Urteil des BGH vom 18.12.2003

E-Mail-Werbung Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 81/01
Verkündet am:
11. März 2004
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
BGHR: ja
E-Mail-Werbung
UWG § 1
a) Die Zusendung einer unverlangten E-Mail zu Werbezwecken verstößt grund-
sätzlich gegen die guten Sitten im Wettbewerb. Eine solche Werbung ist nur
dann ausnahmsweise zulässig, wenn der Empfänger ausdrücklich oder kon-
kludent sein Einverständnis erklärt hat, E-Mail-Werbung zu erhalten, oder
wenn bei der Werbung gegenüber Gewerbetreibenden aufgrund konkreter
tatsächlicher Umstände ein sachliches Interesse des Empfängers vermutet
werden kann.
b) Ein die Wettbewerbswidrigkeit ausschließendes Einverständnis des Empfän-
gers der E-Mail hat der Werbende darzulegen und gegebenenfalls zu bewei-
sen.
c) Der Werbende hat durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, daß es
nicht zu einer fehlerhaften Zusendung einer E-Mail zu Werbezwecken auf-
grund des Schreibversehens eines Dritten kommt.
BGH, Urt. v. 11. März 2004 - I ZR 81/01 - OLG München
LG München I
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Dezember 2003 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und
die Richter Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Bergmann
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 29. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts München vom 21. Dezember 2000 aufgeho-
ben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zu-
rückverwiesen.
Von Rechts wegen
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Tatbestand:
Die Parteien erbringen Dienstleistungen für den Internet-Bereich.
Der Kläger ist Inhaber der Domain-Namen "i .de" und "s .de",
unter denen er eine Reihe von E-Mail-Adressen eingerichtet hat. Im Jahre 1998
benutzte der Kläger bei der Absendung von E-Mails die Bezeichnung
"mail@s .de", während empfangene E-Mails unter verschiedenen mit den
Domain-Namen gebildeten Adressen eingingen.
Die Beklagte verschickt per E-Mail ein wöchentlich erscheinendes, als
"Newsletter" bezeichnetes Rundschreiben, das Sachinformationen und Wer-
bung enthält. Sie vertreibt das kostenlose Rundschreiben an Abonnenten, die
es per E-Mail bestellen und jederzeit wieder abbestellen können.
In der Zeit von Anfang Mai bis 11. Dezember 1998 erhielt der Kläger eine
Vielzahl der Rundschreiben der Beklagten. Die wöchentlichen Sendungen der
Beklagten gingen beim Kläger zunächst unter der E-Mail-Adresse
"s @i .de" ein. Dies nahm der Kläger zum Anlaß, die Beklagte
wiederholt aufzufordern, den Versand einzustellen, ohne zunächst allerdings
die E-Mail-Adresse anzugeben, unter der er die Rundschreiben erhalten hatte.
Nachdem die Beklagte den Kläger darauf hingewiesen hatte, daß sie ohne
genaue Angabe dieser E-Mail-Adresse den Eintrag nicht entfernen könne, teilte
ihr der Kläger die Adresse "s @i .de" mit und wies darauf hin, alle E-
Mails an "@s .de" und "@i .de" gehörten "direkt zu s ". Die Beklagte
entfernte daraufhin die Adresse "s @i .de" aus ihrem Verteiler.
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Am 5. September 1998 nahm die Beklagte die wöchentliche Versendung
des
Rundschreibens
an
den
Kläger
unter
der
E-Mail-Adresse
"d @i .de" auf. Der Kläger kündigte darauf Mitte Oktober 1998 für den
Fall, daß er weiter von der Beklagten belästigt werde, rechtliche Schritte an und
ließ die Beklagte mit Schreiben vom 6. Dezember 1998 abmahnen. Die Be-
klagte wies die Abmahnung zurück und nahm - ihren Angaben im Schreiben
vom 22. Dezember 1998 zufolge nach Recherchen - die E-Mail-Anschrift
"d @i .de" aus ihrem Verteiler. Sie richtete zudem einen Filter ein, um
Bestellungen unter den Domain-Namen "s .de" und "i .de" auszusondern.
