Urteil des BGH vom 21.02.2007

BGH (zulassung, beschwerde, antragsteller, fehlerhafte rechtsmittelbelehrung, widerruf, rechtswidrigkeit, antrag, rechtsmittel, rechtsmittelbelehrung, haftpflichtversicherung)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
AnwZ (B) 86/06
vom
21. Februar 2007
in dem Verfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BRAO § 42 Abs. 1, § 223 Abs. 3
a) Gegen die Zurückweisung oder Verwerfung eines Antrags auf gerichtliche Fest-
stellung der Rechtswidrigkeit eines vor Antragstellung erledigten Widerrufsbe-
scheids durch den Anwaltsgerichtshof ist die sofortige Beschwerde nur bei Zulas-
sung gemäß § 223 Abs. 3 BRAO statthaft.
b) Daran ändert es nichts, wenn dem Antragsteller in einer fehlerhaften Rechtsmittel-
belehrung mitgeteilt wird, gegen die Entscheidung sei die sofortige Beschwerde
trotz fehlender Zulassung (kraft Gesetzes) statthaft.
(Fortführung von Senat, Beschl. v. 3. März 1997, AnwZ (B) 57/96, BRAK-Mitt. 1997,
128, und Beschl. v. 29. September 2003, AnwZ (B) 66/02, NJW 2004, 1173).
BGH, Beschl. v. 21. Februar 2007 - AnwZ (B) 86/06 - AGH Hamm
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wegen Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Widerrufs der Zulassung
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Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Präsidenten
des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Hirsch, die Richterin Dr. Otten, die Richter
Dr. Ernemann und Dr. Schmidt-Räntsch, den Rechtsanwalt Dr. Wosgien, die
Rechtsanwältin Kappelhoff und den Rechtsanwalt Dr. Martini
am 21. Februar 2007
beschlossen:
Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskosten-
hilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss
des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-
Westfalen vom 31. März 2006 wird als unzulässig verworfen.
Der Antragsteller hat der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerde-
verfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen
zu ersetzen. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden
nicht erhoben.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.
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Gründe
I.
Aufgrund Verzichts auf seine Zulassung widerrief die Antrags-
gegnerin die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft. Dieser Wi-
derruf wurde, da der Antragsteller keinen Rechtsmittelverzicht erklärt hatte,
nicht sofort, sondern erst am 19. September 2005 bestandskräftig. Während
des Laufes der Rechtsmittelfrist widerrief die Antragsgegnerin die Zulassung
des Antragstellers am 13. September 2005 erneut, und zwar wegen Fortfalls
der Haftpflichtversicherung. Diesem Widerruf lag die unzutreffende Mitteilung
der Haftpflichtversicherung des Antragstellers zugrunde, dieser habe seine
Prämie nicht gezahlt. Sie wurde später berichtigt.
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Gegen den neuerlichen Widerruf der Zulassung hat der An-
tragsteller Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt und im Wesentlichen
die Feststellung beantragt, dass der Widerruf rechtswidrig war. Der Anwaltsge-
richtshof hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig verwor-
fen. Dagegen richtet sich die - nicht zugelassene - sofortige Beschwerde des
Antragstellers, mit welcher er weiterhin die beantragte Feststellung erreichen
möchte. Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde als unzulässig zu ver-
werfen.
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II.
Das eingelegte Rechtsmittel ist nicht statthaft.
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1. Seine Statthaftigkeit lässt sich entgegen der Ansicht des An-
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tragstellers nicht aus § 42 Abs. 1 Nr. 3 BRAO ableiten.
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a) Der Antragsteller wendet sich zwar in der Sache gegen den
Widerrufsbescheid der Antragsgegnerin vom 13. September 2005, der rechts-
widrig war, weil die ihm zugrunde liegende Mitteilung der Haftpflichtversiche-
rung des Antragstellers, sein Versicherungsschutz sei entfallen, nicht zutraf.
Dieser Widerrufsbescheid hatte sich aber vor Stellung des Antrags auf gerichtli-
che Entscheidung in der Hauptsache erledigt, weil der zuvor ausgesprochene
Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Verzichts des An-
tragstellers am 19. September 2005 bestandskräftig geworden war. Deshalb hat
der Antragsteller nicht Aufhebung des Widerrufsbescheids vom 13. September
2005, sondern, verfahrensrechtlich konsequent, Feststellung seiner Rechtswid-
rigkeit beantragt. Ein solcher Fortsetzungsfeststellungsantrag und seiner Zu-
rückweisung (als unbegründet oder unzulässig) stehen einem Antrag auf Auf-
hebung des Widerrufs der Zulassung und seiner Zurückweisung jedoch nicht
gleich.
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b) Ein Fortsetzungsfeststellungsantrag ist in der Bundesrechts-
anwaltsordnung als Rechtsinstitut nicht vorgesehen (Senat, Beschl. v. 1. März
1993, AnwZ (B) 29/92, BRAK-Mitt. 1993, 105 f.; v. 29. Mai 2000, AnwZ (B)
33/99, BRAK-Mitt. 2000, 257, 258; Beschl. v. 18. April 2005, AnwZ (B) 28/04).
