Urteil des BGH vom 17.12.2009
Leitsatzentscheidung
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZB 175/08
vom
17. Dezember 2009
in dem Insolvenzverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
InsO § 58
Bleibt der Insolvenzverwalter einem vom Insolvenzgericht angeordneten Termin zu
seiner Anhörung unentschuldigt fern, kann gegen ihn nur Zwangsgeld festgesetzt
werden. Eine Inhaftnahme ist unzulässig.
BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2009 - IX ZB 175/08 - LG Göttingen
AG
Göttingen
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter, die Richter Prof. Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Fischer und
Grupp
am 17. Dezember 2009
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 10. Zivilkammer
des Landgerichts Göttingen vom 3. Juli 2008 wird auf Kosten des
weiteren Beteiligten zu 2 als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird
auf 5.000 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Der weitere Beteiligte zu 1 (fortan: Insolvenzverwalter) wurde mit Be-
schluss des Insolvenzgerichts vom 1. April 2001 zum Insolvenzverwalter über
das Vermögen der D. GmbH & Co KG in G. bestellt. Mit Be-
schluss vom 10. November 2005 ernannte das Insolvenzgericht den weiteren
Beteiligten zu 2 zum Sonderinsolvenzverwalter (fortan: Sonderverwalter) zur
Prüfung der Frage, ob gegen den Insolvenzverwalter Schadensersatzansprü-
che zu Gunsten der Masse geltend zu machen sind. Der Aufgabenkreis des
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Sonderverwalters wurde mit Beschlüssen des Amtsgerichts vom 29. Mai 2007
und vom 11. Februar 2008 erweitert.
Mit Schriftsatz vom 12. Februar 2008 beantragte der Sonderverwalter die
Anberaumung eines Termins zur Anhörung des Insolvenzverwalters und legte
hierzu einen umfangreichen Fragenkatalog vor. Ferner regte er an, der Insol-
venzverwalter möge die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben an Ei-
des statt versichern. Hierauf bestimmte das Insolvenzgericht Termin zur Anhö-
rung des Insolvenzverwalters auf den 22. April 2008. Weder zu diesem noch zu
dem hierauf bestimmten Termin am 13. Juni 2008 erschien der Insolvenzver-
walter. Zu dem auf den 17. Juni 2008 anberaumten Termin ordnete das Insol-
venzgericht die zwangsweise Vorführung des Insolvenzverwalters durch den
Gerichtsvollzieher an, was ohne Erfolg blieb. Auch zu diesem Termin erschien
der Insolvenzverwalter nicht.
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Hierauf hat das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 19. Juni 2008 gegen
den Insolvenzverwalter Haftbefehl erlassen. Das Landgericht hat der sofortigen
Beschwerde des Insolvenzverwalters mit Beschluss vom 3. Juli 2008 stattgege-
ben (veröffentlicht in ZIP 2008, 1933) und die Haftanordnung aufgehoben. Mit
der Rechtsbeschwerde wendet sich der Sonderverwalter gegen diesen Be-
schluss.
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II.
Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig und deshalb zu verwerfen, § 577
Abs. 1 Satz 2 ZPO.
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1. Gemäß § 574 Abs. 1 ZPO ist die Rechtsbeschwerde gegen einen Be-
schluss statthaft, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder das Be-
schwerdegericht sie zugelassen hat. Die Befugnis zur Rechtsbeschwerde setzt
grundsätzlich voraus, dass auch eine entsprechende sofortige Beschwerde des
Rechtsmittelführers statthaft gewesen wäre (vgl. BGH, Beschl. v. 25. Juni 2009
- IX ZB 161/08, NZI 2009, 553 m.w.N.). Daran fehlt es hier. Dem Sonderverwal-
ter hätte, falls das Insolvenzgericht einen Antrag auf Verhaftung des Insolvenz-
verwalters abgelehnt hätte, hiergegen ein Beschwerderecht selbst dann nicht
zugestanden, wenn man - mit dem Insolvenzgericht - den Insolvenzverwalter
hier "in der Rolle des Schuldners" gesehen hätte (vgl. Jaeger/Schilken, InsO
§ 98 Rn. 33; MünchKomm-InsO/Passauer/Stephan, 2. Aufl. § 98 Rn. 31).
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2. Im Übrigen ist dem Beschwerdegericht darin Recht zu geben, dass
eine Inhaftnahme des Insolvenzverwalters im Gesetz nicht vorgesehen ist. Die
in § 98 InsO genannte Anordnung von Haft richtet sich, wie die Systematik der
§§ 97-99 InsO zeigt, nur gegen den Schuldner. Eine analoge Anwendung der
Haftbestimmung des § 98 InsO auf den Insolvenzverwalter scheidet entgegen
der Ansicht der Rechtsbeschwerde aus, weil gegen den Insolvenzverwalter ge-
richtete Zwangsmaßnahmen ausschließlich nach § 58 InsO zu beurteilen sind
und in dieser Bestimmung lediglich die Verhängung von Zwangsgeld angespro-
chen wird. Eine Haftanordnung gegen den Insolvenzverwalter in analoger An-
wendung von §§ 97, 98 InsO erweist sich mithin als nicht statthaft (HmbKomm-
InsO/Frind, 3. Aufl., § 58 Rn. 10; Lüke in Kübler/Prütting/Bork, InsO § 58
Rn. 20; Frege ZInsO 2008, 1130, 1132). Das Landgericht hat die Haftanord-
nung daher im angegriffenen Beschluss zu Recht als unzulässig beurteilt.
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3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 4 InsO, § 577 Abs. 6
Satz 3 ZPO abgesehen.
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Ganter Kayser Gehrlein
Fischer Grupp
Vorinstanzen:
AG Göttingen, Entscheidung vom 16.06.2008 - 74 IN 11/01 -
LG Göttingen, Entscheidung vom 03.07.2008 - 10 T 73/08 -