Urteil des BGH vom 16.07.2001

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
NotZ 3/01
vom
16. Juli 2001
in dem Verfahren
wegen Einkommensergänzung
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Der Bundesgerichtshof, Senat für Notarsachen, hat durch den Vor-
sitzenden Richter Dr. Rinne, die Richter Seiffert und Dr. Kurzwelly sowie
die Notare Dr. Schierholt und Dr. Grantz
am 16. Juli 2001
beschlossen:
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den
Beschluß des Senats für Notarverwaltungssachen des
Oberlandesgerichts Dresden vom 13. Dezember 2000 wird
zurückgewiesen.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht
erhoben. Die Antragsgegnerin hat die dem Antragsteller
im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf
48.004 DM
festgesetzt.
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Gründe:
I. Der Antragsteller ist seit dem 1. Mai 1993 brandenburgischer
Notar mit dem Amtssitz in T. bei Berlin. Er erhielt für die Jahre 1995 bis
1998 von der Antragsgegnerin, der Ländernotarkasse Leipzig, Einkom-
mensergänzung. Die Personalausgaben für drei zu je 30 W ochenstunden
beschäftigte Mitarbeiterinnen wurden nicht beanstandet. Das Urkunden-
aufkommen lag zwischen 733 und 693 unbereinigten Nummern. Im Zwi-
schenbescheid zur Einkommensergänzung 1999 vom 15. März 2000 hat
die Antragsgegnerin die geltend gemachten, in der Höhe seit 1996 im
wesentlichen unveränderten Gehaltsaufwendungen von ca. 168.000 DM
um etwa 48.000 DM gekürzt. Es waren 713 unbereinigte Urkundennum-
mern erledigt worden. Die Antragsgegnerin hat die Kürzung damit be-
gründet, daß für die Bewältigung dieses Geschäftsanfalls keine drei Bü-
roangestellten notwendig gewesen seien. Außerdem hätten die Gehälter
weit über dem Durchschnitt gelegen.
Der Antragsteller hat gegen diesen Bescheid gerichtliche Ent-
scheidung beantragt. Er hält die Beschäftigung von drei Teilzeitkräften
angesichts der in seinem Notariat zu bewältigenden, näher beschriebe-
nen Aufgaben für notwendig und das Gehalt angesichts der Qualifikation
seiner Mitarbeiterinnen und der Lage auf dem Arbeitsmarkt am Rande
von Berlin für angemessen. Nachdem er seinen Angestellten das Mo-
natsgehalt ab Mai 2000 gekürzt hatte, kündigte eine zum 31. Juli 2000
und nahm eine Stelle bei einem Berliner Rechtsanwalt und Notar an. Je-
denfalls, so meint der Antragsteller, habe er darauf vertrauen dürfen,
daß die Antragsgegnerin bei der Anerkennung der Personalausgaben
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nicht überraschend mit W irkung für die Vergangenheit anders verfährt
als in den früheren Jahren.
Das Oberlandesgericht hat den Bescheid der Antragsgegnerin vom
15. März 2000 aufgehoben und sie verpflichtet, den Antragsteller unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Da-
gegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer sofortigen Beschwerde.
II. Das Rechtsmittel ist nicht begründet.
1. Das Oberlandesgericht hat dem Antrag auf gerichtliche Ent-
scheidung zu Recht stattgegeben. Es hat zutreffend angenommen, daß
die Beschäftigung von 2,25 Mitarbeiterinnen im Jahr 1999 notwendig war
und der aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Grundsatz des Ver-
trauensschutzes (vgl. Senat, Beschluß vom 9. Februar 1998 - NotZ
4/97 - NJW -RR 1998, 927 unter II 3; BVerfG NJW 1978, 2446 ff.) die
Antragsgegnerin daran hindert, bei der Berücksichtigung der Personal-
ausgaben trotz im wesentlichen unveränderter Umstände ohne Voran-
kündigung mit W irkung für die Vergangenheit anders zu verfahren als in
den vier Jahren davor. Um W iederholungen zu vermeiden, wird auf die
Begründung im angefochtenen Beschluß Bezug genommen.
2. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Beurtei-
lung und gibt lediglich Anlaß zu folgenden Ausführungen:
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a) Die Zahl der notwendigen Mitarbeiterinnen hat das Oberlandes-
gericht auf der Grundlage des angefochtenen Bescheids (222 Arbeitsta-
ge, 40 Stunden-W oche) und der bis dahin geübten Praxis der Antrags-
gegnerin (durchschnittliche Erledigung von einer unbereinigten Urkun-
dennummer pro Tag und Mitarbeiter einschließlich Notar) mit 2,21 richtig
berechnet. Die Antragsgegnerin hatte die Zahl der Mitarbeiterinnen vor-
her auch nicht beanstandet, obwohl das Urkundenaufkommen in den
Jahren 1998 und 1997 niedriger gelegen hatte. 1995 entsprach es aller-
dings rechnerisch exakt einer Mitarbeiterzahl von 2,25. Der Antragsteller
hat zudem stets unwidersprochen vorgetragen, daß in seinem Notariat
im Jahre 1999 etwa 70 Vermittlungsverfahren nach §§ 87 ff. des Sachen-
rechtsbereinigungsgesetzes anhängig waren, die einen erheblichen Ar-
beitsaufwand mit sich gebracht hätten.
b) Gegen den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes wendet die
Antragsgegnerin ein, sie sei weder verpflichtet noch in der Lage zu
überwachen, ob eine Notarstelle wirtschaftlich geführt werde. Das geht
am Kern der Begründung des Oberlandesgerichts vorbei. Der Antrags-
gegnerin war aufgrund der in den vier Jahren davor gezahlten Einkom-
mensergänzung bekannt, wie hoch die Personalausgaben des Antrag-
stellers sind. Deshalb war sie, wenn sie die Höhe der Gehälter in Zu-
kunft nicht mehr anerkennen wollte, nach dem Gebot des Vertrauens-
schutzes und dem auch im öffentlichen Recht geltenden Prinzip von Treu
und Glauben gehalten, den Antragsteller darauf hinzuweisen, damit er
sich mit seinen finanziellen Dispositionen darauf einstellen konnte. Eben
dies ist auch dem dazu vom Oberlandesgericht zitierten Urteil des Bun-
desgerichtshofs vom 21./22. Mai 1975 (III ZR 8/72 - JZ 1975, 485 unter II
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1, 4 b) zu entnehmen. Für den Bereich der Notarkasse München hat der
Senat bereits früher entschieden, daß einem Notar trotz gleichgebliebe-
ner Verhältnisse eine "Regelstelle" (Stelle eines Notariatsbeamten oder
-angestellten) nicht ohne Vorankündigung genommen werden könne,
sondern das Recht und die Billigkeit es geböten, ihm eine angemessene
Übergangszeit einzuräumen (Beschluß vom 15. Juli 1969 - NotZ 8/68 -
Umdruck S. 12 bis 14).
Rinne Seiffert Kurzwelly
Schierholt Grantz