Urteil des BGH vom 13.07.2004

BGH (unternehmen, lizenz, bundesrepublik deutschland, verhältnis zu, benutzung, vertrag zugunsten dritter, erklärung, patg, hersteller, markt)

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
KZR 40/02
Verkündet am:
13. Juli 2004
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
Standard-Spundfaß
GWB §§ 19, 20 Abs. 1; PatG § 24
a) Ein sich aus dem Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung, einer un-
billigen Behinderung oder einer Diskriminierung ergebender kartellrechtlicher
Anspruch auf Einräumung einer Patentlizenz wird durch die nach § 24 PatG
dem Patentgericht eingeräumte Befugnis zur Erteilung einer Zwangslizenz
nicht ausgeschlossen.
b) Ein marktbeherrschender Patentinhaber verstößt gegen das Diskriminie-
rungsverbot, wenn er den Umstand, daß der Zugang zu einem nachgelager-
ten Markt aufgrund einer Industrienorm oder normähnlicher Rahmenbedin-
gungen von der Befolgung der patentgemäßen Lehre abhängig ist, dazu
ausnutzt, um bei der Vergabe von Lizenzen den Zutritt zu diesem Markt nach
Kriterien zu beschränken, die der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichte-
ten Zielsetzung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen wider-
sprechen.
BGH, Urteil vom 13. Juli 2004 - KZR 40/02 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
- 2 -
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 13. Juli 2004 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs
Prof. Dr. Hirsch und die Richter Prof. Dr. Goette, Ball, Prof. Dr. Bornkamm und
Dr. Meier-Beck
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Kartellsenats
des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 28. Juni 2002 aufgeho-
ben.
Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zu-
rückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin, die Industriefässer herstellt und vertreibt, ist Inhaberin des
am 21. Dezember 1990 angemeldeten, mit Wirkung für die Bundesrepublik
Deutschland und zwölf weitere Vertragsstaaten des Europäischen Patentüber-
einkommens erteilten europäischen Patents 515 390 (Klagepatent). Anspruch 1
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des Klagepatents, dessen Erteilung am 29. Dezember 1993 bekanntgemacht
worden ist, lautet:
"Spundfaß aus thermoplastischem Kunststoff mit einem im Nahbereich
des Oberbodens (12) an der Faßwandung (22) angeordneten umlau-
fenden Trage- und Transportring (30) und mit wenigstens einem im
Randbereich des Oberbodens (12) angeordneten Spundlochstutzen
(16), der in einem Spundlochstutzengehäuse (18) derart eingesenkt ist,
daß die Stirnfläche des Spundlochstutzens (16) bündig mit oder gering-
fügig unterhalb der Außenfläche des Oberbodens (12) abschließt,
dadurch gekennzeichnet
bzw. neben dem Spundlochstutzengehäuse (18) ein im wesentlichen
kreisabschnittsförmiges Flächenteil bzw. eine Abschrägung (10) auf-
weist, die symmetrisch beidseitig zum Spundlochstutzen (16) ausgebil-
det ist und - in Normalposition des Fasses betrachtet - flach schräg nach
innen in den Faßkörper abgeschrägt verlaufend eingezogen ist, wobei
die Abschrägung (10) ihre tiefste Stelle auf der Seite des Faßmantels
(22) im Nahbereich des Spundlochstutzens (16) aufweist und dort in die
tiefer liegende Ebene des Spundlochstutzengehäusebodens (20) bzw.
in den Spundlochstutzen (16) einmündet."
Die Beklagte ist die deutsche Tochtergesellschaft des italienischen Faß-
herstellers M. SpA. Sie vertrieb in Deutschland unter der Bezeichnung "SR
220 Super Roll" ein Spundfaß. Die Klägerin sah hierin eine Verletzung des Kla-
gepatents und erwirkte ein Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 9. Februar
1999 (4 O 395/98), durch das der Beklagten im Wege der einstweiligen Verfü-
gung der Vertrieb des angegriffenen Spundfasses untersagt wurde. Die Beklag-
te erkannte die einstweilige Verfügung als endgültige und zwischen den Partei-
en verbindliche Regelung des Streitverhältnisses an. Eine Klage ihrer Mutterge-
sellschaft, mit der diese die Nichtigerklärung des Klagepatents für die Bundes-
republik Deutschland erstrebte, blieb vor dem Bundespatentgericht ohne Erfolg;
die Berufung wies der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 9. Mai 2000
(X ZR 45/98, bei Bausch BGH 1999 - 2001, 409 - Spundfaß) zurück.
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Mit der Klage hat die Klägerin die Beklagte auf Rechnungslegung in An-
spruch genommen und die Feststellung begehrt, daß die Beklagte verpflichtet
sei, ihr allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die angegriffenen, seit dem
29. Januar 1994 begangenen Handlungen entstanden sei und noch entstehen
werde.
