Urteil des BGH vom 24.06.2014

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 560/13
Verkündet am:
24. Juni 2014
Böhringer-Mangold
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 823 Be; StGB § 264a
a) Der objektive Tatbestand des § 264a Abs. 1 Nr. 1 StGB setzt voraus, dass
der Täter durch Äußerungen in einem der dort genannten Werbemittel tatsa-
chenbezogene Informationen verbreitet, die aufgrund ihres unrichtigen In-
halts geeignet sind, bei potentiellen Anlegern Fehlvorstellungen über die mit
einem bestimmten Anlageobjekt verbundenen Risiken zu erzeugen. Erforder-
lich ist, dass die in der Bestimmung genannten Werbemittel den der Anlage-
gesellschaft und ihrer Vertriebsorganisation zuzurechnenden "internen" Be-
reich verlassen haben und einem größeren Kreis potentieller Anleger zu-
gänglich gemacht wurden.
b) Unrichtige Informationen im Sinne des § 264a Abs. 1 StGB verbreitet auch
derjenige, der nachträglich unrichtig gewordene Werbemittel im Sinne des
§ 264a Abs. 1 StGB gegenüber einem größeren Kreis anderer, bislang noch
nicht angesprochener Anleger (weiter) verwendet, indem er sie nach Eintritt
der Unrichtigkeit zusendet, auslegt, verteilt oder sonst zugänglich macht.
BGH, Urteil vom 24. Juni 2014 - VI ZR 560/13 - OLG Braunschweig
LG Göttingen
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Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 24. Juni 2014 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Wellner,
Pauge, Stöhr und die Richterin von Pentz
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Teil- und Grundurteil des
3. Zivilsenates des Oberlandesgerichts Braunschweig vom
2. Januar 2013 aufgehoben, soweit über die Klage gegen die Be-
klagten zu 3 und 4 entschieden und die Revision zugelassen wor-
den ist.
Die weitergehende Revision wird als unzulässig verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisions- und des
Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht
zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
- 3 -
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt, soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse,
die Beklagten zu 3 und 4 auf Schadensersatz im Zusammenhang mit ihrer Be-
teiligung an der V. C. GmbH & Co. KG (nachfolgend: V. KG) in Anspruch.
Die im November 2000 gegründete V. KG bietet Kapitalanlagemöglich-
keiten an. Ihre Komplementärin ist die Beklagte zu 2. Treuhandkommanditistin
ist die Beklagte zu 1. Der Beklagte zu 3 war bis zum 31. Juli 2001 Geschäfts-
führer der Beklagten zu 2. Der Beklagte zu 4 war Geschäftsführer der Beklag-
ten zu 1.
Die Klägerin schloss am 12. September 2001 durch Unterzeichnung ei-
nes als "Beitrittserklärung und Treuhandvertrag" bezeichneten Vertragsformu-
lars mit der Beklagten zu 1 einen Treuhandvertrag. Danach sollte die Beklagte
zu 1 mittelbar die Beteiligung der Klägerin an der V. KG bewirken, indem sie im
eigenen Namen, aber für Rechnung der Klägerin eine Kommanditbeteiligung an
der Gesellschaft erwarb und als Treuhänderin verwaltete. Die Klägerin ver-
pflichtete sich, eine Einlage in Höhe von 82.574
€ sowie einen Ratenausgabe-
aufschlag von 5 % zu erbringen. Die Beteiligungssumme war in 95 monatlichen
Raten von je 912,66 € zu zahlen. Mit dem Treuhandvertrag wurde die Beteili-
gung der Klägerin als atypisch stille Gesellschafterin an der S. -
AG abgelöst. Bei der
Zeichnung durch die Klägerin lag der Emissionsprospekt der V. KG vom
5. Januar 2001 vor. Danach war der Unternehmensgegenstand der Gesell-
schaft der Erwerb, die Verwaltung und die Veräußerung von Offenen Immobili-
enfonds-, Unternehmensbeteiligungsfonds- und sonstigen Fondsanteilen sowie
von Immobilien, Wertpapieren und Unternehmensbeteiligungen als direkte In-
vestition jeweils für eigene Rechnung und im eigenen Namen. Unter Punkt E II
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2 des Prospektes wurde der Vertriebs-Rahmen-Vertrag der V. KG mit dem Ver-
triebsunternehmen C. GmbH dargestellt. Zur Stornohaftung ist u.a. ausgeführt:
"Stellt ein durch die C. GmbH vermittelter Treugeber bei einer Kombination mit
mindestens 10 % Sofortzahlungsquote die Zahlung zwischen der ersten und fünfzehn-
ten Monatsrate ein, ist durch die C. GmbH die vorschüssig ausgezahlte Vermittlungs-
provision für den Vertrag mit Ratenzahlung anteilig bis auf einen Betrag von 1/x, wobei
für x die jeweils individualvertraglich vereinbarte Ratenzahlungsdauer (max. 240 Mona-
te) einzusetzen ist, für jede geleistete Monatsrate zurückzuzahlen.
Stellt ein durch die C. GmbH vermittelter Treugeber bei einem Vertrag mit einer
Rateneinlage die Zahlung zwischen der ersten und dreißigsten Rate ein, ist durch die
C. GmbH die vorschüssig ausgezahlte Vermittlungsprovision anteilig bis auf einen Be-
trag von 1/x, wobei für x die jeweils individualvertraglich vereinbarte Ratenzahlungs-
dauer (max. 240 Monate) einzusetzen ist, für jede geleistete Monatsrate zurückzuzah-
len."
