Urteil des BGH vom 24.01.2007

BGH (menge, amphetamin, person, grenzwert, anteil, verurteilung, umfang, abgabe, stpo, einlassung)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 572/06
vom
24. Januar 2007
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbsmäßiger unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln als
Person über 21 Jahren an eine Person unter 18 Jahren u. a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts und des Beschwerdeführers am 24. Januar 2007 gemäß § 349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Koblenz vom 30. August 2006 in den Fällen B. I. 1. bis 5. der Ur-
teilsgründe und im Gesamtstrafenausspruch mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an ei-
ne andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltrei-
bens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen (B. I. 1. bis 5.
der Urteilsgründe), gewerbsmäßiger unerlaubter Abgabe von Betäubungsmit-
teln als Person über 21 Jahre an eine Person unter 18 Jahren in sechs Fällen
(B. II. 1. bis 6. der Urteilsgründe), unerlaubten "gewerbsmäßigen" Handeltrei-
bens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen (B. III. 1. und 2. der Urteilsgründe)
und unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in zwei Fällen (B. IV. 1. und 2.
der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und vier Mo-
naten verurteilt. Dagegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Rü-
ge der Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat in
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dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang Erfolg, im Übrigen ist es
unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Die Verurteilung wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmit-
teln in nicht geringer Menge (Fälle B. I. 1. bis 5.) hat keinen Bestand.
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Im Fall B. I. 1. begegnet schon die Beweiswürdigung des Landgerichts
durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Nach den Feststellungen, die auf der
Aussage des Zeugen S. im Ermittlungsverfahren beruhen, ist dieser mit dem
Angeklagten in die Niederlande nach Maastricht gefahren, wo beide zwei Dea-
ler vermutlich marokkanischer Herkunft trafen, von denen sie dann in Aachen in
deren Wohnung 200 g Amphetamin durchschnittlicher Qualität kauften. Der An-
geklagte und S. teilten sich das Rauschgift. Der Angeklagte veräußerte seinen
Anteil, später erhielt er von S. aus dessen Anteil weitere 35 g Amphetamin, die
er ebenfalls veräußerte. Der Angeklagte hat angegeben, er habe den S. nach
Maastricht gefahren, der dort 130 g Amphetamin gekauft habe. Er habe 60 g als
Kurierlohn erhalten, die er zusammen mit Freunden konsumiert habe. Die Be-
weiswürdigung des Landgerichts lässt nicht ausreichend erkennen, warum es
der Aussage des Zeugen S. und nicht der Einlassung des Angeklagten gefolgt
ist. Die Darstellung des S., man habe die Dealer in Maastricht getroffen, aber in
Aachen die Betäubungsmittel erworben, erscheint eher ungewöhnlich und könn-
te von dem Bestreben getragen sein, eine Verurteilung wegen unerlaubter Ein-
fuhr von Betäubungsmitteln zu vermeiden. Die Aussagen der Zeugen E. und B.
belegen nur, dass der Angeklagte Drogen aus den Niederlanden beschafft hat
bzw. beschaffen wollte, beziehen sich aber nicht konkret auf die vorliegende
Tat. Das Landgericht hätte sich unter diesen Umständen eingehender mit der
Glaubwürdigkeit des Zeugen S. auseinandersetzen müssen.
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Im Übrigen ist in allen fünf Fällen unter B. I. der Urteilsgründe das Über-
schreiten des Grenzwerts der nicht geringen Menge nicht hinreichend darge-
legt. Soweit das Landgericht von Betäubungsmitteln durchschnittlicher Qualität
ausgeht, hat es nicht angegeben, welchen Wirkstoffgehalt es hierbei zugrunde
legt. Insbesondere bei Ecstasy-Tabletten sind die Wirkstoffe und Wirkstoffmen-
gen in der Praxis höchst unterschiedlich, so dass der Tatrichter konkret hätte
mitteilen müssen, von welchem Wirkstoffgehalt er ausgegangen ist. Im Fall B. I.
2. (richtig: 3.) der Urteilsgründe hat das Landgericht bei der rechtlichen Würdi-
gung 200 g Amphetamin durchschnittlicher Qualität zugrunde gelegt (UA S. 19),
obwohl der Angeklagte nach den Feststellungen über insgesamt 200 g Amphe-
tamin verfügte, und zwar eine größere Menge minderer Qualität und eine klei-
nere Menge relativ guter Qualität, woraus sich bei Zusammenrechnung für die
Gesamtmenge nicht notwendig eine durchschnittliche Qualität ergibt. Auch für
den Fall B. I. 5. der Urteilsgründe hat das Landgericht in der rechtlichen Würdi-
gung ausgeführt, dass der Grenzwert der nicht geringen Menge von 10 g Am-
phetaminbase in Anbetracht der anzunehmenden durchschnittlichen Qualität
der 200 g Amphetamin erheblich überschritten sei (UA S. 19), obwohl
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der Angeklagte in diesem Fall wegen Handeltreibens mit 200 g Marihuana ver-
urteilt worden ist. Angesichts dieser Ungenauigkeiten bieten die Urteilsfeststel-
lungen keine hinreichende Gewähr dafür, dass der Grenzwert der nicht gerin-
gen Menge tatsächlich in allen fünf Fällen erreicht worden ist.
Rissing-van Saan Otten Rothfuß
Roggenbuck Appl