Die Beklagte stellt die Benutzung des Klagepatents nicht in Abrede, hält
sich hierzu jedoch für berechtigt, da die Klägerin verpflichtet sei, ihr die
(kostenlose) Mitbenutzung des Klagepatents zu gestatten. Sie beruft sich hier-
für auf folgenden Sachverhalt:
Anfang 1990 erhoben in Deutschland führende Unternehmen der chemi-
schen Industrie, die dem Verband der Chemischen Industrie e.V. (VCI) ange-
hörten, die Forderung nach einem Kunststoffaß mit verbesserter Restentlee-
rung. Auf entsprechende Aufforderung unterbreiteten vier deutsche Faßherstel-
ler,
nämlich
die
Klägerin
sowie
die
Unternehmen
K.,
S.
und
v. L., in einer Arbeitsgruppe hierzu Vorschläge. Favorisiert wurde der auf
der technischen Lehre des Klagepatents beruhende Vorschlag der Klägerin, der
daraufhin Eingang in von der BASF AG, der Bayer AG, der Hoechst AG und der
Hüls AG abgezeichnete "VCI-Rahmenbedingungen für das neue L-Ring-Faß
- Stand 31.07.90" fand, die neben Angaben zum Volumen, zu Abmessungen,
Stauchwiderstand, Gewicht, Verschlüssen u.a. folgende Vorgaben enthielten:
"...
3.
Restentleerung:
<
100 ml Wasser, bei Überkopfmethode 0 - 20 ° Neigung;
...
8.
Faßbauart:
- 5 -
Hochgelegter Oberboden, L-Ring, neue kompakte Ausführung für
alle Faßgreifer geeignet, Unterboden ohne L-Ring bzw. Stauchrand,
...
...
11. Patentrechtliche Freistellung oder Abstimmung der Hersteller euro-
paweit ist Voraussetzung zur Freigabe der neuen Faßbauart vom
VCI.
12. Bildlich einheitliche Bauart, nur herstellverfahren-bedingte Abwei-
chungen zulässig."
Zu Nr. 11 dieser Rahmenbedingungen gab die Klägerin unter dem
6. August 1990 die Erklärung ab:
"... (die Klägerin) wird alle europäischen Schutzrechte, die das neue
L-Ring-Faß betreffen, den Firmen
K.,
v. L. und
S.
zugänglich machen, soweit Rechte Dritter hierdurch nicht verletzt wer-
den."
Den drei genannten Unternehmen erteilte die Klägerin Freilizenzen am
Klagepatent. Ferner räumte sie weiteren in anderen Mitgliedstaaten der Euro-
päischen Gemeinschaft ansässigen Faßherstellern entgeltliche Lizenzen ein.
Eine Anfrage der Muttergesellschaft der Beklagten nach einer Lizenz beschied
sie hingegen am 17. Juli 1996 abschlägig.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. In der Beru-
fungsinstanz hat die Beklagte widerklagend beantragt, die Klägerin zu verurtei-
len, ihr die kostenlose Benutzung des Klagepatents in der Bundesrepublik
- 6 -
Deutschland zu gestatten. Das Rechnungslegungsbegehren der Klägerin haben
die Parteien übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt.
Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen und die Wider-
klage abgewiesen (OLG Düsseldorf InstGE 2, 168). Hiergegen richtet sich die
vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie ihre
zweitinstanzlichen Anträge weiterverfolgt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel
entgegen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Revision hat Erfolg und führt zur Aufhebung des Beru-
fungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
A.
Nach dem der revisionsrechtlichen Beurteilung zugrundezulegenden
Sachverhalt kann nicht ausgeschlossen werden, daß der Beklagten der mit der
Widerklage geltend gemachte Anspruch auf Einräumung einer unentgeltlichen
Lizenz am Klagepatent zusteht.
I. Die Abschlußerklärung, die die Beklagte im Anschluß an das Verfü-
gungsverfahren 4 O 395/98 abgegeben hat, steht der Zuerkennung eines sol-
chen Anspruchs nicht entgegen.
Das Berufungsgericht hat angenommen, aufgrund dieser Erklärung stehe
wie nach einem zwischen den Parteien ergangenen rechtskräftigen Hauptsa-
cheurteil fest, daß die Beklagte die Benutzung des Klagepatents zu unterlassen
habe. Wer die Benutzung eines Patents zu unterlassen habe, könne jedoch die
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Gewährung einer dessen Gebrauch gerade ermöglichenden Lizenz nicht bean-
spruchen.
Die Bindung der Beklagten an die von ihr abgegebene Abschlußerklä-
rung schließt die Bejahung eines Anspruchs auf Gewährung einer unentgeltli-
chen Lizenz und damit die Zuerkennung des Widerklageanspruchs indes nicht
aus. Denn die Frage, ob der Beklagten ein solcher Anspruch zusteht, war nicht
Streitgegenstand des Vorprozesses, sondern dort bloße Vorfrage. Auf die Ver-
neinung dieser Vorfrage erstreckt sich daher die Bindungswirkung der Ab-
schlußerklärung nicht (eingehend dazu BGH, Urt. v. 26.6.2003 - I ZR 269/00,
NJW 2003, 3058, 3059). Vielmehr würde umgekehrt die Einräumung der be-
gehrten Lizenz einen neuen Sachverhalt begründen, der den Unterlassungsan-
spruch erlöschen ließe.
II. Es hält allerdings der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand, daß das
Berufungsgericht - im Zusammenhang mit der Prüfung des Schadensersatzbe-
gehrens der Klägerin - angenommen hat, der Beklagten stehe kein vertraglicher
Anspruch auf Einräumung einer Freilizenz am Klagepatent zu.
1. Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, aus Nr. 11 der VCI-
Rahmenbedingungen und der Erklärung der Klägerin vom 6. August 1990 er-
gebe sich kein Vertrag zugunsten Dritter, aus dem der Beklagten der geltend
gemachte Anspruch zustehe. Selbst wenn man eine vertragliche Verpflichtung
der Klägerin unterstelle, habe die Klägerin nur den drei anderen an der Entwick-
lung
eines
neuen
Kunststoffasses
beteiligten
Faßherstellern
K.,
S. und v. L. Benutzungsrechte zu gewähren gehabt. Ihren inneren
Grund finde diese Beschränkung darin, daß diese drei Hersteller nach Aufforde-
rung von Unternehmen der chemischen Industrie oder des VCI als Wettbewer-
- 8 -
ber an der Entwicklung eines neuen Fasses beteiligt gewesen seien und infol-
gedessen jedenfalls in gewissem, nicht näher bekannten Umfang auch Auf-
wendungen für die Entwicklung gehabt hätten. Die Einräumung der Freilizenzen
sei vor dem Hintergrund zu verstehen, daß sich diese Aufwendungen als nutz-
los erwiesen hätten, nachdem die Wahl auf den Beitrag der Klägerin gefallen
sei.
2. Die Revision rügt, die Beschränkung des Anspruchs auf Einräumung
einer Freilizenz auf die drei deutschen Konkurrenten der Klägerin finde schon
keine Stütze im Wortlaut der Nr. 11 der VCI-Rahmenbedingungen. Vor allem
aber würden die Erwägungen des Berufungsgerichts der Interessenlage der
Beteiligten in keiner Weise gerecht. Ziel des VCI sei es gewesen, eine Abhän-
gigkeit von einem einzigen Faßhersteller zu vermeiden. Dieses Interesse spre-
che für eine weite Auslegung der Lizenzierungspflicht. Die VCI-Rahmenbedin-
gungen entsprächen, wie die Beklagte vorgetragen habe, dem damals ange-
meldeten patentgemäßen Lösungsvorschlag. Durch die VCI-Rahmenbedin-
gungen sei die Gestaltung des L-Ring-Fasses nach dem Klagepatent in den
Rang eines Industriestandards erhoben worden; es sei nicht möglich, ein Faß
herzustellen, das den Vorgaben der VCI-Rahmenbedingungen entspreche,
ohne vom Klagepatent Gebrauch zu machen. Andere Spundfässer, die nicht
den VCI-Bedingungen entsprächen, seien in Deutschland praktisch unverkäuf-
lich. Das Berufungsgericht habe die allgemeinkundige Tatsache außer acht ge-
lassen, daß Normungsgremien bei ihrer Tätigkeit den allgemeinen Grundsatz
beachteten, daß die Normung nicht zu einem wirtschaftlichen Sondervorteil ein-
zelner führen dürfe und ein patentierter Gegenstand nur dann einer Norm zu-
grunde gelegt werden dürfe, wenn der Schutzrechtsinhaber eindeutig auf die
Geltendmachung seines Ausschließlichkeitsrechts verzichte oder sich jedenfalls
bereit erkläre, an alle Interessenten diskriminierungsfrei und zu angemessenen
- 9 -
Bedingungen Lizenzen zu vergeben. Wollte man den VCI-Bedingungen mit
dem Berufungsgericht eine abschließende Begrenzung des Kreises der Lizenz-
berechtigten auf drei (deutsche) Hersteller entnehmen, läge darin eine miß-
bräuchliche Empfehlung, die im Zweifel nicht gewollt gewesen sei.
3. Mit diesen Rügen kann die Revision nicht durchdringen. Es steht nicht
in Frage, was der VCI oder seine an der Formulierung der VCI-Rahmenbedin-
gungen beteiligten Mitglieder gewollt haben, sondern in welchem Umfang sich
die Klägerin zur Lizenzvergabe verpflichtet hat. Ihre Erklärung vom 6. August
1990 ist jedoch schon dem Wortlaut nach eindeutig darauf beschränkt, den Un-
ternehmen
K.,
S.
und
v. L.
"das
neue
L-Ring-Faß"
betref-
fende Schutzrechte zugänglich machen zu wollen. Die Revision zeigt nicht auf,
daß die Beklagte in den Tatsacheninstanzen Umstände dargetan hat, in deren
Licht der Erklärung der Klägerin ein anderer objektiver Inhalt beigemessen wer-
den könnte, als sich aus ihrem Wortlaut ergibt.
III. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, daß das Beru-
fungsgericht der Beklagten auch einen sich aus einem Verstoß gegen das Dis-
kriminierungsverbot des § 20 Abs. 1 GWB ergebenden gesetzlichen Anspruch
auf Gleichbehandlung mit denjenigen Unternehmen versagt hat, denen die Klä-
gerin eine Freilizenz am Klagepatent eingeräumt hat.
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß ein sol-
cher Anspruch - ebenso wie ein auf eine unbillige Behinderung im Sinne des
§ 20 Abs. 1 GWB oder auf den Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung
im Sinne des § 19 GWB gestützter kartellrechtlicher Anspruch auf Einräumung
einer Lizenz - durch die nach § 24 PatG dem Patentgericht eingeräumte Befug-
nis zur Erteilung einer Zwangslizenz nicht ausgeschlossen wird (so aber
- 10 -
Benkard/Rogge, PatG, 9. Aufl., § 24 Rdn. 19; Knöpfle/Leo in Gemeinschafts-
kommentar, 5. Aufl., § 19 GWB Rdn. 2466).
