Urteil des BGH vom 13.12.2001

BGH (vereinbarung, zpo, darlehen, haftung, wirtschaftlicher zweck, sicherheit, dingliche sicherheit, höhe, auslegung, urkunde)

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 306/00
Verkündet am:
13. Dezember 2001
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
ZPO §§ 91 a, 546, 567 Abs. 4
Hat das Berufungsurteil über einen Teil des Streitgegenstandes eine Kosten-
entscheidung nach § 91 a ZPO getroffen, weil es von einer übereinstimmenden
Erledigungserklärung ausgegangen ist, während in Wirklichkeit der Kläger die
Hauptsache einseitig für erledigt erklärt hatte, ist auch dieser Teil des Urteils
nach allgemeinen Regeln mit der Revision anfechtbar.
BGB § 157 C
Ist eine Vertragsurkunde dem Wortlaut nach mehrdeutig und hat der Richter
zur Frage des übereinstimmenden Geschäftswillens der Parteien Zeugenbe-
weis erhoben, gelten die allgemeinen Beweislastregeln. Für die Anwendung
des Grundsatzes, daß die Urkunde die Vermutung der Vollständigkeit und
Richtigkeit für sich hat und denjenigen die Beweislast trifft, der außerhalb der
Urkunde liegende Umstände behauptet, ist dann kein Raum.
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BGH, Urteil vom 13. Dezember 2001 - IX ZR 306/00 - KG Berlin
LG Berlin
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Dezember 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die
Richter Stodolkowitz, Dr. Fischer, Dr. Ganter und Kayser
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats
des Kammergerichts in Berlin vom 22. Juni 2000, berichtigt durch
Beschluß vom 23. November 2000, im Kostenpunkt und insoweit
aufgehoben, als zu deren Nachteil erkannt ist.
In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an den
11. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger gründete zusammen mit dem Kaufmann S. die P. Entwick-
lungsgesellschaft für Grundbesitz mbH & Co. Immobilien KG (nachfolgend:
P. KG). Die Rechtsvorgängerin der beklagten Bank gewährte der P. KG zur
Realisierung des Objekts B. 144 in B. Ende des Jahres 1992 zwei Darlehen in
Höhe von 24,5 Mio. und 3 Mio. DM. Am 16. Februar 1993 übernahm der Kläger
für zwei von der P. KG zur Sicherung der Kredite bestellte Grundschulden in
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Höhe von 25 Mio. und 2,5 Mio. DM die persönliche Haftung und unterwarf sich
gleichzeitig der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen.
Am 13. April 1993 erteilte er außerdem die selbstschuldnerische Bürgschaft für
die vorbezeichneten Darlehensforderungen. Zur Sicherung eines am 30. No-
vember 1995 gewährten dritten Darlehens über 1,2 Mio. DM bestellte die P. KG
eine weitere Grundschuld. Der Kläger übernahm wiederum die persönliche
Haftung mit Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung.
Im Jahre 1996 verhandelten die Parteien über ergänzende Sicherheiten
für die genannten Darlehen sowie die ein weiteres Projekt des Klägers betref-
fenden Kredite, weil infolge der Wertentwicklung auf dem Grundstücksmarkt
die Kredite, bezogen auf die dinglichen Sicherungen, ausfallgefährdet waren.
Am 20. Dezember 1996 schlossen die Parteien deshalb eine "Sicherungs-
zweckvereinbarung", die auszugsweise wie folgt lautet:
"Wirtschaftlicher Zweck dieser Vereinbarung ist es, die Fortführung
der in Ziffer 1 genannten Darlehen durch Stellung ausreichender
werthaltiger Sicherheiten bei gleichzeitiger Begrenzung der persön-
lichen Inanspruchnahme des Bürgen (Kläger), zu ermöglichen.
1. Den nachstehenden Gesellschaften
a) E. Center für B. Projektentwicklungs-GmbH & Co. KG (Darle-
hen insgesamt DM 41.000.000,-- auf dem Grundstück 28 - 30
in B.)
b) P. Entwicklungsgesellschaft für Grundbesitz mbH & Co. Immo-
bilien KG (Darlehen insgesamt 28.700.000 DM auf dem Grund-
stück B. 144 in B.)
sind von der Be. Darlehen von insgesamt 69.700.000,-- DM zuge-
sagt sowie größtenteils ausgezahlt worden.
