Urteil des BGH vom 17.07.2008

Telefonieren für 0 Cent! Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 139/05 Verkündet
am:
17. Juli 2008
Führinger
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Telefonieren für 0 Cent!
PAngV § 1 Abs. 1 Satz 1; UWG §§ 3, 4 Nr. 11
Wird in einer an die Allgemeinheit gerichteten Werbeanzeige für einen Telefon-
tarif mit der Angabe "Telefonieren für 0 Cent!" geworben, so sind in der Anzeige
die für die Bereitstellung des erforderlichen Telefonanschlusses aufzuwenden-
den Kosten sowie die monatlich anfallenden Grundgebühren für diesen An-
schluss anzugeben.
BGH, Urt. v. 17. Juli 2008 - I ZR 139/05 - OLG Düsseldorf
LG
Düsseldorf
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 17. Juli 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und
die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Bergmann und Dr. Kirchhoff
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandes-
gerichts Düsseldorf vom 5. Juli 2005 wird auf Kosten der Beklag-
ten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien sind Wettbewerber im Bereich der Telefondienstleistungen.
Die Beklagte warb am 20. September 2003 in der "Frankfurter Allgemeinen Zei-
tung" in einer Anzeige mit der blickfangmäßig hervorgehobenen Angabe "Das
Wochenende wird so frei wie noch nie: Telefonieren für 0 Cent*!" Die Anzeige
enthielt außerdem folgenden Text:
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In 11 Tagen ist es soweit: Am 1.10. kommt der neue XXL-Tarif für alle!
Seien auch Sie dabei, wenn Telefonieren günstiger als günstig wird! Denn
mit dem neuen XXL-Tarif von T-Com kann jeder das ganze Wochenende
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und an Feiertagen für 0 Cent* telefonieren. Und zwar deutschlandweit. Mit
wem man will und solange man will.
In der zu dem Sternchen gehörenden Fußnote hieß es wie folgt:
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*Gilt am Wochenende und an allen bundeseinheitlichen Feiertagen für
Verbindungen (keine Online-Verbindungen) im City- und Deutschlandtarif
der Deutschen Telekom, T-Com, und ist im geringfügig höheren monatli-
chen Grundpreis enthalten. AktivPlus xxl kostet mtl. 9,22 EUR.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, bei der Angabe "Telefonieren für
0 Cent!" handele es sich um eine Preisangabe i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1
PAngV. Die Werbung für den neuen "XXL"-Tarif mit der Angabe "Telefonieren
für 0 Cent!" verstoße gegen die Vorschriften der Preisangabenverordnung, weil
die Grund- und Bereitstellungsentgelte für den erforderlichen Telefonanschluss
nicht genannt würden. Der "XXL"-Tarif stelle eine Tarifkategorie dar, die mehre-
re Leistungen enthalte. "XXL" sei der Oberbegriff, unter den die Tarife "T-Net
XXL" und "T-ISDN XXL" zu fassen seien. Der Tarif "XXL" sei kein hinzubuchba-
rer Zusatz, der unabhängig von Telefonanschlüssen angeboten und vermarktet
werde.
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Die Klägerin hat beantragt,
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der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen,
im geschäftlichen Verkehr des Festnetz-Sprachtelefondienstes zu Wett-
bewerbszwecken für den Tarif "xxl" mit der Angabe
Telefonieren für 0 Cent!
zu werben, ohne zugleich die Preise weiterer feststehender Preisbestand-
teile dieses Tarifs anzugeben, nämlich
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bei "AktivPlus xxl" - über die Angabe "Aktiv-Plus xxl kostet mtl. 9,22 Euro"
(derzeitiger Betrag) hinaus - auch die monatlichen Grundpreise für "T-Net"
(von derzeit 15,66 Euro) und für "T-ISDN" (von derzeit 23,60 Euro),
bei "T-Net xxl" den monatlichen Grundpreis (von derzeit 24,94 Euro)
und bei "T-ISDN xxl" den monatlichen Grundpreis (von derzeit 32,95 Euro)
sowie das bei einer betreffenden Neueinrichtung anfallende Bereitstel-
lungsentgelt (derzeit 59,95 Euro).
