Urteil des BGH vom 13.09.2012

Biomineralwasser Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 230/11
Verkündet am:
13. September 2012
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
Biomineralwasser
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2; UWG § 4 Nr. 11, § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1; LFGB § 11
Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3; MTVO §§ 2 bis 8; LMKV §§ 3, 4; ÖkoKennzG § 1
Abs. 2 Nr. 2
a) Bei der wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklage bildet die konkrete Ver-
letzungsform den Streitgegenstand, wenn mit der Klage ein entsprechendes
Unterlassungsbegehren verfolgt wird. Der Streitgegenstand umfasst in die-
sem Fall - unabhängig davon, ob der Kläger sich auf diese Rechtsverletzung
gestützt und den zu dieser Rechtsverletzung gehörenden Tatsachenvortrag
gehalten hat - alle Rechtsverletzungen, die in der konkreten Verletzungsform
verwirklicht sind, auch wenn die verschiedenen Verletzungen jeweils einen
unterschiedlichen Tatsachenvortrag erfordern. Entsprechendes gilt, wenn
dem Beklagten mit der Unterlassungsklage unabhängig vom konkreten Um-
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feld die Verwendung einer bestimmten Bezeichnung untersagt werden soll
(Aufgabe von BGH, Urteil vom 8. Juni 2000 - I ZR 269/97, GRUR 2001, 181,
182 = WRP 2001, 28 - dentalästhetika I; Urteil vom 13. Juli 2006
- I ZR 222/03, GRUR 2007, 161 Rn. 9 = WRP 2007, 66 - dentalästhetika II).
Dem Kläger steht es aber frei, mehrere in einer konkreten Verletzungsform
oder mit der Verwendung einer bestimmten Bezeichnung verwirklichte
Rechtsverletzungen im Wege der kumulativen Klagehäufung jeweils geson-
dert anzugreifen.
b)
Die Verwendung der Bezeichnung „Biomineralwasser“ stellt keine irreführen-
de Werbung mit einer Selbstverständlichkeit dar, wenn sich das fragliche Mi-
neralwasser von anderen Mineralwässern dadurch abhebt, dass der Anteil
an Rückständen und Schadstoffen besonders niedrig ist. Der Verkehr erwar-
tet von einem unter der Bezeichnung „Biomineralwasser“ vertriebenen Mine-
ralwasser auch nicht, dass es sich um eine staatlich verliehene und überprüf-
te Zertifizierung handelt.
c) Das Gebot des § 3 Abs. 1 Nr. 1 LMKV, beim Inverkehrbringen von natürli-
chem Mineralwasser diese Verkehrsbezeichnung anzugeben, steht der zu-
sätzlichen Verwendung der Bezeichnung „Biomineralwasser“ nicht entgegen.
d) Das Verbot des § 1 Abs. 2 Nr. 2 ÖkoKennzG, ein Erzeugnis mit einer dem
Öko-Kennzeichen nachgemachten, zu Fehlvorstellung verleitenden Kenn-
zeichnung in Verkehr zu bringen, stellt eine Marktverhaltensregelung im Sin-
ne des § 4 Nr. 11 UWG dar.
BGH, Urteil vom 13. September 2012 - I ZR 230/11 - OLG Nürnberg
LG Nürnberg-Fürth
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 13. September 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Born-
kamm und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Prof. Dr. Schaffert und
Dr. Koch
für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin und die Anschlussrevision des Beklag-
ten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg - 3. Zivil-
senat - vom 15. November 2011 werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens werden der Klägerin zu 3/4
und dem Beklagten zu 1/4 auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Beklagte bietet seit September 2009 ein natürliches Mineralwasser
an, das er als
„Biomineralwasser“ bezeichnet und dessen Flaschen auf der
Vorderseite wie nachfolgend abgebildet etikettiert sind:
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Der Beklagte hat außerdem eine
„Qualitätsgemeinschaft Biomineralwas-
ser e.V.
“ (nachfolgend: Qualitätsgemeinschaft) gegründet, die einen Anforde-
rungskatalog für
„Biomineralwasser“ erstellt und ein Zertifizierungssystem für
die Verwendung eines
„BiO-Mineralwasser-Zeichens“ geschaffen hat, das im
nachfolgend wiedergegebenen Unterlassungsantrag zu b dargestellt und für
den Beklagten als deutsche Wort-Bild-Marke Nr. 302009003191 eingetragen
ist.
Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V.,
beanstandet die Verwendung der Bezeichnung
„Biomineralwasser“ und des
BiO-Mineralwasser-Zeichens für natürliches Mineralwasser. Sie macht geltend,
der Verkehr verbinde mit der Bezeichnung
„Biomineralwasser“ Qualitätsmerk-
male, die für ein natürliches Mineralwasser ohnehin gesetzlich vorgeschrieben
und daher selbstverständlich seien. Zudem gingen die angesprochenen Ver-
kehrskreise irrtümlich davon aus, dass besondere gesetzliche oder sonstige
hoheitliche Vorgaben für den Herstellungsprozess eines solchen Mineralwas-
sers bestünden. Des Weiteren sei der Begriff
„Biomineralwasser“ eine nach der
Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung nicht zulässige Verkehrsbezeich-
nung. Bei dem vom Beklagten verwendeten BiO-Mineralwasser-Zeichen hande-
le es sich um eine irreführende Nachahmung des nachfolgend abgebildeten ge-
setzlichen Öko-Kennzeichens:
Die Verwendung des BiO-Mineralwasser-Zeichens sei zudem ebenfalls
eine irreführende Werbung mit Selbstverständlichkeiten und geeignet, den Ver-
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kehr über die Eigenschaften des damit gekennzeichneten Mineralwassers zu
täuschen.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurtei-
len, es zu unterlassen,
a) natürliches Mineralwasser unter der Bezeichnung
„Biomineralwasser“ zu
bewerben und/oder in den Verkehr zu bringen,
b) das Kennzeichen
in der Werbung für und/oder beim Inverkehrbringen von natürlichem Mine-
ralwasser oder anderen alkoholfreien Getränken, hergestellt unter Verwen-
dung von natürlichem Mineralwasser, zu benutzen.
Darüber hinaus hat die Klägerin die Erstattung von pauschalen Abmahn-
kosten in Höhe von 208,65
€ nebst Zinsen beansprucht.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben (LG Nürnberg-Fürth, Urteil
vom 19. Januar 2011 - 3 O 819/10, juris).
Im Berufungsverfahren hat die Klägerin, soweit sie die Bezeichnung
„Biomineralwasser“ als unzulässige Verkehrsbezeichnung beanstandet hat, hin-
sichtlich des Unterlassungsantrags zu a hilfsweise beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, natürliches Mineralwasser un-
ter der hervorgehobenen Bezeichnung
„Bio-Mineralwasser“, und weiter hilfs-
weise unter der Verkehrsbezeichnung
„Bio-Mineralwasser“ zu bewerben
und/oder in Verkehr zu bringen.
Das Berufungsgericht hat das Urteil des Landgerichts teilweise abgeän-
dert und die Klage mit dem Unterlassungsantrag zu a samt den hierzu gestell-
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ten Hilfsanträgen abgewiesen. Im Übrigen hat es die Berufung des Beklagten
zurückgewiesen (OLG Nürnberg, GRUR-RR 2012, 224).
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurück-
weisung der Beklagte beantragt, erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des
landgerichtlichen Urteils. Der Beklagte verfolgt im Wege der Anschlussrevision
seinen Antrag auf Abweisung der Klage weiter. Die Klägerin tritt der Anschluss-
revision entgegen.
Entscheidungsgründe:
Das Berufungsurteil hält den Angriffen sowohl der Revision als auch der
Anschlussrevision stand.
I. Das Berufungsgericht hat die vom Beklagten für sein Mineralwasser
verwendete Bezeichnung
„Biomineralwasser“ im Gegensatz zu dem von ihm
des Weiteren verwendeten
„BiO-Mineralwasser-Zeichen“ als zulässig angese-
hen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Die Bezeichnung
„Biomineralwasser“ für natürliches Mineralwasser stelle
keine nach § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 LFGB verbotene Bezeichnung mit einer
Selbstverständlichkeit dar. Der Verbraucher erwarte bei der Verwendung der
Bezeichnung
„Bio“ für ein Mineralwasser, dass sich dieses im Hinblick auf seine
Gewinnung und seinen Gehalt an Schadstoffen von normalen Mineralwässern
abhebe. Die beanstandete Bezeichnung enthalte auch keine zur Täuschung der
Verbraucher geeignete Aussage im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LFGB.
Bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen, die den Bestimmungen der Verord-
nung (EG) Nr. 834/2007 über die ökologische/biologische Produktion und die
Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen und zur Aufhe-
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bung der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 (EG-Öko-Verordnung) unterlägen,
verbinde der Verkehr mit dem Begriff
„Bio“ zwar eine staatliche Überwachung
oder Lizenzierung. Wegen der Vielzahl der so bezeichneten Produkte habe der
angesprochene Durchschnittsverbraucher aber nicht die Vorstellung, dass hin-
ter einer solchen Bezeichnung in jedem Fall ein staatliches System oder eine
staatliche Verleihung stehe. Eine gegenteilige Verbrauchererwartung wider-
spreche zudem den Bestimmungen der EG-Öko-Verordnung. Der Beklagte
kennzeichne sein Mineralwasser in der konkreten Verletzungsform zwar nicht
mit der nach der Mineral- und Tafelwasser-Verordnung (MTVO) vorgegebenen
Verkehrsbezeichnung
„natürliches Mineralwasser“ und erwecke damit den Ein-
druck,
„Biomineralwasser“ sei die nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 der Lebensmittel-
Kennzeichnungsverordnung (LMKV) anzugebende Verkehrsbezeichnung die-
ses Wassers. Das von der Klägerin mit dem Unterlassungshauptantrag zu a
erstrebte umfassende Verbot der Verwendung des Begriffs
„Biomineralwasser“
sei aber ein unzulässiges Schlechthinverbot. Die hierzu gestellten Hilfsanträge
seien nicht hinreichend bestimmt.
Begründet seien dagegen der Unterlassungsantrag zu b und der An-
spruch der Klägerin auf Ersatz der Kosten ihrer daher teilweise berechtigten
Abmahnung. Die Verwendung des BiO-Mineralwasser-Zeichens durch den Be-
klagten sei nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Öko-Kennzeichengesetzes (ÖkoKennzG)
verboten. Das Zeichen stelle eine Nachahmung des gesetzlichen Öko-Kenn-
zeichens dar und erwecke damit den Eindruck, dass es sich um ein Derivat die-
ses Kennzeichens handele und deshalb ebenfalls staatlich geschützt sei.
II. Die Revision hat keinen Erfolg. Der Klägerin steht der mit dem Unter-
lassungshauptantrag zu a und den dazu in zweiter Instanz gestellten Hilfsanträ-
gen gegen den Beklagten geltend gemachte Anspruch auf ein Verbot der Ver-
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wendung der Bezeichnung
„Biomineralwasser“ für natürliches Mineralwasser
nicht zu.
1. Der Unterlassungshauptantrag zu a ist nicht mangels Bestimmtheit
des prozessualen Anspruchs (Streitgegenstands) unzulässig.
a) Die Klägerin stützt ihr Unterlassungsbegehren auf drei verschiedene
Gesichtspunkte. Sie beanstandet die Bezeichnung
„Biomineralwasser“ - erstens
- als eine unzulässige Werbung mit einer Selbstverständlichkeit. Die beanstan-
dete Bezeichnung sei - zweitens - aber auch deshalb irreführend, weil sie den
Eindruck einer amtlichen Zertifizierung erwecke. Schließlich handele es sich -
drittens - um eine Verkehrsbezeichnung, die nicht den Vorgaben der Lebens-
mittel-Kennzeichnungsverordnung entspreche. Trotz dieser in drei verschiede-
ne Richtungen weisenden Beanstandungen hat die Klägerin damit nur einen
Streitgegenstand in das Verfahren eingeführt.
b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird der
Streitgegenstand durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in An-
spruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt
(Klagegrund) bestimmt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet
(vgl. nur BGH, Urteil vom 3. April 2003 - I ZR 1/01, BGHZ 154, 342, 347 f. -
Reinigungsarbeiten). Da der Senat eine alternative Klagehäufung, die er in der
Vergangenheit unbeanstandet gelassen hatte, mittlerweile nicht mehr zulässt
(vgl. BGH, Beschluss vom 24. März 2011 - I ZR 108/09, BGHZ 189, 56 Rn. 8 -
TÜV I; Urteil vom 17. August 2008 - I ZR 108/09, GRUR 2011, 1043 Rn. 37 =
WRP 2011, 1454 - TÜV II), kommt der Bestimmung dessen, was Streitgegen-
stand ist, für die Zulässigkeit einer - wie hier - auf mehrere tatsächliche wie
rechtliche Gesichtspunkte gestützten Klage nunmehr maßgebliche Bedeutung
zu.