Denn beide Rechtsinstitute dienen unterschiedlichen Zielsetzungen und
haben unterschiedliche Voraussetzungen. § 24 Abs. 1 Nr. 2 PatG in der Fas-
sung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Patentgesetzes und anderer
Gesetze vom 16. Juli 1998 (BGBl. I 1998, 1827) setzt ebenso wie § 24 Abs. 1
PatG a.F. voraus, daß das öffentliche Interesse die Erteilung einer Zwangsli-
zenz gebietet. Ein solches öffentliches Interesse kann zu bejahen sein, wenn zu
der Ausschließlichkeitsstellung des Patentinhabers besondere Umstände hinzu-
treten, welche die uneingeschränkte Anerkennung des ausschließlichen Rechts
und die Interessen des Patentinhabers zurücktreten lassen, weil die Belange
der Allgemeinheit die Ausübung des Patents durch den Lizenzsucher gebieten.
Als derartige Umstände, die die Annahme eines öffentlichen Interesses recht-
fertigen, kommen unabhängig von einer etwaigen mißbräuchlichen Ausübung
des Patentrechts technische, wirtschaftliche, sozialpolitische und medizinische
Gesichtspunkte in Betracht. Die Frage, ob ein öffentliches Interesse die Ertei-
lung einer Zwangslizenz an einen bestimmten Lizenzsucher gebietet, hängt von
den Umständen des Einzelfalls ab und ist im Einzelfall unter Abwägung der
schutzwürdigen Interessen des Patentinhabers und aller die Interessen der All-
gemeinheit betreffenden maßgeblichen Gesichtspunkte zu entscheiden (BGHZ
131, 247, 251 - Interferon-gamma). Demgegenüber dient ein kartellrechtlicher
Anspruch auf Lizenzierung der Durchsetzung des gegenüber jedem Marktteil-
nehmer geltenden Verbots, eine marktbeherrschende Stellung nicht zu miß-
brauchen. Die bloße Inhaberschaft an einem Patent begründet noch keine sol-
che Marktstellung, sondern kann lediglich eine ihrer Voraussetzungen sein.
Umgekehrt ist der Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung für die pa-
- 11 -
tentrechtliche Zwangslizenz weder notwendige Voraussetzung noch ohne wei-
teres hinreichend.
Dies wird dadurch bestätigt, daß für eine patentierte Erfindung auf dem
Gebiet der Halbleitertechnologie eine Zwangslizenz nach § 24 Abs. 3 PatG nur
erteilt werden darf, wenn dies zur Behebung einer in einem Gerichts- oder Ver-
waltungsverfahren festgestellten wettbewerbswidrigen Praxis des Patentinha-
bers erforderlich ist. Damit wird (nur) für einen besonderen Fall die patentrecht-
liche Zwangslizenz zusätzlich von der Feststellung einer unzulässigen Wettbe-
werbsbeschränkung abhängig gemacht (Busse/Schwendy, PatG, 6. Aufl., § 24
Rdn. 57).
2. Nach dem mangels anderweitiger Feststellungen des Berufungsge-
richts der revisionsrechtlichen Beurteilung zugrundezulegenden Beklagtenvor-
bringen ist die Klägerin Normadressatin des § 20 Abs. 1 GWB, weil die Vergabe
von Lizenzen am Klagepatent sachlich einen eigenen Markt bildet und die Klä-
gerin diesen Markt als einzige Anbieterin beherrscht.
Die Bestimmung eines relevanten Angebotsmarkts folgt grundsätzlich
dem Bedarfsmarktkonzept, nach welchem einem bestimmten relevanten Markt
alle Produkte oder Dienstleistungen zuzurechnen sind, die aus der Sicht der
Nachfrager nach Eigenschaft, Verwendungszweck und Preislage zur Deckung
eines bestimmten Bedarfs austauschbar sind (BGHZ 131, 107, 110 - Back-
ofenmarkt; BGH, Urt. v. 19.3.1996 - KZR 1/95, WuW/E 3058, 3062 - Pay-TV-
Durchleitung). Ist durch eine Industrienorm oder durch ein anderes, von den
Nachfragern wie eine Norm beachtetes Regelwerk eine standardisierte, durch
Schutzrechte geschützte Gestaltung eines Produkts vorgegeben, so bildet die
Vergabe von Rechten, die potentielle Anbieter dieses Produkts erst in die Lage
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versetzen, das Produkt auf den Markt zu bringen, regelmäßig einen eigenen,
dem Produktmarkt vorgelagerten Markt. Denn die Erlangung solcher Rechte ist
für ein Unternehmen, welches das "Normprodukt" herstellen oder vertreiben
will, unersetzlich.
Die sachliche Marktabgrenzung ergibt sich daher nicht aus dem Um-
stand, daß die Klägerin kraft des ihr verliehenen patentrechtlichen Ausschließ-
lichkeitsrechts jeden Dritten von der Benutzung der technischen Lehre des Kla-
gepatents ausschließen kann. Maßgeblich ist vielmehr, daß die Benutzung die-
ser technischen Lehre nach dem Vorbringen der Beklagten nicht durch eine
andere technische Gestaltung eines Spundfasses für von der chemischen Indu-
strie hergestellte Flüssigkeiten substituierbar ist. Denn nach dem Vortrag der
Beklagten können die "VCI-Rahmenbedingungen für das neue L-Ring-Faß" nur
durch ein patentgemäßes Faß erfüllt werden, das dadurch zum "Normfaß" ge-
worden sei. Da die Unternehmen der chemischen Industrie in Deutschland von
zahlenmäßig nicht ins Gewicht fallenden Ausnahmen abgesehen nur den VCI-
Rahmenbedingungen entsprechende Fässer abnähmen, seien nicht diesem
Standard und damit dem Klagepatent entsprechende Industrie-Spundfässer
praktisch unverkäuflich.