In der Zeit vom 5. September bis 11. Dezember 1998 erhielt der Kläger
insgesamt 15 Sendungen des Rundschreibens der Beklagten.
Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagte habe ihm auch unter der E-
Mail-Anschrift "d @s .de" ihr Rundschreiben zugesandt. Dieses schicke die
Beklagte offensichtlich an erfundene E-Mail-Adressen.
Der Kläger hat gegen die Beklagte im wesentlichen einen Unterlas-
sungsanspruch gegen die unaufgeforderte Versendung von E-Mails mit Wer-
bung, hilfsweise mit dem Rundschreiben der Beklagten, an beliebige Empfän-
ger, weiter hilfsweise an den Kläger, geltend gemacht.
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Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat die Einrede der Verjäh-
rung erhoben. Sie hat vorgetragen, der Versendung der Rundschreiben an den
Kläger lägen jeweils Bestellungen zugrunde, die mittels E-Mail erfolgt seien. So
sei es zu der Versendung an die Anschrift "d @i .de" dadurch gekom-
men, daß sich der Inhaber der E-Mail-Adresse "d @in .de"
verschrieben habe, als er den Rundbrief der Beklagten abonniert habe.
Das Landgericht hat der Beklagten unter Abweisung der weitergehenden
Klage verboten, E-Mails, nämlich sogenannte "Newsletter", ohne vorherige Zu-
stimmung des Klägers an diesen zu senden.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Im Berufungs-
verfahren hat sie sich strafbewehrt zur Unterlassung verpflichtet, im geschäftli-
chen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs den von ihr herausgegebenen
Newsletter ohne Einverständnis des Klägers an dessen Domain "s .de" oder
"i .de" zu versenden. In diesem Umfang haben die Parteien den Rechts-
streit für erledigt erklärt.
Der Kläger hat - zu Protokoll und schriftsätzlich nachgereicht - beantragt,
die Berufung zurückzuweisen mit der Maßgabe, daß die Beklagte
verurteilt wird, es zu unterlassen, die von ihr versandten Newsletter
- Beispiele: Anlagen K4 und K16 - per E-Mail zu versenden, ohne
daß das Einverständnis der Empfänger vorliegt, wobei hiervon
Sendungen an den Kläger nicht umfaßt sind.
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Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und
auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen.
Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen in der Berufungsinstanz ge-
stellten Antrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat die Klage weder aus § 1 UWG noch aus
§ 823 Abs. 1 BGB für begründet erachtet und hierzu ausgeführt:
Das vom Landgericht ausgesprochene Verbot erfasse den Versand von
E-Mails an beliebige E-Mail-Adressen des Klägers ohne dessen vorherige Zu-
stimmung. Die von der Beklagten abgegebene Unterlassungserklärung erledige
den Rechtsstreit nicht vollständig. Sie erfasse nur mit den Domain-Namen
"i .de" und "s .de" gebildete Anschriften.
Durch den in der mündlichen Berufungsverhandlung verlesenen Antrag
habe der Kläger zu erkennen gegeben, daß er das Urteil des Landgerichts
anfechten wolle. Die für eine Anschlußberufung erforderliche Form sei durch
den Schriftsatz vom 30. November 2000 eingehalten, der eine zulässige
Anschlußberufung des Klägers darstelle.
Die unbestellte Versendung des von der Beklagten herausgegebenen
Rundschreibens verstoße unter dem Gesichtspunkt der Belästigung gegen § 1
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UWG und auch gegen § 823 Abs. 1 BGB. Erst recht gelte dies, wenn die
Beklagte gegen den ausdrücklichen Widerspruch des Empfängers mit dem Ver-
sand fortfahre. Allerdings setze § 1 UWG die Kenntnis der die Sittenwidrigkeit
des Verhaltens begründenden Umstände und § 823 Abs. 1 BGB ein Verschul-
den voraus. Daran fehle es vorliegend. Der Kläger habe den Beweis nicht
geführt, daß die Beklagte ihren "Newsletter" unverlangt versende. Es sei nicht
auszuschließen, daß der Zusendung des Rundschreibens unter der Anschrift
"s @i .de" eine Bestellung aus dem Kreis derjenigen Personen zugrunde
gelegen habe, die Zugang zum Computer des Klägers hätten. Die Beklagte
habe, nachdem ihr die fragliche Internet-Adresse mitgeteilt worden sei, die
Zusendung des Rundschreibens eingestellt. Zum Versand an den Kläger unter
der E-Mail-Anschrift "d @s .de" sei der Vortrag der Parteien wenig
substantiiert
und
teilweise
widersprüchlich.
