Urteil des BGH vom 23.10.2002

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 383/02
Verkündet
am:
2. März 2006
K i e f e r
Justizangestellter
als
Urkundsbeamter
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BJagdG § 11; UStG § 2
Zur Verpflichtung des Jagdpächters, bei einem mit einer juristischen Person
des öffentlichen Rechts geschlossenen Jagdpachtvertrag anfallende Mehr-
wertsteuer auf den Pachtzins und eine Wildschadensverhütungspauschale
zu zahlen.
BGH, Urteil vom 2. März 2006 - III ZR 383/02 - LG Koblenz
AG
Betzdorf
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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 2. März 2006 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter
Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Galke und Dr. Herrmann
für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel des beklagten Landes werden das Urteil der
3. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 23. Oktober 2002
aufgehoben und das Urteil des Amtsgerichts Betzdorf vom 21. De-
zember 2001 abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Mit Jagdpachtvertrag vom 24. März 1998 verpachtete das beklagte Land
dem Kläger die Jagdnutzung auf den zu einem staatlichen Eigenjagdbezirk ge-
hörenden Grundstücken gegen Zahlung einer jährlichen Pacht einschließlich
Wildschadensverhütungspauschale von 6.300 DM. Der Abschluss von Jagd-
pachtverträgen für das Bundesland erfolgt durch das jeweils zuständige Forst-
amt. Der Beklagte erzielte im Haushaltsjahr 2000 aus der Verpachtung von
Jagdrechten einen Nettoumsatz von 2.146.731,94 DM. Über die Zahlung des
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Pachtzinses enthält § 7 Abs. 1 des Jagdpachtvertrags folgende zusätzliche Re-
gelung:
Zur Zeit ist weder auf die Flächenpacht noch auf die Wildscha-
densverhütungspauschale eine Mehrwertsteuer zu erheben. Sollte
sich die Rechtslage ändern, wird rückwirkend (frühestens ab
Pachtbeginn) die Mehrwertsteuer in der gesetzlichen Höhe erho-
ben.
Im Anschluss an eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 11. Fe-
bruar 1999 (BFHE 187, 359 = BStBl. II 1999, 378) forderte der Beklagte mit
Schreiben vom 10. Januar 2001 von dem Kläger rückwirkend ab dem Jagdjahr
2000/2001 die Zahlung von 16 % Mehrwertsteuer (1.008 DM) auf den Pacht-
betrag und die Wildschadensverhütungspauschale. Der Kläger leistete die Zah-
lungen unter Vorbehalt. Mit der vorliegenden Feststellungsklage hat er geltend
gemacht, eine Änderung der Rechtslage sei insoweit nicht eingetreten. Um-
satzsteuer werde für die Verpachtung von Jagden nicht geschuldet.
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Die Vorinstanzen haben entschieden, dass der Kläger nicht verpflichtet
sei, auf den Pachtzins nebst Wildschadensverhütungspauschale für die Pacht-
jahre 2000/2001 und 2001/2002 Umsatzsteuer zu zahlen. Mit der - vom Beru-
fungsgericht zugelassenen - Revision verfolgt das beklagte Land seinen Klage-
abweisungsantrag weiter. Der erkennende Senat hat den Rechtsstreit mit
Rücksicht auf ein vor dem Bundesfinanzhof geführtes Parallelverfahren (V R
28/03) ausgesetzt. Dieses Verfahren ist, nachdem der Bundesfinanzhof seiner-
seits eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemein-
schaften eingeholt hatte (Entscheidung vom 26. Mai 2005 - C-43/04, ABl. EU
Nr. C 182, 14 [Tenor] = DStRE 2005, 841), durch Urteil vom 22. September
2005 (DB 2005, 2673 = DStR 2005, 2123) abgeschlossen.
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Entscheidungsgründe
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Die Revision hat Erfolg. Die negative Feststellungsklage des Klägers ist
unbegründet.
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I.
Das Amtsgericht, auf dessen Ausführungen das Landgericht in vollem
Umfang Bezug nimmt, hat als "Änderung der Rechtslage" im Sinne der zwi-
schen den Parteien streitigen Vertragsklausel nicht ausreichen lassen, dass die
Forstverwaltung des beklagten Landes nunmehr von der Finanzverwaltung zur
Umsatzsteuer veranlagt wird. Der Pachtvertrag sei vielmehr so auszulegen,
dass die Parteien die tatsächliche Rechtslage als Grundlage ihrer Vertragsbe-
ziehungen gelten lassen wollten. In Wirklichkeit handele es sich jedoch nicht um
einen steuerbaren bzw. steuerpflichtigen Umsatz nach den Vorschriften des
Umsatzsteuergesetzes. Denn der Beklagte sei, soweit es um die Verpachtung
der Jagdnutzung einschließlich Wildschadensverhütungspauschale gehe, nicht
Unternehmer im Sinne des § 2 UStG. Insoweit werde er weder im Rahmen ei-
nes Betriebs gewerblicher Art noch innerhalb seiner land- oder forstwirtschaftli-
chen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig. Es liege vielmehr eine reine Ver-
mögensverwaltung vor.