3. Bei dieser Sachlage ist nicht auszuschließen, daß die Klägerin gegen
das Diskriminierungsverbot verstößt, indem sie sich weigert, der Beklagten bzw.
ihrer Muttergesellschaft eine Lizenz am Klagepatent einzuräumen, die sie (ent-
geltlich oder unentgeltlich) anderen in- und ausländischen Faßherstellern einge-
räumt hat, und die Beklagte damit in einem Geschäftsverkehr, der gleichartigen
Unternehmen üblicherweise zugänglich ist, gegenüber solchen gleichartigen
Unternehmen ohne sachlich gerechtfertigten Grund unterschiedlich behandelt.
- 13 -
a) Die Vergabe von Lizenzen am Klagepatent stellt einen Geschäftsver-
kehr dar, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist. Die Zu-
gänglichkeit dieses Geschäftsverkehrs ergibt sich daraus, daß die Klägerin eine
Reihe von Lizenzen an diesem Patent vergeben hat. Ihre Lizenznehmer sind
auch der Beklagten gleichartige Unternehmen, denn für das Merkmal der
Gleichartigkeit ist ausschließlich darauf abzustellen, daß die zu vergleichenden
Unternehmen nach ihrer wirtschaftlichen Funktion im Verhältnis zu dem markt-
beherrschenden Unternehmen dieselben Aufgaben erfüllen (BGHZ 129, 53, 60
- Importarzneimittel); das ist hier unbedenklich zu bejahen.
b) Die Beklagte wird daher sowohl gegenüber den Unternehmen K.,
S.
und
v. L.
als
auch
gegenüber
denjenigen
ausländischen
Anbietern von Spundfässern, denen die Klägerin entgeltliche Lizenzen einge-
räumt hat, ungleich behandelt, indem die Klägerin es ablehnt, auch der Beklag-
ten die Benutzung des Klagepatents zu gestatten.
Entscheidende Bedeutung kommt hiernach der Frage zu, ob die Un-
gleichbehandlung sachlich gerechtfertigt ist. Da der Widerklageantrag aus-
schließlich auf die Einräumung einer Freilizenz gerichtet ist, kann er allerdings
nur dann Erfolg haben, wenn die Beklagte nicht nur überhaupt eine Lizenz am
Klagepatent und damit Gleichbehandlung mit denjenigen Unternehmen verlan-
gen kann, an die die Klägerin eine entgeltliche Lizenz vergeben hat (nachfol-
gend zu c), sondern auch Anspruch auf Gleichbehandlung mit denjenigen drei
Unternehmen hat, denen die Klägerin die Benutzung des Klagepatents unent-
geltlich gestattet hat (nachfolgend zu d).
c) Der Umstand, daß es der Klägerin als Patentinhaberin grundsätzlich
freisteht, ob sie überhaupt Lizenzen am Klagepatent vergibt und gegebenenfalls
- 14 -
an wen, entbindet sie nicht von der Beachtung des Diskriminierungsverbotes
und enthebt demgemäß nicht von der Prüfung der Frage, ob die Lizenzverwei-
gerung gegenüber der Beklagten eines sachlich gerechtfertigten Grundes ent-
behrt.
aa) Allerdings ist zu beachten, daß eine unterschiedliche Behandlung
von Interessenten bei der Gestattung der Benutzung eines Patentes, eines an-
deren gewerblichen Schutzrechts oder eines Urheberrechts ein wesentliches
Element der Ausschließungswirkung des Schutzrechts selbst ist. Denn die Wir-
kung des Schutzrechts besteht gerade in der Befugnis, Dritte von der Benut-
zung des Schutzgegenstandes ausschließen zu können. Diese Ausschließlich-
keit ist nicht Ausnahme vom Wettbewerb, sondern sein Mittel, das die Mitbe-
werber des Schutzrechtsinhabers auf substitutiven statt auf imitierenden Wett-
bewerb verweist (Ullrich in Immenga/Mestmäcker, EG-Wettbewerbsrecht,
GRUR Teil B Rdn. 38). Die Ausschließungsbefugnis schließt das Recht ein,
nicht jedem Interessenten, sondern anstelle oder neben einer Eigennutzung nur
einzelnen Bewerbern eine Lizenz zur Nutzung des Schutzrechts zu erteilen.
Denn dadurch macht der Schutzrechtsinhaber von seiner Befugnis Gebrauch,
den durch die geschützte geistige Leistung errungenen, anderen Marktteilneh-
mern nicht zugänglichen Vorsprung im Wettbewerb selbst oder durch Lizenz-
vergabe an einzelne Dritte wirtschaftlich zu nutzen.
Diese Rechtsposition beansprucht auch dann Schutz, wenn der Patent-
inhaber marktbeherrschend ist. Denn im Interesse der Technologieförderung
schützt das Patent gerade auch das in einer Erfindung verkörperte Potential,
die formale Ausschließlichkeitsstellung auf dem Markt zu einem wirtschaftlichen
Monopol ausbauen zu können (Busche in Festschrift für Tilmann, S. 645,
649 f.).
