Urteil des BGH vom 22.07.2014

BGH: wiedereinsetzung in den vorigen stand, urkunde, zustellung, rechtsanwaltschaft, post, könig, rücknahme, briefkasten, gegenbeweis, auskunft

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
AnwZ (Brfg) 11/14
vom
22. Juli 2014
in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache
wegen Rücknahme der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
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Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch die Präsidentin des
Bundesgerichtshofs Limperg, die Richter Prof. Dr. König und Dr. Remmert
sowie die Rechtsanwälte Prof. Dr. Stüer und Dr. Kau
am 22. Juli 2014 beschlossen:
Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in den Stand vor Versäumung
der Frist zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung
gegen das Urteil des 2. Senats des Sächsischen Anwaltsgerichts-
hofs vom 6. Dezember 2013 gewährt.
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das
genannte Urteil wird abgelehnt.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000
€ festgesetzt.
Gründe:
Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme seiner Zulassung zur
Rechtsanwaltschaft (§ 14 Abs. 1 Satz 1 BRAO) aufgrund bewusst unwahrer
Angaben im Zulassungsantrag sowie bestehenden Vermögensverfalls. Der An-
waltsgerichtshof hat die hiergegen gerichtete Klage als unzulässig abgewiesen
und die Berufung nicht zugelassen.
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1. Dem Kläger war auf seinen Antrag gemäß § 112e Satz 2 BRAO i.V.m.
§ 60 Abs. 1, § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO bezüglich seines Zulassungsantrags
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Denn er hat hinreichend
glaubhaft gemacht, dass die Begründung des Zulassungsantrags wegen von
ihm nicht zu vertretender überlanger Postlaufzeiten nicht rechtzeitig beim Senat
eingegangen ist.
2. Der Zulassungsantrag hat jedoch mangels ernsthafter Zweifel an der
Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO) keinen Erfolg. Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage mit Recht wegen
Versäumung der in § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO bezeichneten Monatsfrist als un-
zulässig abgewiesen. Der Rücknahmebescheid wurde dem Kläger am 9. März
2013 zugestellt. Die Klage ist jedoch erst am 30. April 2013 und damit weit au-
ßerhalb der Frist beim Anwaltsgerichtshof eingegangen.
a) Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Rücknahmebescheid
wirksam zugestellt worden. Nach dem gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 41
Abs. 5 VwVfG und § 3 Abs. 2 Satz 1 VwZG anwendbaren § 180 Satz 1 ZPO
war eine Zustellung durch Einlegung in den Briefkasten oder eine ähnliche Vor-
richtung zulässig, nachdem der Zusteller vergeblich versucht hatte, die Zustel-
lung durch Übergabe an den Kläger oder Familienangehörige in dessen Woh-
nung zu bewirken. Der Postzusteller hat in der über die Zustellung aufgenom-
menen Urkunde bezeugt, die zuzustellende Entscheidung in die für den Post-
empfang zur Verfügung stehende Vorrichtung eingelegt zu haben. Dieser Ver-
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merk hat auch dann, wenn er von einem Bediensteten der Deutschen Post AG
ausgestellt wird, die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde im Sinne des § 418
ZPO (§ 182 Abs. 1 Satz 2 ZPO), begründet also den vollen Beweis der in der
Urkunde bezeichneten Tatsachen (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2004
- AnwZ (B) 92/03, juris Rn. 6 m.w.N.).
b) Den grundsätzlich möglichen Gegenbeweis (§ 418 Abs. 2 ZPO) hat
der Kläger nicht erbracht. Seine Behauptung, der Bescheid sei in den Briefkas-
ten seines mittlerweile verstorbenen Vaters R. N. eingelegt worden, hat
sich ausweislich einer durch den Senat im Freibeweisverfahren eingeholten
Auskunft des Zustellers als unrichtig erwiesen. Danach befand sich im Wohn-
anwesen des Klägers lediglich ein mit dem Nachnamen des Klägers gekenn-
zeichneter Einwurfschlitz in der Haustür, über den (auch) der Kläger seine Post
erhielt.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hatte der Kläger insoweit nicht
beantragt. Der Anwaltsgerichtshof hat hierzu überdies zutreffend ausgeführt,
dass Wiedereinsetzungsgründe nicht ersichtlich sind.
c) Ergänzend bemerkt der Senat, dass die Klage aus den im Gerichtsbe-
scheid vom 9. September 2013 angeführten Erwägungen des Anwaltsgerichts-
hofs in der Sache offensichtlich unbegründet wäre.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO i.V.m.
§ 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
Limperg
König
Remmert
Stüer
Kau
Vorinstanz:
AGH Dresden, Entscheidung vom 06.12.2013 - AGH 8/13 (II) -
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