Urteil des BGH vom 03.02.2010

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 180/09 Verkündet
am:
21. Juli 2010
Küpferle
Justizamtsinspektorin
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: nein
BGB § 516 Abs. 1, §§ 313, 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2, § 1374 Abs. 2
Zur rechtlichen Behandlung von Zuwendungen der Schwiegereltern an Schwie-
gerkinder nach Trennung oder Scheidung (im Anschluss an Senatsurteil vom
3. Februar 2010 - XII ZR 189/06 - FamRZ 2010, 958 f.).
BGH, Urteil vom 21. Juli 2010 - XII ZR 180/09 - OLG Brandenburg
LG
Cottbus
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 21. Juli 2010 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter
Prof. Dr. Wagenitz, Dose, Dr. Klinkhammer und Dr. Günter
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 4. Zivilsenats des
Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 6. Mai 2009 aufge-
hoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Beru-
fungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin ist die Schwiegermutter des Beklagten. Sie verlangt die Er-
stattung von Geldbeträgen, die sie für die Errichtung eines Einfamilienhauses
auf dem Grundstück des Beklagten aufgewandt hat.
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Der Beklagte heiratete 1989 die Tochter der Klägerin. 2001 übertrug ihm
sein Vater ein unbebautes Grundstück, auf dem er ein Einfamilienhaus errichte-
te. Die Klägerin leistete zum Hausbau finanzielle Beiträge in Höhe von jeden-
falls 128.101,14 €. Im Dezember 2001 war das Haus fertig gestellt und wurde
vom Beklagten, der Tochter der Klägerin und den gemeinsamen Kindern bezo-
gen. Im September 2003 zog die Tochter der Klägerin mit einem der Kinder aus
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dem Haus aus und lebte seitdem vom Beklagten getrennt. 2005 wurde die Ehe
geschieden.
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In einem seit 2008 anhängigen Verfahren hat die Tochter der Klägerin
gegen den Beklagten Zugewinnausgleich in Höhe von rund 63.000 € geltend
gemacht, der sich im Wesentlichen aus der Wertsteigerung des nunmehr be-
bauten Grundstücks ergeben soll. Der Beklagte hat in jenem Verfahren geltend
gemacht, keinen Zugewinn erzielt zu haben. Der Wert des Grundstücks sei ge-
ringer als die Tochter der Klägerin behaupte; außerdem sei von seinem End-
vermögen der im vorliegenden Verfahren geltend gemachte Rückforderungsan-
spruch der Klägerin abzusetzen. Das Familiengericht hat im Hinblick auf die
Vorgreiflichkeit des vorliegenden Rechtsstreits das Ruhen des Zugewinnaus-
gleichsverfahrens angeordnet.
Das Landgericht hat den Beklagten - unter Abweisung der weitergehen-
den Klage - zur Zahlung von 114.868,14 € nebst Zinsen verurteilt. Auf die Beru-
fung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Entscheidung des Landge-
richts abgeändert und die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Kläge-
rin mit der vom Senat zugelassenen Revision.
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Entscheidungsgründe:
Das Rechtsmittel hat Erfolg. Es führt zur Aufhebung der angefochtenen
Entscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungs-
gericht.
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I.
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Nach Auffassung des Berufungsgerichts liegt in den Zuwendungen der
Klägerin keine Schenkung, die sie gemäß § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BGB we-
gen Zweckverfehlung zurückverlangen könne. Eine Schenkung setze den er-
kennbaren Willen des Zuwendenden voraus, dass die Leistung zu einer den
Empfänger einseitig begünstigenden und frei disponiblen Bereicherung führen
soll. Daran fehle es hier. Die Zuwendung der Klägerin habe nach deren eige-
nem Vortrag auf Dauer der Ehegemeinschaft ihrer Tochter mit dem Beklagten
dienen und damit von dem Bestand dieser Gemeinschaft abhängig sein sollen.