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2. Als Sicherheit für die Darlehensforderung dienen Grundschulden
auf den jeweiligen Objekten, persönliche Schuldanerkenntnisse
der Gesellschafter, des (Kläger) und weiterer Personen, sowie
weitere jeweils vertraglich vereinbarte Sicherheiten.
3. Nunmehr stellt (Kläger) für alle Forderungen der Be. aus Darle-
hensverträgen mit den genannten Gesellschaften folgende Zu-
satzsicherheiten zur Verfügung:
ein Kontoguthaben in Höhe von DM 21.000.000,-- auf einem
im Hause der Be. einzurichtenden Konto.
...
5. Jede dieser Sicherheiten dient allen Ansprüchen aus den Darle-
hensverträgen mit den in Ziff. 1 genannten Gesellschaften. Aus
welcher Sicherheit die Be. ggf. vorgehen oder welche sie jeweils
freigeben wird, bleibt der Bestimmung durch die Be. vorbehalten,
soweit nicht im Einzelfall andere Vereinbarungen getroffen wer-
den oder getroffen sind. Jedoch kann die Be. die oben genannten
Sicherheiten erst nach Ablauf einer Nachfrist von 12 Monaten,
nachdem fällige Leistungen nicht erbracht wurden, verwerten,
wenn (Kläger) dies binnen 3 Monaten, nach denen fällige Lei-
stungen nicht erbracht wurden, beantragt.
...
Sofern es zu einer Verwertung der Zusatzsicherheiten kommt,
steht ein Erlös, der den Betrag von DM 21.000.000,-- übersteigt,
dem Sicherungsgeber zu.
6. Nach Stellung der Sicherheiten gem. Ziffer 3 dieser Vereinbarung
kann die Be. für die bisher gegebenen Darlehen an die genannten
Gesellschaften eine weitere Verstärkung von Sicherheiten nicht
mehr fordern.
7. Nach einer Verwertung aller bisher gestellten und nunmehr zu
stellenden Sicherheiten, soweit sie nicht in Forderungen gegen
(Kläger) (insbesondere die von ihm gegebenen Bürgschaften über
die hier durch Zusatzsicherheit unterlegten Beträge hinaus) per-
sönlich oder die in diesem Absatz genannten Gesellschaften be-
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stehen und demzufolge nicht verwertet werden können, kann die
Be. keine Forderungen gegen (Kläger) und Unternehmen seiner
Unternehmensgruppe (...) mehr stellen und keine Zwangsvoll-
streckungsmaßnahmen gegen ihn und die genannten Unterneh-
men vornehmen.
Ebenso werden Ansprüche auf ausstehende Kommanditeinlagen
bei den Grundstücksgesellschaften zu Ziff. 1 a) und b) dieser
Vereinbarung durch die Be. gegenüber (Kläger) nicht - auch nicht
mittelbar - geltend gemacht.
Sicherheiten, die in Forderungen gegen (Kläger) oder die in die-
sem Absatz genannten Gesellschaften bestehen, können nur so-
weit geltend gemacht werden, wie dies zur Geltendmachung einer
Forderung gegen andere Gesellschaften erforderlich ist; Zwangs-
vollstreckungsmaßnahmen werden dabei nicht durchgeführt.
...
8. ...
Verlangt (Kläger) eine dieser Sicherheiten zurück, so entfällt der
Verzicht der Be. auf die persönliche Inanspruchnahme von (Klä-
ger) und seiner o.g. Unternehmen entspr. Ziff. 7 (sog. "Decke-
lung"). Sofern die Regelung nach Ziff. 7 erhalten bleiben soll,
kann (Kläger) die Freigabe der Sicherheiten maximal zur Hälfte
des betreffenden Teils verlangen.