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c) Zu dem Lebenssachverhalt, der die Grundlage der Streitgegenstands-
bestimmung bildet, rechnen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
alle Tatsachen, die bei einer vom Standpunkt der Parteien ausgehenden natür-
lichen Betrachtungsweise zu dem durch den Vortrag der Klagepartei zur Ent-
scheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören (vgl. nur BGH, Urteil vom
19. Dezember 1991 - IX ZR 96/91, BGHZ 117, 1, 5; ferner Büscher, GRUR
2012, 16, 24). Das ist dann der Fall, wenn der Tatsachenstoff nicht sinnvoll auf
verschiedene eigenständige, den Sachverhalt in seinem Kerngehalt verändern-
de Geschehensabläufe aufgeteilt werden kann, selbst wenn diese einer eigen-
ständigen rechtlichen Bewertung zugänglich sind (vgl. Musielak/Musielak, ZPO,
9. Aufl., Einl. Rn. 76). Der Streitgegenstand wird damit durch den gesamten
historischen Lebensvorgang bestimmt, auf den sich das Rechtsschutzbegehren
der Klagepartei bezieht, unabhängig davon, ob einzelne Tatsachen dieses Le-
benssachverhalts von den Parteien vorgetragen worden sind oder nicht, und
auch unabhängig davon, ob die Parteien die nicht vorgetragenen Tatsachen
des Lebensvorgangs kannten und hätten vortragen können (vgl. BGH, Urteil
vom 7. Juli 1993 - VIII ZR 103/92, BGHZ 123, 137, 141; Urteil vom 19. No-
vember 2003 - VIII ZR 60/03, BGHZ 157, 47, 51 mwN). Eine Mehrheit von
Streitgegenständen liegt dagegen dann vor, wenn die materiell-rechtliche Rege-
lung die zusammentreffenden Ansprüche durch eine Verselbständigung der
einzelnen Lebensvorgänge erkennbar unterschiedlich ausgestaltet (vgl. BGH,
Urteil vom 16. September 2008 - IX ZR 172/07, NJW 2008, 3570 Rn. 9).
d) Bei der wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklage ist der Senat in
der Vergangenheit bei der Bestimmung dessen, was noch zu demselben Le-
benssachverhalt gehört, allerdings von einer eher engen Sichtweise ausgegan-
gen. Hiernach konnten etwa die Verwirklichung verschiedener Verbotsnormen
(vgl. BGH, Urteil vom 20. September 2007 - I ZR 171/04, GRUR 2008, 443
Rn. 23 = WRP 2008, 666 - Saugeinlagen) wie auch die Verwirklichung unter-
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schiedlicher Erscheinungsformen derselben Verbotsnorm wie insbesondere des
Irreführungsverbots nach §§ 3, 5 UWG als jeweils selbständige Klagegründe
angesehen werden (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juni 2000 - I ZR 269/97, GRUR
2001, 181, 182 = WRP 2001, 28 - dentalästhetika I; Urteil vom 13. Juli 2006 -
I ZR 222/03, GRUR 2007, 161 Rn. 9 = WRP 2007, 66 - dentalästhetika II). An
dieser engen Streitgegenstandsbestimmung hält der Senat im Hinblick auf die
Unzulässigkeit der alternativen Klagehäufung nicht mehr fest.
e) Der Begriff des Streitgegenstands ist in Bezug auf die Rechtshängig-
keit, die Rechtskraft, die Klagehäufung und die Klageänderung einheitlich (vgl.
Büscher, GRUR 2012, 16, 24). Er soll den Sinn und Zweck der einzelnen
Rechtsinstitute verwirklichen und gegenläufige Ziele ausbalancieren (vgl. Bü-
scher, GRUR 2012, 16, 24; Teplitzky, WRP 2012, 261, 263).