Die vorstehend zitierte Stornohaftungsregelung änderten die V. KG und
die C. GmbH durch Nachtragsvereinbarung vom 15. Januar 2001 u.a. wie folgt
ab:
"Stellt ein durch die Auftragnehmerin vermittelter Treugeber bei einer Kombina-
tion von monatlichen Rateneinlagen mit mindestens 10 % Sofortzahlungsquote die
Zahlung zwischen der 1. und der 15. Monatsrate ein, ist durch die Auftragnehmerin die
vorschüssig ausgezahlte Vermittlungsprovision für den Ratenzahlungsanteil anteilig bis
auf einen Betrag von 1/15 für jede geleistete Monatsrate zurückzuzahlen.
Stellt ein durch die Auftragnehmerin vermittelter Treugeber bei einem Vertrag
mit monatlichen Rateneinlagen die Zahlung zwischen der 1. und der 30. Monatsrate
ein, ist durch die Auftragnehmerin die vorschüssig ausgezahlte Vermittlungsprovision
anteilig bis auf einen Betrag von 1/30 für jede geleistete Monatsrate zurückzuzahlen."
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Die Klägerin verlangt unter Berufung auf mehrere Prospektmängel die
Rückabwicklung der Beteiligung und entgangenen Gewinn. Sie begehrt die
Zahlung von 42.615,71
€ nebst Zinsen und die Feststellung, dass die Beklagten
als Gesamtschuldner verpflichtet sind, die Klägerin von ihrer Kommanditisten-
haftung freizustellen, beides Zug um Zug gegen Übertragung ihrer Rechte aus
der Beteiligung. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsge-
richt hat - nach Aufhebung eines Beschlusses gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch
das Bundesverfassungsgericht - die Berufung der Klägerin zurückgewiesen,
soweit die Klage gegen die Beklagten zu 3 und 4 abgewiesen worden ist. Mit
ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre
Klageanträge gegen die Beklagten zu 3 und 4 weiter.
Entscheidungsgründe:
A.
Das Berufungsgericht führt aus, der Klägerin stehe gegen die Beklagten
zu 3 und 4 ein Schadensersatzanspruch nicht zu. Ansprüche aus Prospekthaf-
tung im engeren Sinne seien verjährt. Ansprüche aus Verschulden bei Ver-
tragsverhandlungen und § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 32 KWG seien nicht gege-
ben.
Der Klägerin stünden gegen die Beklagten zu 3 und 4 auch keine Scha-
densersatzansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 264a StGB zu. Der Emis-
sionsprospekt sei nicht deswegen fehlerhaft gewesen, weil darin nicht auf eine
mögliche Erlaubnispflicht des Geschäftsmodells der V. KG nach § 32 i.V.m. § 1
Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG bzw. auf ein mögliches Einschreiten des Bundesauf-
sichtsamts für das Kreditwesen hingewiesen worden sei. Zum Zeitpunkt der
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Abgabe der Beitrittserklärung durch die Klägerin habe die Regelung des § 1
Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG nur so verstanden werden können, dass damit die
sogenannten Eigengeschäfte nicht hätten erfasst werden sollen. Diese Ausle-
gung entspreche mittlerweile der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Die An-
nahme, dass die zuständige Aufsichtsbehörde das Gesetz unzutreffend anwen-
den würde, sei zum Zeitpunkt der Zeichnung der Anlage fernliegend gewesen.
Der Prospekt sei auch nicht deswegen fehlerhaft gewesen, weil darin
nicht auf das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft B. gegen die Verant-
wortlichen der G. Gruppe hingewiesen worden sei. Es sei nicht ersichtlich, dass
sich die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nachdrücklich gegen die Beklag-
ten zu 3 und 4 gerichtet hätten. Der Umstand, dass der Beklagte zu 3 in der
EDV der Staatsanwaltschaft als einer der Vorstände der Gesellschaften, die
den Gegenstand der Ermittlungen gebildet hätten, erfasst gewesen sei, reiche
nicht aus. Ermittlungen konkreter Art hätten in Bezug auf den Beklagten zu 3
nicht stattgefunden. Dass sich die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen
den Beklagten zu 4 gerichtet hätten, sei nicht vorgetragen worden.
Der Emissionsprospekt sei zwar insoweit fehlerhaft gewesen, als darin
noch die ursprüngliche Stornohaftungsregelung wiedergegeben worden sei.
Nach der zwischen der V. KG und der Vertriebsgesellschaft C. GmbH getroffe-
nen Nachtragsvereinbarung vom 15. Januar 2001 hätten die vorschüssig aus-
gezahlten Provisionen in geringerem Umfang an die V. KG zurückgezahlt wer-
den sollen, als dies aus dem Prospekt ersichtlich gewesen sei. Die Tatbe-
standsvoraussetzungen des § 264a StGB seien von den Beklagten zu 3 und 4
indes nicht erfüllt worden. Denn der Prospekt sei auf den 5. Januar 2001 datiert
gewesen und damit auf einen Zeitpunkt vor Abschluss der maßgebenden Nach-
tragsvereinbarung vom 15. Januar 2001. Die Klägerin habe nicht vorgetragen,
dass der Prospekt erst nach dem 15. Januar 2001 in den Verkehr gebracht
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worden sei. Die mögliche Tathandlung der Beklagten zu 3 und 4 nach § 264a
StGB sei zum Zeitpunkt des Abschlusses der Nachtragsvereinbarung bereits
vollendet und beendet gewesen, weil der Prospekt zu diesem Zeitpunkt bereits
einem größeren Personenkreis zur Kenntnis gelangt sei. Für den Straftatbe-
stand des § 264a StGB komme es nicht auf die zivilrechtliche Pflicht an, einen
einmal verbreiteten Prospekt zu aktualisieren, wenn sich der für die Anlageent-
scheidung maßgebliche Sachverhalt wesentlich ändere.
