenfalls aber Erstbegehungsgefahr.
Der Unterlassungsantrag beschreibe in der in der Berufungsverhandlung klar-
gestellten Fassung die konkrete Verletzungsform. Die Beklagte habe unstreitig
auf Internet-Seiten, die kein Angebot von "AIDOL"-Produkten enthalten hätten,
die Bezeichnung "AIDOL" als Metatag im HTML-Code verwendet. Damit beste-
he jedenfalls auch Begehungsgefahr für eine solche Verwendung in der Benut-
zungsform "Weiß-auf-Weiß-Schrift".
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Es bedürfe keiner näheren Darstellung, auf welchen Internet-Seiten der
Beklagten im Einzelnen die Bezeichnung "AIDOL" in einer dieser beiden Benut-
zungsformen erfolgt sei. Der Unterlassungsanspruch beziehe sich allgemein auf
Internet-Seiten der Beklagten und auf die konkret im Verbotsausspruch des Be-
rufungssenats genannten Domainnamen der Beklagten. Auch insoweit erfasse
das Verbot die konkrete Verletzungsform. Nach dem Streitgegenstand sei es
ferner unerheblich, inwieweit zwischen den Parteien noch Geschäftsbeziehun-
gen beständen bzw. bei der beanstandeten Markenbenutzung bestanden hät-
ten und inwieweit die Beklagte einen beachtlichen Warenbestand mit "AIDOL"
gehabt habe oder noch habe.
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II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass der streitgegen-
ständliche Unterlassungsanspruch aus § 14 Abs. 2 und 5 MarkenG begründet
ist.
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1. Gegenstand des Rechtsstreits ist, wie das Berufungsgericht in den
Gründen seiner Entscheidung zutreffend ausgesprochen hat, das Verbot der
Verwendung der Bezeichnung "AIDOL" durch die Beklagte auf Internet-Seiten,
die nicht in Zusammenhang mit einem konkreten Angebot von "AIDOL"-
Produkten stehen. Zur Klarstellung ist der Tenor des Berufungsurteils entspre-
chend zu ergänzen.
2. Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die im Berufungsurteil
enthaltene Feststellung, eine Verwendung der Klagemarke durch die Beklagte
auf Internet-Seiten, die keine "AIDOL"-Waren betroffen hätten, sei zwischen
den Parteien unstreitig gewesen. Die entsprechende tatbestandliche Darstel-
lung im Berufungsurteil steht nicht in Widerspruch zu dem Inhalt des Sitzungs-
protokolls und ist daher gemäß § 314 ZPO als bewiesen anzusehen. Von einer
weitergehenden Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.
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3. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Beklagte
die Klagemarke durch die Verwendung der Bezeichnung "AIDOL" als Metatag
im HTML-Code oder auch in "Weiß-auf-Weiß-Schrift" kennzeichenmäßig be-
nutzt. Wie der erkennende Senat mittlerweile entschieden hat, steht dem nicht
entgegen, dass ein Metatag für den durchschnittlichen Internetnutzer nicht
wahrnehmbar und daher bei einer Suche im Internet auf den aufgerufenen In-
ternet-Seiten nicht als Suchwort sichtbar ist. Maßgeblich ist vielmehr, dass das
als Suchwort verwendete Zeichen dazu benutzt wird, das Ergebnis des Aus-
wahlverfahrens zu beeinflussen und den Nutzer auf diese Weise zu einer ent-
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sprechenden Internetseite zu führen, wo er dann auf das dort werbende Unter-
nehmen und dessen Angebot hingewiesen wird (BGHZ 168, 28 Tz 17 - Impuls).
Nicht anders verhält es sich auch bei einer entsprechenden Verwendung des
Zeichens in "Weiß-auf-Weiß-Schrift".
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4. Das Berufungsgericht hat des Weiteren mit Recht angenommen, dass
der streitgegenständliche Anspruch nicht gemäß § 24 Abs. 1 MarkenG wegen
Erschöpfung des Markenrechts der Klägerin ausgeschlossen ist.
Nach der genannten Bestimmung hat der Inhaber einer Marke nicht das
Recht, einem Dritten zu untersagen, die Marke für Waren zu benutzen, die un-
ter dieser Marke von ihm oder mit seiner Zustimmung in einem Mitgliedstaat der
Europäischen Union oder in einem Vertragsstaat des Abkommens über den
Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind. Die Er-
schöpfung tritt vorbehaltlich des § 24 Abs. 2 MarkenG hinsichtlich aller Hand-
lungen ein, die nach § 14 Abs. 3 und 4 MarkenG eine Verletzung der Marke
darstellen können (vgl. BGH, Urt. v. 10.4.1997 - I ZR 65/92, GRUR 1997, 629,
632 = WRP 1997, 742 - Sermion II; Urt. v. 10.4.1997 - I ZR 234/91, GRUR Int.
1997, 925, 927 f. - Mexitil II; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl., § 24 Rdn. 49;
Hacker in Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 24 Rdn. 40 m.w.N.). Sie erfasst
insbesondere das in § 14 Abs. 3 Nr. 5 MarkenG genannte Ankündigungsrecht,
weshalb Waren, die mit einer Marke gekennzeichnet sind, bei ihrem Weiterver-
trieb durch Dritte grundsätzlich unter ihrer Marke beworben werden können (vgl.
EuGH, Urt. v. 4.11.1997 - C-337/95, Slg. 1997, I-6013 Tz 36 f. = GRUR Int.
1998, 140 = WRP 1998, 150 - Dior/Evora; Urt. v. 23.2.1999 - C-63/97, Slg.
1999, I-905 Tz 48 ff. = GRUR Int. 1999, 438 = WRP 1999, 407 - BMW/Deenik;
BGH, Urt. v. 7.11.2002 - I ZR 202/00, GRUR 2003, 340, 341 = WRP 2003, 534
- Mitsubishi; Urt. v. 17.7.2003 - I ZR 256/00, GRUR 2003, 878, 879 = WRP
2003, 1231 - Vier Ringe über Audi).
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Es ist dabei auch nicht notwendig, dass der Händler im Zeitpunkt seiner
Werbung die betreffende Ware bereits vorrätig hat; vielmehr reicht es aus, dass
er über sie im vorgesehenen Zeitpunkt ihres Absatzes ohne Verletzung der
Rechte des Markeninhabers verfügen kann (BGH GRUR 2003, 878, 879 f.
- Vier Ringe über Audi). Erforderlich ist allerdings eine konkrete Bezugnahme
auf Originalprodukte (Ingerl/Rohnke aaO § 24 Rdn. 51). Daran fehlt es, wenn
die Werbung entweder nicht produktbezogen, sondern unternehmensbezogen
erfolgt oder sich auf andere Produkte als Originalprodukte bezieht.
Danach liegen die Voraussetzungen einer Erschöpfung im Streitfall nicht
vor. Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen hat die Beklag-
te die Klagemarke (auch) auf solchen Internet-Seiten verwendet, die nichts mit
ihrem Angebot von "AIDOL"-Waren der Klägerin zu tun hatten. Insoweit war ihr
Verhalten nicht gemäß § 24 Abs. 1 MarkenG gerechtfertigt.
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III. Nach allem ist die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus
§ 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
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Bornkamm
v.
Ungern-Sternberg Pokrant
Schaffert
Kirchhoff
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 01.02.2002 - 416 O 144/01 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 06.05.2004 - 3 U 34/02 -