Wie
die
Adresse
"d @i .de" in den Verteiler der Beklagten für das Rundschreiben
geraten sei, habe der Kläger nicht dargelegt. Den Vortrag der Beklagten, es
habe ein Schreibversehen eines Dritten bei der Bestellung des Rundschreibens
vorgelegen, habe der für die fehlende Zustimmung zur Versendung beweis-
pflichtige Kläger nicht widerlegt. Aufgrund der Mitteilung des Klägers vom 7. Juli
1998, alle E-Mails an "@s .de" und "@i .de" beträfen den Kläger, sei
die Beklagte nur verpflichtet gewesen, mit diesen Domain-Namen gebildete An-
schriften zu löschen, nicht aber neu eingehende Bestellungen auf eine entspre-
chende E-Mail-Adresse zu überprüfen.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben
Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurück-
verweisung der Sache an das Berufungsgericht.
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1. a) Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das von dem Kläger be-
antragte Verbot der Versendung von E-Mails mit dem Newsletter der Beklagten
ohne Einverständnis der Empfänger. Ausgenommen von dem vom Kläger im
Revisionsverfahren weiterverfolgten Unterlassungsanspruch ist nur die Versen-
dung des Newsletter der Beklagten an E-Mail-Adressen, die die Domain-Namen
"s .de" und "i .de" des Klägers enthalten, weil die Parteien nach Abgabe
der strafbewehrten Unterlassungserklärung der Beklagten im Berufungsrechts-
zug den Rechtsstreit in diesem Umfang in der Hauptsache für erledigt erklärt
haben.
b) Den Unterlassungsanspruch hat der Kläger in diesem Umfang zum ei-
nen durch den Antrag auf Zurückweisung der Berufung der Beklagten mit Aus-
nahme des in der Hauptsache für erledigt erklärten Teils des Rechtsstreits und
zum anderen durch den in der Berufungsinstanz gestellten Antrag geltend ge-
macht, mit dem der Kläger ein Verbot der Versendung von E-Mails mit dem
Newsletter durch die Beklagte an andere Empfänger als den Kläger ohne deren
Einverständnis erstrebt. Daß über den in der Berufungsinstanz gestellten Un-
terlassungsantrag des Klägers zu befinden ist, ergibt sich allerdings nicht be-
reits daraus, daß der Kläger diesen Antrag in der mündlichen Verhandlung vor
dem Berufungsgericht verlesen hat. Der Kläger konnte den Anspruch, mit dem
er eine über das erstinstanzlich zuerkannte Verbot der Versendung von E-Mails
an den Kläger hinausgehende Untersagung der unerbetenen Versendung von
E-Mails an beliebige Empfänger erstrebte, nur mit der (Anschluß-)Berufung in
der Berufungsinstanz zur Entscheidung stellen. Dazu gehört nach § 522a
Abs. 1 ZPO a.F. die Anschlußschrift, die bei Antragstellung in der mündlichen
Verhandlung vom 9. November 2000 fehlte und ohne die eine wirksame An-
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schlußberufung nicht vorliegt (vgl. BGH, Urt. v. 12.12.1988 - II ZR 129/88,
NJW-RR 1989, 441).