Auch aus den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage
lasse sich ein Rückzahlungsanspruch der Klägerin nicht herleiten. Zwar stellten
die von der Klägerin erbrachten Leistungen unbenannte Zuwendungen dar;
denn sie seien - nach den Feststellungen des Landgerichts, die das Berufungs-
gericht zugrunde zu legen habe (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) - mit Rücksicht auf
den Bestand der Ehe der Tochter der Klägerin erfolgt und sollten das eheliche
Zusammenleben begünstigen. Auch sei mit dem Scheitern der Ehe die Ge-
schäftsgrundlage für die Zuwendungen der Klägerin entfallen. Gleichwohl lasse
sich hierauf kein Ausgleichsanspruch der Klägerin stützen, da zwischen der
Tochter der Klägerin und dem Beklagten ein angemessener güterrechtlicher
Ausgleich erfolge und sich die Beibehaltung der durch die Zuwendungen der
Klägerin geschaffenen Vermögenslage deshalb für diese nicht als unzumutbar
darstelle. Aus den von der Klägerin in Bezug genommenen Berechnungen ihrer
Tochter ergebe sich für diese ein Zugewinnausgleichsanspruch in Höhe von
rund 63.000 €; die Tochter erhielte mithin etwa die Hälfte des dem Beklagten
von ihrer Mutter zugewandten Betrages zurück, so dass kein unangemessenes
Ergebnis vorliege. Nichts anderes folge letztlich aus den Berechnungen des
Beklagten, die - lasse man den dort in Abzug gebrachten Rückforderungsan-
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spruch der Klägerin unberücksichtigt - einen Zugewinnausgleichsanspruch der
Tochter der Klägerin in Höhe von ca. 32.000 € ergäben. Dies entspreche einem
Viertel des dem Beklagten von der Klägerin zugewandten Betrages und lasse
allenfalls bei Vorliegen besonderer Umstände die Beibehaltung der durch die
Zuwendung bewirkten Vermögenslage als untragbar und einen Rückgriff auf die
Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage als geboten erscheinen.
Solche Umstände seien hier nicht ersichtlich, zumal der maßgebliche Unter-
schied zwischen den beiden Berechnungen darauf beruhe, dass der Wert des
Grundstücks vom Beklagten um rund 50.000 € niedriger bewertet werde als von
der Tochter der Klägerin.
II.
Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht
stand.
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1. Die Erwägungen, mit denen das Oberlandesgericht Rückforderungs-
ansprüche der Klägerin wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage verneint, ver-
mögen die Klagabweisung im Ergebnis nicht zu tragen.
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a) Die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage sind - wovon
auch das Berufungsgericht im Ansatz ausgeht - vorliegend anwendbar.
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aa)
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts handelt es sich bei
den Zuwendungen der Klägerin allerdings nicht um unbenannte Zuwendungen,
sondern um Schenkungen.
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Wie der Senat - nach Erlass der angefochtenen Entscheidung und in Ab-
kehr von seiner bisherigen Rechtsprechung - im einzelnen ausgeführt hat, erfül-
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len schwiegerelterliche Zuwendungen auch dann sämtliche tatbestandlichen
Voraussetzungen des § 516 Abs. 1 BGB, wenn sie um der Ehe des eigenen
Kindes willen erfolgen (Senatsurteil vom 3. Februar 2010 - XII ZR 189/06 -
FamRZ 2010, 958 Tz. 19 ff.; vgl. hierzu Schlecht FamRZ 2010, 1021; kritisch
Wever FamRZ 2010, 1047 und Schulz FF 2010, Heft 7+8). Insbesondere fehlt
es im Falle schwiegerelterlicher Zuwendungen nicht an einer mit der Zuwen-
dung einhergehenden dauerhaften Vermögensminderung beim Zuwendenden,
wie sie § 516 Abs. 1 BGB voraussetzt (vgl. MünchKomm/Koch BGB 5. Aufl.