Sofern Zusatzsicherheiten noch nicht vollständig gestellt sind,
wird die Freigabe durch den Verzicht auf den Anspruch zur Stel-
lung weiterer Sicherheiten ersetzt.
In keinem Falle dienen die in dieser Vereinbarung in Ziff. 3 ge-
nannten geregelten Zusatzsicherheiten für andere Darlehen als
die in Ziff. 1 a) und b) genannten Darlehen an die dort genannten
Gesellschaften."
Die P. KG wurde insolvent. Über ihr Vermögen wurde das Konkursver-
fahren eröffnet. Die Beklagte hat die Darlehen gekündigt. Der Kläger hat die
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vereinbarte Zusatzsicherheit von 21 Mio. DM geleistet. Er wurde außerdem
rechtskräftig verurteilt, an den Konkursverwalter eine noch ausstehende Kom-
manditeinlage von 7.046.260,65 DM zu zahlen, und hat die Forderung im Laufe
dieses Rechtsstreits erfüllt.
Der Kläger ist der Ansicht, durch die Sicherungszweckvereinbarung sei
seine persönliche Haftung für alle dort genannten Forderungen gegenüber der
Beklagten abschließend auf 21 Mio. DM begrenzt worden. Er hat deshalb er-
stinstanzlich beantragt,
1. festzustellen, daß die Beklagte nicht berechtigt sei, ihn in seiner Ei-
genschaft als Kommanditist der P. KG für die Forderungen gegen
diese Gesellschaft aus den genannten drei Krediten in Anspruch zu
nehmen,
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn die Bürgschaftsurkunde vom
13. April 1993 herauszugeben,
3. die Zwangsvollstreckung aus den notariellen Urkunden über die per-
sönliche Haftung für unzulässig zu erklären,
4. die Beklagte zu verurteilen, den Konkursverwalter anzuweisen, den
Betrag, der aus der Konkursmasse an die Beklagte fließen würde, bis
zur maximalen Höhe von 7.046.260,65 DM an den Kläger auszuzah-
len,
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5. die Beklagte zu verurteilen, den zu 4 genannten Betrag zu zahlen Zug
um Zug gegen Nachweis seiner Zahlung an den Konkursverwalter.
Die Beklagte steht demgegenüber auf dem Standpunkt, durch die Ver-
einbarung vom 20. Dezember 1996 sei ihr lediglich eine zusätzliche Sicherheit
gewährt worden. Diese Vereinbarung habe sich zudem nicht auf den Fall der
Kündigung des Kredits oder des Konkurses der Darlehensnehmerin bezogen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat
der Kläger die Anträge zu 2 bis 4 weiterverfolgt und die Hauptsache im übrigen
für erledigt erklärt. Das Berufungsgericht hat der Klage mit Ausnahme des den
ursprünglichen Antrag zu 5 betreffenden Erledigungsantrags stattgegeben. Mit
der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen
Entscheidung.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
I.
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Die Revision ist auch insoweit zulässig, als sie sich gegen die wegen
angeblich übereinstimmender Erledigungserklärung des Feststellungsantrags
nach § 91 a ZPO ergangene Kostenentscheidung wendet.
Zwar endet der Rechtszug gegen eine nach § 91 a ZPO ergangene Ko-
stenentscheidung entsprechend dem Grundsatz des § 567 Abs. 4 ZPO grund-
sätzlich selbst dann beim Oberlandesgericht, wenn es sich um eine Teilerledi-
gung handelt und die diesen Teil betreffende Kostenentscheidung im Rahmen
eines der Revision zugänglichen Urteils erfolgt ist (BGHZ 107, 315, 318). Im
Streitfall macht die Beklagte jedoch geltend, eine Kostenentscheidung nach
§ 91 a ZPO hätte nicht ergehen dürfen, weil die Klägerin den betreffenden An-
trag nur einseitig für erledigt erklärt habe. Diese Rüge ist berechtigt; das Be-
rufungsgericht hat auf Antrag der Beklagten den Urteilstatbestand entspre-
chend berichtigt. Das Berufungsgericht hätte also in diesem Punkt ebenfalls
eine streitige Entscheidung durch Urteil fällen müssen, die die Beklagte dann
mit der Revision hätte angreifen können.