Danach liefe ein weiter Streitgegenstandsbegriff dem im Interesse des
Beklagten liegenden Ziel zuwider, die Zulässigkeit von Klageänderungen sowie
- generell - die Möglichkeiten des Klägers zu begrenzen, die Richtung der mit
seiner Klage verfolgten Angriffe zu ändern. Allerdings ist der Beklagte auch im
Falle eines weiter gefassten Streitgegenstandsbegriffs neuen Angriffen gegen-
über nicht schutzlos gestellt, weil die Zivilprozessordnung die Zulässigkeit neu-
en, erst im Laufe des Verfahrens eingeführten Vorbringens an besondere Vo-
raussetzungen knüpft (vgl. die Verspätungsvorschriften der §§ 296, 296a ZPO
sowie das weitgehende Novenverbot in § 531 ZPO).
Ein zu feingliedriger Streitgegenstandsbegriff, der sich streng an dem
vorgetragenen Lebenssachverhalt orientiert und bereits jede Variante - wie bei-
spielsweise jede auch nur geringfügig abweichende, durch ein und dieselbe
Werbeaussage bewirkte Fehleinschätzung der Verbraucher - einem neuen
Streitgegenstand zuordnet, entspräche nicht der gebotenen natürlichen Be-
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trachtungsweise und würde darüber hinaus zu erheblichen Abgrenzungs-
schwierigkeiten führen. Hielte der Senat auch nach der geänderten Rechtspre-
chung zur alternativen Klagehäufung daran fest, dass jedes auch nur geringfü-
gig unterschiedliche Verständnis einer Werbeaussage einen eigenen Streitge-
genstand bildet (so noch BGH, GRUR 2007, 161 Rn. 9 - dentalästhetika II),
müsste beispielsweise auch in dem Fall, der der Senatsentscheidung „Original
Kanchipur“ (Urteil vom 17. März 2011 - I ZR 81/09, GRUR 2011, 1151 = WRP
2011, 1587) zugrunde lag, von zwei unterschiedlichen Streitgegenständen aus-
gegangen werden; dort
war eine Teppichwerbung, in der „Einführungspreisen“
deutlich höhere durchgestrichene Preise gegenübergestellt worden waren, mit
der Begründung beanstandet worden, dass zum einen die Werbung für Einfüh-
rungspreise ohne zeitliche Begrenzung, zum anderen aber auch die Werbung
mit durchgestrichenen Preisen ohne Angabe, wann diese Preise gefordert wür-
den, irreführend sei. Zieht man aber - nicht zuletzt aus Praktikabilitätserwägun-
gen - beide Beanstandungen zu einem Streitgegenstand zusammen, stellt sich
sogleich die Frage, wo die Grenze zu ziehen ist, wenn dieselbe Anzeige noch
Anlass für weitere Beanstandungen gibt. Ähnliche Probleme stellten sich, wenn
ein Verhalten im Hinblick auf mehrere unter die Tatbestände des Beispielskata-
logs des § 4 Nr. 10 UWG fallende Aspekte beanstandet oder eine Nachahmung
unter Hinweis auf mehrere in § 4 Nr. 9 UWG aufgeführte Unlauterkeitskriterien
angegriffen wird. Für das Markenrecht hat der Senat im Übrigen bereits ent-
schieden, dass immer dann, wenn aus einer Marke geklagt wird, der Streitge-
genstand alle drei Erscheinungsformen der Markenverletzung - Schutz bei
Doppelidentität und Verwechslungsgefahr sowie Bekanntheitsschutz - umfasst
(BGH, Urteil vom 8. März 2012 - I ZR 75/10, GRUR 2012, 621 Rn. 32 = WRP
2012, 716 - Oscar).
f) Kann auch für die wettbewerbsrechtliche Unterlassungsklage an dem
feingliedrigen Streitgegenstandsbegriff, den der Senat in der Vergangenheit
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vertreten hat, nicht mehr festgehalten werden, bietet es sich an, in Fällen, in
denen sich die Klage gegen die konkrete Verletzungsform richtet, in dieser Ver-
letzungsform den Lebenssachverhalt zu sehen, durch den der Streitgegenstand
bestimmt wird (so bereits BGH, Urteil vom 30. Juni 2011 - I ZR 157/10, GRUR
2012, 184 Rn. 15 = WRP 2012, 194 - Branchenbuch Berg; vgl. auch BGH, Ur-
teil vom 7. April 2011 - I ZR 34/09, GRUR 2011, 742 Rn. 17 f. = WRP 2011, 873
- Leistungspakete im Preisvergleich). Das Klagebegehren richtet sich in diesem
Fall gegen ein konkret umschriebenes Verhalten, das gerade auch bei einer
vom Standpunkt der Parteien ausgehenden natürlichen Betrachtungsweise den
Tatsachenkomplex und damit die Beanstandungen umschreibt, zu der die kon-
krete Verletzungsform Anlass geben kann. Beanstandet der Kläger in einem
solchen Fall etwa eine Werbeanzeige unter mehreren Gesichtspunkten, über-
lässt er es bei einem Erfolg der Klage dem Gericht zu bestimmen, auf welchen
Aspekt das Unterlassungsgebot gestützt wird.