Die Beklagten zu 3 und 4 hafteten auch nicht nach § 823 Abs. 2 BGB
i.V.m. § 263 BGB, weil ihnen der insoweit erforderliche Vorsatz gefehlt habe.
Hinsichtlich des Beklagten zu 4 folge dies bereits daraus, dass er die Nach-
tragsvereinbarung vom 15. Januar 2001 nicht gekannt habe. Der Beklagte zu 3
habe die Nachtragsvereinbarung vom 15. Januar 2001 und damit die Unrichtig-
keit des Prospekts gekannt. Es sei jedoch nicht anzunehmen, dass er auch er-
kannt habe, dass die Klägerin bei Kenntnis der tatsächlichen Stornohaftrege-
lung von der Beteiligung abgesehen hätte. Der Differenzbetrag, um den sich die
Investitionssumme unter Berücksichtigung der Nachtragsvereinbarung verrin-
gert habe, habe unter 18,61 Mio. € gelegen. Es sei nur um ca. 1 % der prospek-
tierten Investitionssumme von 995,55 Mio. € gegangen. Damit, dass ein durch-
schnittlicher Anleger seine Beteiligungsentscheidung davon abhängig machen
würde, habe der Beklagte zu 3 nicht rechnen müssen. Die im Zivilrecht ent-
wickelte Fiktion des aufklärungsrichtigen Verhaltens von Anlegern sei auf die
Prüfung von Straftatbeständen nicht übertragbar.
Die Haftung der Beklagten zu 3 und 4 wegen sittenwidriger vorsätzlicher
Schädigung gemäß § 826 BGB scheitere ebenfalls daran, dass die Klägerin das
vorsätzliche Handeln der Beklagte zu 3 und 4 nicht habe beweisen können.
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B.
Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht in
vollem Umfang stand.
I.
Die Revision ist zulässig, soweit sie sich gegen die Abweisung der An-
sprüche der Klägerin wegen der (weiteren) Verwendung des Emissionspros-
pekts vom 5. Januar 2001 ungeachtet der am 15. Januar 2001 geänderten und
vom prospektierten Inhalt abweichenden Stornohaftungsregelung bzw. wegen
unterbliebenen Hinweises auf diesen Gesichtspunkt richtet. Im Übrigen ist sie
nicht statthaft und damit unzulässig. Das Berufungsgericht hat die Zulassung
der Revision wirksam auf die Frage beschränkt, ob der Klägerin Schadenser-
satzansprüche zustehen, weil der Prospekt vom 5. Januar 2001 in Bezug auf
die durch die Nachtragsvereinbarung vom 15. Januar 2001 geänderte Storno-
haftungsregelung nicht aktualisiert, sondern unverändert weiterverwendet wor-
den ist. Die Beschränkung der Revisionszulassung hat zur Folge, dass der
Streitstoff, soweit er von der Zulassung nicht erfasst wird, nicht der Prüfungs-
kompetenz des Revisionsgerichts unterliegt (vgl. Senatsbeschluss vom 17. April
2012 - VI ZR 140/11, VersR 2012, 1140 Rn. 2; Senatsurteil vom 17. Dezember
2013 - VI ZR 211/12, VersR 2014, 381 Rn. 58).
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die
Zulassung der Revision auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil
des Gesamtstreitstoffs beschränkt werden, der Gegenstand eines selbständig
anfechtbaren Teil- oder Zwischenurteils sein könnte oder auf den der Revisi-
onskläger selbst seine Revision beschränken könnte (vgl. Senatsurteile vom
19. Oktober 2010 - VI ZR 237/09, NJW 2011, 155 Rn. 7; vom 17. Dezember
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2013 - VI ZR 211/12, VersR 2014, 381 Rn. 59; BGH, Urteil vom 30. März 2007
- V ZR 179/06, VersR 2007, 1230 Rn. 6, jeweils mwN).
2. Von einer derartigen beschränkten Revisionszulassung ist vorliegend
auszugehen. Zwar enthält die Entscheidungsformel des Berufungsurteils keinen
Zusatz, der die dort ausgesprochene Zulassung der Revision einschränkt. Die
Beschränkung der Rechtsmittelzulassung kann sich aber auch aus den Ent-
scheidungsgründen ergeben. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs, dass der Tenor im Lichte der Entscheidungsgründe auszu-
legen und deshalb von einer beschränkten Revisionszulassung auszugehen ist,
wenn sich die Beschränkung aus den Gründen klar ergibt. Das ist regelmäßig
dann anzunehmen, wenn sich die vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant
angesehene Frage nur für einen eindeutig abgrenzbaren selbständigen Teil des
Streitstoffs stellt (vgl. etwa Senatsurteile vom 19. Oktober 2010 - VI ZR 237/09,
NJW 2011, 155 Rn. 8; vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, VersR 2014,
381 Rn. 60; Senatsbeschluss vom 17. April 2012 - VI ZR 140/11, AfP 2012, 371
Rn. 4; BGH, Urteile vom 30. März 2007 - V ZR 179/06, VersR 2007, 1230
Rn. 7; vom 21. Januar 2010 - I ZR 215/07, NJW-RR 2010, 909 Rn. 13 ff., je-
weils mwN).