Der Beklagten stand nicht die Möglichkeit zur Verfügung, Urteilsergän-
zung nach § 321 Abs. 1 ZPO zu beantragen. Das Verfahren nach § 321 ZPO
kommt nur dann in Betracht, wenn das Urteil unvollständig ist, das Gericht also
lediglich eine Teilentscheidung getroffen hat, weil es einen geltend gemachten
Anspruch versehentlich ganz oder teilweise übergangen hat (allgem. Meinung:
vgl. Musielak, ZPO 2. Aufl. § 321 Rdn. 10). Im Streitfall hat das Berufungsge-
richt dagegen eine inhaltlich unrichtige Entscheidung gefällt. Es hat aufgrund
eines Irrtums über den Inhalt der von der Partei abgegebenen Prozeßerklärung
zu Unrecht angenommen, es sei an einer streitigen Entscheidung über den
Erledigungsantrag des Klägers gehindert und dürfe nur noch eine Kostenent-
- 10 -
scheidung nach § 91 a ZPO treffen. Mit dieser auf einer Fehlbeurteilung des
Streitstoffs beruhenden Verfahrensweise hat das Berufungsgericht nicht einen
Klageantrag übergangen, sondern ihn in prozeßrechtlich verfehlter Form im
Wege einer Kostenentscheidung statt eines Ausspruchs zur Frage der Begrün-
detheit des Antrags beschieden (vgl. Stein/Jonas/Leipold, ZPO 21. Aufl. § 321
Rdn. 6; RG JW 1893, 14).
Ein solcher Fehler kann nur im allgemeinen Rechtsmittelzug korrigiert
werden. Hier gelangt der sogenannte Meistbegünstigungsgrundsatz zur An-
wendung, mit der Folge, daß dem Betroffenen auch das Rechtsmittel zusteht,
welches das Gesetz gegen eine in der richtigen Form getroffene Entscheidung
vorsieht (vgl. BGHZ 98, 362, 364 f; 140, 208, 217 f).
Die Auffassung des Senats steht entgegen der Ansicht der Revisionser-
widerung nicht in Widerspruch zum Beschluß des Bundesgerichtshofs vom
26. Mai 1994 (I ZB 4/94, NJW 1994, 2363, 2364), der sich mit der außeror-
dentlichen Beschwerde gegen ein im Verfahren der einstweiligen Verfügung
ergangenes Berufungsurteil befaßt, das von Gesetzes wegen (§ 545 Abs. 2
ZPO) generell mit einem Rechtsmittel nicht angegriffen werden kann.
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II.
Das Berufungsgericht meint, der Anspruch auf Herausgabe der Bürg-
schaftsurkunde sei begründet, weil die Beklagte im Zusammenhang mit der
Sicherungszweckvereinbarung vom 20. Dezember 1996 den Kläger aus seiner
Bürgschaftsverpflichtung entlassen habe. Diese Auffassung beruht auf einer
Auslegung, die rechtlicher Nachprüfung in mehrfacher Hinsicht nicht standhält.
Nach ständiger Rechtsprechung überprüft das Revisionsgericht die
grundsätzlich dem Tatrichter vorbehaltene Auslegung nur darauf, ob der Aus-
legungsstoff vollständig berücksichtigt worden ist, ob gesetzliche oder allge-
mein anerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemeine Erfah-
rungssätze verletzt sind oder ob die Auslegung auf mit der Revision gerügten
Verfahrensfehlern beruht (vgl. BGH, Urt. v. 16. Dezember 1998 - VIII
ZR 197/97, NJW 1999, 1022, 1023; v. 15. März 2001 - IX ZR 273/98, WM
2001, 950, 952). Die Auslegung der Vereinbarung vom 20. Dezember 1996
durch das Berufungsgericht ist in diesem Sinne fehlerhaft.