- 15 -
bb) Für die sachliche Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung von Li-
zenzinteressenten besteht daher grundsätzlich ein weiter Spielraum. Strengere
Anforderungen kommen jedoch dann in Betracht, wenn zu der durch das Patent
vermittelten Marktbeherrschung zusätzliche Umstände hinzutreten, angesichts
derer die Ungleichbehandlung die Freiheit des Wettbewerbs gefährdet, die zu
sichern das Ziel des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ist (s. auch
EuGH, Urt. v. 5.10.1988 - Rs. 238/87, Slg. 1988, 6211 - Volvo/Veng; Urt. v.
6.4.1995 - Rs. C-241 und 242/91 P, Slg. 1995, I-743 - RTE und ITP/Kom-
mission ["Magill"]; Urt. v. 29.4.2004 - Rs. C-418/01, WRP 2004, 717 - IMS
Health/NDC Health).
Welche Umstände hierfür in Betracht kommen, läßt sich nicht für alle
denkbaren Fallgruppen abschließend bestimmen. Für den Streitfall genügt die
Erkenntnis, daß an die sachliche Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung
dann nicht zu geringe Anforderungen gestellt werden dürfen, wenn sich die
marktbeherrschende Stellung eines Patentinhabers nicht (allein) aus der der
Erfindung zugrundeliegenden Leistung ergibt - wie insbesondere daraus, daß
sich aufgrund überragender technischer oder wirtschaftlicher Vorteile der erfin-
dungsgemäßen Lehre alternative Lösungen auf dem Markt nicht absetzen las-
sen, sondern (zumindest auch) darauf beruht, daß der Zugang zu einem nach-
gelagerten Produktmarkt aufgrund einer Norm oder aufgrund normähnlicher
einheitlicher Vorgaben der Produktnachfrager von der Befolgung der patentge-
mäßen Lehre abhängig ist (vgl. Ullrich aaO, GRUR Teil B Rdn. 42). Denn in
diesem Fall verhindert oder erschwert die Norm, daß sich die patentgemäße
Lösung, wie es Sinn und Zweck des Patentschutzes entspricht, im Wettbewerb
mit abweichenden technischen Lösungen bewähren muß. Dem muß die kartell-
rechtliche Kontrolle Rechnung tragen, indem sie danach fragt, ob einer unter-
- 16 -
schiedlichen Behandlung bei einer Gesamtwürdigung und Abwägung aller be-
teiligten Interessen, die sich an der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichte-
ten Funktion des Gesetzes orientiert (BGHZ 38, 90, 102 - Treuhandbüro; BGHZ
52, 65, 71 - Sportartikelmesse; BGHZ 107, 273, 280 - Staatslotterie; BGH, Urt.
v. 24.6.2003 - KZR 32/01, WuW/E DE-R 1144, 1146 - Schülertransporte), die
sachliche Rechtfertigung fehlt. Nutzt der Patentinhaber den Umstand, daß der
Zugang zu einem nachgelagerten Markt aufgrund einer Norm oder normähnli-
cher Rahmenbedingungen von der Befolgung der patentgemäßen Lehre ab-
hängig ist, um den Zutritt zu diesem Markt nach Kriterien zu beschränken, die
der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes wi-
dersprechen, mißbraucht er seine marktbeherrschende Stellung.
Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Patentinhaber an der Norm mit-
gewirkt, sie initiiert oder ihr zumindest zugestimmt hat. Es genügt vielmehr, daß
er durch sie begünstigt wird. Unbillige Ergebnisse ergeben sich hieraus schon
deshalb nicht, weil eine Industrienorm oder normähnliche Vorgaben eine pa-
tentgemäße Produktgestaltung regelmäßig nicht ohne Zusagen des Patentin-
habers vorgeben werden, daß und gegebenenfalls unter welchen Vorausset-
zungen er Dritten die Benutzung des Patents gestatten wird.
cc) Mangels Feststellungen des Berufungsgerichts hierzu kann eine
sachliche Rechtfertigung der Lizenzverweigerung derzeit weder bejaht noch
verneint werden.
d) Die Feststellungen des Berufungsgerichts erlauben es auch nicht, je-
denfalls einen Anspruch der Beklagten auf eine Freilizenz am Klagepatent aus-
zuschließen.
- 17 -
aa) Das Berufungsgericht hat die Vergabe von Freilizenzen lediglich an
die
Unternehmen
K.,
S.
und
v. L.
für
sachlich
gerechtfer-
tigt gehalten. Es hat sich in diesem Zusammenhang auf seine Ausführungen zu
einem fehlenden vertraglichen Anspruch der Beklagten auf eine Freilizenz be-
zogen und darauf abgestellt, daß die drei konkurrierenden Hersteller nach Auf-
forderung von Unternehmen der chemischen Industrie oder des VCI als Wett-
bewerber an der Entwicklung eines neuen Fasses beteiligt gewesen sind und
infolgedessen jedenfalls in gewissem Umfang auch Aufwendungen für die Ent-
wicklung gehabt hätten, die nutzlos geworden seien, nachdem die Wahl auf den
Beitrag der Klägerin gefallen war. Die VCI-Rahmenbedingungen seien deshalb
an die Gewährung von Freilizenzen an die genannten drei Hersteller von
Kunststoffässern gekoppelt gewesen. Diese Begründung genügt zur sachlichen
Rechtfertigung der Ungleichbehandlung der Beklagten nicht.