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Die Beklagte hat demgegenüber die Ansicht vertreten, bei der Bereitstel-
lung eines Telefonanschlusses und der Vermittlung von Telefongesprächen
handele es sich um unterschiedliche Dienstleistungen. Die Beauftragung des
Tarifs "XXL" erfordere in der Regel nicht, einen neuen Telefonanschluss bei ihr
einrichten zu lassen. Der Tarif "XXL" stehe für sich allein. Die Produkte "T-Net
XXL" bzw. "T-ISDN XXL" seien Kombinationsprodukte, die sowohl einen neuen
Anschluss als auch den Tarif "XXL" enthielten. Wer - wie etwa 95% der Tele-
fonkunden in Deutschland - über einen analogen oder digitalen Telefonan-
schluss bei ihr verfüge, könne den Tarif "XXL" einfach hinzubuchen. Die Anga-
be des Preises für die Neueinrichtung eines Telefonanschlusses sei dann nicht
erforderlich. Für Neukunden gelte nicht der Tarif "XXL", sondern die Kombinati-
on aus dem Tarif und einem Anschluss. Für die entsprechenden Kombinations-
produkte "T-Net XXL" und "T-ISDN XXL" gebe sie in der Werbung sämtliche
Preisbestandteile an. Im Übrigen erfasse der geltend gemachte Unterlassungs-
anspruch auch Werbung, die sich ausdrücklich nur an ihre bereits vorhandenen
Kunden richte. Insoweit seien die Werbemaßnahmen wettbewerbsrechtlich aber
nicht zu beanstanden.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten
ist ohne Erfolg geblieben.
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Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Be-
klagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter. Die Klägerin beantragt, das
Rechtsmittel zurückzuweisen.
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Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat den geltend gemachten Unterlassungsan-
spruch gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 PAngV i.V. mit §§ 3, 4 Nr. 11, § 8
Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG für gegeben erachtet. Zur Begründung hat es ausge-
führt:
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Gegenstand des Leistungsangebots der Beklagten i.S. des § 1 PAngV
sei nicht der "XXL"-Tarif, weil damit ausschließlich ein Preisbestandteil be-
zeichnet werde. Die Beklagte biete eine einheitliche Leistung an, die sich aus
dem Bereitstellen und Vorhalten eines Telefonanschlusses sowie der Eröffnung
der Gebrauchsmöglichkeit durch Vermittlung von Telefongesprächen zusam-
mensetze. Der "XXL"-Tarif bezeichne keine isoliert angebotene Dienstleistung.
Der Kunde, der von der Möglichkeit kostenloser Gesprächsvermittlung an Wo-
chenenden und Feiertagen Gebrauch machen wolle, müsse zuvor bei der Be-
klagten einen Telefonanschluss einrichten lassen, hierfür ein Bereitstellungs-
entgelt entrichten und für die Vorhaltung des Anschlusses eine monatliche
Grundgebühr bezahlen. Letztere erhöhe sich um den Betrag von 9,22 Euro mo-
natlich, wenn der Kunde das Angebot der Beklagten nutzen wolle, für an Wo-
chenenden geführte Einzelgespräche kein gesondertes Entgelt entrichten zu
müssen. Nach der Verkehrsauffassung stellten diese Leistungen ein einheitli-
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ches Angebot von Telefondienstleistungen dar, die ausschließlich zusammen
erworben werden könnten. Der gemäß § 1 Abs. 1 PAngV anzugebende Preis
setze sich mithin aus dem Bereitstellungsentgelt, der Grundgebühr sowie der
weiteren Gebühr für die Eröffnung der Möglichkeit zusammen, an Wochenen-
den Telefongespräche ohne zusätzliches Entgelt führen zu können.
Es könne offenbleiben, ob in der Werbung der Beklagten das Bereitstel-
lungsentgelt für die Ersteinrichtung des Telefonanschlusses auch dann ange-
geben werden müsse, wenn diese sich ausschließlich an Kunden richte, die
bereits über einen Telefonanschluss der Beklagten verfügten. Denn die ange-
griffene Werbung richte sich jedenfalls auch an Kunden, die über keinen An-
schluss der Beklagten verfügten oder etwa anlässlich eines Umzugs einen An-
schluss neu einrichten lassen müssten.
