Urteil des BGH vom 21.10.2010

BGH (besetzung des gerichts, reihenfolge, auf lebenszeit, besetzung, auf probe, präsidium, offensichtliches versehen, marke, mitwirkung, mitglied)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
RiSt(B) 1/09
vom
21. Oktober 2010
in dem Disziplinarverfahren
des Richters
Antragsgegner,
Revisionskläger
und
Beschwerdeführer,
- Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt
gegen
das Land
Antragsteller,
Revisionsbeklagter
und
Beschwerdegegner,
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Der Bundesgerichtshof - Dienstgericht des Bundes - hat am 21. Oktober
2010 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Rissing-van Saan, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Joeres und
Prof. Dr. Fischer sowie die Richterinnen am Bundesgerichtshof Mayen und
Safari Chabestari
beschlossen:
Die Revision des Antragsgegners gegen das Urteil des Dienstge-
richtshofs für Richter bei dem Oberlandesgericht Stuttgart vom
20. Oktober 2009 und seine Beschwerde gegen die Nichtzulas-
sung der Revision in diesem Urteil werden verworfen.
Der Antragsgegner hat die Kosten des Revisions- und des Be-
schwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe:
I.
Der am geborene Antragsgegner legte am 18. Juni 1973
und am 7. Juli 1977 die juristischen Staatsprüfungen jeweils mit der Note "be-
friedigend" ab. Er wurde mit Wirkung vom 5. September 1977 als Richter auf
Probe in den höheren Justizdienst des Landes eingestellt,
am 5. September 1980 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit
zum Staatsanwalt und am 1. September 1989 zum Richter am Amtsgericht
ernannt.
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Am 15. November 2004 wurde ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren
gegen den Antragsgegner eingeleitet. Mit Strafbefehl vom 21. März 2005,
rechtskräftig seit dem 8. April 2005, wurde er wegen Besitzes kinderpornogra-
phischer Schriften zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, deren Vollstre-
ckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Ihm wurde als Bewährungs-
auflage eine Geldbuße von 10.000 € auferlegt. Dem Strafbefehl lag folgender
Sachverhalt zugrunde:
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"In der Zeit ab Sommer 2001 haben Sie unter Nutzung der bei Ihnen si-
chergestellten drei Computeranlagen (PC-Miditower der Marke Fujitsu,
Typ T-Bird; Laptop der Marke Samsung; Laptop der Marke Toshiba) in
Ihrer Wohnung im Internet auf
insgesamt 909 kinderpornographische Bilddateien, die deutlich unter
14 Jahre alte Jungen und Mädchen bei der Vornahme sexueller Hand-
lungen (Geschlechtsverkehr, Mundverkehr, Analverkehr) zeigen, zuge-
griffen und auf internen sowie externen Datenträgern abgespeichert bzw.
in Papierform ausgedruckt. So haben Sie unter Nutzung des ebenfalls
bei Ihnen sichergestellten Druckers der Marke Hewlett Packard, Typ
DeskJet 710C insgesamt 453 derartige Bilddateien ausgedruckt. Auf der
Festplatte des PC Miditower der Marke Fujitsu haben Sie 204 derartige
Bilddateien, auf der Festplatte des Laptop der Marke Toshiba haben Sie
53 sowie auf der Festplatte des Laptop Samsung haben Sie weitere 66
derartige kinderpornographische Bilddateien abgespeichert gehabt. Auf
den bei Ihnen sichergestellten fünf Compactdiscs haben Sie weitere 133
Bilddateien mit den zuvor beschriebenen Inhalten abgespeichert gehabt.
Weiter haben Sie auf den vorgenannten Speichermedien insgesamt
1.533 Bilddateien abgespeichert gehabt, wobei sich aus dem Kontext
dieser Bilddateien ergibt, dass die jeweils abgebildeten Kinder durch ei-
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nen Photografen so positioniert wurden, dass ihr Geschlechtsteil jeweils
in besonders aufreißerischer Weise auf den jeweiligen Photografien her-
vorgehoben wird.
Diese insgesamt 2.442 kinderpornographischen Bilddateien haben Sie
bis zum Vollzug der richterlich angeordneten Durchsuchung Ihrer Woh-
nung am 16.11.2004 in Ihrem Besitz gehabt.