Der Senat lässt solche Anträge in Anlehnung an § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO
dennoch in verfassungskonformer Erweiterung des Rechtsschutzsystems der
Bundesrechtsanwaltsordnung ausnahmsweise zu, wenn dem Antragsteller an-
ders effektiver Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) gegen die Entscheidung, de-
ren Rechtswidrigkeit nachträglich festgestellt werden soll, nicht gewährt werden
kann und die beantragte Feststellung eine Rechtsfrage klären hilft, die sich der
Rechtsanwaltskammer und dem Rechtsanwalt bei künftigen Gelegenheiten e-
benso stellen wird (BGHZ 137, 200, 201 f.; Beschl. v. 1. März 1993, AnwZ (B)
29/92, aaO; Beschl. v. 11. Juli 1994, AnwZ (B) 4/94, NJW 1995, 2105; Beschl.
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v. 6. November 2000, AnwZ (B) 3/00, NJW 2001, 1572, 1573; Beschl. v. 13. Ja-
nuar 2003, AnwZ (B) 59/01, NJW 2003, 965, 966). Bei (im vorliegenden Fall
allerdings zweifelhaftem) Vorliegen dieser Voraussetzungen wird, das ist dem
Antragsteller zuzugeben, die Prüfung der mit dem erledigten Widerrufsbescheid
aufgeworfenen Sachfragen ganz oder teilweise fortgesetzt.
c) Das führt aber nicht dazu, dass gegen eine Entscheidung des
Anwaltsgerichtshofs hierüber ohne Zulassung die sofortige Beschwerde an den
Bundesgerichtshof gegeben ist (Senat, Beschl. v. 3. März 1997, AnwZ (B)
57/96, BRAK-Mitt. 1997, 128). Die sofortige Beschwerde ist in den in § 42 Abs.
1 BRAO genannten Fällen ohne Zulassung statthaft, weil sie Entscheidungen
betreffen, die unmittelbar an die berufliche Existenz des Betroffenen rühren
(Senat, BGHZ 34, 244, 250 f.; Beschl. v. 22. Mai 1985, AnwZ (B) 42/84, NJW
1985, 1842, 1843). Diese innere Rechtfertigung mag auch bei anderen, dort
nicht genannten qualitativ gleichwertigen Entscheidungen gegeben sein und
eine entsprechende Anwendung von § 42 Abs. 1 BRAO erlauben (Senat,
Beschl. v. 22. Mai 1985, aaO). Sie fehlt aber bei der Entscheidung über einen
Fortsetzungsfeststellungsantrag. Er kommt nämlich nur in Betracht, wenn sich
die nach § 42 Abs. 1 BRAO anfechtbare Maßnahme in der Hauptsache erledigt
hat (Senat, Beschl. v. 22. Mai 1985, aaO). Es geht dann nicht mehr unmittelbar
um die berufliche Existenz des Antragstellers und auch nicht mehr um Einzel-
heiten seines Falles, sondern allenfalls um die Klärung von eventuell für andere
Rechtsfälle bedeutsamen allgemeinen Rechtsfragen. Gegen die Entscheidung
des Anwaltsgerichtshofs über solche Fragen soll aber nach der konzeptionellen
Grundentscheidung des Gesetzgebers in § 223 Abs. 3 BRAO die sofortige Be-
schwerde nicht ohne weiteres zulässig sein, sondern nur, wenn der Anwaltsge-
richtshof sie zugelassen hat.
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2. Aus § 223 Abs. 3 BRAO folgt die Statthaftigkeit der Beschwer-
de nicht, weil sie der Anwaltsgerichtshof nicht zugelassen hat.
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3. Auch die erteilte unzutreffende Rechtsmittelbelehrung hilft dem
Antragsteller nicht. Sie kann ein unstatthaftes Rechtsmittel nicht statthaft ma-
chen und die erforderliche Zulassung des Rechtsmittels nicht ersetzen. Sie
dient nicht der Ergänzung oder Interpretation der Entscheidung, sondern allein
der Information der unterlegenen Partei(en) über die Möglichkeit von Rechtsmit-
teln.
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III.
Der Prozesskostenhilfeantrag des Antragstellers ist zurückwei-
sen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung unzulässig ist und deshalb keinen
Erfolg verspricht.
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IV.
Bei der Kostenentscheidung hat der Senat im Hinblick auf die
fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung §§ 200 Satz 1 BRAO, 16 Abs. 1 KostO an-
gewendet.
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V.
Der Senat kann, auch über das unzulässige Rechtsmittel (BGHZ
44, 25), ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
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Hirsch Otten Ernemann Schmidt-Räntsch
Wosgien Kappelhoff Martini
Vorinstanz:
AGH Hamm, Entscheidung vom 31.03.2006 - 1 ZU 102/05 -