Dies ist hier der Fall. Aus den Gründen des Berufungsurteils ergibt sich
zweifelsfrei, dass das Berufungsgericht eine die Anrufung des Revisionsge-
richts rechtfertigende Rechtsfrage nur darin gesehen hat, ob den Prospektver-
antwortlichen strafrechtlich sanktionierte Pflichten zur Aktualisierung seines
Prospektes treffen, wenn sich der für die Anlageentscheidung maßgebliche
Sachverhalt nachträglich wesentlich geändert hat. Diese Rechtsfrage ist aber
nur für die von der Klägerin geltend gemachten Ersatzansprüche wegen der
(weiteren) Verwendung des Emissionsprospekts vom 5. Januar 2001 ungeach-
tet der am 15. Januar 2001 geänderten und vom prospektierten Inhalt abwei-
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chenden Stornohaftungsregelung bzw. wegen unterbliebenen Hinweises auf
diesen Gesichtspunkt von Bedeutung. Sie berührt hingegen nicht die sachlich
davon zu trennenden Ansprüche der Klägerin aus § 823 Abs. 2 BGB, § 32
Abs. 1 Satz 1 KWG und wegen weiterer, dem Prospekt von Anfang an anhaf-
tender Unrichtigkeiten (unterlassener Hinweis auf das Ermittlungsverfahren der
Staatsanwaltschaft B. gegen die Verantwortlichen der G. Gruppe, unterlassener
Hinweis auf eine etwaige Erlaubnispflicht des Geschäftsmodells der V. KG nach
§§ 32, 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG sowie auf ein mögliches Einschreiten des
früheren Bundesaufsichtsamts für Kreditwesen). Der Vorwurf des unterbliebe-
nen Hinweises auf die nachträgliche Änderung der prospektierten Stornohaf-
tungsregelung kann eindeutig von den übrigen angeblich unrichtigen Angaben
abgegrenzt und in tatsächlicher wie in rechtlicher Hinsicht selbständig beurteilt
werden. Dementsprechend hätte die Klägerin ihre Revision selbst auf den An-
spruch wegen unrichtiger Angaben über die Stornohaftungsregelung beschrän-
ken können.
II.
Soweit die Revision zulässig ist, hat sie in der Sache Erfolg.
1. Die Revision wendet sich nicht gegen die Annahme des Berufungsge-
richts, dass Schadensersatzansprüche der Klägerin aus Prospekthaftung im
engeren Sinne verjährt sind und der Klägerin gegen die Beklagten zu 3 und 4
mangels Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens keine Ansprüche aus Ver-
schulden bei Vertragsverhandlungen zustehen. Diese Annahme des Beru-
fungsgerichts lässt Rechtsfehler nicht erkennen.
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2. Die Revision wendet sich aber mit Erfolg gegen die Beurteilung des
Berufungsgerichts, der Klägerin ständen keine Schadensersatzansprüche aus
§ 823 Abs. 2 BGB, § 264a Abs. 1 Nr. 1 StGB gegen die Beklagten zu 3 und 4
zu.
a) Zutreffend und von der Revision nicht angegriffen ist das Berufungs-
gericht davon ausgegangen, dass die Bestimmung des § 264a StGB Schutzge-
setz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB zugunsten des einzelnen Kapitalanlegers
ist (vgl. Senatsurteil vom 8. Januar 2013 - VI ZR 386/11, VersR 2013, 504
Rn. 13 mwN; BGH, Urteile vom 21. Oktober 1991 - II ZR 204/90, BGHZ 116, 7,
12 ff.; vom 11. April 2013 - III ZR 79/12, WM 2013, 1016 Rn. 37 mwN).
b) Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann ein Verstoß der Be-
klagten zu 3 und 4 gegen dieses auch den Schutz der Klägerin als Kapitalanle-
gerin bezweckende Gesetz nicht verneint werden.
aa) Gemäß § 264a Abs. 1 Nr. 1 StGB macht sich strafbar, wer im Zu-
sammenhang mit dem Vertrieb von Wertpapieren, Bezugsrechten oder von An-
teilen, die eine Beteiligung an dem Ergebnis eines Unternehmens gewähren
sollen, in Prospekten oder in Darstellungen oder Übersichten über den Vermö-
gensstand hinsichtlich der für die Entscheidung über den Erwerb oder die Erhö-
hung erheblichen Umstände gegenüber einem größeren Kreis von Personen
unrichtige vorteilhafte Angaben macht oder nachteilige Tatsachen verschweigt.
Gemäß § 264a Abs. 2 StGB gilt Abs. 1 entsprechend, wenn sich die Tat auf
Anteile an einem Vermögen bezieht, das ein Unternehmen im eigenen Namen,
jedoch für fremde Rechnung verwaltet.
bb) Für das Revisionsverfahren ist davon auszugehen, dass die Beklag-
ten zu 3 und 4 als Täter eines Kapitalanlagebetrugs gemäß § 264a Abs. 1 Nr. 1
StGB in Betracht kommen. Das Berufungsgericht hat keine entgegenstehenden
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Feststellungen getroffen. Der Kapitalanlagebetrug ist kein Sonderdelikt. Täter
kann jeder sein, der im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Kapitalanlagen
falsche Angaben macht, sofern nach strafrechtlichen Kriterien eine Zurechnung
täterschaftlicher Verantwortlichkeit gerechtfertigt ist (vgl. Senatsbeschluss vom
2. Februar 2010 - VI ZR 254/08, juris Rn. 7; BT-Drucks. 10/318, S. 24; Münch-
KommStGB/Wohlers/Mühlbauer, 2. Aufl., § 264a Rn. 16, 95 ff. mwN; Tiede-
mann/Vogel in Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 264a Rn. 101 mwN).
cc) Nach den getroffenen Feststellungen fällt der Emissionsprospekt in
den Anwendungsbereich des § 264a Abs. 1 Nr. 1 StGB. Denn der Prospekt be-
zieht sich auf den Erwerb von Kommanditanteilen an der V. KG und steht damit
im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Anteilen, die eine Beteiligung an dem
Ergebnis eines Unternehmens gewähren sollen; die Einschaltung eines Treu-
händers steht der Anwendung des § 264a Abs. 1 StGB gemäß § 264a Abs. 2
StGB nicht entgegen (vgl. OLG München, Urteil vom 18. Juli 2007 - 20 U
2052/07, juris Rn. 33; BT-Drucks. 10/318, S. 22 f.; Fischer, StGB, 61. Aufl.,
§ 264a Rn. 8, 19; Tiedemann/Vogel in Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl.,
§ 264a Rn. 46 ff., 52 ff.; MünchKommStGB/Wohlers/Mühlbauer, 2. Aufl., § 264a
Rn. 46, 50 ff.; siehe auch BVerfG, NJW 2008, 1726).