1. Die Sicherungszweckvereinbarung dient nach dem Wortlaut ihres
Eingangssatzes zwei wirtschaftlichen Zwecken, der Fortführung der in Ziffer 1
genannten Darlehensverträge im Gesamtbetrag von 69.700.000 DM durch
Stellung ausreichender werthaltiger Sicherheiten einerseits und der Begren-
zung der persönlichen Inanspruchnahme des Klägers andererseits.
a) Das Berufungsgericht befaßt sich zunächst mit dem zweiten Ziel und
meint, dieses sei durch den Abschluß der Vereinbarung nur erreichbar gewe-
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sen, wenn der Kläger über die Stellung eines Bardepots von 21 Mio. DM hin-
aus aus den geleisteten Sicherheiten nicht mehr habe in Anspruch genommen
werden können.
Das trifft schon deshalb nicht zu, weil der Begriff der Haftungsbegren-
zung mehrdeutig ist. Er kann - anders als das Berufungsgericht ihn verstanden
hat - auch besagen, daß lediglich der Umfang der persönlichen Haftung des
Klägers für die Zukunft endgültig festgelegt werden sollte. Eine Haftungsbe-
grenzung des Klägers enthält die Sicherungszweckvereinbarung daher auch
dann, wenn die Parteien, wie die Beklagte behauptet, lediglich eine über den
Betrag von 21 Mio. DM hinausgehende Nachschußpflicht bei weiterem Wert-
verfall der Objekte ausschließen und die Verwertung der übrigen vom Kläger
geleisteten Sicherheiten aussetzen wollten, solange an der Realisierung der in
Ziffer 1 genannten Objekte gearbeitet wurde und die Darlehensverträge Be-
stand hatten. Ziffer 6 der Vereinbarung, wonach die Beklagte für die Darlehen
eine weitere Verstärkung von Sicherheiten nicht mehr fordern kann, deutet
möglicherweise darauf hin, daß die Parteien die Haftungsbegrenzung in die-
sem Sinne verstanden und damit gleichzeitig das gemäß Ziffer 20.2.2 der Dar-
lehensverträge bei einer Wertminderung der Grundstücke und ungenügender
dinglicher Sicherheit in Betracht kommende Kündigungsrecht ausschließen
wollten.
b) Wegen dieses falschen Ansatzes vermag das Berufungsgericht in
Ziffer 7 Abs. 1 eine sinnvolle Regelung nur dann zu erkennen, wenn man sie
als Entlassung des Klägers aus den in der Bürgschaft und den notariellen Ur-
kunden übernommenen Verpflichtungen deutet. Dabei beachtet es insbesonde-
re nicht, daß schon dem Wortlaut nach von einem Bestehenbleiben der Rechte
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und lediglich einem Ausschluß der Verwertung die Rede ist, was nach der Dar-
stellung der Beklagten gerade dem Geschäftswillen der Parteien entsprach.
c) Gemäß Ziffer 5 Abs. 4 steht bei einer Verwertung der Zusatzsicher-
heiten der über 21 Mio. DM hinausgehende Erlös dem Sicherungsgeber zu.
Das Berufungsgericht meint, auch diese Bestimmung belege die Entlassung
des Klägers aus den übrigen Haftungsverpflichtungen. Dabei übersieht der
Tatrichter, daß die Regelung auch dann einen vernünftigen Sinn ergibt, wenn
die Inanspruchnahme des Klägers aus den sonstigen Haftungsverpflichtungen
lediglich unter der Voraussetzung der Fortführung der Darlehensverträge un-
zulässig sein sollte. Blieben die bisherigen Verpflichtungen des Klägers beste-
hen und wurde zugleich seine Zusatzhaftung aus dem Kontoguthaben auf
21 Mio. DM abschließend begrenzt, war es nur konsequent, ihm den Anspruch
auf einen eventuellen Mehrerlös, insbesondere aus dem Zinsertrag, zu belas-
sen.
d) Der Wortlaut der Vereinbarung spricht in mehrfacher Hinsicht für die
Behauptung der Beklagten, die Haftung des Klägers aus der Bürgschaft und
den notariellen Urkunden habe fortbestehen sollen und die getroffene Verein-
barung habe, soweit sie die Durchsetzung dieser Rechte ausgeschlossen ha-
be, nicht im Falle des Konkurses der in Ziffer 1 genannten Projektgesellschaf-
ten gegolten.
