Urteil des BGH vom 21.01.2000

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 387/98
Verkündet am:
21. Januar 2000
K a n i k ,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
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BGB § 325 Abs. 1 Satz 2
Erfüllt ein Verkäufer nicht die Pflicht, das Eigentum an dem gekauften Gegenstand
frei von Rechten Dritter zu übertragen, so liegt kein Fall der Teilerfüllung im Sinne
des § 325 Abs. 1 Satz 2 BGB vor, sondern ein Fall der (vollständigen) Nichterfül-
lung.
BGH, Urt. v. 21. Januar 2000 - V ZR 387/98 - OLG München
LG München I
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 21. Januar 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die
Richter Dr. Vogt, Schneider, Prof. Dr. Krüger und Dr. Klein
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des 5. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts München vom 23. Juni 1998 aufgehoben
und das Urteil des Landgerichts München I vom 27. November
1997 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin und ihren Ehemann
T. R. von den Forderungen aus den Kreditverträgen
mit der D. Bank AG M. , Konto-Nr. über
78.000 DM, und mit der N. H. , Darlehens-
Nr. (Kunden-Nr. . ) in Höhe von 80.000 DM, Zug um
Zug gegen Rückübereignung der Eigentumswohnung Nr. 9 des
Anwesens S. Straße , H. , eingetragen im
Grundbuch B. -H. , Blatt und Lastenfreistellung,
freizustellen.
Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin
und ihrem Ehemann T. R. jeden darüber hinausgehen-
den Vermögensschaden für die Zeit ab dem 11. Dezember 1990
zu ersetzen, der im Zusammenhang steht mit dem Kauf der
Eigentumswohnung Nr. 9, S. Straße , H. ,
eingetragen im Grundbuch B. -H. , Blatt .
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
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Von Rechts wegen
Tatbestand:
Mit notariellem Vertrag vom 11. Dezember 1990 kauften die Klägerin
und ihr Mann, dessen Ansprüche sich die Klägerin abtreten ließ, von der Be-
klagten eine Eigentumswohnung in H. Den Kaufpreis finanzierten sie. Die
Wohnung unterliegt - was die Käufer nicht wußten - bis 31. Dezember 2000 der
Sozialbindung. Die Käufer sind als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen
worden.
Die Klägerin begehrt Rückgängigmachung des Kaufs durch Freistellung
von den zur Finanzierung übernommenen Darlehen, Zug um Zug gegen Rück-
übereignung der Wohnung und Lastenfreistellung, sowie - im Wege der Fest-
stellung - Ersatz des weitergehenden Schadens.
Land- und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Dagegen
richtet sich die Revision, mit der die Klägerin ihre ursprünglichen Anträge wei-
terverfolgt. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe:
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I.
Das Berufungsgericht sieht in der bis zum 31. Dezember 2000 beste-
henden Sozialbindung einen Rechtsmangel, für den die Beklagte nach §§ 434,
440 Abs. 1, 326, 325 BGB einzustehen habe. Es meint jedoch, es liege nur ein
Fall der Teilnichterfüllung vor, da die Beklagte ihrer Eigentumsverschaffungs-
pflicht nachgekommen sei und nur hinsichtlich der geschuldeten Lastenfreiheit
eine Vertragsstörung vorliege. Daß die Teilerfüllung für die Käufer ohne Inter-
esse sei, könne angesichts des bevorstehenden Wegfalls der Sozialbindung
nicht angenommen werden. Die Feststellungsklage hält das Berufungsgericht
wegen des zurückliegenden Zeitraums für unzulässig, weil der Schaden im
Wege der Leistungsklage habe geltend gemacht werden können. Wegen des
Zukunftsschadens sei die Feststellungsklage unbegründet, weil ein Schadens-
eintritt nicht wahrscheinlich sei.
II.
Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht
stand.
1. Nicht zu beanstanden ist allerdings, daß das Berufungsgericht die
bestehende Sozialbindung der Wohnung als Rechtsmangel wertet. Das ent-
spricht der Rechtsprechung des Senats (BGHZ 67, 134; Urt. v. 28. Oktober
1983, V ZR 235/82, WM 1984, 214), an der festgehalten wird. Soweit Ernst
(Rechtsmängelhaftung, 1995, S. 126 ff; Rechtliche Qualitätsmängel, Schriften-
reihe der Juristischen Studiengesellschaft Karlsruhe, Heft 239, 1999, S. 9 f,
31 f) das Besondere des Rechtsmangels - in Abgrenzung zum Sachmangel -
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darin erblickt, daß sich der Mangel als Einschränkung des Eigentums darstellt,
ist das aus der Sicht des Senats nicht zu kritisieren, führt aber - entgegen Ernst
aaO - nicht zu einer anderen Beurteilung. Denn die Wohnungsbindung
schränkt den Eigentümer in seinen rechtlichen Befugnissen ein, sowohl was
die Eigennutzung (§ 6 WoBinG) als auch was die Fremdnutzung (§§ 4 ff Wo-
BinG) angeht (vgl. schon Senat, Urt. v. 28. Oktober 1983, V ZR 235/82, WM
1984, 214). Infolgedessen haftet die Beklagte nach §§ 434, 440 Abs. 1 BGB
wegen anfänglichen Unvermögens, da bereits im Zeitpunkt des Vertrags-
schlusses feststand, daß die Beklagte nicht in der Lage war, die bis zum
31. Dezember 2000 fortbestehende Sozialbindung zu beseitigen. Einen ver-
traglichen Haftungsausschluß hat das Berufungsgericht verneint. Von Rechts-
fehlern ist die Vertragsauslegung nicht beeinflußt.