dd) Für das Revisionsverfahren ist ferner davon auszugehen, dass der
Prospekt unrichtige vorteilhafte Angaben hinsichtlich der für die Entscheidung
über den Erwerb der Anlage erheblichen Umstände gemäß § 264a Abs. 1 StGB
enthielt. Nach den insoweit auch von der Revisionserwiderung mit der Gegen-
rüge nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts war der Pros-
pekt insofern fehlerhaft, als die darin wiedergegebene Regelung über die Stor-
nohaftung im Verhältnis zum Vertriebsunternehmen C. GmbH mit Nachtrags-
vereinbarung vom 15. Januar 2001 zum Nachteil der V. KG geändert worden
ist. Da das Berufungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob der
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Prospektfehler für die Entscheidung über den Erwerb der Beteiligung erheblich
war, ist die Erheblichkeit zugunsten der Revision zu unterstellen.
ee) Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Annahme des Beru-
fungsgerichts, wonach die mögliche Tathandlung der Beklagten zu 3 und 4 im
Sinne des § 264a StGB zum Zeitpunkt des Abschlusses der Nachtragsverein-
barung vom 15. Januar 2001 schon beendet gewesen sei, weil der Prospekt
bereits zuvor einem größeren Personenkreis zur Kenntnis gelangt sei, und wo-
nach die Weiterverwendung des Prospekts nach dessen erstmaliger Veröffent-
lichung nicht mehr zur tatbestandsmäßigen Handlung gehöre.
(1) Der objektive Tatbestand des § 264a Abs. 1 Nr. 1 StGB setzt voraus,
dass der Täter durch Äußerungen in einem der dort genannten Werbemittel
tatsächliche Informationen verbreitet, die aufgrund ihres unrichtigen Inhalts ge-
eignet sind, bei potentiellen Anlegern Fehlvorstellungen über die mit einem be-
stimmten Anlageobjekt verbundenen Risiken zu erzeugen (vgl. Fischer, StGB,
61. Aufl., § 264a Rn. 13; Tiedemann/Vogel in Leipziger Kommentar, StGB,
12. Aufl., § 264a Rn. 64 f.; 84). Dabei muss er die unrichtigen oder unvollstän-
digen Werbemittel gegenüber einem größeren Kreis von Personen verwenden.
Die Bestimmung soll potentielle Kapitalanleger vor möglichen Schädigungen
schützen und zugleich die Funktion des Kapitalmarkts sichern. Unter einem
größeren Kreis von Personen sind deshalb eine so große Zahl potentieller An-
leger zu verstehen, dass deren Individualität gegenüber dem sie zu einem Kreis
verbindenden potentiell gleichen Interesse an der Kapitalanlage zurücktritt. Er-
fasst werden öffentlich gemachte Angebote gegenüber einem zahlenmäßig un-
bestimmten Anlegerpublikum wie im Falle der Medienwerbung oder durch das
Auslegen oder Aushängen der Werbemittel in öffentlich zugänglichen Räumen.
Unter den Tatbestand fällt aber auch die Direktwerbung durch Post, Fax, E-Mail
und dergleichen, wenn sie massenhaft erfolgt (vgl. Entwurf eines Zweiten Ge-
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setzes zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, BT-Drucks. 10/318 S. 23 f.;
Fischer, aaO, Rn. 17; Tiedemann/Vogel in Leipziger Kommentar, aaO,
Rn. 65 f.). Erforderlich ist, dass die in der Bestimmung genannten Werbemittel
den der Anlagegesellschaft und ihrer Vertriebsorganisation zuzurechnenden
"internen" Bereich verlassen haben und einem größeren Kreis potentieller An-
leger zugänglich gemacht wurden (vgl. Tiedemann/Vogel in Leipziger Kommen-
tar, aaO Rn. 82, 84, 90; Perron in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 264a
Rn. 37; Fischer, aaO, Rn. 13, 18; SK-StGB/Hoyer, § 264a Rn. 17 [Stand: Sep-
tember 2007]; MünchKommStGB/Wohlers/Mühlbauer, 2. Aufl., § 264a Rn. 101;
Bosch in Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, 2. Aufl., § 264a Rn. 20; Ent-
wurf eines Zweiten Gesetzes zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, BT-
Drucks. 10/318 S. 23 r. Sp. Abs. 2 a.E.).
(2) Vor diesem Hintergrund beanstandet die Revision zu Recht, dass das
Berufungsgericht die Darstellung des Beklagten zu 3 in der letzten mündlichen
Verhandlung vom 28. November 2012 bei seiner Entscheidung nicht berück-
sichtigt hat, wonach die von der Vertriebsgesellschaft C. GmbH mit dem Ver-
trieb der Beteiligungen beauftragten selbständigen Handelsvertreter die im
Prospekt vom 5. Januar 2001 vorgesehene Stornoregelung nicht akzeptiert hät-
ten. Aus diesem Grund habe der Geschäftsführer der Vertriebsgesellschaft,
Dr. H., beim Beklagten zu 3 darauf gedrungen, die Stornoregelung abzuändern,
"sonst verkauft das keiner". Nach Abänderung der Stornohaftungsregelung hät-
ten sich der Beklagte zu 3 und Dr. H. die Frage gestellt, ob sie den Prospekt
zurückziehen sollten. Das sei allerdings nicht in Betracht gekommen, weil sie
"dann den Vertrieb ohne Arbeit gelassen hätten". Es sei notwendig gewesen,
dass der Fonds schnell platziert würde und dazu hätte es der Prospekte be-
durft.
