Urteil des BGH vom 29.10.2001

BGH (1995, sache, verhandlung, landwirt, halten, besitz, nachteil, aufhebung, vereinbarung, stillschweigend)

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 314/99
Verkündet am:
29. Oktober 2001
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 29. Oktober 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und
die Richter Dr. Hesselberger, Dr. Kurzwelly, Kraemer und die Richterin Münke
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten zu 1 und 4 wird das Urteil des
1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 20. Mai
1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zu ihrem
Nachteil entschieden worden ist.
Im Umfange der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten
Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revi-
sionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin verlangte von den Beklagten ursprünglich, als Gesamt-
schuldner an sie 190 näher gekennzeichnete Mastkälber herauszugeben.
Sie kaufte die Kälber, die sich zur Aufzucht bei dem Landwirt S.
befanden, am 12. Dezember 1995 von der M. GmbH, deren Geschäftsführe-
rin die Beklagte zu 4 ist.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin
hatte keinen Erfolg. Auf deren Revision hat der Bundesgerichtshof am 15. Juni
1998 das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhand-
lung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen
(II ZR 27/97, ZIP 1998, 2160). Dieses hat daraufhin - soweit für das jetzige Re-
visionsverfahren noch von Bedeutung - das erstinstanzliche Urteil teilweise
abgeändert, die Beklagten zu 1 und 4 verurteilt, 82 näher bezeichnete Kälber
herauszugeben und festgestellt, im übrigen sei die Klage gegen die Beklagten
zu 1 und 4 in der Hauptsache erledigt. Hiergegen richtet sich die Revision der
Beklagten zu 1 und 4.
Entscheidungsgründe:
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurück-
verweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit dieses zum Nachteil
der Beklagten zu 1 und 4 entschieden hat.
I. Der Senat hat in seinem ersten Urteil zugunsten der Klägerin unter-
stellt, es sei am 12. Dezember 1995 in Erfüllung eines entsprechenden Kauf-
vertrages über die bei S. untergestellten Kälber eine Einigung zwischen
der Klägerin und der von der Beklagten zu 4 vertretenen M. GmbH über den
Eigentumsübergang an den Tieren zustande gekommen. Die erforderliche
tatrichterliche Feststellung hat das Berufungsgericht - allerdings ohne nähere
Begründung - nunmehr nachgeholt. Die Revision greift diese Feststellung nicht
an.
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II. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Klägerin sei Eigentümerin
der Kälber gewesen, als der Beklagte zu 1 diese am 22. Februar 1996 im Ein-
verständnis mit der Beklagten zu 4 aus dem Stall des Landwirts S. abge-
holt hat. Die hiergegen erhobenen Rügen der Revision haben Erfolg.
1. Die Ansicht des Berufungsgerichts, die Übergabe der Tiere sei durch
ein Besitzkonstitut (§ 930 BGB) ersetzt worden, wird von dem Ergebnis der
Beweisaufnahme, auf das es sich stützt, nicht getragen. Eine die Übergabe
ersetzende Änderung der bisherigen Besitzverhältnisse hätte vorausgesetzt,
daß der Landwirt S. , bei dem die Tiere eingestellt waren, seinen unmittel-
baren Besitz als Besitzmittler für die M. GmbH ausgeübt hätte und auf Grund
entsprechender Vereinbarungen entweder diesen Besitz unter Auswechselung
des bisherigen Besitzmittlungsverhältnisses künftig für die Klägerin halten oder
die M. GmbH unter Beibehaltung ihres bisherigen mittelbaren Besitzes die-
sen künftig als Fremdbesitzerin für die Klägerin halten sollte.
Dem angefochtenen Urteil ist bereits keine - auch stillschweigend ge-
schlossene - Vereinbarung über eine Änderung bestehender Besitzmittlungs-
verhältnisse zu entnehmen. Zudem sind beide Wege nach der insoweit ein-
deutigen Aussage des Zeugen S. versperrt. Dieser hat bekundet, die M.
GmbH nicht zu kennen, stets nur für "A. St. und Berater" besessen und ge-
mästet und es ausdrücklich abgelehnt zu haben, für die Klägerin tätig zu wer-
den. Zwar steht das von ihm unter dem Namen seines Sohnes verfaßte Schrei-
ben an die Klägerin vom 15. Mai 1998 dazu in einem gewissen Widerspruch.
Auch das Anbringen der Vorhangschlösser scheint auf eine Geschäftsbezie-
hung zwischen der Klägerin und S. zu deuten. Doch ist hier zu beachten,
daß diese Schlösser nach der Erklärung des früheren Geschäftsführers nicht in
zeitlichem Zusammenhang mit der behaupteten Übereignung vom
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12. Dezember 1995 angebracht worden sind, sondern lange vorher, nämlich
schon Mitte 1995, im Zusammenhang mit einer "Ausstallungsvereinbarung".
Damit kann diese Maßnahme nicht als Indiz für ein als Übergabeersatz taugli-
ches Besitzmittlungsverhältnis gewertet werden. Es kommt hinzu, daß die Be-
klagten Unterlagen vorgelegt haben, die nahelegen, daß durch die Beklagte
zu 4 - in welcher Eigenschaft auch immer - und der Klägerin nur ein Finanzie-
rungsgeschäft abgeschlossen worden ist. Nimmt man die Aussage des frühe-
ren Geschäftsführers der Klägerin, G. , hinzu, der entgegen den Kontoaus-
zügen, welche "A. St. " als Empfängerin des Geldes ausweisen, ausgesagt
hat, die Klägerin habe die Tiere der M. GmbH bezahlt und "die Tiere damit
praktisch übernommen", dann zeigt sich, daß der Vortrag der Klägerin in dem
unterbreiteten und festgestellten Sachverhalt nur eine geringe Stütze findet.
2. Der Senat hat in seiner früheren Entscheidung darauf hingewiesen,
daß bei dem Vertragsschluß am 12. Dezember 1995 nicht nur eine Einigung
zustande gekommen sein könnte, sondern gleichzeitig der Herausgabean-
spruch der M. GmbH gegen S. an die Klägerin abgetreten worden sein
könnte. Hiermit hat sich das Berufungsgericht bisher nicht befaßt.
III. Damit das Berufungsgericht die gebotenen weiteren Feststellungen
treffen kann, ist die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Röhricht
Hesselberger
Kurzwelly
Kraemer
Münke