aa) Die Sicherungszweckvereinbarung verwendet für das vom Kläger
zur Verfügung zu stellende Kontoguthaben durchgängig den Begriff der Zu-
satzsicherheit. Nach allgemeinem Sprachverständnis bedeutet dies, daß die
schon vorhandenen Sicherheiten um eine weitere vermehrt, die Pflichten des
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Sicherungsgebers also erweitert werden. Sollte die neue Sicherheit, wie der
Kläger behauptet, an die Stelle der bisherigen Verpflichtungen treten, hätte es
sich um eine Ersatzsicherheit gehandelt. Außerdem hätte es dann nahe gele-
gen, das Erlöschen der alten Verpflichtungen und die Rückgabe der Schuldur-
kunden ausdrücklich in die Vereinbarung aufzunehmen. Von beidem findet sich
dort jedoch kein Wort. Darüber hinaus war es unnötig, eine Vereinbarung mit
einer so komplizierten und umfangreichen Regelung, wie sie hier getroffen
wurde, abzuschließen, wenn die Parteien das beabsichtigten, was der Kläger
behauptet. Es hätte dann genügt, schlicht zu bestimmen, daß der Kläger die
neue Sicherheit von 21 Mio. DM zu leisten hat und dafür aus seinen bisherigen
Haftungsverpflichtungen entlassen wird.
bb) Mit allen diesen Umständen setzt sich das Berufungsgericht nicht in
dem gebotenen Maße auseinander.
Das Berufungsgericht erklärt den Begriff der Zusatzsicherheit damit, daß
der Beklagten erstrangige Grundschulden an den Grundstücken der Entwick-
lungsgesellschaft eingeräumt worden seien, die unstreitig bestehenblieben.
Eine solche Deutung liegt indes fern, weil die Vereinbarung ausschließlich mit
dem Kläger getroffen wurde und nur dessen persönliche Verpflichtungen be-
handelt.
Das Berufungsgericht räumt ein, die Entlassung des Klägers aus der
Bürgschaft und den Haftungsübernahmen wäre "deutlicher zu formulieren ge-
wesen". Es erklärt die gewählte Fassung damit, die Beklagte habe ersichtlich
befürchtet, daß es dann zu Unsicherheiten hinsichtlich des Fortbestehens der
Haftung Dritter gekommen wäre. Der vorgetragene Sachverhalt bietet keine
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Anhaltspunkte, die eine solche Überlegung stützen. Die Bestimmung der Nr. 7
Abs. 3, auf die das Berufungsgericht verweist, deutet nicht auf solche Erwä-
gungen hin. Abgesehen davon, daß ein zwischen dem Gläubiger und einem
Gesamtschuldner vereinbarter Erlaß gemäß § 423 BGB im Zweifel nur Einzel-
wirkung hat (BGH, Urt. v. 21. März 2000 - IX ZR 39/99, WM 2000, 1003, 1004),
übersieht das Berufungsgericht, daß für die Beklagte schon im Zeitpunkt der
Vereinbarung vom 20. Dezember 1996 außer dem Kläger kein solventer Haf-
tungsschuldner für das an die P. KG geleistete Darlehen zur Verfügung stand.
Nach dem unbestrittenen Vorbringen der Beklagten hatte der andere Gesell-
schafter und Mitbürge S. schon damals den Antrag auf Eröffnung des Konkurs-
verfahrens über sein Vermögen gestellt. Die P. selbst besaß ebenfalls nicht die
Mittel zur Erfüllung der Darlehensverträge. Daher ist bisher kein plausibler
Grund dafür erkennbar, die Vereinbarung vom 20. Dezember 1996 in der vor-
liegenden Form zu schließen, wenn es nur darum ging, die umfassende Haf-
tung des Klägers durch die Verpflichtung zu ersetzen, der Beklagten ein Kon-
toguthaben von 21 Mio. DM zur Verfügung zu stellen.