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II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben
keinen Erfolg.
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1. Entgegen der Auffassung der Revision fehlt es dem Unterlassungsan-
trag nicht an der erforderlichen Bestimmtheit i.S. des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
Ein Verbotsantrag darf zwar nicht derart undeutlich gefasst sein, dass sich der
Gegner nicht erschöpfend verteidigen kann und die Entscheidung darüber, was
dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bliebe (st.
Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 4.10.2007 - I ZR 22/05, GRUR 2008, 532 Tz. 16 = WRP
2008, 782 - Umsatzsteuerhinweis, m.w.N.). Den nach diesen Maßstäben zu
stellenden Anforderungen an die Bestimmtheit genügt der Unterlassungsantrag
der Klägerin jedoch. Das beantragte Verbot erfasst jegliche Werbung für den
Tarif "XXL" unter der Angabe "Telefonieren für 0 Cent!", wenn nicht die Preise
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weiterer, im Antrag konkret aufgeführter feststehender Preisbestandteile dieses
Tarifs angegeben werden.
Soweit die Revision beanstandet, das ausgesprochene Verbot umfasse
auch aus der Sicht des Berufungsgerichts Werbung, die unbedenklich sei, und
zwar insoweit, als sie sich ausschließlich an Kunden richte, die bereits über ei-
nen Telefonanschluss der Beklagten verfügten, führt dieser Umstand nicht zur
Unbestimmtheit des Verbotsausspruchs. Bezieht ein Verbotsantrag auch Hand-
lungen ein, die nicht wettbewerbswidrig sind, hat dies nicht die Unzulässigkeit,
sondern allenfalls die (teilweise) Unbegründetheit der Klage zur Folge (vgl.
BGH, Urt. v. 16.3.2000 - I ZR 229/97, GRUR 2002, 187, 188 = WRP 2000,
1131 - Lieferstörung, dazu unter II 2 c).
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2. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung
gegen die Beklagte aus § 8 Abs. 1 Satz 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, § 1 UWG a.F.
i.V. mit § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und 6 PAngV zu.
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a) Die Frage, ob die Klägerin die geltend gemachte Unterlassung bean-
spruchen kann, ist nach dem zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Recht
zu beurteilen, also nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom
3. Juli 2004 i.V. mit § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und 6 PAngV. Soweit der Unter-
lassungsanspruch auf Wiederholungsgefahr gestützt ist, besteht er allerdings
nur, wenn das beanstandete Verhalten auch schon zur Zeit seiner Begehung
wettbewerbswidrig war (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urt. v. 13.7.2006 - I ZR 234/03,
GRUR 2006, 953 Tz. 14 = WRP 2006, 1505 - Warnhinweis II; BGHZ 175, 238
Tz. 14 - ODDSET). Im Streitfall ist insofern auf das Gesetz gegen den unlaute-
ren Wettbewerb in der bis zum 7. Juli 2004 geltenden Fassung sowie auf die
Vorschriften der Preisangabenverordnung abzustellen. Die danach für die Beur-
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teilung von Wettbewerbsverstößen durch Rechtsbruch maßgeblichen Bestim-
mungen des alten und des neuen Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb
unterscheiden sich inhaltlich nicht, weil die Regelung des § 4 Nr. 11 UWG der
neueren Rechtsprechung zu § 1 UWG a.F. entspricht (vgl. BGHZ 150, 343,
347 f. - Elektroarbeiten; BGHZ 175, 238 Tz. 14 - ODDSET).
b) Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die beanstan-
dete Werbeanzeige der Beklagten vom 20. September 2003 in der "Frankfurter
Allgemeinen Zeitung" gegen § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV verstößt. Nach dieser
Vorschrift hat derjenige, der Letztverbrauchern gegenüber Waren oder Dienst-
leistungen gewerbsmäßig anbietet oder unter Angabe von Preisen bewirbt, die
dafür zu zahlenden Endpreise anzugeben. Bei Leistungen können, soweit dies
üblich ist, gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 PAngV stattdessen Verrechnungssätze an-
gegeben werden. Die Angaben müssen nach § 1 Abs. 6 Satz 1 PAngV der all-
gemeinen Verkehrsauffassung und den Grundsätzen von Preisklarheit und
Preiswahrheit entsprechen.
