Urteil des BGH vom 10.05.2006

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZB 76/06
vom
20. Juli 2006
in der Zwangsversteigerungssache
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 20. Juli 2006 durch den Vor-
sitzenden Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke,
Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth
beschlossen:
Auf Antrag der Schuldner wird die Zwangsvollstreckung aus dem
Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Wolfenbüttel vom 21. März
2006 gegen Sicherheitsleistung der Schuldner in Höhe von
1.000 € bis zum 16. August 2006 ausgesetzt.
Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Mit Notarvertrag vom 5. Dezember 1991 kauften die Schuldner ein
Hausgrundstück zur Eigennutzung. Mit Urkunde vom selben Tag bewilligten die
Eigentümer und die Schuldner die Belastung des Grundstücks mit einer Grund-
schuld zugunsten der C. AG (C. ). Die Schuldner unterwar-
fen sich der sofortigen Zwangsvollstreckung aus der Urkunde des Notars. Die
notwendigen Erklärungen wurden von einem Teil der Eigentümer des Grund-
stücks persönlich und im Übrigen von der Bürovorsteherin des Urkundsnotars
mit der Erklärung abgegeben, "notarielle Vollmacht nachzureichen".
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Die Grundschuld wurde eingetragen, die Schuldner erwarben das Eigen-
tum an dem Grundstück jeweils zur Hälfte. Am 2. Januar 1992 erteilte der Notar
der C. eine vollstreckbare Ausfertigung der Bestellungsurkunde.
Die C. trat die Grundschuld am 22. Dezember 1992 an die Gläubige-
rin ab. Am 19. Februar 1993 schrieb der Notar die Vollstreckungsklausel auf die
Gläubigerin um. Am 22. März 2003 stellte die Gläubigerin den Schuldnern die
vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde zu. Die Zustellung der von der Vertre-
terin der Schuldner in der Notarverhandlung als nachzureichen bezeichneten
Vollmacht unterblieb.
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Die Gläubigerin betreibt aus einer Grundschuld die Zwangsversteigerung
des Grundstücks. Das Ausgebot erfolgte unter Verzicht des Gläubigers auf Ein-
zelausgebote. Das höchste Gebot gaben die Ersteher ab. Mit Beschluss vom
21. März 2006 hat das Amtsgericht ihnen das Grundstück zugeschlagen.
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Am 14. Mai 2006 schlossen die Schuldner einen Mietvertrag über eine
Wohnung. Der Vertrag berechtigt sie, ab dem 16. August 2006 in die Wohnung
umzuziehen. Sie haben den Beschluss vom 21. März 2006 angefochten. Ihre
Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Landgericht zugelasse-
nen Rechtsbeschwerde erstreben sie die Aufhebung des Zuschlagsbeschlus-
ses. Die Ersteher betreiben aus dem Beschluss vom 21. März 2006 die Räu-
mung. Räumungstermin ist auf den 25. Juli 2006 bestimmt. Die Schuldner be-
antragen, im Wege der einstweiligen Anordnung die Vollziehung des Beschlus-
ses des Amtsgerichts auszusetzen.
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II.
Der Antrag ist teilweise begründet.
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1. Gemäß § 575 Abs. 5 i.V.m. § 570 Abs. 3 ZPO kann das Rechtsbe-
schwerdegericht die Vollziehung eines mit der Beschwerde erfolglos angefoch-
tenen Beschlusses aussetzen, wenn dem Rechtsbeschwerdeführer durch die
Vollziehung größere Nachteile drohen, als den anderen Beteiligten im Falle der
Aussetzung, die Rechtslage zumindest zweifelhaft ist und die Rechtsbeschwer-
de zulässig erscheint (BGH, Beschl. v. 21. März 2002, IX ZB 48/02, NJW 2002,
1658 f.; Beschl. v. 6. August 2003, VIII ZB 77/03, WuM 2003, 509 f; und v.
10. Oktober 2003, IXa ZB 247/03, ZfIR 2004, 445). So verhält es sich hier. Das
Beschwerdegericht meint, es habe weder eines Einzelausgebots der Miteigen-
tumsanteile der Schuldner an dem Grundstück noch der Zustellung der von den
Schuldnern ihrer Vertreterin zur Bestellung der Grundschuld erteilten Vollmacht
bedurft. Damit wendet sich das Landgericht - mit beachtlichen Gründen - gegen
die in der Rechtsprechung herrschende Meinung (vgl. BayObLG, Rpfleger
1965, 17; OLG Köln, MDR 1969, 150, LG Bonn, Rpfleger 1990, 374). Gegen
die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde bestehen keine Bedenken.
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Auch wenn ihre Rechtsbeschwerde ohne Erfolg bliebe, hätte die ange-
kündigte Vollstreckung zur Folge, dass die Schuldner gemäß § 788 Abs. 1 ZPO
die Kosten der Räumung zu tragen hätten und darüber hinaus die Kosten tra-
gen müssten, die für die erst ab dem 16. August 2006 mögliche Verbringung
ihres Hausrats in die von ihnen gemietete Wohnung entstehen werden. Diesem
Nachteil der Schuldner steht gegenüber, dass die Ersteher an einem Umzug in
das ersteigerte Anwesen gehindert sind, bis dieses herausgegeben und ge-
räumt ist. Diesen Nachteil schätzt der Senat auf 1.000 €. Dieser Betrag bleibt
erfahrungsgemäß hinter den Kosten der Zwangsräumung weit zurück. Durch
die angeordnete Sicherheitsleistung wird er ausgeglichen.
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2. Für eine weitere Beschränkung der Vollstreckung aus dem Zuschlags-
beschluss besteht kein Anlass. Beginnend mit dem 16. August 2006 können die
Schuldner in die von ihnen gemietete Wohnung umziehen. Dass ein Ersatzan-
spruch gegen die Ersteher im Falle der Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses
nicht durchsetzbar wäre, ist weder dargetan noch ersichtlich.
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Krüger Klein Lemke
Schmidt-Räntsch Roth
Vorinstanzen:
AG Wolfenbüttel, Entscheidung vom 21.03.2006 - 23 K 15/04 -
LG Braunschweig, Entscheidung vom 10.05.2006 - 4 T 349/06 (35) -