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II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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1.
Durch das erwähnte Urteil des Bundesfinanzhofs vom 22. September
2005 (aaO) ist inzwischen geklärt, dass eine juristische Person des öffentlichen
Rechts mit der Verpachtung ihrer Eigenjagd im Rahmen ihres land- und forst-
wirtschaftlichen Betriebs gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG gewerblich oder beruf-
lich tätig wird und dass sie insoweit nach den allgemeinen Vorschriften des Um-
satzsteuergesetzes - und nicht entsprechend den Durchschnittssätzen des § 24
UStG - zu besteuern ist, wenn, wie hier, der Grund und Boden, der den Eigen-
jagdbezirk bildet, zum land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen gehört.
Mit europäischem Recht steht dies nach der vom Bundesfinanzhof eingeholten
Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom
26. Mai 2005 (aaO) in Einklang. Der erkennende Senat schließt sich dieser Be-
urteilung des Bundesfinanzhofs an und verweist ergänzend hierauf. Die Steuer-
pflicht erstreckt sich entgegen der von dem Kläger in der mündlichen Revisi-
onsverhandlung vertretenen Ansicht als Teil des Leistungsaustauschs auch auf
die Wildschadensverhütungspauschale; sie dient zur Abdeckung von Aufwen-
dungen des Landes und ist - im Gegensatz möglicherweise zur Wildschadens-
pauschale (Vfg. der OFD Koblenz vom 25. Mai 1995, UR 1996, 27) - keine
Schadensersatzleistung (so auch Schreiben des Ministeriums für Umwelt und
Forsten des Landes Rheinland-Pfalz an die Forstverwaltung vom 30. Juni
2000).
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2.
Die Revision ist der Ansicht, die Vertragsbestimmung über eine Belas-
tung des Klägers als Jagdpächter mit der Mehrwertsteuer bei Änderungen der
Rechtslage sei, abweichend vom Wortlaut des § 545 Abs. 1 ZPO, als innerhalb
mehrerer Landgerichtsbezirke verwendete Allgemeine Geschäftsbedingung
vom Revisionsgericht frei auszulegen (in diesem Sinne jetzt auch BGHZ 163,
321, 324). Die Klausel sei so zu verstehen, dass schon eine von der Finanz-
verwaltung zur Frage der Umsatzsteuerpflicht gegenüber dem Zeitpunkt des
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Vertragsschlusses geänderte Rechtsauffassung eine Pflicht des Klägers zur
Erstattung der Umsatzsteuer auslöse.
Inwieweit dem zu folgen ist, kann offen bleiben. Die Klageabweisung wird
auf der Grundlage der erörterten Auslegung des Umsatzsteuergesetzes bereits
von der tatrichterlichen Erwägung getragen, die Parteien hätten die Erstattung
von Mehrwertsteuer von der tatsächlich bestehenden Umsatzsteuerpflicht ab-
hängig gemacht und dabei - so ist dem Zusammenhang der Entscheidungs-
gründe des Amtsgerichts zu entnehmen - auch eine geänderte, jedoch objektiv
zutreffende Rechtsansicht als "Änderung der Rechtslage" ausreichen lassen.
Das ist nicht zu beanstanden und entspricht dem Zweck der Klausel, eine etwa
später vom Verpächter zu zahlende Mehrwertsteuer in jedem Fall an den Jagd-
pächter weiterzugeben. Der Pächter wird dadurch nicht unzumutbar belastet, da
er mit einer solchen Verpflichtung nach dem Vertragstext - unabhängig von den
Bedingungen der Ausschreibung - von vornherein rechnen musste. Die auch
noch in der Revisionserwiderung vom Kläger aufgeworfene Frage nach einer
verfassungsrechtlich zulässigen Rückwirkung von Steuergesetzen stellt sich
hier nicht; das beklagte Land und somit vertraglich auch der Kläger schuldeten
bei richtigem Verständnis des Umsatzsteuergesetzes von Beginn des Pacht-
verhältnisses an die Mehrwertsteuer. Eine Verletzung des verfassungsrechtli-
chen Gleichheitsgrundsatzes im Hinblick auf eine unter-
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schiedliche Umsatzsteuerbelastung bei der Verpachtung von Jagden, je nach-
dem, ob der Verpächter im Sinne des § 2 UStG als Unternehmer gilt, ist ebenso
wenig ersichtlich.
Schlick
Wurm
Kapsa
Galke
Herrmann
Vorinstanzen:
AG Betzdorf, Entscheidung vom 21.12.2001 - 4 C 276/01 -
LG Koblenz, Entscheidung vom 23.10.2002 - 3 S 16/02 -