Urteil des BGH vom 02.04.2008
BGH (leasingvertrag, anzahlung, verhandlung, zpo, verhältnis, eigentumsvorbehalt, sache, bestellung, wissen, vereinbarung)
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 233/07 Verkündet
am:
30. April 2008
Ring,
Justizhauptsekretärin
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 2. April 2008 durch den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Wiechers,
die Richterinnen Hermanns und Dr. Hessel sowie den Richter Dr. Achilles
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 1. Kammer für
Handelssachen des Landgerichts Osnabrück vom 27. Juli 2007
aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-
richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin vertreibt Getränkezubereitungsanlagen an gewerbliche Kun-
den. Am 28. März 2001 unterzeichnete die Beklagte auf einem Formular der
Klägerin eine von dieser unter dem gleichen Datum bestätigte Bestellung über
einen gebrauchten Kaffeeautomaten für 4.050 DM netto. In der Rubrik "Sonsti-
ges" war handschriftlich eingetragen:
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"2000 (zzgl. Mehrwertsteuer) Anzahlung !".
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Unter den Formularüberschriften "Bestellung" bzw. "Auftragsbestätigung"
war folgender Zusatz aufgedruckt:
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"Rechtlich losgelöst vom Zustandekommen eines etwaigen Miet-, Lea-
sing- oder Finanzierungsvertrages".
Am gleichen Tage unterzeichnete die Beklagte weiter ein von der Kläge-
rin am 9. April 2001 gegengezeichnetes und mit "Leasingvertrag V" überschrie-
benes Formular, in dem besagter Kaffeeautomat als Mietgegenstand bezeich-
net und eine Grundmietzeit von 24 Monaten mit einer Mietrate von 105,57 DM
netto monatlich eingetragen war. Die Grundmietzeit sollte mit dem auf die Aus-
händigung des Mietgegenstandes folgenden Monat beginnen und sich nach
ihrem Ablauf mit einer Kündigungsfrist von jeweils sechs Monaten auf unbe-
stimmte Zeit verlängern. Ferner unterzeichnete die Beklagte am 28. März 2001
eine von der Klägerin im Juni 2001 gegengezeichnete Servicevereinbarung
betreffend die Beseitigung von Störungen und Schäden durch natürliche Abnut-
zung bei ordnungsgemäßem Gebrauch der Maschine, die den handschriftlichen
Zusatz enthielt:
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"12 Monate ohne Berechnung in Verbindung eines Miet/Leasingvertrages ab
Aufstellungsdatum !".
Ob es hierbei nur um einen auf Erwerb des Kaffeeautomaten gerichteten
Abzahlungskauf gegangen ist, bei dem zusätzlich zur Anzahlung noch die 24 im
Leasingvertragsformular fälschlich als Mietraten bezeichneten Teilzahlungsbe-
träge geleistet werden sollten - so die Beklagte -, oder ob der in der Bestellung
liegende Kauf durch das von der Beklagten erst im Mai 2006 gekündigte Lea-
singverhältnis ersetzt werden sollte - so die Klägerin -, ist zwischen den Partei-
en streitig.
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Die Vorinstanzen haben die auf Zahlung der Leasingraten von Mai bis
November 2006 gerichtete Klage abgewiesen und der auf Rückzahlung der Ra-
ten für den Zeitraum ab Ablauf der 24-monatigen Grundmietzeit gerichteten Wi-
derklage stattgegeben. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Beru-
fungsgericht zugelassenen Revision.
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Entscheidungsgründe:
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Die Revision der Klägerin hat Erfolg.
I.
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Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausge-
führt:
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Die Erklärungen der Beklagten hätten nach der wirtschaftlichen Bedeu-
tung der Anzahlung, der anschließend geleisteten Monatsraten und des ledig-
lich bei Annahme eines Kaufvertrages kalkulatorisch noch verständlichen Fi-
nanzierungszinses sowie nach den Geschäftsbedingungen zum Leasingvertrag,
in denen unter anderem ein Eigentumsvorbehalt vorgesehen sei, erkennbar nur
auf den Abschluss eines Abzahlungskaufs abgezielt. Der Umstand, dass eines
der Formulare mit Leasingvertrag überschrieben sei, sei demgegenüber uner-
heblich.
II.
Diese Würdigung beanstandet die Revision mit Recht als unvollständig,
weil das Berufungsgericht entgegen § 286 ZPO wesentliche tatsächliche Um-
stände außer Betracht gelassen hat, nach denen nicht auszuschließen ist, dass
die Parteien den hinsichtlich der Abwicklung der zweiten Kaufpreishälfte ergän-
zungsbedürftig gebliebenen Kaufvertrag nicht nur um Abzahlungsmodalitäten
ergänzen, sondern ihn wieder aufheben und durch einen auf unbestimmte Zeit
laufenden Leasingvertrag ersetzen wollten.