2. Die Auslegung des Berufungsgerichts verletzt weiter den Grundsatz,
daß die Auslegung von Vertragserklärungen in Zweifelsfällen den mit dem
Rechtsgeschäft verfolgten Zweck und die beiderseitige Interessenlage zu be-
rücksichtigen und dabei grundsätzlich davon auszugehen hat, daß beide Par-
teien mit der vereinbarten Regelung ihre Interessen wahren wollen (vgl. BGHZ
109, 19, 22; BGH, Urt. v. 9. Juli 1999 - V ZR 72/96, WM 1999, 1887, 1888; v.
9. Juli 2001 - II ZR 228/99, WM 2001, 1525, 1526).
a) Der Anstoß zum Abschluß der Vereinbarung vom 20. Dezember 1996
war von der Beklagten ausgegangen. Diese hatte aus einem von ihr in Auftrag
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gegebenen Gutachten erfahren, daß der aktuelle Verkehrswert des von der
P. KG zu entwickelnden Objekts auf 21.250.000 DM gesunken war. Die Be-
klagte darf als Hypothekenbank Grundstücke nur in Höhe von 3/5 des aufgrund
sorgfältiger Ermittlung angenommenen Verkehrswerts beleihen (§§ 11 Abs. 2,
12 Abs. 2 HypothekenbankG). In Ziffer 20.2.2. der Darlehensverträge hatte
sich die Beklagte ein Kündigungsrecht für den Fall vorbehalten, daß das
Grundstück eine Wertminderung erfährt und infolgedessen die erforderliche
dingliche Sicherheit für die Bank nicht mehr in ausreichendem Maße gegeben
ist. Die Voraussetzungen dieses Kündigungsgrundes waren danach erfüllt, als
die Parteien in Verhandlungen über die Gewährung einer Zusatzsicherheit ein-
traten. Zum damaligen Zeitpunkt konnte die Beklagte ohne weiteres davon
ausgehen, sie werde im Falle der Kündigung aus den vom Kläger gewährten
Sicherheiten volle Befriedigung erhalten. Die von ihm zum 1. Januar 1996 er-
stellte Vermögensübersicht endete mit einem Betrag von 141.786.999 DM. Die
Parteien hatten schon jahrelang vertrauensvoll zusammengearbeitet, so daß
die Beklagte keine Veranlassung hatte, an der Seriosität der Angaben des Klä-
gers sowie seiner Liquidität zu zweifeln.
Trifft das zu, was der Kläger behauptet, so hat die Beklagte den Kläger
am 20. Dezember 1996 für eine Gegenleistung von 21 Mio. DM aus der vollen
- nach damaliger Beurteilung uneingeschränkt realisierbaren - Haftung für
Darlehensverbindlichkeiten in Höhe von 69.700.000 DM zuzüglich Zinsen ent-
lassen und dies in einer Situation, in der die Preise auf dem Grundstücksmarkt
deutlich gefallen waren und sich die weitere Preisentwicklung noch nicht ab-
schließend beurteilen ließ. Ein solcher Inhalt der Vereinbarung stände im Ge-
gensatz zu dem, was die Beklagte durch die Aufnahme von Verhandlungen mit
dem Kläger erstrebt hatte, nämlich eine Erweiterung der bereits vorhandenen
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Sicherheiten zu erlangen. Das Berufungsurteil zeigt keine Tatsachen auf, die
geeignet sein konnten, die Bank bei vernünftiger Betrachtungsweise zu veran-
lassen, auf die bisherigen Haftungsverpflichtungen des Klägers zu verzichten.