Eine wirksame Anschlußberufung des Klägers hat das Berufungsgericht
aber mit Recht in dem am 30. November 2000 eingegangenen Schriftsatz des
Klägers vom selben Tage gesehen (§ 521 Abs. 1, § 522a Abs. 1, 3, § 519
Abs. 3 ZPO a.F.).
aa) Ohne Erfolg macht die Revisionserwiderung geltend, dem Schriftsatz
des Klägers könne nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden,
daß dieser sich der Berufung der Beklagten anschließen wollte. Ein Anschluß-
rechtsmittel braucht nicht als solches bezeichnet zu werden. In dem Schriftsatz
muß nur klar und eindeutig der Wille zum Ausdruck kommen, eine Änderung
des vorinstanzlichen Urteils zugunsten des Rechtsmittelbeklagten zu erreichen
(vgl. BGHZ 109, 179, 187). Das ist vorliegend der Fall. In dem Schriftsatz vom
30. November 2000 nahm der Kläger Bezug auf den in der mündlichen Ver-
handlung im Berufungsverfahren gestellten Antrag. Dieser richtete sich gegen
die Zurückweisung des vom Kläger bereits in erster Instanz verfolgten, vom
Landgericht im angefochtenen Urteil jedoch nicht zuerkannten Verbots der Ver-
sendung des "Newsletter" der Beklagten an beliebige Empfänger ohne deren
Einverständnis. Dieses Rechtsschutzziel ist dem Schriftsatz vom 30. November
2000 auch unzweideutig zu entnehmen, weil der Kläger auf den in der mündli-
chen Verhandlung gestellten Antrag Bezug genommen und um antragsgemäße
Entscheidung nachgesucht hat. Danach verbleiben keine vernünftigen Zweifel,
daß der Kläger sich dem Rechtsmittel der Beklagten anschließen und in wel-
chem Umfang er die erstinstanzliche Entscheidung anfechten wollte.
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bb) Die Anschlußberufung hat der Kläger auch im übrigen form- und
fristgerecht eingelegt. Sie läßt entgegen der Meinung der Revisionserwiderung
erkennen, aus welchen Gründen er das erstinstanzliche Urteil für unrichtig hält
(§ 522a Abs. 3, § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO a.F.). Nach dem Gesamtzusammen-
hang des Schriftsatzes vom 30. November 2000 hat der Kläger die Anschlußbe-
rufung darauf gestützt, daß die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 1
UWG gegen die Beklagte vorlagen und das begehrte Verbot rechtfertigten.
Die Anschlußberufung des Klägers ist fristgerecht eingelegt worden.
Zwar kann eine Anschlußberufung nicht mehr nach Schluß der mündlichen
Verhandlung erhoben werden (vgl. BGH NJW-RR 1989, 441). Das Berufungs-
gericht hatte jedoch in der mündlichen Verhandlung vom 9. November 2000 mit
Zustimmung der Parteien das schriftliche Verfahren angeordnet und den Ter-
min, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden durften, auf den 30. November
2000 bestimmt (§ 128 Abs. 2 ZPO). Dieser Zeitpunkt entspricht dem Schluß der
mündlichen Verhandlung. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte daher eine Anschluß-
berufung nach § 522a ZPO a.F. zulässigerweise eingelegt werden.
2. Das Berufungsgericht hat die gegen die Versendung von E-Mails an
den Kläger und an Dritte ohne Zustimmung des Empfängers gerichteten Unter-
lassungsansprüche für nicht begründet erachtet. Dies rügt die Revision mit Er-
folg.
a) Der Kläger ist nach § 1 UWG befugt, Ansprüche wegen des bean-
standeten Wettbewerbsverstoßes geltend zu machen. Nach den Feststellungen
des Berufungsgerichts stehen die Parteien bei dem Angebot von Internet-
Dienstleistungen (Serviceleistungen rund um die elektronische Datenverarbei-
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tung, insbesondere Consulting-Dienstleistungen) in Wettbewerb. Danach ist
davon auszugehen, daß die Parteien gewerbliche Leistungen gleicher oder
verwandter Art vertreiben, so daß der Absatz der Dienstleistungen des Klägers
durch den Absatz der Dienstleistungen der Beklagten beeinträchtigt werden
kann (vgl. BGH, Urt. v. 29.6.2000 - I ZR 29/98, GRUR 2000, 907, 909 = WRP
2000, 1258 - Filialleiterfehler).
b) aa) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß eine
unerbetene Zusendung des Werbung enthaltenden Rundschreibens der Be-
klagten mittels E-Mail gegen die guten Sitten im Wettbewerb verstößt. Die Ver-
sendung von Werbung per E-Mail stellt eine unzumutbare Belästigung der an-
gesprochenen Verkehrskreise dar.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist unerbetene Tele-
fonwerbung gegenüber Privatpersonen grundsätzlich unzulässig (BGH, Urt. v.