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1. Die Revision wendet sich zutreffend dagegen, dass das Berufungsge-
richt bei seiner Würdigung den Anhaltspunkten für eine mögliche Ersetzung des
zunächst zustande gekommenen Kaufvertrages durch die spätere Leasingab-
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rede zu wenig Beachtung geschenkt hat. Zwar ist die Auslegung dieser indivi-
dualvertraglichen, maßgeblich in handschriftlichen Zusätzen zum Ausdruck ge-
kommenen Verknüpfung der einzelnen Formularverträge Sache des Tatrichters.
Der Senat kann lediglich überprüfen, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte
Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt
worden sind, ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht, namentlich we-
sentliches Auslegungsmaterial unter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften au-
ßer Acht gelassen worden ist, oder ob ein Auslegungsergebnis erzielt worden
ist, das - ausgehend vom Vertragswortlaut nach Maßgabe des zu erforschen-
den wirklichen Willens der Vertragsschließenden - den Interessen der Parteien
nicht mehr gerecht wird (vgl. Senatsurteil vom 6. Juli 2005 - VIII ZR 136/04, WM
2005, 1895, unter II 2 a; BGH, Urteil vom 29. Januar 2002 - VI ZR 230/01, NJW
2002, 1878, unter II 1 a m.w.N.). Diesen Maßstäben genügt die Würdigung des
Berufungsgerichts jedoch nicht.
Das Berufungsgericht hat für sein Auslegungsergebnis, nach dem die
von der Beklagten abgegebenen und von der Klägerin angenommenen Erklä-
rungen so zu verstehen seien, dass die Beklagte das Kaffeezubereitungsgerät
für 4.050 DM netto kaufen, 2.000 DM netto anzahlen und die restlichen
2.050 DM netto in 24 Monatsraten zu je 105,57 DM netto abbezahlen sollte,
maßgeblich auf die wirtschaftliche Vernunft der Beklagten abgestellt. Denn hier-
nach hätte die Beklagte das Gerät nach 24 Monaten unter Beendigung weiterer
Zahlungspflichten erworben. Dagegen hätte sie nach der von der Klägerin be-
haupteten Leasing-Lösung, bei der die geleistete Anzahlung in eine angeblich
auch so in Rechnung gestellte Leasingsonderzahlung umgewandelt worden
wäre, mit gleichem finanziellen Aufwand nach Ablauf der 24-monatigen Grund-
mietzeit vor der Entscheidung gestanden, den Vertrag unter ersatzloser Rück-
gabe des Geräts zu beenden oder das Gerät unter Fortzahlung der Leasingra-
ten zu behalten. Die für das Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts zwei-
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fellos sprechende wirtschaftliche Interessenlage ist jedoch noch nicht geeignet,
alle gegenläufigen Auslegungsgesichtspunkte in einer Weise zu verdrängen,
dass ihnen von vornherein keine Bedeutung mehr beigemessen zu werden
braucht und ihre Würdigung deshalb unterbleiben kann. Das gilt umso mehr,
wenn es sich wie hier um Umstände handelt, die - auch wenn sie nach Ver-
tragsschluss liegen - geeignet sein können, ein bestimmtes, bereits bei Ver-
tragsschluss vorherrschendes übereinstimmendes Vertragsverständnis der Par-
teien zum Ausdruck zu bringen (Senatsurteil vom 6. Juli 2005, aaO, unter II 2 a
bb m.w.N.).
Bei diesen vom Berufungsgericht außer Betracht gelassenen Gesichts-
punkten geht es namentlich um die in der dafür gestellten Rechnung angeblich
vermerkte Bezeichnung der Anzahlung als Leasingsonderzahlung sowie eine
Abbuchung der monatlichen Raten als Leasingraten, was die Klägerin jeweils in
das Wissen der Zeugin K. gestellt hat. Ferner könnte für die Sichtweise der
Klägerin sprechen, dass im handschriftlichen Zusatz der Service-Vereinbarung
auf einen Miet-/Leasingvertrag Bezug genommen ist und dass die Beklagte die
Zahlungen nicht - wie es nach ihrem Vertragsverständnis an sich zu erwarten
gewesen wäre - nach Ablauf von 24 Monaten eingestellt hat. Zumindest wäre
zu klären und zu würdigen gewesen, ob und inwieweit eine Hinnahme solcher
für einen Leasingvertrag sprechenden Umstände durch die Beklagte einen
Rückschluss auf ein bestimmtes Vertragsverständnis der Parteien zulässt oder
ob diese Umstände - was auch denkbar erscheint - eher nur als Zeichen einer
gewissen Gleichgültigkeit oder Nachlässigkeit der Beklagten bei der Abwicklung
des Geschäfts zu werten sind. Keine Bedeutung hat dagegen der vom Beru-
fungsgericht für sein Ergebnis zusätzlich aufgegriffene Eigentumsvorbehalt.
