Urteil des BGH vom 18.05.2004

BGH (beschwerde, schuldner, antrag, rechtsmittel, zpo, bestellung, entlassung, ablehnung, bestand, verwalter)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZB 225/04
vom
2. März 2006
in dem Verbraucherinsolvenzverfahren
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Gero Fischer, die Richter Dr. Ganter und Vill, die Richterin Lohmann und
den Richter Dr. Detlev Fischer
am 2. März 2006
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerden gegen die Beschlüsse der 14. Zivil-
kammer des Landgerichts München I vom 18. Mai 2004 und
26. August 2004 werden auf Kosten des Schuldners als unzuläs-
sig verworfen.
Gründe:
I.
Der Schuldner, über dessen Vermögen mit Beschluss des Insolvenzge-
richts vom 18. Mai 2001 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, hat mit Schrei-
ben vom 28. November 2002 die Bestellung eines Sonderverwalters für die
Durchführung eines Rechtsstreits gegen eine Bank sowie zur Geltendmachung
von Ansprüchen gegen den Insolvenzverwalter beantragt. Das Insolvenzgericht
hat den Antrag durch Beschluss des Rechtspflegers vom 19. August 2003 zu-
rückgewiesen. Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde hat das Insol-
venzgericht - Insolvenzrichter - als Erinnerung behandelt und zurückgewiesen.
Hiergegen hat der Schuldner Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, den ange-
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fochtenen Beschluss aufzuheben und den Sonderverwalter zu bestellen. Mit
einem weiteren Schriftsatz hat er beantragt, den Insolvenzverwalter aus wichti-
gem Grund aus dem Amt zu entlassen. Durch Beschluss der Rechtspflegerin
vom 5. Januar 2004 hat das Insolvenzgericht diese Anträge des Schuldners,
einen Sonderverwalter zu bestellen sowie den Insolvenzverwalter zu entlassen,
zurückgewiesen. Der gegen diesen Beschluss vom Schuldner eingelegten so-
fortigen Beschwerde hat die Rechtspflegerin nicht abgeholfen. Der Insolvenz-
richter hat sie als Erinnerung behandelt und mit Beschluss vom 29. März 2004
zurückgewiesen. Der hiergegen eingelegten sofortigen Beschwerde hat der In-
solvenzrichter nicht abgeholfen. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde
mit Beschluss vom 18. Mai 2004 mangels Statthaftigkeit als unzulässig verwor-
fen.
Auf die hiergegen eingelegte "außerordentliche Beschwerde" hat das
Landgericht den Schuldner mit Beschluss vom 16. Juli 2004 darauf hingewie-
sen, dass nicht die außerordentliche Beschwerde, sondern die Rechtsbe-
schwerde zum Bundesgerichtshof statthaft sei. Mit Schreiben vom 1. August
2004 hat der Schuldner gegen diese Sachbehandlung Gegenvorstellung und
Dienstaufsichtsbeschwerde erhoben. Er hat nunmehr verlangt, seine "außeror-
dentliche Beschwerde" als Gehörsrüge zu behandeln. Diese hat das Landge-
richt mit Beschluss vom 26. August 2004 zurückgewiesen.
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Mit der Rechtsbeschwerde wendet sich der Schuldner gegen die Be-
schlüsse vom 18. Mai 2004 und 26. August 2004.
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II.
Die Rechtsbeschwerden sind unzulässig und deshalb zu verwerfen,
§ 577 Abs. 1 Satz 2 ZPO.
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1. Gemäß § 574 Abs. 1 ZPO ist die Rechtsbeschwerde gegen einen Be-
schluss statthaft, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder das Be-
schwerdegericht sie zugelassen hat. Die Befugnis zur Rechtsbeschwerde setzt
grundsätzlich voraus, dass bereits die sofortige Beschwerde statthaft war
(BGHZ 144, 78, 82 ff; BGH, Beschl. v. 18. September 2003 - IX ZB 75/03,
WM 2003, 2344; v. 16. Oktober 2003 - IX ZB 599/02, WM 2003, 2390, 2391; v.