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Die genannten Anforderungen bestehen allerdings allein im Hinblick auf
die unmittelbar angebotenen oder beworbenen Produkte. Sie gelten dagegen
nicht auch für Waren oder Dienstleistungen, die lediglich für die Verwendung
der angebotenen oder beworbenen Produkte erforderlich oder mit diesen kom-
patibel sind. Der Werbende ist deshalb nicht zur Angabe der Preise solcher wei-
terer erforderlicher oder kompatibler Produkte verpflichtet, selbst wenn er diese
Leistungen in seinem Angebot hat und daher gegebenenfalls mitbewirbt (BGH,
Urt. v. 20.12.2007 - I ZR 51/05, GRUR 2008, 729 Tz. 15 = WRP 2008, 928
- Werbung für Telefondienstleistungen).
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Bezieht sich die Werbung hingegen auf kombinierte Leistungen, die aus
Sicht der angesprochenen Verbraucher als einheitliches Leistungsangebot und
Gegenstand eines einheitlichen Vertragsschlusses erscheinen, so ist ein sich
auf das einheitliche Leistungsangebot insgesamt beziehender Endpreis an-
zugeben (vgl. BGH, Urt. v. 5.7.2001 - I ZR 104/99, GRUR 2001, 1166, 1168 =
WRP 2001, 1301 - Fernflugpreise). Insbesondere darf in der Werbung nicht al-
lein das Versprechen unentgeltlicher Teilleistungen herausgestellt werden, oh-
ne gleichzeitig in klarer Zuordnung auf das Entgelt hinzuweisen, das für den
anderen Teil des Kopplungsangebots verlangt wird (BGH, Urt. v. 13.6.2002
- I ZR 71/01, GRUR 2002, 979, 981 = WRP 2002, 1259 - Kopplungsangebot II).
Wenn ein Endpreis nicht gebildet werden kann, weil der Preis der angebotenen
Leistungen von Umständen abhängt, die variabel sind, müssen im Hinblick auf
§ 1 Abs. 2 und Abs. 6 PAngV die einzelnen Preisbestandteile angegeben wer-
den (vgl. BGHZ 139, 368, 375 f. - Handy für 0,00 DM).
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c) Entgegen der Ansicht der Revision umfasst der Unterlassungsantrag
der Klägerin keine Werbehandlungen, die wettbewerbsrechtlich unbedenklich
sind. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass sich die beanstandete
Werbung der Beklagten an die Allgemeinheit richtet, also auch an potentielle
Kunden, die noch nicht Inhaber eines Telefonanschlusses der Beklagten sind
oder sich - beispielsweise wegen eines Umzugs - einen Anschluss neu einrich-
ten lassen. Diese Beurteilung lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Das Un-
terlassungsbegehren der Klägerin hat das Berufungsgericht dahingehend aus-
gelegt, dass der Beklagten die konkrete, an die Allgemeinheit gerichtete, Wer-
bung, wie sie in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 20. September 2003
erschienen ist, verboten werden soll. Auch das hält der revisionsrechtlichen
Nachprüfung stand.
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Der Senat kann als Revisionsgericht die Auslegung des Unterlassungs-
antrags als einer Prozesserklärung in vollem Umfang selbst überprüfen. Dabei
ist auch das Vorbringen heranzuziehen, auf das sich die Klage stützt (BGH, Urt.