27.1.2000 - I ZR 241/97, GRUR 2000, 818, 819 = WRP 2000, 722 - Telefon-
werbung VI). Auch im geschäftlichen Verkehr hat der Bundesgerichtshof Tele-
fonwerbung als unzulässig angesehen, solange der Anzurufende weder aus-
drücklich noch konkludent sein Einverständnis mit derartigen Anrufen erklärt hat
und ein solches vom Anrufer aufgrund konkreter tatsächlicher Umstände auch
nicht vermutet werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 25.1.2001 - I ZR 53/99, GRUR
2001, 1181, 1182 = WRP 2001, 1068 - Telefonwerbung für Blindenwaren). Ent-
sprechende Grundsätze gelten für die Werbung durch Telefaxschreiben (vgl.
BGH, Urt. v. 25.10.1995 - I ZR 255/93, GRUR 1996, 208, 209 = WRP 1996, 100
- Telefax-Werbung).
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Allerdings sind die Gründe für das regelmäßige Verbot unerbetener Te-
lefon- und Telefaxwerbung nicht ohne weiteres auf die E-Mail-Werbung über-
tragbar. Denn anders als der Telefonteilnehmer kann der E-Mail-Empfänger
selbst bestimmen, wann er an ihn gesandte E-Mails abrufen will, so daß die
unverlangte Zusendung von E-Mails nicht mit der Beeinträchtigung der Privat-
sphäre vergleichbar ist, wie sie bei der unerbetenen Telefonwerbung eintritt.
Und die Kosten, die mit dem Abruf einer einzelnen E-Mail verbunden sind, sind
ebenfalls nur gering (vgl. Bräutigam/Leupold, Online-Handel, S. 1029
Rdn. 296).
Gleichwohl entsteht durch die Zusendung von E-Mails zu Werbezwecken
eine Belästigung für den Empfänger, die dieser nicht hinzunehmen braucht,
wenn er nicht ausdrücklich oder konkludent sein Einverständnis erklärt oder
wenn - bei der Werbung gegenüber Gewerbetreibenden - nicht aufgrund kon-
kreter tatsächlicher Umstände ein sachliches Interesse des Empfängers ver-
mutet werden kann.
Das Berufungsgericht hat zum Ausmaß der mit unerbetener E-Mail-Wer-
bung einhergehenden Belästigungen für den Empfänger keine näheren Fest-
stellungen getroffen. Dies ist indes unschädlich.
Bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung der E-Mail-Werbung ist maß-
geblich darauf abzustellen, daß das Internet eine weite Verbreitung gefunden
hat und durch die Übermittlung per E-Mail eine billige, schnelle und durch Au-
tomatisierung arbeitssparende Versendungsmöglichkeit besteht. Diese Werbe-
art ist daher, soweit sie nicht ohnehin schon einen erheblichen Umfang erreicht
hat, auf ein immer weiteres Umsichgreifen angelegt. Denn ohne Einschränkun-
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gen der E-Mail-Werbung ist aufgrund ihrer Vorteilhaftigkeit für den Werbenden
mit einem Nachahmungseffekt bei denjenigen Mitbewerbern zu rechnen, die
bislang nicht mittels E-Mail geworben haben, sich aus Wettbewerbsgründen
jedoch hierzu gezwungen sehen (vgl. zu diesem Gesichtspunkt auch: BGHZ
103, 203, 208 f. - Btx-Werbung). Eine Werbeart ist aber auch dann als unlauter
anzusehen, wenn sie den Keim zu einem immer weiteren Umsichgreifen in sich
trägt und zu einer daraus folgenden unzumutbaren Belästigung führt (vgl. BGH
GRUR 1996, 208, 209 - Telefax-Werbung).