7. April 2005 - IX ZB 63/03, WM 2005, 1246). Das war hier nicht der Fall.
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2. Der Rechtsbehelf, den der Schuldner gegen den Beschluss des Amts-
gerichts vom 29. März 2004 eingelegt hat, war als sofortige Beschwerde un-
statthaft. Das Landgericht hat sie daher im Beschluss vom 18. Mai 2004 zutref-
fend als unzulässig verworfen.
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Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen
einem Rechtsmittel, in denen die Insolvenzordnung dies ausdrücklich vorsieht
(§ 6 InsO). Dies ist bei den hier angegriffenen Entscheidungen nicht der Fall.
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a) Die Entlassung des Insolvenzverwalters kann nach § 59 Abs. 1 Satz 2
InsO von Amts wegen oder auf Antrag des Verwalters, des Gläubigerausschus-
ses oder der Gläubigerversammlung erfolgen. Der Schuldner hat kein Antrags-
recht. Ein von ihm gestellter unzulässiger Antrag kann aber als Anregung für
eine Tätigkeit von Amts wegen gewertet werden (HK-InsO/Eickmann, 4. Aufl.
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§ 59 Rn. 8; MünchKomm-InsO/Graeber, § 59 Rn. 37; Kübler/Prütting/
Lüke, InsO, § 59 Rn. 11; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 59 Rn. 15; Blersch in
Breutigam/Blersch/Goetsch, InsO § 59 Rn. 9).
Gegen die Ablehnung des Antrags stehen gemäß § 59 Abs. 2 InsO dem
Verwalter, dem Gläubigerausschuss oder, wenn die Gläubigerversammlung
den Antrag gestellt hat, jedem Gläubiger die sofortige Beschwerde zu. Dem
Schuldner ist demgegenüber keine Beschwerdebefugnis eingeräumt (HK-
InsO/Eickmann, aaO § 59 Rn. 12; Kübler/Prütting/Lüke, aaO; Uhlenbruck, aaO
§ 59 Rn. 22).
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Das
Insolvenzgericht
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Rechtspfleger - hat, obwohl hierzu eine Notwen-
digkeit nicht bestand, den Antrag des Schuldners förmlich mit Beschluss vom
5. Januar 2004 verbeschieden. Hiergegen war, da ein Rechtsmittel nach der
InsO nicht gegeben ist, gemäß § 11 Abs. 2 RpflG die sofortige Erinnerung statt-
haft. Diese wurde als unbegründet zurückgewiesen. Ein weiteres Rechtsmittel
findet nicht statt.
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b) Die Bestellung eines Sonderverwalters ist in der InsO nicht geregelt.
Es entspricht jedoch einhelliger Auffassung, dass eine solche Bestellung mög-
lich ist (vgl. BGH, Urt. v. 17. November 2005 - IX ZR 179/04, ZIP 2006, 36;
LG Frankfurt/Oder ZInsO 1999, 45). Sie setzt voraus, dass der Verwalter tat-
sächlich oder rechtlich verhindert ist, sein Amt auszuüben (vgl.
LG Frankfurt/Oder aaO; HK-InsO/Eickmann, aaO § 56 Rn. 35; Kübler/Prütting/
Lüke, aaO § 56 Rn. 32; MünchKomm-InsO/Graeber, § 56 Rn. 114; Uhlenbruck,
aaO § 56 Rn. 31).
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Ein Rechtsmittel gegen die Ablehnung der beantragten Bestellung eines
Sonderverwalters ist in der InsO nicht vorgesehen. Es kommt aber - wie auch
der Beschwerdeführer meint - in Betracht, die Vorschrift des § 59 InsO entspre-
chend anzuwenden. Auch dann ist aber für den Schuldner ein Rechtsmittel
nicht gegeben. Die Ausführungen zum Antrag auf Entlassung des Insolvenz-
verwalters gelten entsprechend.