Denn das vom Berufungsgericht gewürdigte Zusammentreffen von Leasingver-
trag und Eigentumsvorbehalt beruht ersichtlich auf einer Vertauschung der von
der Klägerin zu den Akten gereichten Klauselwerke; das von der Beklagten ein-
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gereichte Leasingvertragsformular belegt vielmehr, dass dem Leasingvertrag
die dazu passenden Bedingungen beigefügt waren.
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2. Im Ergebnis zutreffend rügt die Revision weiter, dass das Berufungs-
gericht dem Beweisantritt auf Vernehmung der Zeugin K. , wonach entspre-
chend einer ausdrücklichen Vereinbarung zwischen den Parteien der Kaffeeau-
tomat nicht habe gekauft, sondern geleast werden sollen, nicht nachgegangen
ist. Die urkundsmäßig belegten Vereinbarungen der Parteien geben zum Ver-
hältnis des zunächst geschlossenen Kaufvertrages und des anschließend von
der Klägerin angenommenen Antrages auf Abschluss eines Leasingvertrages
zwar aus sich heraus keinen Aufschluss. Ebenso hat die Klägerin nicht näher
dargelegt, in welcher Weise, insbesondere durch welche mündlichen Abspra-
chen im Einzelnen das Verhältnis der verschiedenen Verträge in einem be-
stimmten Sinne geklärt worden sein soll. Im Gegenteil hat die Beklagte sogar
unwidersprochen vorgetragen, dass die Vertragsverhandlungen einschließlich
des Abschlusses nur mit dem betreffenden Außendienstmitarbeiter der Klägerin
geführt worden seien und mit niemand anders, auch nicht mit der benannten
Zeugin K. .
Gleichwohl hätte das Berufungsgericht den Zeugenbeweisantritt nicht als
von vornherein unerheblich werten dürfen. Es handelt sich bei dem in das Wis-
sen der Zeugin gestellten Willen der Vertragsparteien, den zunächst geschlos-
senen Kaufvertrag durch den Leasingvertrag zu ersetzen, um eine innere Tat-
sache, die in der Weise bewiesen werden kann, dass Indizien festgestellt wer-
den, welche den Schluss auf diese Tatsache zulassen (Senatsbeschluss vom
28. März 2006 - VIII ZB 100/04, NJW 2006, 1808, unter III 2 b; BGH, Urteil vom
30. April 1992 - VII ZR 78/91, NJW 1992, 2489, unter II 2). Zwar hätte es für
einen erheblichen Beweisantritt noch nicht genügt, die Zeugin K. ohne nähe-
re Darlegung der Umstände lediglich zu einem dahingehenden Parteiwillen zu
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benennen. Denn bei einem Indizienbeweis darf und muss der Richter vor der
Beweiserhebung prüfen, ob der Beweis schlüssig ist. Das wiederum lässt sich
nur aus den Umständen herleiten, aus denen sich die Kenntnis über den zu
beweisenden Parteiwillen ergeben soll (Senatsurteil vom 4. Mai 1983 - VIII ZR
94/82, WM 1983, 825, unter II 3 b). Solche Umstände, die auf eine entspre-
chende Willensbildung der Parteien zu Verhältnis und Bedeutung der getroffe-
nen Vertragsabreden schließen lassen könnten, sind von der Klägerin aber in
Bezug auf die Rechnungsstellung zur Sonderzahlung sowie ihre anschließende
Abbuchungspraxis vorgetragen worden. Das Berufungsgericht hätte diese Indi-
zien deshalb zumindest auf ihre Tauglichkeit überprüfen und bei Bejahung den
Zeugenbeweis erheben müssen.
III.
Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben und ist
aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Rechtsstreit ist wegen der nachzuholen-
den Feststellungen und der danach erneut vorzunehmenden Würdigung der
Vertragsumstände noch nicht zur Endentscheidung reif. Die Sache ist deshalb
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zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzu-
verweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Ball
Richter am Bundesgerichtshof
Hermanns
Wiechers ist wegen Urlaubs
gehindert, seine Unterschrift
beizufügen.
Ball
Karlsruhe, 29. April 2008
Dr. Hessel
Dr. Achilles
Vorinstanzen:
AG Osnabrück, Entscheidung vom 07.02.2007 - 15 C 465/06 (XXIX) -
LG Osnabrück, Entscheidung vom 27.07.2007 - 13 S 1/07 -