bb) Allerdings ist die in der Vergabe von teils entgeltlichen, teils unent-
geltlichen Patentlizenzen liegende unterschiedliche Behandlung der Lizenz-
nehmer nicht notwendigerweise als ungerechtfertigt anzusehen. Da das Stre-
ben eines Marktteilnehmers nach möglichst günstigen Bedingungen und Prei-
sen ebenso wie das seiner Marktgegenseite grundsätzlich wettbewerbskonform
ist, kann allein daraus, daß dieses Streben nicht in jedem Fall zu einem glei-
chen wirtschaftlichen Ergebnis in Form eines übereinstimmenden Verhältnisses
von Leistung und Gegenleistung führt, noch keine negative Bewertung im Rah-
men der Interessenabwägung nach § 20 Abs. 1 GWB gefolgert werden. Ent-
scheidend ist vielmehr, ob eine unterschiedliche Konditionengestaltung auf
Willkür oder wirtschaftlichem Handeln fremden unternehmerischen Entschei-
dungen beruht. § 20 GWB will dem Mißbrauch von Marktmacht entgegenwir-
ken; die Vorschrift enthält keine allgemeine Meistbegünstigungsklausel, die das
marktbeherrschende Unternehmen generell zwingen soll, allen die gleichen
- 18 -
- günstigsten - Bedingungen, insbesondere Preise, einzuräumen. Auch dem
marktbeherrschenden Unternehmen soll insbesondere nicht verwehrt werden,
auf unterschiedliche Marktbedingungen auch differenziert reagieren zu können.
Für die sachliche Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung sind deshalb Art
und Ausmaß der unterschiedlichen Behandlung entscheidend. Deren Zulässig-
keit richtet sich insbesondere danach, ob die relative Schlechterbehandlung der
betroffenen Unternehmen als wettbewerbskonformer, durch das jeweilige An-
gebot im Einzelfall bestimmter Interessenausgleich erscheint oder auf Willkür
oder Überlegungen und Absichten beruht, die wirtschaftlich oder unternehme-
risch vernünftigem Handeln fremd sind. Daneben ist im Auge zu behalten, daß
die durch die Ungleichbehandlung betroffenen Unternehmen nicht durch die
Ausübung der Macht des marktbeherrschenden Unternehmens in ihrer Wett-
bewerbsfähigkeit untereinander beeinträchtigt werden sollen (BGH WuW/E
3058, 3065 - Pay-TV-Durchleitung).
Die Feststellungen des Berufungsgerichts reichen nicht aus, um die Be-
schränkung der Freilizenz auf drei inländische Wettbewerber der Klägerin als
wettbewerbskonformen Interessenausgleich erscheinen zu lassen. Zunächst
versteht es sich nicht von selbst, daß die Klägerin überhaupt Veranlassung hat-
te, den Aufwendungen dieser drei Unternehmen für die Entwicklung eines
Spundfasses mit verbesserter Restentleerung Rechnung zu tragen. Zudem hat
das Berufungsgericht zu den Aufwendungen keine Feststellungen getroffen. Es
ist deshalb ungeklärt, ob diese Aufwendungen in einem jedenfalls annähernd
angemessenen Verhältnis zu den Vorteilen der Freilizenz stehen. Zudem ist es
auch nicht zwingend, daß diese Aufwendungen (in vollem Umfang) dadurch
nutzlos geworden sind, daß die VCI-Rahmenbedingungen auf das von der Klä-
gerin entwickelte patentgemäße Spundfaß abgestellt sind; das hängt vielmehr
davon ab, inwieweit die Entwicklungsarbeit der Konkurrenten der Klägerin eine
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Faßgestaltung betroffen haben, die mit den VCI-Rahmenbedingungen unver-
einbar ist; auch dazu ist nichts festgestellt. Soweit das Berufungsgericht
schließlich gemeint hat, die VCI-Rahmenbedingungen seien an die Gewährung
von Freilizenzen an die drei in Rede stehenden Hersteller von Kunststoffässern
gekoppelt gewesen, ist dies kein wettbewerbskonformer Gesichtspunkt. Denn
das liefe darauf hinaus, im Interesse der VCI-Mitglieder zwar zu verhindern, daß
diese von einem einzigen Faßhersteller - der Klägerin - abhängig werden,
gleichzeitig die gewünschte Angebotsbreite jedoch auf einen etablierten kleinen
Kreis von Unternehmen zu beschränken und anderen als der Klägerin und ihren
drei inländischen Konkurrenten den Marktzutritt zu erschweren.
B.
Auch der Ausspruch des Berufungsgerichts, daß die Beklagte der Kläge-
rin nach § 139 Abs. 2 PatG zum Schadensersatz verpflichtet sei, hat keinen
Bestand.
I. Das Berufungsgericht hat unter Bezugnahme auf die Feststellungen
des Landgerichts angenommen, daß das angegriffene Spundfaß (L-Ring-Faß)
die technische Lehre des Patentanspruchs 1 des Klagepatents wortsinngemäß
verwirklicht und die Beklagte demgemäß mit dem Vertrieb dieses Fasses ein
erfindungsgemäßes Erzeugnis in den Verkehr gebracht hat (§ 9 Satz 2 Nr. 1
PatG). Diese Beurteilung läßt keinen Rechtsfehler erkennen und wird auch von
der Revision nicht angegriffen.
II. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist es für die Schadens-
ersatzverpflichtung der Beklagten jedoch nicht unerheblich, ob sie von der Klä-
gerin nach § 33 i.V.m. § 20 Abs. 1 GWB (und für den Zeitraum vor dem 1. Ja-
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nuar 1999 nach § 35 i.V.m. § 26 Abs. 2 GWB a.F.) die Einräumung einer Lizenz
am Klagepatent verlangen konnte.