Unter diesen insgesamt 2.442 Bilddateien haben sich 48 kinderporno-
graphische Bilddateien befunden, die Sie unter Nutzung des ebenfalls
bei Ihnen sichergestellten Scanners der Marke Agfa, Typ Snapscan
1212U, aus der Akte des Amtsgerichts , auf
die Sie im Rahmen Ihrer Dienstausübung Zugriff hatten, zu einem nicht
bekannten Zeitpunkt, frühestens am 05. August 2002 auf die Festplatte
des bei Ihnen sichergestellten PC Miditowers Fujitsu exportiert sowie im
Anschluss hieran in Papierform ausgedruckt haben.
Dass die auf den 2.442 Bilddateien abgebildeten Jungen und Mädchen
noch nicht 14 Jahre alt waren, war Ihnen auf Grund des äußeren Er-
scheinungsbildes dieser Kinder bewusst. Auch war Ihnen bewusst, dass
diese Bilddateien ohne Vermittlung weiterer gedanklicher Inhalte nur auf
sexuelle Stimulation des Betrachters abzielten."
Auf seinen Antrag vom 26. November 2004 wurde der Antragsgegner am
8. Dezember 2004 aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand versetzt.
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Das Dienstgericht für Richter bei dem Landgericht Karlsruhe hat auf den
Antrag des Antragstellers das förmliche Disziplinarverfahren eröffnet und durch
Urteil vom 3. November 2008 dem Antragsgegner das Ruhegehalt aberkannt
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und ihm für die Dauer von 24 Monaten einen Unterhaltsbeitrag in Höhe von
60% des erdienten Ruhegehaltes gewährt.
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Die auf das Disziplinarmaß beschränkte Berufung des Antragsgegners
hat der Dienstgerichtshof für Richter bei dem Oberlandesgericht Stuttgart durch
Urteil vom 20. Oktober 2009 zurückgewiesen. Zur Begründung hat er im We-
sentlichen ausgeführt, das dem Strafbefehl vom 21. März 2005 zugrunde lie-
gende Verhalten des Antragsgegners stelle ein schweres Dienstvergehen im
Sinne des § 8 LRiG BW, § 95 Abs. 1 Satz 2 LBG BW dar, das mit der Aberken-
nung des Ruhegehaltes zu ahnden sei. Eine verminderte Schuldfähigkeit des
Antragsgegners liege nicht vor. § 12 LDO BW, nach dem das Ruhegehalt aber-
kannt werden könne, sei verfassungsgemäß, europarechtskonform und begeg-
ne auch im Hinblick auf Art. 11 des Internationalen Paktes vom 19. Dezember
1966 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (BGBl. 1973 II 1569)
keinen Bedenken. Die Revision hat der Dienstgerichtshof nicht zugelassen.
Gegen das Urteil des Dienstgerichtshofs richtet sich die Revision des An-
tragsgegners, mit der er beantragt, das Urteil des Dienstgerichtshofs aufzuhe-
ben. Er rügt, der Dienstgerichtshof sei nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen,
und meint, die Revision bedürfe gemäß § 81 Abs. 3 Nr. 1 DRiG keiner Zulas-
sung. Ferner stellt er den Antrag, die Revision gegen das Urteil des Dienstge-
richtshofs zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe
und das Urteil des Dienstgerichtshofs von einer Entscheidung des Bundesver-
waltungsgerichts abweiche und auf dieser Abweichung beruhe (§ 81 Abs. 1
Satz 2 Nr. 1 und 2 DRiG). Wegen des Vorbringens des Antragsgegners wird auf
seine Schriftsätze vom 6. und 19. November 2009 sowie vom 4. März und
13. August 2010 Bezug genommen.
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Der Antragsteller beantragt, die Rechtsmittel des Antragsgegners zu-
rückzuweisen. Wegen seines Vorbringens wird auf die Schriftsätze vom
5. Januar und 25. Juni 2010 verwiesen.
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Der Dienstgerichtshof hat der Nichtzulassungsbeschwerde, als die er
den Antrag auf Zulassung der Revision angesehen hat, durch Beschluss vom
24. November 2009 nicht abgeholfen und das Verfahren dem Dienstgericht des
Bundes zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde sind unzulässig.
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1. Die Revision, mit der Besetzungsrügen erhoben werden, bedarf zwar
gemäß § 81 Abs. 3 Nr. 1 DRiG keiner Zulassung. Sie ist aber gemäß § 82
Abs. 3 Satz 1 DRiG, § 144 Abs. 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch
Beschluss als unzulässig zu verwerfen, weil Besetzungs-, d.h. Verfahrensmän-
gel im Sinne des § 81 Abs. 3 DRiG nicht ordnungsgemäß gerügt und zulässig
erhoben worden sind.