2. Mit Erfolg wendet sich die Revision jedoch gegen die Auffassung des
Berufungsgerichts, es liege ein Fall der Teilerfüllung vor, der nur unter den be-
sonderen Voraussetzungen der §§ 326 Abs. 1 Satz 3, 325 Abs. 1 Satz 2 BGB
zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung des ganzen Vertrages führe. Die
Pflicht des Verkäufers besteht darin, Eigentum frei von Rechten Dritter zu
übertragen und die Kaufsache zu übergeben (§§ 433 Abs. 1, 434 BGB). Erfüllt
er eine dieser Pflichten nicht, liegt ein Fall der (vollständigen) Nichterfüllung
vor, kein Fall der Teilerfüllung im Sinne des § 325 Abs. 1 Satz 2 BGB. Nach
der gesetzlichen Konzeption des Leistungsstörungsrechts kann die Leistung
des Verkäufers nicht in eine Eigentumsübertragung und eine Bewirkung der
Lastenfreiheit aufgeteilt werden, ebensowenig wie zwischen Eigentumsüber-
tragung und Besitzverschaffung eine solche Trennung vorgenommen werden
kann (vgl. Senat, Urt. v. 30. Oktober 1998, V ZR 367/97, NJW-RR 1999, 346,
347). Wäre die Sicht des Berufungsgerichts richtig, erschiene jeder Rechts-
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mangel nur als Teilnichterfüllung. Das ist nicht die Vorstellung des Gesetzes.
Die generelle Verweisung in § 440 Abs. 1 BGB auf die Vorschriften der §§ 320
bis 327 BGB gingen dann teilweise ins Leere.
Infolgedessen ist der geltend gemachte Schadensersatzanspruch be-
gründet.
3. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung kann über die Lei-
stungsklage vollständig, nicht nur dem Grunde nach, entschieden werden. Die
Gründe, die dem in der Entscheidung des Senats vom 26. September 1997
(V ZR 29/96, NJW 1998, 302, 305) entgegenstanden, liegen hier nicht vor. In
jener Entscheidung ging es um die Rückabwicklung eines Kaufvertrages unter
dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluß. Danach waren die
Parteien so zu stellen, als hätten sie den Vertrag nicht geschlossen. Daher war
bei der Rückabwicklung zu berücksichtigen, daß dem Käufer möglicherweise
Mieteinnahmen und Steuervorteile zugeflossen waren, auf die er keinen An-
spruch hatte, wenn er so zu behandeln war, als habe er den Vertrag nicht ge-
schlossen. Da es an Feststellungen hinsichtlich dieser Vorteile fehlte, konnte
über die Rückabwicklung nur dem Grunde nach entschieden werden. Hier geht
es hingegen um Schadensersatz wegen Nichterfüllung nach §§ 434, 440
Abs. 1 BGB. Die Kläger sind so zu stellen, wie sie bei ordnungsgemäßer Er-
füllung gestanden hätten. Dann verbleiben ihnen Mieterträge und Steuervor-
teile. Daß sie bei ordnungsgemäßer Erfüllung Vermögensnachteile erlitten
hätten, die ihnen nun erspart bleiben und die bei dem anzustellenden Gesamt-
vermögensvergleich zu ihren Lasten zu berücksichtigen wären, ist von der Be-
klagten, die hierfür die Darlegungslast hat (BGHZ 94, 195, 217), nicht vorge-
tragen worden. Sie wären im übrigen auch noch berücksichtigungsfähig, soweit
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die Kläger Ersatz des weiteren - hier nur im Wege der Feststellungsklage gel-
tend gemachten - Schadens verlangen.
4. Keinen Bestand hat auch die Abweisung der Feststellungsklage.
a) Das gilt zunächst für die Abweisung hinsichtlich des zurückliegenden
Zeitraums als unzulässig. Es ist zwar richtig, daß eine Feststellungsklage in
der Regel dann unzulässig ist, wenn eine Klage auf Leistung möglich ist
(BGHZ 5, 314). Daß diese Voraussetzung hier gegeben ist, ist jedoch nicht er-
sichtlich. Das Berufungsgericht hat dahingehende Feststellungen auch nicht
getroffen. Zum einen geht es der Klägerin - entgegen der von der Revision ge-
rügten Annahme des Berufungsgerichts - nicht nur um die Differenz zwischen
den erzielbaren Mieten mit und ohne Sozialbindung, sondern um den gesam-
ten Schaden, welcher den Käufern aufgrund des Kaufs der Wohnung bis zu
der begehrten Abwicklung entstanden ist bzw. noch entstehen wird. Zum ande-
ren kann selbst der Mietausfallschaden nicht ohne weiteres beziffert werden;
erforderlich ist aller Voraussicht nach eine Begutachtung. Auch aus diesem
Grund erscheint es sachgerecht, die Schadensersatzpflicht zunächst feststel-
len zu lassen, so daß ein Interesse daran der Klägerin nicht abgesprochen
werden kann (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 21. Aufl., § 256 Rdn. 7 a).
b) Soweit die Feststellungsklage (für den zukünftigen Schaden) als un-
begründet abgewiesen worden ist, hat das Berufungsgericht übersehen, daß
es für die Begründetheit genügt, wenn der Eintritt eines weiteren Schadens
wahrscheinlich ist (vgl. BGH, Urt. v. 23. April 1991, X ZR 77/89, NJW 1991,
2707, 2708). Letzteres ist schon mit Rücksicht darauf zu bejahen, daß ein
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Mietausfallschaden auch für die Zeit nach der letzten mündlichen Verhandlung
vor dem Berufungsgericht bis zum Ablauf der Sozialbindung in Betracht kommt.
c) Die Feststellungsklage ist daher insgesamt zulässig und begründet.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Wenzel
Vogt
Schneider
Krüger
Klein