v. 7.6.2001 - I ZR 115/99, GRUR 2002, 177, 178 = WRP 2001, 1182 - Jubi-
läumsschnäppchen, m.w.N.). Aus dem Klagevorbringen, das ergänzend zur
Auslegung des Antrags heranzuziehen ist, ergibt sich, dass die Klägerin ein
Verbot einer konkreten Werbeanzeige (Werbung für den Tarif "XXL" gegenüber
der Allgemeinheit mit der Angabe "Telefonieren für 0 Cent!" ohne gleichzeitige
Nennung der Preise für weitere Bestandteile dieses Tarifs) erstrebt hat. In die-
sem Sinne hat auch das Berufungsgericht das Unterlassungsbegehren ver-
standen und beschieden. Die beanstandete konkrete Anzeige richtete sich
- was unstreitig ist - nicht ausschließlich an Kunden, die bereits über einen
Netzanschluss der Beklagten verfügen. Unter diesen Umständen kann aufgrund
einer auf diesen Antrag gestützten Verurteilung eine gleichlautende Anzeige
nicht untersagt werden, die sich ausschließlich an eigene Kunden der Beklag-
ten richtet. Bei dieser - gebotenen - Auslegung geht daher der Unterlassungs-
antrag nicht über die konkrete Verletzungsform hinaus (vgl. BGH GRUR 2002,
177, 178 - Jubiläumsschnäppchen, m.w.N.).
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d) Die Beklagte wirbt in der Anzeige vom 20. September 2003 mit einer
Preisangabe, die in dem Slogan "Telefonieren für 0 Cent!" liegt. Durch diese
Angabe wird bei dem Werbeadressaten der Eindruck erweckt, er könne eine
Leistung der Beklagten kostenfrei in Anspruch nehmen, was jedoch tatsächlich
nicht zutrifft. Denn die Nutzung des beworbenen "XXL"-Tarifs erfordert das Vor-
handensein eines Telefonanschlusses der Beklagten. Wird nur ein Teil einer
Leistung unentgeltlich angeboten, besteht die Gefahr, dass der Verbraucher
über den tatsächlichen Wert des Angebots unzureichend informiert wird. Dies
soll nach dem Zweck der Preisangabenverordnung gerade vermieden werden.
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Der Werbende muss daher deutlich machen, mit welcher wirtschaftlichen Belas-
tung der Kunde tatsächlich rechnen muss (vgl. BGHZ 151, 84, 89
- Kopplungsangebot I; BGH GRUR 2002, 979, 981 - Kopplungsangebot II). Die-
ser Anforderung wird die Werbung mit der Angabe "Telefonieren für 0 Cent!"
nicht gerecht.
e) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bietet die Beklagte mit
der angegriffenen Werbung eine einheitliche Leistung an, die sich aus dem Be-
reitstellen und Vorhalten eines Telefonanschlusses sowie einem Zusatztarif für
die Möglichkeit kostenfreier Gesprächsvermittlung an Wochenenden und Feier-
tagen zusammensetzt. Die Revision macht demgegenüber ohne Erfolg geltend,
das Berufungsgericht sei bei seiner Annahme, es gebe keine isoliert angebote-
ne Dienstleistung, die durch den "XXL"-Tarif bezeichnet werden könnte, von
einem falschen Sachverhalt ausgegangen, weil der "XXL"-Tarif unstreitig ge-
sondert angeboten werde.
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aa) Es kommt nicht darauf an, wie der Werbende selbst seine Angabe
verstanden wissen will. Ob ein einheitliches Leistungsangebot vorliegt und wel-
che Bestandteile zu der beworbenen Leistung gehören, bestimmt sich vielmehr
nach der Verkehrsauffassung (vgl. BGH, Urt. v. 6.6.1991 - I ZR 291/89, GRUR
1991, 845, 846 = WRP 1991, 652 - Nebenkosten; BGH GRUR 2001, 1166,
1168 - Fernflugpreise). Eine einheitliche Leistung liegt in aller Regel jedenfalls
dann vor, wenn die Leistungen nur zusammen erworben werden können oder
wenn Zusatzleistungen bei Inanspruchnahme der beworbenen Leistung auf je-
den Fall und ohne Wahlmöglichkeit des Kunden anfallen (vgl. BGH GRUR
1991, 845, 846 -
Nebenkosten; Völker, Preisangabenrecht, 2. Aufl., § 1
Rdn. 43, 46).