Für den Empfang der E-Mail muß eine Online-Verbindung zum Provider
hergestellt werden, für die Telefongebühren und, falls nicht ein festes Entgelt
vereinbart ist, eine Nutzungsgebühr für den Provider anfallen. Hinzu kommt der
Arbeitsaufwand, der mit dem Sichten und Aussortieren unerbetener E-Mails
verbunden ist. Zwar sind die Kosten für den Bezug einer einzelnen E-Mail ge-
ring. Gleiches gilt für den mit dem Löschen einer E-Mail verbundenen Zeitauf-
wand, wenn bereits aus der Angabe im "Betreff" der E-Mail ersichtlich ist, daß
es sich um Werbung handelt und deshalb eine nähere Befassung mit der E-Mail
nicht erforderlich ist. Diese Beurteilung fällt jedoch bei einer größeren Anzahl
unerbetener E-Mails ganz anders aus.
In der Rechtsprechung ist die unverlangte Zusendung von E-Mails mit
Werbung daher ganz überwiegend unter dem Gesichtspunkt belästigender
Werbung zu Recht als unzulässig angesehen worden (vgl. zu § 1 UWG: LG
Traunstein NJW 1998, 1648; LG Hamburg WRP 1999, 250; LG Ellwangen
MMR 1999, 675, 676; vgl. auch KG MMR 2002, 685 = CR 2002, 759; LG Berlin
MMR 1999, 43; MMR 2000, 704).
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Art. 13 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 der Richtlinie 2002/58/EG des Europäi-
schen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung per-
sonenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen
Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation, ABl.
Nr. L 201 v. 31.7.2002, S. 37) sieht vor, daß von den Fällen des Art. 13 Abs. 2
abgesehen, die im Streitfall keine Rolle spielen, E-Mails für Zwecke der Direkt-
werbung nur bei vorheriger Zustimmung des Teilnehmers gestattet sind, wenn
dieser eine natürliche Person ist. Für die übrigen Teilnehmer haben die Mit-
gliedstaaten nach Art. 13 Abs. 5 Satz 2 der Richtlinie für einen ausreichenden
Schutz vor unerbetenen Nachrichten zu sorgen.
bb) Zu Unrecht ist das Berufungsgericht aber davon ausgegangen, den
Kläger treffe die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß die Zusendung des
Rundschreibens unverlangt erfolgt sei.
Die unerbetene E-Mail-Werbung ist regelmäßig gemäß § 1 UWG unzu-
lässig (vgl. vorstehend II 2 b aa). Deshalb hat die Beklagte (als Verletzer) dieje-
nigen Umstände darzulegen und zu beweisen, die den rechtsbegründenden
Tatsachen ihre Bedeutung nehmen (vgl. BGH, Urt. v. 19.9.1996 - I ZR 124/94,
GRUR 1997, 229, 230 = WRP 1997, 183 - Beratungskompetenz; Baumbach/
Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., Einl. Rdn. 472). Zu diesen gehört bei
E-Mail-Werbung das die Wettbewerbswidrigkeit ausschließende Einverständnis
(vgl. zur Telefonwerbung: BGH GRUR 2000, 818, 819 - Telefonwerbung VI: zur
E-Mail-Werbung: KG MMR 2002, 685; zum Einverständnis bei der Telefaxwer-
bung: OLG Koblenz WRP 1995, 1069 = CR 1996, 207; OLG Oldenburg NJW
1998, 3208).
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cc) Nicht entscheidend ist dagegen, daß die Beklagte nach ihrer Dar-
stellung im allgemeinen ihren Rundbrief nicht unverlangt versendet. Denn die
Beklagte darf den Rundbrief mittels E-Mail nur dann verschicken, wenn die
Voraussetzungen hierfür in der Person des jeweiligen Empfängers vorliegen.
Dabei hat sie durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, daß es nicht zu
fehlerhaften Zusendungen kommt, etwa aufgrund unrichtiger Eingabe oder
Speicherung von E-Mail-Adressen.