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Diese Darstellung hat sich die Klägerin in der mündlichen Verhandlung
vom 28. November 2012 ausdrücklich zu Eigen gemacht und in ihrem Schrift-
satz vom 31. Dezember 2012 nochmals pointiert hervorgehoben. Sie hat darin
insbesondere ausgeführt, dass die Handelsvertreter sich geweigert hätten, un-
ter den bestehenden und für sie extrem ungünstigen Stornierungsbedingungen
den Vertrieb aufzunehmen. Sie hätten die Vermittlung der Beteiligungen erst
nach Abschluss der Nachtragsvereinbarung aufgenommen. Diesen Vortrag der
Klägerin hätte das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung nicht außer Be-
tracht lassen dürfen. Er war im Kern schon Gegenstand des Vorbringens der
Klägerin in der mündlichen Verhandlung. Jedenfalls hätte das Berufungsgericht
die mündliche Verhandlung wieder eröffnen müssen, da der Beklagte zu 3 - wie
die Revision zu Recht beanstandet - diese Tatsachen erstmals in der mündli-
chen Verhandlung vom 28. November 2012 vorgetragen und die Klägerin inso-
weit ein Schriftsatzrecht beantragt hatte.
Waren die Prospekte vor Abschluss der Nachtragsvereinbarung vom
15. Januar 2001 aber nur den mit dem Vertrieb der Beteiligung beauftragten
Handelsvertretern zugänglich gemacht worden und hatten diese eine Vermitt-
lung der Anlage unter Berufung auf die ungünstige Stornohaftungsregelung ab-
gelehnt, so wäre der Prospekt vom 5. Januar 2001 vor der Nachtragsvereinba-
rung noch nicht dem Anlegerpublikum zugänglich gemacht worden.
Waren vor Abschluss der Nachtragsvereinbarung erst vereinzelt potenti-
elle Anleger angesprochen worden, so wäre die mögliche Tathandlung mangels
Erreichens eines größeren Kreises potentieller Anleger jedenfalls nicht vollen-
det (vgl. Tiedemann/Vogel in Leipziger Kommentar, aaO Rn. 84; Perron in
Schönke/Schröder, aaO Rn. 37; Fischer, aaO, Rn. 13, 18; Münch-
KommStGB/Wohlers/Mühlbauer,
aaO
Rn. 101;
Bosch
in
Satz-
ger/Schluckebier/Widmaier, aaO § 264a Rn. 20).
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(3) Die Revision beanstandet auch zu Recht, dass das Berufungsgericht
dem unter Beweis gestellten Sachvortrag der Klägerin nicht nachgegangen ist,
die Nachtragsvereinbarung sei sogar noch vor der Herausgabe der ersten
Prospekte an den Vertrieb getroffen worden. Das Berufungsgericht hat diesen
Vortrag rechtsfehlerhaft als prozessual unbeachtlich und einer Beweisaufnahme
nicht zugänglich gewürdigt. Entgegen seiner Auffassung war es einer Beweis-
erhebung nicht deshalb enthoben, weil die Klägerin ihre Behauptung ohne jegli-
che Anhaltspunkte aufgestellt hätte. Die darlegungsbelastete Partei ist grund-
sätzlich nicht gehindert, Tatsachen zu behaupten, über die sie keine genauen
Kenntnisse hat, die sie aber nach Lage der Dinge für wahrscheinlich hält. Unzu-
lässig wird ein solches prozessuales Vorgehen erst dort, wo die Partei ohne
greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts will-
kürlich Behauptungen "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufstellt (vgl.
Senatsurteil vom 25. April 1995 - VI ZR 178/94, VersR 1995, 852, 853; Senats-
beschluss vom 18. März 2014 - VI ZR 128/13, juris Rn. 6; BGH, Urteile vom
4. März 1991 - II ZR 90/90, NJW-RR 1991, 888, 890 f.; vom 8. Mai 2012 - XI ZR
262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 40; vom 4. Februar 2014 - XI ZR 398/12, HBKR
2014, 200 Rn. 16; BVerfG, WM 2012, 492, 493, jeweils mwN; Hk-ZPO/Saenger,
5. Aufl., § 284 Rn. 47; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., Vor § 284 Rn. 5). Bei der
Annahme von Willkür in diesem Sinne ist allerdings Zurückhaltung geboten. In
der Regel wird sie nur bei Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte vorlie-
gen (vgl. Senatsurteil vom 25. April 1995 - VI ZR 178/94, aaO; BGH, Urteil vom
8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, aaO).
Danach durfte das Berufungsgericht den Vortrag der Klägerin nicht als
unbeachtliche Behauptung "ins Blaue" ansehen. Vielmehr ergaben sich aus den
Angaben des Beklagten zu 3 in der mündlichen Verhandlung vom 28. Novem-
ber 2012 Anhaltspunkte für das Vorbringen der Klägerin. Der Beklagte zu 3 hat
zwar behauptet, es sei erst zu der Nachtragsvereinbarung vom 15. Januar 2001
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gekommen, als die Prospekte schon "draußen" gewesen seien. Es erscheint
jedoch zweifelhaft, ob der von ihm geschilderte Geschehensablauf - Beanstan-
dung der Stornohaftungsregelung durch die Handelsvertreter, Herantreten des
Dr. H. an den Beklagten zu 3, Durchrechnung anderer Haftungsmodelle durch
den Abteilungsleiter Vertriebscontrolling der S. AG und schließlich Abschluss
der Nachtragsvereinbarung - sich in der kurzen Zeitspanne zwischen dem
5. Januar 2001 (Datum des Prospekts) und dem 15. Januar 2001 (Datum der
Nachtragsvereinbarung) zugetragen haben kann.