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a) § 81 Abs. 3 DRiG sieht nach dem Vorbild des § 133 VwGO in seiner
bis zum 31. Dezember 1990 geltenden Fassung eine zulassungsfreie Revision
wegen bestimmter Verfahrensmängel vor (Schmidt-Räntsch, Deutsches Rich-
tergesetz, 6. Aufl., § 81 Rn. 16). Bei der Auslegung des § 81 Abs. 3 DRiG kann
daher die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes zu § 133 VwGO
aF herangezogen werden. Danach sind Verfahrensmängel nur dann ordnungs-
gemäß gerügt und zulässig erhoben, wenn die zur Begründung vorgetragenen
Tatsachen, ihre Richtigkeit unterstellt, die Mängel ergeben (BVerwG, Beschluss
vom 18. März 1982 - 9 CB 1076.81, Buchholz § 133 VwGO Nr. 35). Die schlüs-
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sige Rüge einer fehlerhaften Besetzung der Richterbank setzt zunächst den
Vortrag von Tatsachen voraus, aus denen das Revisionsgericht ableiten kann,
dass das Instanzgericht fehlerhaft besetzt war (BVerwG, Beschluss vom 12. Juli
1982 - 5 CB 117.81, Buchholz § 133 VwGO Nr. 37). Dies reicht allerdings zur
ordnungsgemäßen Erhebung einer Besetzungsrüge nicht aus, weil nicht jeder
Verfahrensfehler den Anspruch auf eine vorschriftsmäßige Besetzung des Ge-
richts verletzt und damit gegen das Gebot des gesetzlichen Richters im Sinne
des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstößt. Ein Gericht ist vielmehr nur dann nicht
vorschriftsmäßig besetzt, wenn willkürliche oder manipulative Erwägungen für
die Fehlerhaftigkeit des gerügten Mangels bestimmend gewesen sind (BVerwG,
Beschlüsse vom 13. Juni 1991 - 5 ER 614.90, Buchholz § 138 Nr. 1 VwGO
Nr. 28 und vom 31. Oktober 1994 - 8 B 112.94, Buchholz § 54 VwGO Nr. 51).
Von einer auf Willkür beruhenden Entscheidung kann erst gesprochen werden,
wenn die Entscheidung des Gerichts bei verständiger Würdigung der das
Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und
offensichtlich unhaltbar ist (BVerwG, Beschluss vom 13. Juni 1991 - 5 ER
614.90, Buchholz § 138 Nr. 1 VwGO Nr. 28; vgl. auch BGH, Beschluss vom
5. Mai 1994 - VGS 1 - 4/93, BGHZ 126, 63, 71 mwN; Sodan/Neumann, VwGO,
2. Aufl., § 138 Rn. 19). Soweit es für die Beurteilung der ordnungsgemäßen
Besetzung auf gerichtsinterne Vorgänge ankommt, die den Verfahrensbeteilig-
ten nicht ohne weiteres bekannt sind, müssen diese hierüber durch zweckent-
sprechende Ermittlungen Aufklärung anstreben (BVerwG, Beschluss vom
26. März 1982 - 9 CB 1019.81, Buchholz § 133 VwGO Nr. 36).
b) Gemessen hieran ist mit der Revision eine Besetzungsrüge nicht ord-
nungsgemäß erhoben worden, weil die zur Begründung vorgetragenen Tatsa-
chen, ihre Richtigkeit unterstellt, einen Besetzungsmangel nicht ergeben.
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aa) (1) Die Revision rügt, der Dienstgerichtshof sei mit Rechtsanwalt
Dr. D. als ständigem anwaltlichen Beisitzer nicht ordnungsgemäß besetzt
gewesen. Nach § 77 Abs. 4 Satz 6 DRiG solle die Zahl der anwaltlichen Mit-
glieder eines Dienstgerichts verhältnismäßig der Mitgliederzahl der einzelnen
Rechtsanwaltskammern entsprechen, wenn - wie im vorliegenden Fall - im Zu-
ständigkeitsbereich des Dienstgerichts mehrere Rechtsanwaltskammern beste-
hen. Diesem Erfordernis sei nicht genügt, weil der Bestellung der anwaltlichen
Mitglieder des Dienstgerichtshofes durch das Präsidium des Oberlandesge-
richts Stuttgart nur eine Liste der Rechtsanwaltskammer Stuttgart zugrunde ge-
legen habe, auf der nur Rechtsanwälte aus den Kammerbezirken Stuttgart und
Tübingen, nicht aber aus den Kammerbezirken Karlsruhe und Freiburg aufge-
führt gewesen seien.