(1) Den Versand des Rundschreibens unter der E-Mail-Adresse
"s @i .de" hat das Berufungsgericht zur Begründung eines Anspruchs
aus § 1 UWG nicht ausreichen lassen. Das erweist sich im Ergebnis deshalb
als zutreffend, weil ein auf § 1 UWG gestützter Unterlassungsanspruch nach
§ 21 UWG verjährt ist (dazu nachfolgend unter II 3).
(2) Zu der Versendung von E-Mails durch die Beklagte mit dem Rund-
schreiben an die E-Mail-Anschrift "d @s .de" hat das Berufungsgericht kei-
ne abschließenden Feststellungen getroffen. Es hat es als wahrscheinlich an-
gesehen, daß im Frühjahr 1998 an den Kläger unter dieser Adresse Rund-
schreiben der Beklagten versandt worden sind. In diesem Fall wäre ein daraus
abgeleiteter Unterlassungsanspruch des Klägers aus § 1 UWG ebenfalls ver-
jährt (vgl. Abschnitt II 3). Soweit es auf die Zusendung von Rundschreiben unter
dieser E-Mail-Adresse noch ankommen sollte, wird das Berufungsgericht der
Behauptung des Klägers nachzugehen haben, noch im November/Dezember
1998 unter dieser Anschrift Rundschreiben erhalten zu haben (Schriftsatz vom
18. September 2000 S. 5).
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(3) Dagegen ist nach dem Vortrag der Parteien zur Versendung des
Rundschreibens an die E-Mail-Adresse "d @i .de" in der Zeit zwischen
dem 5. September und dem 11. Dezember 1998 unstreitig, daß ein Einver-
ständnis des Klägers hierzu nicht vorlag. Nach der Darstellung der Beklagten
handelte es sich um ein Schreibversehen eines Dritten bei der Angabe der E-
Mail-Adresse für die Versendung des Rundschreibens. Da die Beklagte durch
geeignete Maßnahmen - beispielsweise durch die Prüfung der Identität der an-
gegebenen E-Mail-Adresse mit der den Newsletter anfordernden Stelle - si-
cherzustellen hat, daß es aufgrund derartiger Versehen nicht zu einer Versen-
dung der E-Mail-Werbung kommt, vermag dies die Wettbewerbswidrigkeit nicht
auszuschließen.
3. Zur Verjährung des Unterlassungsanspruchs des Klägers hat das Be-
rufungsgericht von seinem Standpunkt folgerichtig keine Feststellungen getrof-
fen. Der Senat kann auf der Grundlage des unstreitigen Sachverhalts und des
Vortrags der Parteien die Frage der Verjährung der an die E-Mail-Adressen
"s @i .de"
und
"d @i .de"
versandten
Rundschreiben
selbst beurteilen.
Ein auf die Versendung der Rundschreiben bis zum 7. September 1998
gestützter Unterlassungsanspruch des Klägers ist nach § 21 UWG verjährt.
Nicht verjährt ist dagegen der Unterlassungsanspruch nach § 1 UWG, soweit er
auf die zwischen dem 8. September und 11. Dezember 1998 versandten Rund-
schreiben an die E-Mail-Adresse "d @i .de" gestützt wird.
Die Verjährungsfrist beträgt nach § 21 UWG sechs Monate von dem
Zeitpunkt, in welchem der Anspruchsberechtigte von der Handlung und der
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Person des Verpflichteten Kenntnis erlangte. Sie begann mit der jeweiligen Zu-
sendung des Rundschreibens der Beklagten mittels E-Mail zu laufen (vgl. BGH,
Urt. v. 26.1.1984 - I ZR 195/81, GRUR 1984, 820, 822 = WRP 1984, 678 - Inter-
markt II; Baumbach/Hefermehl aaO § 21 Rdn. 11; Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl.,
§ 21 Rdn. 22). Sie wurde durch die Einreichung der Klage am 8. März 1999
nach § 209 Abs. 1, § 217 BGB a.F., § 270 Abs. 3 ZPO a.F. unterbrochen. Dies
gilt unabhängig von der zwischen den Parteien unterschiedlich beurteilten Be-
stimmtheit des Antrags in der Klageschrift vom 5. März 1999. Denn aufgrund
dieses Antrags war jedenfalls klar, daß sich der Kläger gegen die Zusendung
des Rundschreibens der Beklagten durch E-Mail an Empfänger wandte, die
hierzu kein Einverständnis erklärt hatten. Dies reicht zur Verjährungsunterbre-
chung aus (vgl. BGH, Urt. v. 23.10.1997 - I ZR 123/95, GRUR 1998, 481, 483
= WRP 1998, 169 - Auto '94).