1. Soweit die Beklagte eine Freilizenz beansprucht, hat das Berufungs-
gericht seine Auffassung zum einen wiederum mit der Wirkung der Abschlußer-
klärung der Beklagten begründet. Für den Zeitraum vor deren Zugang bei der
Klägerin entfalte die Abschlußerklärung zwar keine Wirkung. Insoweit stehe
einem Anspruch auf eine Freilizenz indes entgegen, daß es nicht mißbräuchlich
sei,
wenn
die
Klägerin
nur
den
Unternehmen
K.,
S.
und
v.
L. wegen deren Beteiligung an der Entwicklung eines neuen Spundfasses
eine Freilizenz erteilt habe. Soweit sich die Beklagte darauf berufe, ihr hätte
zumindest wie anderen Drittunternehmen eine entgeltliche Lizenz eingeräumt
werden müssen, könne sie damit nicht gehört werden. Eine Benutzung des
Klagepatents wäre ihr nämlich nur erlaubt gewesen, wenn von der zuständigen
Kartellbehörde oder durch ein Kartellgericht ausgesprochen worden wäre, daß
ihr eine Lizenz einzuräumen sei. Ein hierauf gerichtetes Verfahren habe die Be-
klagte jedoch nicht angestrengt, sondern sich eine Selbsthilfe angemaßt, die die
Rechtsordnung nur unter den - hier nicht gegebenen - Voraussetzungen des
§ 229 BGB zulasse.
2. Mit diesen Erwägungen kann nicht ausgeschlossen werden, daß die
Beklagte dem Schadensersatzbegehren der Klägerin einen Anspruch auf Ein-
räumung einer Lizenz entgegenhalten kann.
a) Die Abschlußerklärung der Beklagten präjudiziert die Beurteilung der
Frage, ob die Beklagte der Klägerin zum Schadensersatz verpflichtet ist, nicht.
Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geht von der rechts-
kräftigen Bejahung der Schutzrechtsverletzung im Schadensersatzprozeß keine
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Feststellungswirkung für den Unterlassungsprozeß aus und umgekehrt (BGHZ
150, 377, 383 - Faxkarte). Die Anerkennung ihrer Verpflichtung zur Unterlas-
sung durch die Beklagte erstreckt sich daher nicht auf die Feststellung, daß die
gleichartigen Handlungen der Beklagten in der Vergangenheit rechtswidrig wa-
ren und insoweit die Voraussetzungen des geltend gemachten Schadenser-
satzanspruchs der Klägerin vorliegen.
b) Ebensowenig kann ein Anspruch der Beklagten auf eine Lizenz am
Klagepatent mit der Begründung außer Betracht bleiben, ein solcher Anspruch
hätte von der zuständigen Kartellbehörde oder durch ein Kartellgericht ausge-
sprochen werden müssen.
Dabei kann unerörtert bleiben, ob den Erwägungen des Berufungsge-
richts für den Unterlassungsanspruch zu folgen wäre (kritisch dazu Kühnen in
Festschrift für Tilmann, S. 513; s. aber auch BGHZ 148, 221, 231 f. - SPIEGEL-
CD-ROM). Denn im Streitfall ist nicht über den Unterlassungsanspruch, son-
dern nur über den von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzan-
spruch zu entscheiden. Ersatz eines ihr durch die Benutzungshandlungen der
Beklagten entstandenen Schadens kann die Klägerin, wenn der Beklagten ein
Anspruch auf Benutzungsgestattung zusteht, jedenfalls nur in Höhe des Betra-
ges verlangen, den sie auch hätte beanspruchen können, wenn sie sich nicht
(rechtswidrig) geweigert hätte, der Beklagten bzw. ihrer Muttergesellschaft eine
Lizenz am Klagepatent einzuräumen. Da auch ein Anspruch auf Freilizenz in
Betracht kommt, kann damit ein ersatzfähiger Schaden auch vollständig entfal-
len.
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C.
Das Berufungsgericht wird hiernach die fehlenden Feststellungen dazu
nachzuholen haben, ob die Klägerin Normadressatin des § 20 Abs. 1 GWB und
des § 26 Abs. 2 GWB a.F. ist und sich gegebenenfalls (erneut) mit der sachli-
chen Rechtfertigung der Ungleichbehandlung der Beklagten mit den
Lizenznehmern der Klägerin zu befassen haben. In diesem Zusammenhang
kann auch der Frage Bedeutung zukommen, ob die Beklagte das Klagepatent
erst in Benutzung genommen hat, nachdem sie bzw. ihre Muttergesellschaft
sich vergeblich um eine Lizenz bemüht hat, oder ob sie das Klagepatent verletzt
hat, ohne einen Anspruch auf Benutzungsgestattung geltend zu machen (vgl.
BGH, Beschl. v. 25.10.1988 - KVR 1/87, WuW/E 2535, 2541 - Lüsterbehang-
steine).
Bei dieser Sachlage ist derzeit eine Erörterung der - gegebenenfalls nicht
ohne eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zu
entscheidenden - Frage nicht veranlaßt, ob die Vorschriften der von der Beklag-
ten gleichfalls geltend gemachten Art. 82 EG, 86 EGV unter den Bedingungen
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des Streitfalls andere Anforderungen an den Mißbrauch einer marktbeherr-
schenden Stellung durch Verweigerung einer Patentlizenz stellen.
Hirsch
Goette
Ball
Bornkamm
Meier-Beck