§ 516 Rdn. 5 f.). Insoweit unterscheidet sich die Situation von der Vermögens-
lage, die durch unbenannte Zuwendungen unter Ehegatten entsteht, grundle-
gend. Dort ist eine Schenkung regelmäßig deshalb zu verneinen, weil der zu-
wendende Ehegatte die Vorstellung hat, der zugewendete Gegenstand werde
ihm letztlich nicht verloren gehen, sondern der ehelichen Lebensgemeinschaft
und damit auch ihm selbst zugute kommen (so Senatsurteile BGHZ 177, 193,
198 und vom 17. Januar 1990 - XII ZR 1/89 - FamRZ 1990, 600, 603;Wagenitz
in Schwab/Hahne Familienrecht im Brennpunkt FamRZ-Buch Bd. 20 S. 167).
Demgegenüber übertragen Schwiegereltern den zuzuwendenden Gegenstand
regelmäßig in dem Bewusstsein auf das Schwiegerkind, künftig an dem Ge-
genstand nicht mehr selbst zu partizipieren (vgl. Schwab in Festschrift für Wer-
ner 2009 S. 459, 462 f.; Staudinger/Thiele BGB [2007] § 1363 Rdn. 27). Die
Zuwendung aus ihrem Vermögen hat also eine dauerhafte Verminderung des-
selben zur Folge (kritisch Wever FamRZ 2010, 1047, 1048).
bb) Auch wenn die Zuwendungen der Schwiegermutter somit nicht als
unbenannte Zuwendung, sondern
als Schenkung zu werten sind, sind auf sie
dennoch die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage anwendbar
(Senatsurteil vom 3.
Februar
2010 - XII ZR 189/06 - FamRZ 2010, 958
Tz. 25 ff.; vgl. ferner BGH Urteile vom 8. November 2002 - V ZR 398/01 -
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FamRZ 2003, 223 und vom 19. Januar 1999 - X ZR 60/97 - FamRZ 1999, 705,
707).
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Nach ständiger Rechtsprechung sind Geschäftsgrundlage die nicht zum
eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen, bei Vertragsschluss aber zutage getre-
tenen gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragsparteien sowie die der einen
Vertragspartei erkennbaren und von ihr nicht beanstandeten Vorstellungen der
anderen vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände,
sofern der Geschäftswille der Parteien auf diesen Vorstellungen aufbaut (BGH
Urteil vom 10. September 2009 - VII ZR 152/08 - NZBau 2009, 771, 774
m.w.N.). Ist dies hinsichtlich der Vorstellung der Eltern, die eheliche Lebensge-
meinschaft des von ihnen beschenkten Schwiegerkindes mit ihrem Kind werde
Bestand haben und ihre Schenkung demgemäß dem eigenen Kind dauerhaft
zugute kommen, der Fall, so bestimmt sich bei Scheitern der Ehe eine Rück-
abwicklung der Schenkung nach den Grundsätzen über den Wegfall der Ge-
schäftsgrundlage.
Hiergegen spricht insbesondere nicht, dass die im Schenkungsrecht
ausdrücklich vorgesehenen Anspruchsgrundlagen für die Rückforderung von
Geschenken wegen Nichterfüllung einer Auflage, wegen Verarmung und wegen
groben Undanks des Beschenkten (§§ 527, 528, 530 BGB) Sonderfälle des
Wegfalls der Geschäftsgrundlage und damit den allgemeinen Grundsätzen ge-
genüber speziell wären. Vielmehr ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass
das allgemeine Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage anwendbar
ist, soweit der Sachverhalt außerhalb des Bereichs der speziellen Herausgabe-
ansprüche des Schenkers liegt (BGHUrteil vom 21.
Dezember 2005
- X ZR 108/03 - FamRZ 2006, 473, 475; Senatsurteil vom 17. Januar 1990
- XII ZR 1/89 - FamRZ 1990, 600, 602 m.w.N.). Um einen Sachverhalt außer-
halb des Bereichs der Sondervorschriften handelt es sich indes auch bei dem
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Scheitern der Ehe (Senatsurteil vom 17. Januar 1990 - XII ZR 1/89 - FamRZ
1990, 600, 602).
