Urteil des BGH vom 26.09.2012

BGH: beschwerderecht, beschwerdebefugnis, kontrolle, anfechtbarkeit, anfechtung, gesetzesmaterialien, fahrtkosten, wiederherstellung, gerichtsbarkeit, zivilprozessordnung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 664/10
vom
26. September 2012
in der Familiensache
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. September 2012 durch
die Richter Dr. Klinkhammer, Weber-Monecke, Dr. Günter, Dr. Nedden-Boeger
und Dr. Botur
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten gegen den Be-
schluss des 21. Zivilsenates - Senat für Familiensachen - des
Oberlandesgerichts Celle vom 6. Dezember 2010 wird als unzu-
lässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens wer-
den nicht erstattet.
Gründe:
I.
Gegenstand der Rechtsbeschwerde ist die Frage, welche Fahrtkosten
der Antragstellerin bei der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zu berücksich-
tigen sind.
In der Hauptsache hat das Amtsgericht die Ehe der beteiligten Ehegatten
geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt. Es hat der Antragstellerin
mit Beschluss vom 3. Juni 2010 Verfahrenskostenhilfe bewilligt und ihr dabei
die Zahlung monatlicher Raten von 45
€ aufgegeben. Auf die sofortige Be-
schwerde der Antragstellerin hat das Oberlandesgericht die Ratenzahlungsver-
pflichtung auf 15
€ herabgesetzt. Hiergegen wendet sich die Staatskasse mit
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der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde und begehrt die
Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig.
1. In Ehesachen sind gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 FamFG die Vorschrif-
ten des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angele-
genheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) über die Verfahrenskosten-
hilfe (§§ 76 bis 78 FamFG) nicht anzuwenden. Stattdessen gelten gemäß § 113
Abs. 1 Satz 2 FamFG die allgemeinen Vorschriften der Zivilprozessordnung,
mithin auch die Vorschriften über die Prozesskostenhilfe, welche allerdings
nach § 113 Abs. 5 Nr. 1 FamFG als Verfahrenskostenhilfe zu bezeichnen ist.
2. Die Staatskasse ist jedoch nicht beschwerdebefugt. Eine Beschwerde
der Staatskasse findet nach § 127 Abs. 3 Satz 1 ZPO nur statt, wenn weder
Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden
sind. Die Beschwerde kann also nur darauf gestützt werden, dass die Partei
nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leis-
ten hat. Dementsprechend ist das Beschwerderecht der Staatskasse auf den
Fall beschränkt, dass Prozesskostenhilfe bewilligt und weder Ratenzahlungen
aus dem Einkommen noch Zahlungen aus dem Vermögen angeordnet worden
sind (BGH Beschluss vom 17. November 2009 - VIII ZB 44/09 - NJW-RR 2009,
494 Rn. 3). Nach den aus den Gesetzesmaterialien ersichtlichen Absichten des
Gesetzgebers sowie dem Sinn und Zweck der Vorschrift soll die Beschwerde
der Staatskasse nur dazu dienen, im Interesse der Haushaltsmittel der Länder
zu Unrecht unterbliebene Zahlungsanordnungen nachträglich zu erreichen.
Dementsprechend ist der Staatskasse auch nur in diesem beschränkten Um-
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fang ein Beschwerderecht zugebilligt worden, nämlich nur zu einer dahin ge-
henden Kontrolle von Bewilligungsentscheidungen, in denen Prozesskostenhilfe
ohne Zahlungsanordnung bewilligt worden ist (BGH Beschluss vom
17. November 2009 - VIII ZB 44/09 - NJW-RR 2009, 494; BGHZ 119, 372 =
NJW 1993, 135, mwN).
Eine von der Staatskasse eingelegte Beschwerde mit dem Ziel, die Her-
aufsetzung der angeordneten Raten zu erreichen, ist deshalb nicht statthaft.
Vielmehr begrenzt § 127 Abs. 2 Satz 1 ZPO die Beschwerdebefugnis der
Staatskasse bei bewilligenden Prozesskostenhilfeentscheidungen auf die in
§ 127 Abs. 3 Satz 1 ZPO ausdrücklich genannten Fälle einer unterbliebenen
Zahlungsanordnung und beschränkt gemäß § 127 Abs. 3 Satz 2 ZPO darüber
hinaus die möglichen Anfechtungsgründe, so dass nur solche Beschwerdean-
träge zugelassen sind, die darauf gerichtet sind, dem Antragsteller die Leistung
von Zahlungen auf die Kosten der Prozessführung aufzuerlegen (BGH Be-
schluss vom 17. November 2009 - VIII ZB 44/09 - NJW-RR 2009, 494 Rn. 4;
MünchKommZPO/Motzer 3. Aufl. § 127 Rn. 27; Musielak/Fischer, ZPO 8. Aufl.
§ 127 Rn. 10; Saenger/Pukall ZPO 4. Aufl. § 127 Rn. 18; BeckOK ZPO/Kratz
§ 127 Rn. 52). Für die Beschwerdebefugnis der Staatskasse im Rechtsbe-
schwerdeverfahren gelten die Beschränkungen des § 127 Abs. 3 ZPO entspre-
chend (MünchKommZPO/Motzer 3. Aufl. § 127 Rn. 37).
3. An der Unzulässigkeit der Rechtsbeschwerde ändert nichts, dass das
Oberlandesgericht diese zugelassen hat. Denn die Zulassung der Rechtsbe-
schwerde hat keine Ausweitung der Rechtsschutzmöglichkeiten über die ge-
setzlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen hinaus zur Folge. Dementsprechend
macht die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht die
Prüfung der sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht entbehrlich, zu de-
nen unter anderem die Feststellung gehört, ob der Rechtsmittelführer durch die
angegriffene Entscheidung überhaupt beschwert ist oder ob ihm hiergegen ein
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Beschwerderecht zusteht (BGH Beschluss vom 17. November 2009 - VIII ZB
44/09 - NJW-RR 2009, 494 Rn. 5; vgl. auch BGH Urteil vom 10. März 1993
- VIII ZR 85/92 - NJW 1993, 2052). Vielmehr wird einem Beschwerdeführer
durch die Rechtsmittelzulassung die Einlegung einer Rechtsbeschwerde nur
ermöglicht, wenn und soweit sie nach dem Gesetz statthaft und auch sonst zu-
lässig ist. Ist dagegen - wie hier durch § 127 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 und 2
ZPO - die Anfechtbarkeit der Entscheidung gesetzlich ausgeschlossen oder
begrenzt, vermag auch eine positive Zulassungsentscheidung den Rechtsmit-
telzug nicht zu eröffnen, weil eine nach dem Gesetz unanfechtbare Entschei-
dung nicht mit Hilfe einer Zulassung der Anfechtung unterworfen werden kann
(BGH Beschluss vom 13. November 2008 - IX ZB 231/07 - NJW-RR 2009, 210,
Rn. 6 mwN).
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4. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwer-
deverfahrens findet gemäß § 127 Abs. 4 ZPO nicht statt (vgl. BGH Beschluss
vom 23. März 2006 - IX ZB 130/05 - NJW 2006, 1597, Rn. 10; Musielak/Fischer
ZPO 8. Aufl. § 127 Rn. 29; jeweils mwN).
Klinkhammer
Weber-Monecke
Nedden-Boeger
Günter
Botur
Vorinstanzen:
AG Soltau, Entscheidung vom 03.06.2010 - 13 F 1266/10 -
OLG Celle, Entscheidung vom 06.12.2010 - 21 WF 359/10 -
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