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Das Insolvenzgericht - Rechtspfleger - hat auch diesen Antrag des
Schuldners mit Beschluss vom 5. Januar 2004 verbeschieden. Hiergegen war
demgemäß ebenfalls gemäß § 11 Abs. 2 RpflG die sofortige Erinnerung, aber
kein weiteres Rechtsmittel gegeben. Diese wurde als unbegründet zurückge-
wiesen.
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c) Der Ausschluss eines Instanzenzuges verstößt nicht gegen die aus
Art. 19 Abs. 4 GG und dem Rechtsstaatsprinzip herzuleitende Garantie effekti-
ven Rechtsschutzes. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, unter Abwägung und
Ausgleich der verschiedenen betroffenen Interessen zu entscheiden, ob es bei
einer Instanz bleiben soll oder ob mehrere Instanzen bereitgestellt und unter
welchen Voraussetzungen sie angerufen werden (BVerfG NJW 2003, 1924;
BGH, Beschl. v. 16. Oktober 2003 - IX ZB 599/02, WM 2003, 2390, 2392 f).
Den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG genügt es, dass Entscheidungen
des Rechtspflegers, die nach den allgemeinen Regeln des Verfahrensrechts
nicht anfechtbar sind, gemäß § 11 Abs. 2 RpflG dem Richter vorzulegen sind
(BVerfGE 101, 397, 407 f; BVerfG NJW-RR 2001, 1077 f).
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Die vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang geltend gemachte
Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt schon deshalb nicht vor, weil er in sei-
nen Anträgen und als sofortige Erinnerung behandelten Beschwerden hinrei-
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chend Gelegenheit hatte, seinen Standpunkt vorzubringen. Dieser wurde auch
sachlich verbeschieden.
d) Im Übrigen ist die Rechtsbeschwerde nicht innerhalb der Monatsfrist
des § 575 Abs. 1 ZPO eingelegt worden und deshalb verfristet. Wiedereinset-
zung ist nicht beantragt worden. Eine Gewährung von Amts wegen gemäß
§ 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO, § 4 InsO kommt nicht in Betracht, weil der Kläger die
Rechtsbeschwerde erst am 4. Oktober 2004 eingelegt hat, obwohl der entspre-
chende Hinweis des Landgerichts ihm spätestens am 1. August 2004 zugegan-
gen ist. Er hat damit jedenfalls die Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1
Satz 2, Abs. 2 ZPO versäumt. Die Entscheidung über die Gehörsrüge vom
26. August 2004 durfte er nicht abwarten, weil diese gerade voraussetzte, dass
ein weiteres Rechtsmittel gegen die Entscheidung vom 18. Mai 2004 nicht ge-
geben war (BGHZ 150, 133, 136).
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Die Rechtsmittelfrist kann auch nicht aufgrund des Meistbegünstigungs-
prinzips als eingehalten angesehen werden (vgl. hierzu BGHZ 152, 213, 216).
Das Landgericht hat weder eine der Form nach unrichtige Entscheidung getrof-
fen, noch bestand für den Beschwerdeführer aufgrund eines Fehlers oder einer
Unklarheit in der anzufechtenden Entscheidung eine Unsicherheit über den ein-
zulegenden Rechtsbehelf.
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3. Die Rechtsbeschwerde gegen die Entscheidung des Landgerichts vom
26. August 2004 ist nicht statthaft, weil damit über die zunächst als "außeror-
dentliche Beschwerde" bezeichnete Gehörsrüge entschieden wurde. Diese Ent-
scheidung ist nicht mit der Rechtsbeschwerde anfechtbar (BGHZ 150, 133, 136;
vgl. auch § 321a Abs. 4 Satz 4 ZPO in der bis 31. August 2004 geltenden Fas-
sung).
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Dr.
Gero
Fischer
Dr.
Ganter
Vill
Lohmann
Dr.
Detlev
Fischer
Vorinstanzen:
AG München, Entscheidung vom 29.03.2004 - 1503 IN 2168/00 -
LG München I, Entscheidung vom 18.05.2004 - 14 T 8873/04 -