Daher steht das vom Berufungsgericht gefundene Ergebnis in Widerspruch zu
dem Erfahrungssatz, daß ein Kreditinstitut in der Regel nicht bereit ist, vorhan-
dene werthaltige Sicherheiten aufzugeben, wenn es daraus keine Vorteile er-
warten kann, sondern vielmehr das eigene Risiko erhöht.
b) Nach dem Inhalt der Vereinbarung vom 20. Dezember 1996 bestand
ein gemeinsames Interesse beider Parteien daran, die Fortführung der Darle-
hensverträge zu sichern, von denen die Realisierung der in Ziffer 1 der Siche-
rungszweckvereinbarung genannten Projekte abhing. Stellte diese Vereinba-
rung den Kläger von allen Verpflichtungen der Beklagten gegenüber - mit Aus-
nahme der Sicherheit von 21 Mio. DM - frei, brauchte er nicht einmal die noch
fehlende Kommanditeinlage zu leisten. Dann fehlte es an jeder wirtschaftlichen
Grundlage für die Durchführung des Vertrages. Allein der Kläger war finanziell
in der Lage, die Darlehensraten aufzubringen, nicht die P. KG.
c) Schließlich rügt die Revision zu Recht, das Berufungsgericht habe
sich nicht mit dem unter Beweis gestellten Vorbringen der Beklagten auseinan-
dergesetzt, die vollständige Einzahlung der Kommanditeinlage des Klägers an
der P. KG sei nach der für den Kläger erkennbaren Vorstellung der Beklagten
Grundlage für die Unterzeichnung der Sicherungszweckvereinbarung gewesen,
also zu deren Geschäftsgrundlage geworden.
3. Der Kläger hat nach allgemeinen Regeln zu beweisen, daß die Par-
teien eine Aufhebung seiner persönlichen Haftung aus der Bürgschaft und den
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notariellen Urkunden vereinbart haben. Das gilt für die Feststellung aller Tat-
sachen, die den vom Kläger behaupteten Inhalt der Vereinbarung vom 20. De-
zember 1996 belegen sollen (vgl. BGHZ 20, 109, 111 f). Die Auffassung des
Berufungsgerichts, die Vertragsurkunde ergebe nach Wortlaut, Inhalt und
Zweck eindeutig die Entlassung des Klägers aus seinen bisherigen Verpflich-
tungen, ist aus den dargestellten Gründen rechtlich nicht haltbar. Die Verneh-
mung der Zeugen dazu, ob die Parteien sich bei Abschluß der Sicherungs-
zweckvereinbarung einig waren, daß diese nur bei Fortführung des Darlehens
gelten und die Bürgschaft weiterhin bestehenbleiben sollte, betrifft daher nicht
außerhalb der Urkunde liegende Umstände, sondern Tatsachen, die geeignet
sind, zur Aufklärung des Inhalts der Urkunde, insbesondere des von den Par-
teien verstandenen Sinns der gewählten Rechtsbegriffe, beizutragen. Damit ist
kein Raum für die Anwendung des Grundsatzes, daß derjenige, der außerhalb
der Urkunde liegende Umstände behauptet, diese beweisen muß, weil die Ur-
kunde die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich hat (vgl. BGH,
Urt. v. 5. Februar 1999 - V ZR 353/97, NJW 1999, 1702, 1703; Baumgär-
tel/Laumen, Handbuch der Beweislast im Privatrecht 2. Aufl. § 133 Rn. 2). Ei-
nen entsprechend eindeutigen, die Rechtsauffassung des Klägers stützenden
Urkundeninhalt vermag der Tatrichter nicht aufzuzeigen. Daher hätte er bei
Würdigung der Zeugenaussagen die Beweislast nicht zum Nachteil der Be-
klagten umkehren dürfen.
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III.
Aufgrund der dem Berufungsgericht unterlaufenen Auslegungsfehler
bildet das angefochtene Urteil auch keine tragfähige Grundlage für die Verur-
teilung der Beklagten in den übrigen Punkten (Unzulässigkeit der Zwangsvoll-
streckung; Anweisung des Konkursverwalters). Dasselbe trifft für den vom Klä-
ger einseitig für erledigt erklärten Feststellungsantrag zu.
Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil dazu eine
umfassende Würdigung aller Umstände einschließlich der Zeugenaussagen
notwendig ist, die allein dem Tatrichter obliegt. Dieser wird zudem die Beweis-
angebote des Klägers auf ihre Erheblichkeit zu prüfen haben.
Bei der Zurückverweisung hat der Senat von der Möglichkeit des § 565
Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.
Kreft Stodolkowitz Fischer
Ganter Kayser