(4) Aber auch wenn der Prospekt vor Abschluss der Nachtragsvereinba-
rung bereits einem größeren Kreis potentieller Anleger zugänglich gemacht
worden sein sollte, kann ein Verstoß der Beklagten zu 3 und 4 gegen § 264a
Abs. 1 StGB mit der Begründung des Berufungsgerichts nicht verneint werden.
(a) Die Revision weist zu Recht darauf hin, dass auch derjenige unrichti-
ge Informationen im Sinne des § 264a Abs. 1 StGB verbreitet, der nachträglich
unrichtig gewordene Werbemittel im Sinne des § 264a Abs. 1 StGB gegenüber
einem größeren Kreis anderer, bislang noch nicht angesprochener Anleger
(weiter) verwendet, indem er sie nach Eintritt der Unrichtigkeit zusendet, aus-
legt, verteilt oder sonst zugänglich macht (vgl. OLG München, OLGR 2004,
239, 240; NK-StGB/Hellmann, 4. Aufl., § 264a Rn. 41 a.E.; Joecks in Achen-
bach/Ransiek, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 3. Aufl., 10. Teil 1. Kap. Rn. 45;
Tiedemann/Vogel in Leipziger Kommentar, aaO § 264a Rn. 82 mit Fn. 91;
MünchKommStGB/Wohlers/Mühlbauer, aaO § 264a Rn. 62; siehe auch OLG
München, Urteil vom 9. Februar 2011 - 15 U 3789/10, juris Rn. 58; SK-
StGB/Hoyer, § 264a Rn. 17 f. [Stand: September 2007]; aA OLG Naumburg,
Urteil vom 5. August 2004 - 2 U 42/04, juris Rn. 13 ff.). Die Verwirklichung des
Tatbestandes wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Prospekt bereits zu
einem Zeitpunkt, als er noch richtig war, gegenüber einem größeren Kreis po-
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tentieller Anleger verwendet worden ist. In diesem Zusammenhang kommt es
auch nicht darauf an, wann ein durch Verbreitung gedruckter Prospekte began-
gener Kapitalanlagebetrug beendet ist (vgl. dazu OLG Köln, NJW 2000, 598,
599; OLG München, OLGR 2004, 239, 240; Perron in Schönke/Schröder, StGB,
29. Aufl., § 264a Rn. 42; Tiedemann/Vogel in Leipziger Kommentar, 12. Aufl.,
§ 264a Rn. 127; MünchKommStGB/Wohlers/Mühlbauer, 2. Aufl., § 264a
Rn. 111; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 264a Rn. 18; NK-StGB/Hellmann, 4. Aufl.,
§ 264a Rn. 73, 88). Denn durch die Verwendung eines (noch) richtigen Pros-
pekts wird der Tatbestand des § 264a StGB nicht verwirklicht. Eine Straftat, die
vollendet oder beendet sein könnte, liegt nicht vor.
(b) Das Berufungsgericht wird deshalb die Darstellung des Beklagten zu
3 in der mündlichen Verhandlung vom 28. November 2012, die sich die Klägerin
ausdrücklich zu Eigen gemacht hat, zu berücksichtigen haben, wonach die mit
dem Vertrieb der Beteiligung beauftragten Handelsvertreter die aufgrund der
zwischenzeitlich getroffenen Nachtragsvereinbarung unrichtig gewordenen
Prospekte im ausdrücklichen Einverständnis des Beklagten zu 3 und auf des-
sen Veranlassung gegenüber einem verbleibenden größeren Kreis anderer An-
leger weiter verwendet haben, um den Fonds schnell zu platzieren.
ff) Die Revision wendet sich auch mit Erfolg gegen die Beurteilung des
Berufungsgerichts, der Beklagte zu 4 habe nicht vorsätzlich gehandelt, da er
keine Kenntnis von der Unrichtigkeit des Prospekts gehabt habe. Sie rügt zu
Recht, dass das Berufungsgericht bei seiner Entscheidungsfindung unter Be-
weis gestelltes Vorbringen der Klägerin nicht berücksichtigt hat.
(1) Der Berücksichtigung dieser Revisionsrüge steht nicht die Beweis-
kraft tatbestandlicher Feststellungen entgegen (§ 314 Satz 1 ZPO). Zwar hat
das Berufungsgericht in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich festge-
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stellt, dass die Klägerin keinen Beweis für die bestrittene Behauptung angebo-
ten habe, der Beklagte zu 4 habe Kenntnis von der Nachtragsvereinbarung vom
15. Januar 2001 gehabt; die Unrichtigkeit dieser Feststellungen kann grund-
sätzlich nur im Berichtigungsverfahren (§ 320 ZPO) geltend gemacht und gege-
benenfalls behoben werden (vgl. BGH, Urteil vom 1. März 2011 - XI ZR 48/10,
BGHZ 188, 373 Rn. 12 mwN; vom 8. Mai 2013 - IV ZR 233/11, WM 2013, 1115
Rn. 19). Ist eine Berichtigung des Tatbestands nach § 320 ZPO beantragt wor-
den, kann eine Unrichtigkeit tatbestandlicher Feststellungen im Berufungsurteil
aber auch in der Revisionsinstanz mit einer Verfahrensrüge nach § 551 Abs. 3
Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO geltend gemacht werden, soweit sich aus der den
Berichtigungsantrag zurückweisenden Entscheidung des Berufungsgerichts
ergibt, dass seine tatbestandlichen Feststellungen widersprüchlich sind. In der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass der Tatbestand
eines Berufungsurteils keinen Beweis für das Parteivorbringen liefert, wenn er
widersprüchlich ist. Ein solcher Widerspruch kann sich aus Unterschieden zwi-
schen den tatbestandlichen Feststellungen und einem konkret in Bezug ge-
nommenen schriftsätzlichen Vorbringen einer Partei ergeben. Dass ein Wider-
spruch zwischen den tatbestandlichen Feststellungen und dem Parteivorbrin-
gen besteht, kann aber auch aus der Begründung der Entscheidung des Beru-
fungsgerichts folgen, mit der es den Berichtigungsantrag einer Partei zurück-
weist (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 2010 - I ZR 161/08 - Satan der Ra-
che, NJW 2011, 1513 Rn. 12 mwN).