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In dem Beschluss, durch den das Präsidium des Oberlandesgerichts
Stuttgart die anwaltlichen Mitglieder bestellt habe, sei die Reihenfolge, in der sie
heranzuziehen seien, festgelegt worden. Rechtsanwalt Dr. D. sei erst an
fünfter Stelle aufgeführt. Es sei nicht ersichtlich, aus welchen Gründen er gera-
de zu dem vorliegenden Verfahren hinzugezogen worden sei. Außerdem sehe
§ 77 Abs. 4 Satz 1 DRiG, § 68 Abs. 1 LRiG BW die Mitwirkung eines ständigen
anwaltlichen Beisitzers vor. Die Bestellung eines ständigen anwaltlichen Beisit-
zers könne dem Beschluss des Präsidiums des Oberlandesgerichts Stuttgart
jedoch nicht entnommen werden. Allenfalls könnten der an erster Stelle aufge-
führte Rechtsanwalt als ständiger anwaltlicher Beisitzer und die nachfolgenden
Rechtsanwälte als seine Vertreter angesehen werden. Dann sei aber der an
erster Stelle genannte Rechtsanwalt zur Mitwirkung im vorliegenden Verfahren
berufen gewesen.
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(2) Mit diesen Ausführungen ist eine Besetzungsrüge bereits deshalb
nicht zulässig erhoben worden, weil der Antragsgegner innerhalb der Revisi-
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onsbegründungsfrist nicht geltend gemacht hat, ein von ihm behaupteter Beset-
zungsfehler beruhe auf objektiver Willkür, und keinen Anhaltspunkt dafür vorge-
tragen hat, dass willkürliche oder manipulative Erwägungen für die Fehlerhaf-
tigkeit des als Mangel gerügten Vorganges bestimmend gewesen seien.
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Außerdem hat die Revision keine Tatsachen vorgetragen, die, ihre Rich-
tigkeit unterstellt, eine Verletzung des § 77 Abs. 4 Satz 6 DRiG ergeben. Die
Zahl der anwaltlichen Mitglieder des Dienstgerichtshofs entspricht zwar nicht
verhältnismäßig der Mitgliederzahl der im Zuständigkeitsbezirk des Dienstge-
richtshofes bestehenden Rechtsanwaltskammern Karlsruhe, Freiburg, Stuttgart
und Tübingen. § 77 Abs. 4 Satz 6 DRiG ist aber lediglich eine Soll-Vorschrift,
von der in atypischen Fällen aus besonderen Gründen nach pflichtgemäßem
Ermessen abgewichen werden kann (vgl. BVerwG, Urteile vom 17. September
1987 - 5 C 26/84, BVerwGE 78, 101, 105 und vom 2. Juli 1992 - 5 C 39/90,
BVerwGE 90, 275, 278). Der Antragsgegner trägt nicht vor, dass hinreichende
Gründe für ein Abweichen von § 77 Abs. 4 Satz 6 DRiG nach pflichtgemäßem
Ermessen gefehlt haben bzw. dass er zweckentsprechende Ermittlungen zur
Aufklärung dieser Gründe angestellt hat. Aus dem vom Antragsteller vorgeleg-
ten Schreiben der Rechtsanwaltskammer Stuttgart vom 18. August 2006 geht
lediglich hervor, dass die vier Rechtsanwaltskammern sich darauf geeinigt ha-
ben, dass die Rechtsanwaltskammern Stuttgart und Tübingen Vorschläge für
die Besetzung des Dienstgerichtshofes und die Rechtsanwaltskammern
Freiburg und Karlsruhe Vorschläge für die Besetzung des Dienstgerichts ma-
chen, nicht aber, aus welchen Gründen dies geschehen ist.
Dem Vortrag der Revision ist ferner nicht zu entnehmen, dass die Heran-
ziehung von Rechtsanwalt Dr. D. zum vorliegenden Verfahren nicht der vom
Präsidium des Oberlandesgerichts Stuttgart festgelegten Reihenfolge ent-
spricht. Dazu hätte es näherer Darlegung bedurft, welcher Rechtsanwalt auf-
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grund der festgelegten turnusmäßigen Abfolge nach den zuvor vom Dienstge-
richtshof entschiedenen Sachen im vorliegenden Verfahren heranzuziehen war.
Daran fehlt es.
