Urteil des BGH vom 11.04.2002

BGH (stgb, raub, stv, waffe, verwendung, kauf, leben, nachprüfung, erpressung, erwägung)

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 537/01
vom
11. April 2002
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. April 2002, an
der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Kuckein,
Athing,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanoviæ,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landge-
richts Bochum vom 3. August 2001 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu
tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Er-
pressung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt.
Ferner hat es gegen ihn Maßregeln gemäß §§ 69, 69 a StGB ausgesprochen und
die Einziehung zweier Schußwaffen nebst Munition und eines Schalldämpfers an-
geordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, die
er wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat und mit der er die Ver-
letzung materiellen Rechts rügt.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat
zum Maßregelausspruch und zur Einziehungsanordnung keinen Rechtsfehler zum
Nachteil des Angeklagten ergeben.
2. Auch der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand.
Das Landgericht hat auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen
rechtsfehlerfrei die Voraussetzungen des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB angenommen. Es
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hat bei der Strafrahmenbestimmung das Vorliegen minder schwerer Fälle im Sinne
des § 250 Abs. 3 StGB verneint und die verhängten Einzelstrafen dem Strafrahmen
des § 250 Abs. 2 StGB entnommen. Hierbei hat es zu Lasten des Angeklagten die
Verwendung funktionsfähiger, geladener Schußwaffen berücksichtigt, “die im Ver-
gleich zu sonstigen tatbestandsmäßigen Tatmitteln des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB
höchstes Gefährdungspotential aufweisen”. Ferner hat es straferschwerend gewer-
tet, daß es der Angeklagte bei den beiden Banküberfällen in Kauf genommen habe,
“eine größere Zahl von Menschen in das Geschehen einzubeziehen und in Angst
und Schrecken zu versetzen”. Dies ist entgegen der Auffassung der Revision und
des Generalbundesanwalts rechtlich nicht zu beanstanden.
a) Zwar hat der Bundesgerichtshof zu § 250 Abs. 1 Nr. 1 StGB a.F. wiederholt
entschieden, daß es gegen das Verbot der Doppelverwertung des § 46 Abs. 3 StGB
verstößt, wenn bei einer Verurteilung strafschärfend berücksichtigt wird, daß bei der
Tat eine Schußwaffe benutzt worden ist, da es sich bei einer solchen um das im
Tatbestand des § 250 Abs. 1 Nr. 1 StGB (a.F.) genannte (alleinige) Tatmittel handelt
(vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 3 Raub 2; BGH StV 1996, 206). In der durch das 6.
Strafrechtsreformgesetz neugefaßten Bestimmung des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB wird
jedoch der Kreis der potentiellen Tatmittel erheblich weiter gezogen: danach unter-
liegt der erhöhten Strafandrohung nach dieser Vorschrift, wer bei der Tat eine Waffe
oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet. Erfaßt werden damit nicht nur –
wie bei § 250 Abs. 1 Nr. 1 StGB a.F. – Schußwaffen, sondern alle Waffen im techni-
schen Sinn sowie sonstige Gegenstände, die nach ihrer objektiven Beschaffenheit
und der Art ihrer Benutzung im Einzelfall geeignet sind, erhebliche Verletzungen
zuzufügen (vgl. BGH NStZ 1998, 567; NStZ-RR 1998, 224). Der Regelung des § 250
Abs. 2 Nr. 1 StGB unterfällt daher der Einsatz eines einfachen Schlaginstruments
ebenso wie die Verwendung einer aufmunitionierten vollautomatischen Selbstlade-
schußwaffe oder einer scharfen Handgranate; sie erfaßt daher ohne weitere Diffe-
renzierung Tatmodalitäten, die sich in ihrer Gefährlichkeit für die betroffenen Tatop-
fer sehr unterschiedlich darstellen können. In einem solchen Fall verbietet es § 46
Abs. 3 StGB nicht, eine im Einzelfall aufgrund des verwendeten Tatwerkzeuges be-
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sonders gefährliche Art der Tatausführung, durch die das geschützte Rechtsgut in
besonders intensiver Form gefährdet wird, straferschwerend zu berücksichtigen (vgl.
auch BGHSt 44, 361, 368; Gribbohm in LK 11. Aufl. § 46 Rdn. 300). Aus der Ent-
scheidung BGH StV 1999, 597 ergibt sich nichts Gegenteiliges; sie betrifft den im
Tatsächlichen ganz anders gelagerten - unter den Tatbestand des § 250 Abs. 1 Nr.
1 b StGB fallenden - Fall der Bedrohung mit einer ungeladenen und damit für das
Tatopfer ungefährlichen Gaspistole. Es ist daher aus Rechtsgründen nicht zu bean-
standen, daß das Landgericht im vorliegenden Fall die konkrete Art und Weise der
Tatausführung, bei der der Angeklagte und sein Mittäter jeweils mit 14 Patronen ge-
ladene Schußwaffen einsetzten, mit denen sie sowohl die Bankangestellten als auch
mehrere anwesende Kunden bedrohten, als besonders gefährlich eingestuft und
dem Angeklagten strafschärfend angelastet hat (vgl. auch BGH, Beschl. vom
15. März 2001 – 3 StR 54/01 a.E.).
b) Auch die strafschärfende Erwägung, der Angeklagte habe es in Kauf ge-
nommen, durch die Tat eine größere Anzahl von Menschen in Furcht und Schrecken
zu versetzen, läßt Rechtsfehler nicht erkennen. Zwar ist bei der Begehung einer
Straftat nach § 255 StGB die Angst des Tatopfers regelmäßig nur die Folge der für
die Tatbestandsverwirklichung erforderlichen Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für
Leib oder Leben; sie stellt daher grundsätzlich keinen selbständigen Strafschär-
fungsgrund dar (§ 46 Abs. 3 StGB; vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 3 Raub 3; BGH StV
1996, 206; NStZ 1998, 404; offen gelassen in BGHR StGB § 46 Abs. 3 Raub 5). Er-
kennbar wollte das Landgericht dem Angeklagten jedoch insoweit nur besonders
anlasten, daß bei den Banküberfällen jeweils mehrere Menschen, darunter auch un-
beteiligte Bankkunden, in Angst um ihr Leben versetzt worden sind. Dies ist nicht zu
beanstanden (vgl. auch BGH NStZ 1998, 404, 405).
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c) Der Strafausspruch läßt auch im übrigen durchgreifende Rechtsfehler nicht
erkennen. Soweit die Revision Vergleiche zur Bemessung der Höhe der gegen den
früheren Mitangeklagten L. verhängten Strafen anstellt, verkennt sie, daß
der Angeklagte bei den beiden Banküberfällen die weitaus aktivere Rolle wahrge-
nommen hat und auch der Anstoß zu deren Begehung jeweils von ihm ausgegangen
ist.
Tepperwien Kuckein Athing
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanoviæ ist infolge Urlaubs
an der Unterschrift gehindert.
Tepperwien Ernemann