Die Unterbrechung der Verjährung ist auch nicht nach § 211 Abs. 2
Satz 1 BGB a.F. entfallen. Nach § 211 Abs. 1 BGB a.F. dauert die Unterbre-
chung der Verjährung durch Klageerhebung fort, bis der Prozeß rechtskräftig
entschieden oder anderweitig erledigt ist. Gerät der Prozeß infolge einer Ver-
einbarung oder dadurch in Stillstand, daß er nicht betrieben wird, so endet die
Unterbrechung mit der letzten Prozeßhandlung der Parteien oder des Gerichts
(§ 211 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F.). Allerdings hatte der Kläger nach Zustellung des
landgerichtlichen Urteils vom 6. April 2000 bis zur wirksamen Einlegung der
Anschlußberufung am 30. November 2000 mehr als sechs Monate zugewartet.
Die Anwendung des § 211 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. ist jedoch grundsätzlich auf
Fallgestaltungen beschränkt, in denen es auf eine Umgehung des § 225 BGB
hinauslaufen würde, wenn das Nichtbetreiben eines anhängig gemachten Pro-
zesses durch die Parteien die Unterbrechungswirkung der Klageerhebung un-
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berührt ließe. Die Verjährungsunterbrechung endet deshalb gemäß § 211
Abs. 2 Satz 1 BGB a.F., wenn ein Kläger sein Klagebegehren ohne triftigen
Grund nicht mehr weiterbetreibt (BGH, Urt. v. 28.9.1999 - VI ZR 195/98, NJW
1999, 3774, 3775, m.w.N.). Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden.
Denn der Kläger hat in der Berufungsentgegnung vom 18. September 2000 zu
erkennen gegeben, daß er an der Geltendmachung eines Anspruchs gegen die
Beklagte, den Newsletter unaufgefordert zu versenden, festhält. Dies reichte
aus, um einen Prozeßstillstand seitens des Klägers zu verneinen (vgl. BGH
NJW 1999, 3774, 3776).
4. Nach § 1 UWG kann der Kläger von der Beklagten beanspruchen, daß
diese es unterläßt, das Rundschreibens mittels E-Mail unter beliebigen E-Mail-
Adressen an dritte Empfänger oder an den Kläger ohne Einverständnis der
Adressaten zu versenden. Der Unterlassungsanspruch des Klägers ist nicht auf
ein Verbot der Versendung von E-Mails mit dem Rundschreiben an diejenigen
E-Mail-Adressen beschränkt, an die die Beklagte bislang bereits E-Mails ver-
sandt hat (E-Mail-Adressen unter Verwendung der Domains "s .de" und
"i .de"). Denn der Anspruch umfaßt nicht nur die konkrete Verletzungs-
handlung, sondern auch im Kern gleichartige Handlungen (vgl. BGH GRUR
2000, 907, 909 - Filialleiterfehler).
Neben dem Verbot der Versendung unverlangter E-Mails an den Kläger
umfaßt der Unterlassungsanspruch aus § 1 UWG auch als eine im Kern gleich-
artige Verletzungshandlung das Versenden des Rundschreibens mittels E-Mail
an andere Empfänger ohne deren Zustimmung.
- 19 -
III. Dem Senat ist eine eigene Sachentscheidung verwehrt, weil die Be-
klagte zu der Anschlußberufung des Klägers in der Tatsacheninstanz bisher
kein rechtliches Gehör erhalten hat. Danach war das angefochtene Urteil auf
die Revision des Klägers aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungs-
gericht zurückzuverweisen.
Ullmann
Bornkamm
Büscher
Schaffert
Bergmann