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b) Nach den tatrichterlichen Feststellungen, von denen - weil für die Re-
visionsklägerin günstig - revisionsrechtlich auszugehen ist, war die Geschäfts-
grundlage der Schenkungen der Klägerin deren für den Beklagten erkennbare
Erwartung, dessen Ehe mit der Tochter der Klägerin werde Bestand haben; mit
der Schenkung werde zur Schaffung einer Familienwohnung beigetragen, die
der Tochter auf Dauer zugute komme. Diese Geschäftsgrundlage ist - wie das
Berufungsgericht zutreffend erkennt - mit dem Auszug der Tochter aus dem im
Alleineigentum des Beklagten stehenden Haus und der Scheidung ihrer Ehe
entfallen.
c) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht indes auf den Wegfall der Ge-
schäftsgrundlage gestützte Rückforderungsansprüche der Klägerin mit der Er-
wägung abgelehnt, die Beibehaltung der durch die Zuwendungen geschaffenen
Vermögenslage belaste die Klägerin nicht unzumutbar, da die Tochter der Klä-
gerin vom Beklagten Zugewinnausgleich verlangen könne und sich die Zuwen-
dungen der Klägerin in der Höhe des vom Beklagten auszugleichenden Zuge-
winns niederschlügen.
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aa) Wie der Senat in seinem Urteil vom 3. Februar 2010 (XII ZR 189/06
- FamRZ 2010, 958 Tz. 28 ff.) - ebenfalls in Abkehr von seiner bisherigen
Rechtsprechung - entschieden hat, wird der Rückforderungsanspruch der
Schwiegereltern nicht durch den Umstand gehindert, dass die Schenkung an
das Schwiegerkind über den Zugewinnausgleich teilweise auch dem eigenen
Kind zugute kommen könnte. Dieser Gedanke ist zu Zuwendungen unter Ehe-
leuten entwickelt worden. Er kann auf schwiegerelterliche Schenkungen nicht
übertragen werden. Das ergibt sich, wie der Senat näher dargelegt hat (Urteil
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vom 3. Februar 2010 - XII ZR 189/06 - FamRZ 2010, 958 Tz. 32 ff.), bereits aus
einer vergleichenden Betrachtung der Auswirkungen des Zugewinnausgleichs
auf schwiegerelterliche Schenkungen einerseits und auf Zuwendungen unter
Eheleuten andererseits.
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bb) Ein Rückforderungsanspruch der Schwiegereltern ist, wie der Senat
im einzelnen dargelegt hat (Urteil vom 3. Februar 2010 - XII ZR 189/06 -
FamRZ 2010, 958 Tz. 38 ff.), auch nicht deshalb regelmäßig zu verneinen, weil
ansonsten die Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme des Beschenkten
- einerseits im Wege des Zugewinnausgleichs von Seiten seines Ehegatten,
andererseits nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage
von Seiten seiner Schwiegereltern - bestünde (vgl. dazu Senatsurteil BGHZ
129, 259, 265).
Das Schwiegerkind braucht regelmäßig eine Inanspruchnahme im Wege
des Zugewinnausgleichs nicht zu befürchten. Dies ergibt sich bereits daraus,
dass schwiegerelterliche Schenkungen nicht nur im End-, sondern auch im An-
fangsvermögen des Schwiegerkindes zu berücksichtigen sind und sich somit im
Zugewinnausgleich nicht auswirken. Während auf der Grundlage der bisherigen
Senatsrechtsprechung unbenannte Zuwendungen der Schwiegereltern nicht
gemäß § 1374 Abs. 2 BGB dem Anfangsvermögen hinzuzurechnen waren (Se-
natsurteil BGHZ 129, 259, 263), können die nunmehr als Schenkung zu wer-
tenden schwiegerelterlichen Zuwendungen auch dann unter § 1374 Abs. 2 BGB
subsumiert werden, wenn sie um der Ehe des eigenen Kindes Willen erfolgt
sind (vgl. Soergel/Mühl/Teichmann BGB 12. Aufl. § 516 Rdn. 36).