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Zum Begriff des ständigen anwaltlichen Beisitzers hat der Vorsitzende
des Dienstgerichtshofes in seiner vom Antragsteller vorgelegten Stellungnahme
vom 22. Juni 2010 ausgeführt, dieser werde nicht personal, sondern funktional
verstanden. Die Mitwirkung eines ständigen anwaltlichen Beisitzers solle si-
cherstellen, dass Sachverstand von außerhalb der Justiz in die Entscheidungen
einfließe und auch nur der Anschein kollegialer Milde vermieden werde. Diese
sachbezogenen und keinesfalls willkürlichen oder manipulativen Erwägungen
schließen die Annahme einer fehlerhaften Besetzung aus.
bb) (1) Die Revision rügt ferner, Vorsitzender Richter am Verwaltungsge-
richtshof Dr. S. sei nicht ordnungsgemäß zum Vorsitzenden des Dienst-
gerichtshofes bestimmt worden. Gemäß § 69 Abs. 2 Satz 1 LRiG BW sei der
Vorsitzende aus dem Kreis der ständigen richterlichen Mitglieder zu bestimmen.
Vorsitzender Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. S. sei aber nicht
zunächst zum ständigen richterlichen Mitglied und erst danach zum Vorsitzen-
den, sondern unmittelbar zum Vorsitzenden bestimmt worden. Außerdem habe
das Präsidium des Verwaltungsgerichtshofes Dr. S. entgegen § 67
Abs. 2 Satz 1 LRiG BW nicht zum ständigen richterlichen Mitglied, sondern zum
Vorsitzenden des Dienstgerichtshofes vorgeschlagen. Schließlich sei entgegen
§ 69 Abs. 2 Satz 2 LRiG BW der Vorsitzende des Dienstgerichtshofes nicht ab-
wechselnd den Vorschlagslisten der ordentlichen Gerichtsbarkeit und der Ver-
waltungsgerichtsbarkeit entnommen worden.
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(2) Auch diese Besetzungsrüge ist nicht zulässig erhoben, weil innerhalb
der Revisionsbegründungsfrist kein Anhaltspunkt dafür vorgetragen worden ist,
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dass den gerügten Vorgängen willkürliche und manipulative Erwägungen
zugrunde liegen. Darüber hinaus kann die Bestimmung des Vorsitzenden des
Dienstgerichtshofs aufgrund der von der Revision vorgetragenen Tatsachen
nicht als fehlerhaft angesehen werden. In der Bestimmung von Vorsitzendem
Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. S. zum Vorsitzenden des
Dienstgerichtshofes ist zugleich seine Bestellung zum ständigen richterlichen
Mitglied zu sehen. Eine zeitlich gestaffelte Bestimmung zunächst zum ständi-
gen richterlichen Mitglied und anschließend zum Vorsitzenden ist zur Einhal-
tung des § 69 Abs. 2 Satz 1 LRiG BW nicht erforderlich. Auch § 67 Abs. 2
Satz 1 LRiG BW ist nicht verletzt. In dem maßgeblichen Beschluss des Präsidi-
ums des Verwaltungsgerichtshofs vom 26. Juli 2006 ist Vorsitzender Richter am
Verwaltungsgerichtshof Dr. S. als ständiges Mitglied vorgeschlagen
worden. Der Vorschlag, ihn zum Vorsitzenden des Dienstgerichtshofs zu bestel-
len, findet sich lediglich in dem für die Wahrung des § 67 Abs. 2 Satz 1 LRiG
BW nicht entscheidenden Anschreiben des Präsidenten des Verwaltungsge-
richtshofs vom 27. Juli 2006. Ein Verstoß gegen § 69 Abs. 2 Satz 2 LRiG BW ist
ebenfalls nicht schlüssig vorgetragen worden, weil die Revision nicht darlegt,
wer in der vorangegangenen Amtsperiode Vorsitzender des Dienstgerichtsho-
fes war. Deshalb lässt sich nicht feststellen, dass der Vorsitzende nicht ab-
wechselnd den Vorschlagslisten der ordentlichen Gerichtsbarkeit und der Ver-
waltungsgerichtsbarkeit entnommen worden ist.
cc) (1) Gegen die Besetzung des Dienstgerichtshofes mit Vorsitzender
Richterin am Landgericht G. wendet die Revision ein, den Besetzungs-
unterlagen sei nicht zu entnehmen, dass die Richterin nach der vom Präsidium
des Oberlandesgerichts Stuttgart festgestellten Reihenfolge tatsächlich zur Mit-
wirkung an vorliegender Sache berufen gewesen sei.