So verhält es sich hier. Die Klägerin hat mit einem Tatbestandsberichti-
gungsantrag geltend gemacht, die in Rede stehende Feststellung sei unrichtig
und zu streichen. Das Berufungsgericht hat den Tatbestandsberichtigungsan-
trag zurückgewiesen. Dazu hat es ausgeführt, die Klägerin habe in ihrem
Schriftsatz vom 17. September 2008 auf S. 23 unten zwar behauptet, dass
sämtlichen Beklagten die Nachtragsvereinbarung bekannt gewesen sei. Die
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Klägerin habe die Behauptung aber nicht unter Beweis gestellt. Der auf S. 23
unten enthaltene Beweisantritt "Zeugnis des Herrn Dr. M. H." beziehe sich allein
auf die in dem davor liegenden Absatz aufgestellte Behauptung, den Beklagten
sei auch bekannt gewesen, dass die Stornoquote bei Beteiligungen an den Un-
ternehmen der G. Gruppe in den ersten Jahren bei 30 % bis 60 % gelegen ha-
be und gerade aus diesem Grund die Änderung der Stornohaftungsregelung
erfolgt sei, um sich die Provisionen zu sichern.
Das vom Berufungsgericht in Bezug genommene schriftsätzliche Vor-
bringen der Klägerin bietet indes keine Grundlage für diese Schlussfolgerung
des Berufungsgerichts. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts be-
zieht sich das Beweisangebot "Zeugnis des Herrn Dr. M. H." nicht lediglich auf
die in dem davor liegenden Absatz aufgestellte Behauptung, sondern auch auf
das unmittelbar vorangehende Vorbringen der Klägerin, dass sämtlichen Be-
klagten die Nachtragsvereinbarung bekannt gewesen sei. Zwar waren die Be-
hauptungen optisch durch die Bildung von Absätzen voneinander abgegrenzt
worden. Sie standen jedoch in einem inneren Zusammenhang und ergänzten
einander. Der - nach den Gründen des Beschlusses über den Tatbestandsbe-
richtigungsantrag unter Beweis gestellte - Vortrag der Klägerin, dass den Be-
klagten auch die sehr hohe Stornoquote bei Beteiligungen an der G. Gruppe
bekannt gewesen und gerade aus diesem Grund die Änderung der Nachtrags-
vereinbarung vom 15. Januar 2001 erfolgt sei, enthielt die Behauptung, die Be-
klagten hätten Kenntnis von dem Nachtrag gehabt.
(2) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war der Vortrag der
Klägerin auch hinreichend substantiiert. Nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs genügt eine Partei ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsa-
chen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das gel-
tend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Die
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Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechts-
folgen nicht von Bedeutung sind. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt
werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob
die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten
Rechts vorliegen. Genügt das Parteivorbringen diesen Anforderungen, kann der
Vortrag weiterer Einzelheiten nicht verlangt werden. Vielmehr muss der Tatrich-
ter in die Beweisaufnahme eintreten, um dort eventuell weitere Einzelheiten zu
ermitteln (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2013 - VIII ZR 163/12, NJW-RR 2013,
1458 Rn. 30; Beschlüsse vom 13. November 2013 - IV ZR 224/13, VersR 2014,
104 Rn. 7; vom 12. September 2012 - IV ZR 177/11, ZEV 2013, 34 Rn. 12, je-
weils mwN). Diesen Anforderungen wird der Vortrag der Klägerin gerecht.
III.
Das Berufungsurteil war aufzuheben und die Sache zur neuen Verhand-
lung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es
die erforderlichen Feststellungen treffen kann (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1
Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird dabei Gelegenheit haben, sich gege-
benenfalls auch mit den weiteren Einwänden der Parteien - insbesondere zum
Vorliegen des für Schadensersatzansprüche der Klägerin aus § 823 Abs. 2
BGB i.V.m. § 263 StGB, § 826 BGB erforderlichen Vorsatzes der Beklagten und
der von der Revisionserwiderung im Schriftsatz vom 20. Juni 2014 erhobenen
Gegenrüge - zu befassen. Es wird dabei zu berücksichtigen haben, dass die
von der Rechtsprechung entwickelte Vermutung aufklärungsrichtigen Verhal-
tens (vgl. BGH, Urteile vom 16. November 1993 - XI ZR 214/92, BGHZ 124,
151, 159 f.; vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 29 mwN)
nicht für die Feststellung der Voraussetzungen eines Straftatbestandes gilt (vgl.
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Senatsurteil vom 5. März 2002 - VI ZR 398/00, VersR 2002, 613). Soweit dem
von der Revision angeführten Senatsurteil vom 19. Juli 2011 (VI ZR 367/09,
VersR 2011, 1276 Rn. 21) etwas anderes zu entnehmen sein sollte, wird daran
nicht festgehalten.
Galke
Wellner
Pauge
Stöhr
von Pentz
Vorinstanzen:
LG Göttingen, Entscheidung vom 02.10.2008 - 2 O 2293/07 -
OLG Braunschweig, Entscheidung vom 02.01.2013 - 3 U 155/08 -