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Eine Privilegierung schwiegerelterlicher Schenkungen gemäß § 1374
Abs. 2 BGB ist auch nicht deshalb abzulehnen, weil dies unangemessene Kon-
sequenzen für den Zugewinnausgleich nach sich ziehen könnte.
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Zwar ist die Gefahr unbilliger Ergebnisse im Zugewinnausgleichsverfah-
ren nicht von vornherein von der Hand zu weisen. Denn nach der Rechtspre-
chung des Senats (vgl. Urteil vom 28. Februar 2007 - XII ZR 156/04 - FamRZ
2007, 877, 878) entstehen etwaige Rückforderungsansprüche der Schwiegerel-
tern vor dem für den Zugewinnausgleich maßgeblichen Stichtag (vgl. § 1384
BGB). Demgemäß sind sie im Endvermögen des Beschenkten zu berücksichti-
gen (vgl. dazu Senatsurteil vom 4. Februar 1998 - XII ZR 160/96 - FamRZ
1998, 669, 670). Dieser Umstand kann im Ausgangspunkt zur Folge haben,
dass dem eigenen Kind der schenkenden Schwiegereltern nicht nur gemäß
§ 1374 Abs. 2 BGB die Schenkung selbst nicht zugute kommt, sondern es im
ungünstigsten Fall den Rückforderungsanspruch über den Zugewinnausgleich
hälftig mitzutragen hat.
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Jedoch können derartige unbillige Ergebnisse dadurch vermieden wer-
den, dass die privilegierte schwiegerelterliche Schenkung lediglich in einer um
den Rückforderungsanspruch verminderten Höhe in das Anfangsvermögen des
Schwiegerkindes eingestellt wird. Denn der Beschenkte hat den zugewendeten
Gegenstand nur mit der Belastung erworben, die Schenkung im Falle des spä-
teren Scheiterns der Ehe schuldrechtlich ausgleichen zu müssen. Zwar steht
bei Eingehen der Ehe noch nicht fest, ob und in welcher Höhe der Rückforde-
rungsanspruch entstehen wird, es handelt sich also um eine ungewisse Forde-
rung. Allerdings besteht in der Regel nur Veranlassung, das Anfangsvermögen
zu ermitteln, wenn die Ehe gescheitert ist. Dann steht aber auch fest, dass und
in welcher Höhe die Forderung entstanden ist. Daher kann sie mit ihrem vollen
Wert in das Anfangsvermögen des Beschenkten eingestellt werden (Haußleiter/
Schulz Kap. 6 Rdn. 154; Tiedtke JZ 1992, 1025, 1027). Dem steht nicht entge-
gen, dass künftige Verbindlichkeiten grundsätzlich in der Zugewinnausgleichsbi-
lanz nicht berücksichtigt werden (vgl. Palandt/Brudermüller BGB 68. Aufl.
§ 1375 Rdn. 15, § 1374 Rdn. 4; kritisch Schulz FF 2010, Heft 7+8 unter Hinweis
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auf das Prinzip einer stichtagsbezogenen Bewertung). Denn die hier interessie-
rende künftige Verbindlichkeit hängt eng mit einem Gegenstand des Anfangs-
vermögens und mit der Ehe der Parteien zusammen, über deren künftigen Be-
stand aus der Sicht des Zuwendungszeitpunktes zu spekulieren nicht möglich,
jedenfalls aber nicht sachgerecht ist. Dies rechtfertigt eine abweichende Beur-
teilung.
Ist demgemäß nicht nur die Schenkung selbst, sondern auch der Rück-
forderungsanspruch der Schwiegereltern sowohl im End- als auch im Anfangs-
vermögen des Schwiegerkindes zu berücksichtigen, folgt hieraus zugleich, dass
die Schenkung der Schwiegereltern regelmäßig im Zugewinnausgleichsverfah-
ren vollständig unberücksichtigt bleiben kann.