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(2) Mit diesen Ausführungen ist ein Besetzungsmangel nicht schlüssig
vorgetragen. Dazu wäre der Vortrag erforderlich gewesen, dass Vorsitzende
Richterin am Landgericht G. nach der festgelegten Reihenfolge nicht
zur Mitwirkung an vorliegender Sache berufen war.
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dd) (1) Die Revision meint, auch in Bezug auf Vorsitzenden Richter am
Landessozialgericht A. sei zu prüfen, ob die vom Präsidium des
Oberlandesgerichts Stuttgart festgelegte Reihenfolge eingehalten worden sei.
Außerdem sei Art. 101 Abs. 2 GG verletzt, weil in den Beschlüssen des Präsi-
diums des Oberlandesgerichts Stuttgart nicht unzweifelhaft festgelegt sei, in
welcher Reihenfolge der nichtständige richterliche Beisitzer im Sinne des § 69
Abs. 3 Satz 2 LRiG BW aus der Sozial-, der Arbeits- und der Finanzgerichts-
barkeit heranzuziehen sei.
(2) Auch diese Ausführungen reichen zur schlüssigen Darlegung eines
Besetzungsmangels nicht aus. Dass Vorsitzender Richter am Landessozialge-
richt A. nicht in der vorgesehenen Reihenfolge herangezogen wor-
den ist, legt die Revision nicht dar. Im Übrigen bestimmt der Beschluss des
Präsidiums des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 12. Oktober 2006 zwar nicht
ausdrücklich in welcher Reihenfolge ein nichtständiger richterlicher Beisitzer der
Arbeits-, der Finanz- oder der Sozialgerichtsbarkeit zu entnehmen ist. Der Be-
schluss kann aber dahin ausgelegt werden, dass die Richter aus diesen Ge-
richtsbarkeiten in der im Beschluss aufgeführten Reihenfolge heranzuziehen
sind. Willkürliche oder manipulative Erwägungen zeigt die Revision auch in die-
sem Zusammenhang nicht auf.
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ee) (1) Gegen die Besetzung des Dienstgerichtshofes mit Vorsitzendem
Richter am Landgericht W. wendet die Revision ein, dieser sei vom Präsidi-
um des Oberlandesgerichts Karlsruhe für die Geschäftsjahre 2006 bis 2010
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vorgeschlagen worden, obwohl die Amtszeit tatsächlich erst am 31. Oktober
2011 ende. Außerdem sei der Akte auch in Bezug auf Vorsitzenden Richter am
Landgericht W. nicht zu entnehmen, dass er in der vom Präsidium des
Oberlandesgerichts Stuttgart bestimmten Reihenfolge herangezogen worden
sei.
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(2) Diesem Vortrag ist kein Besetzungsmangel zu entnehmen. Die Zeit-
angabe "2006 bis 2010" im Beschluss des Präsidiums des Oberlandesgerichts
Karlsruhe vom 18. September 2006 ist ein offensichtliches Versehen. Dies wird
daran deutlich, dass zuvor das Ende der vorangegangenen Amtszeit am
31. Oktober 2006 richtig angegeben wird. Deshalb besteht kein Zweifel daran,
dass die Vorschlagsliste sich auf die laufende Amtszeit vom 1. November 2006
bis zum 31. Oktober 2011 bezieht. Hinsichtlich der Einhaltung der Reihenfolge
wird auf die vorstehenden Ausführungen unter II. 1. b) cc) und dd) verwiesen.
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Antragsgegners, als die sein An-
trag auf Zulassung der Revision auszulegen ist, ist unzulässig, weil die Begrün-
dung nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht. In der Beschwerde-
schrift wird weder eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage mit
einer über den Einzelfall hinausgehenden Bedeutung dargelegt noch eine Ent-
scheidung des Dienstgerichts des Bundes, von der das angefochtene Urteil
abweicht, bezeichnet (§ 81 Abs. 2 Satz 3 DRiG). Abgesehen davon liegt ein
Zulassungsgrund offensichtlich nicht vor. Von einer weiteren Begründung wird
gemäß § 81 Abs. 2 Satz 6 DRiG abgesehen.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung der
§ 77 Abs. 1 und 4 BDG, § 154 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit § 63 Abs. 1
DRiG.
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Rissing-van Saan
Joeres
Fischer
Mayen
Safari
Chabestari
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 03.11.2008 - RDG 3/05 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 20.10.2009 - DGH 1/09 -