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bb) Danach stellt sich die Werbung der Beklagten als einheitliches Leis-
tungsangebot für einen Telefontarif dar, der das Telefonieren an Wochenenden
und bundeseinheitlichen Feiertagen ohne gesondertes Gesprächsentgelt er-
möglicht, bei dem aber auch eine bestimmte, von der Anschlussart abhängige
monatliche Grundgebühr anfällt.
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Die beanstandete Werbung richtet sich - wie dargelegt - zumindest auch
an die allgemeinen Verkehrskreise, also an potentielle Kunden, die noch nicht
über einen Anschluss der Beklagten verfügen und für die nicht die Möglichkeit
besteht, den Tarif "AktivPlus XXL" für 9,22 Euro monatlich hinzuzubuchen. Für
diese Kunden stellt sich der "XXL"-Tarif nicht als eigenständige Leistung dar, da
sie das Angebot nur in Verbindung mit einem Telefonanschluss der Beklagten
wahrnehmen können, für den zwangsläufig Anschlussgebühren und monatliche
Grundgebühren anfallen. Die für die Einrichtung des Telefonanschlusses ent-
stehenden Kosten sowie die monatlich zu zahlende Grundgebühr werden in der
streitgegenständlichen Werbeanzeige der Beklagten nicht genannt, obwohl sie
von dem Kunden, der den "XXL"-Tarif nutzen möchte, aufgewendet werden
müssen. Demjenigen, der noch nicht über einen Telefonanschluss der Beklag-
ten verfügt, sind diese Kosten in aller Regel auch nicht bekannt. Mit den Vor-
schriften der Preisangabenverordnung soll aber gerade verhindert werden, dass
ein Wettbewerber mit der besonderen Preisgünstigkeit des einen Angebotsteils
blickfangmäßig wirbt, den Preis für das obligatorische Komplementärangebot
dagegen verschweigt oder in der Darstellung untergehen lässt (vgl. BGHZ 157,
84, 91; BGH GRUR 2002, 979, 981 - Kopplungsangebot I und II; BGH, Urt. v.
2.6.2005 -
I
ZR
252/02, GRUR 2006, 164 Tz.
20 = WRP 2006, 84
- Aktivierungskosten II, m.w.N.).
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cc) Entgegen der Ansicht der Revision ist der beworbene "XXL"-Tarif
nach der Verkehrsauffassung nicht mit "Pre-Selection"- und "Call-by-Call"-
Produkten vergleichbar, die als eigenständige Leistungen angeboten und be-
worben werden. Bei "Call-by-Call"-Produkten ist von vornherein klar, dass sie
eine eigenständige Leistung eines Drittanbieters darstellen. Denn die Leistung
wird durch das Wählen einer bestimmten Kennziffer bei jeder einzelnen Verbin-
dung in Anspruch genommen. Die Leistung betrifft mithin lediglich das Verbin-
dungsentgelt und ist nicht an andere Leistungen wie die Einrichtung und Bereit-
stellung eines Telefonanschlusses gekoppelt. Ihre Inanspruchnahme setzt viel-
mehr einen vorhandenen Telefonanschluss voraus. Eine Erhöhung der Grund-
gebühr findet nicht statt. Eine Vergleichbarkeit der Preise muss nur im Verhält-
nis zu anderen "Call-by-Call"-Anbietern bestehen. Bei "Pre-Selection"-
Angeboten lässt der Kunde seine Verbindungen mittels dauerhafter Voreinstel-
lung von einem anderen Anbieter als dem Anschlussunternehmen herstellen.
Auch hier betrifft die Leistung das Verbindungsentgelt, während die Grundge-
bühr in unveränderter Höhe an den Anbieter des Telefonanschlusses zu zahlen
ist. Die Leistung ist nicht an andere Leistungen wie die Einrichtung und Bereit-
stellung eines Telefonanschlusses gekoppelt. Der "XXL"-Tarif der Beklagten
besteht demgegenüber in einer Erhöhung der Grundgebühr um eine Pauschale
von 9,22 Euro. Es handelt sich also lediglich um eine Teilleistung.
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III. Danach ist die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97
Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
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Bornkamm
Pokrant
Büscher
Bergmann
Kirchhoff
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 03.12.2004 - 38 O 103/04 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 05.07.2005 - I-20 U 12/05 -