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cc) Im Ergebnis können folglich schwiegerelterliche Rückforderungsan-
sprüche nicht mit der Begründung verneint werden, dass das beschenkte
Schwiegerkind mit dem eigenen Kind der Schwiegereltern in gesetzlichem Gü-
terstand gelebt hat und das eigene Kind daher über den Zugewinnausgleich
teilweise von der Schenkung profitiert. Vielmehr ist das Ergebnis des güter-
rechtlichen Ausgleichs lediglich ausnahmsweise bei der Ermittlung der Höhe
des schwiegerelterlichen Rückforderungsanspruchs zu berücksichtigen - so
etwa in Fällen, in denen über den Zugewinnausgleich noch auf der Grundlage
der bisherigen Senatsrechtsprechung zur unbenannten schwiegerelterlichen
Zuwendung entschieden wurde (vgl. Senatsurteil vom 3.
Februar
2010
- XII ZR 189/06 - FamRZ 2010, 958 Tz. 44 f.).
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d) Nachdem das Berufungsgericht Ansprüche der Klägerin nach den
Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage hauptsächlich aus gü-
terrechtlichen Erwägungen verneint hat, kann das angefochtene Urteil bereits
aus diesem Grund nicht bestehen bleiben.
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2. Darüber hinaus ist nicht ausgeschlossen, dass bei schwiegerelterli-
chen Zuwendungen auch Ansprüche wegen Zweckverfehlung aus § 812 Abs. 1
Satz 2 Alt. 2 BGB im Einzelfall in Betracht kommen können. Solche Ansprüche
können jedenfalls nicht mehr mit der vom Oberlandesgericht angeführten Erwä-
gung abgelehnt werden, es liege keine Schenkung vor, sondern eine unbe-
nannte Zuwendung, die ausschließlich nach den Grundsätzen über den Wegfall
der Geschäftsgrundlage abzuwickeln sei und die Anwendung bereicherungs-
rechtlicher Grundsätze auch dann ausschließe, wenn deren tatbestandliche
Voraussetzungen gegeben seien.
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In seiner bisherigen Rechtsprechung hat der Senat es zwar abgelehnt,
allein um der Ehe des eigenen Kindes Willen erfolgte schwiegerelterliche Zu-
wendungen auf der Grundlage von Bereicherungsansprüchen wegen Zweck-
verfehlung rückabzuwickeln (Senatsurteil BGHZ 129, 259, 264). Eine Rückab-
wicklung nach § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BGB kam danach nur in Betracht,
wenn zwischen Zuwendungsempfänger und Zuwendendem eine Willensüber-
einstimmung bezüglich eines über die bloße Verwirklichung der ehelichen Ge-
meinschaft hinausgehenden Zweckes erzielt wurde, beispielsweise über den
künftigen Miteigentumserwerb durch das eigene Kind des Zuwendenden (vgl.
Senatsurteil BGHZ 115, 261, 262 f.). Insoweit galt also nichts anderes als in
Ansehung der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung ehebedingter Zuwen-
dungen unter Ehegatten (vgl. Senatsurteil BGHZ 115, 261, 262 m.w.N.).
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Auch an dieser Rechtsprechung hat der Senat indes - nach Erlass der
angefochtenen Entscheidung - nicht festgehalten (Senatsurteil vom 3. Februar
2010 - XII ZR 189/06 - FamRZ 2010, 958 Tz. 47 ff.; zu Zuwendungen unter den
Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft vgl. bereits Senatsurteile
vom 18. Februar 2009 - XII ZR 163/07 - FamRZ 2009, 849, 850; BGHZ 177,
193, 206 ff.).
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Allein der Aspekt der größeren Flexibilität einer Abwicklung nach den
Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage vermag nicht zu rechtferti-
gen, warum stattdessen nicht auch Bereicherungsansprüche wegen Zweckver-
fehlung gegeben sein können, sofern deren tatbestandliche Voraussetzungen
vorliegen. Auch sind Fälle denkbar, in denen Schwiegereltern mit ihrer Schen-
kung ehebezogene Zwecke verfolgen und hierüber mit dem Empfänger der
Leistung eine Willensübereinstimmung erzielen, in denen dieser Zweck aber
infolge des Scheiterns der Ehe nicht erreicht wird. Insbesondere kann der ver-
folgte Zweck im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BGB darin bestehen, dass
der Zuwendungsgegenstand dem eigenen Kind der Schwiegereltern dauerhaft
zugute kommen soll, indem dessen Ehe fortbesteht (vgl. OLG Köln FamRZ
1994, 1242, 1244; OLG Hamm FamRZ 1990, 1232; vgl. auch Joost JZ 1985,
10, 17 zur unbenannten Zuwendung unter Ehegatten). Allein dadurch, dass die
Ehe eine gewisse Zeit Bestand hatte und das eigene Kind der Schwiegereltern
in dieser Zeit von der Schenkung profitierte, wird ein derartiger Zweck in sol-
chen Fällen noch nicht vollständig erreicht, so dass Ansprüche aus Bereiche-
rungsrecht nicht stets unter Hinweis auf die Zweckerreichung abgelehnt werden
können (vgl. aber noch Senatsurteil BGHZ 115, 261, 264; BGHZ 84, 361, 363,
jeweils zum Zweck der Schaffung eines Familienheims).
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Zwar wird eine entsprechende Zweckvereinbarung vielfach nicht festge-
stellt werden können. Eine Zweckabrede im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 2
Alt. 2 BGB setzt positive Kenntnis von der Zweckvorstellung des anderen Teils
voraus, ein bloßes Kennenmüssen genügt nicht (Senatsurteil BGHZ 115, 261,
263). Hinzu kommt, dass die Beteiligten im Zeitpunkt der Schenkung nicht sel-
ten die Möglichkeit eines späteren Scheiterns der Ehe nicht in ihre Überlegun-
gen aufnehmen. In diesen Fällen mag zwar dennoch eine gemeinsame Vorstel-
lung vom Fortbestand der ehelichen Lebensgemeinschaft vorliegen, welche die
Geschäftsgrundlage der Schenkung bildet; eine entsprechende Zweckvereinba-
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rung kommt jedoch von vornherein nicht in Betracht (vgl. Hausmann/Hohloch
Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft 2. Aufl. 4. Kap. Rdn. 142;
Kühne FamRZ 1968, 356, 358).
32
Das Berufungsgericht hat bereicherungsrechtliche Ansprüche zu Unrecht
allein unter Hinweis auf den Vorrang einer Abwicklung nach den Grundsätzen
des Wegfalls der Geschäftsgrundlage verneint, so dass das Urteil auch insoweit
keinen Bestand haben kann.
3. Der Senat vermag in der Sache nicht abschließend zu entscheiden.
Zwar hat das Berufungsgericht Feststellungen zur Geschäftsgrundlage der
Schenkung und zu deren Wegfall getroffen. Allerdings fehlt es an hinreichenden
Feststellungen, um dem Senat eine eigene Billigkeitsabwägung nach den Re-
geln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu ermöglichen. Ebenso wenig
kann auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen beurteilt werden, ob zwi-
schen der Klägerin und dem Beklagten eine Zweckvereinbarung im Sinne des
§ 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BGB zustande gekommen ist. Außerdem ist unge-
klärt, ob und in welchem Umfang die Klägerin dem Beklagten Geldleistungen
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zugewandt hat, die den zwischen den Parteien unstreitigen Betrag von jeden-
falls 128.101,14 € übersteigen. Das angefochtene Urteil war deshalb aufzuhe-
ben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Hahne Wagenitz Dose
Klinkhammer
Günter
Vorinstanzen:
LG Cottbus, Entscheidung vom 18.07.2008 - 3 O 437/04 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 06.05.2009 - 4 U 135/08 -