Dem Kläger ist es allerdings nicht verwehrt, in Fällen, in den er eine kon-
krete Werbeanzeige unter verschiedenen Aspekten jeweils gesondert angreifen
möchte, eben diese verschiedenen Aspekte im Wege der kumulativen Klage-
häufung zu jeweils getrennten Klagezielen zu machen. In diesem Fall muss er
die einzelnen Beanstandungen in verschiedenen Klageanträgen umschreiben,
wobei er zur Verdeutlichung jeweils auf die konkrete Verletzungsform Bezug
nehmen kann („wie geschehen in …“). In diesem Fall nötigt der Kläger das Ge-
richt, die beanstandete Anzeige unter jedem der geltend gemachten Gesichts-
punkte zu prüfen. Naturgemäß muss der Kläger einen Teil der Kosten tragen,
wenn er nicht mit allen Klageanträgen Erfolg hat.
g) Entsprechendes gilt für den vorliegenden Fall, in dem das Klagebe-
gehren nicht auf das Verbot einer bestimmten Verletzungsform beschränkt ist,
sich vielmehr gegen die Verwendung einer bestimmten Bezeichnung (Bewer-
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bung und Inverkehrbringen eines natürlichen Mineralwassers unter der Be-
zeichnung „Biomineralwasser“) richtet, deren Verbot losgelöst von dem konkre-
ten wettbewerblichen Umfeld begehrt wird. Auch in diesem Fall wird der Streit-
gegenstand durch den gesamten historischen Lebensvorgang bestimmt, auf
den sich das Rechtsschutzbegehren des Unterlassungsklägers bezieht. Bei der
Beurteilung der Zulässigkeit eines wettbewerblichen Verhaltens lassen sich sei-
ne Erkennbarkeit und seine Wahrnehmung im Wettbewerb nicht sinnvoll auf
verschiedene eigenständige, den Sachverhalt in seinem Kerngehalt verändern-
de Geschehensabläufe aufteilen. Dementsprechend zählen die Umstände des
Wettbewerbsauftritts und seine gesamte Wahrnehmung grundsätzlich noch zu
dem Tatsachenkomplex, der einen einzigen Streitgegenstand bildet, und zwar
unabhängig davon, ob einzelne Tatsachen von den Parteien vorgetragen wor-
den sind oder nicht und ob die Parteien die nicht vorgetragenen Tatsachen
kannten und hätten vortragen können. Auch hier liegt es in der Hand des Klä-
gers, die verschiedenen Aspekte, unter denen er die fragliche Bezeichnung be-
anstanden möchte, mit verschiedenen Anträgen im Wege der kumulativen Kla-
gehäufung anzugreifen. Wird dagegen nur ein Unterlassungsbegehren formu-
liert und mit verschiedenen Begründungen untermauert, muss davon ausge-
gangen werden, dass der Streitgegenstand generell die Verwendung der Be-
zeichnung für das im Antrag genannte Produkt umfassen soll.
Im Streitfall rechtfertigt weder die Fassung des Unterlassungshauptan-
trags zu a noch die bei seiner Auslegung mit zu berücksichtigende Klagebe-
gründung die Annahme, dass die Klägerin die Unterlassung der beanstandeten
Bezeichnung
„Biomineralwasser“ nicht als solche, sondern nur hinsichtlich be-
stimmter Unlauterkeitsumstände erstrebt hätte. Streitgegenstand ist demzufolge
die Verwendung der Bezeichnung
„Biomineralwasser“ für ein natürliches Mine-
ralwasser, und zwar unabhängig davon, unter welchem Gesichtspunkt dieses
Verhalten beanstandet worden ist oder beanstandet werden kann. Die von der
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Klägerin angeführten Aspekte, die eine Unlauterkeit im Streitfall begründen sol-
len - also die Werbung mit einer Selbstverständlichkeit, der unzutreffende Ein-
druck einer staatlichen Zertifizierung und die Verwendung einer unzulässigen
Verkehrsbezeichnung -, ändern daher nichts daran, dass es sich bei dem in
Rede stehenden Begehren der Klägerin um ein und denselben Streitgegen-
stand handelt.
2. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass dem Beklag-
ten die Benutzung der Bezeichnung
„Biomineralwasser“ für natürliches Mine-
ralwasser nicht nach §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 11 Abs. 1
Satz 2 Nr. 3 LFGB wegen einer unzulässigen Werbung mit einer Selbstver-
ständlichkeit untersagt werden kann. Auch ein Verstoß gegen das allgemeine
Irreführungsverbot (§§ 3, 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG) liegt insofern nicht vor.
a) Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 LFGB liegt eine verbotene irreführende
Bezeichnung eines Lebensmittels vor, wenn damit zu verstehen gegeben wird,
dass ein Lebensmittel über besondere Eigenschaften verfügt, obwohl alle ver-
gleichbaren Lebensmittel dieselben Eigenschaften aufweisen. Eine entspre-
chende Irreführung setzt voraus, dass der Verbraucher nicht weiß, dass es sich
bei den betreffenden Eigenschaften lediglich um einen gesetzlich vorgeschrie-
benen oder zum Wesen der Ware gehörenden Umstand handelt (vgl. Rathke in
Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, C 102, 122. Lief. Juli 2005, § 11 LFGB
Rn. 216; zu § 5 UWG vgl. Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 5
Rn. 2.115). Für die Beurteilung der Frage, ob eine Lebensmittelbezeichnung
irreführend im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 LFGB ist, kommt es daher
maßgeblich darauf an, wie der angesprochene Verkehr die Bezeichnung
„Bio-
mineralwasser
“ versteht.
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b) Das Berufungsgericht hat angenommen, der Verbraucher erwarte bei
der Bezeichnung
„Biomineralwasser“, dass sich dieses Wasser im Hinblick auf
seine Gewinnung und seinen Schadstoffgehalt von normalen Mineralwässern
abhebe. Es hat dies damit begründet, dass die von der Qualitätsgemeinschaft
für Biomineralwasser vorgeschriebenen Werte etwa für Nitrat und Nitrit erheb-
lich unter den gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerten liegen. In dem von der
Qualitätsgemeinschaft entwickelten Zertifizierungssystem seien die Überwa-
chung des Anforderungskataloges für „Biomineralwasser“ sichergestellt und
Richtlinien für Biomineralwässer entwickelt worden, die von normalen Mineral-
wässern nicht zu erfüllende Qualitätsmerkmale verlangten. Somit werde durch
die Bezeichnung „Biomineralwasser“ mit Angaben geworben, die nicht alle ver-
gleichbaren Lebensmittel hätten.
c) Diese Beurteilung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Sie
trägt dem Umstand Rechnung, dass die Verbraucher zwar einerseits keine prä-
zisen Vorstellungen davon haben, welche Anforderungen ein natürliches Mine-
ralwasser nach der Mineral- und Tafelwasser-Verordnung erfüllen muss, dass
sie aber andererseits von einem mit dem Zusatz „Bio“ bezeichneten Mineral-
wasser erwarten, dass es nicht nur die Anforderungen erfüllt, die an ein natürli-
ches Mineralwasser gestellt werden, sondern dass es sich darüber hinaus - et-
wa im Hinblick auf eine umweltfreundliche Gewinnung oder den Schadstoffge-
halt - durch besondere Eigenschaften auszeichnet, die andere natürliche Mine-
ralwässer nicht notwendig erfüllten.
aa) Ohne Erfolg rügt die Revision, dass das Berufungsgericht aufgrund
eigener Sachkunde beurteilt hat, wie die angesprochenen Verbraucher die be-
anstandete Bezeichnung verstehen. Gehören die entscheidenden Richter - wie
im Streitfall - selbst zu den angesprochenen Verkehrskreisen, bedarf es im All-
gemeinen keines durch eine Meinungsumfrage untermauerten Sachverständi-
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gengutachtens, um das Verständnis des Verkehrs zu ermitteln (vgl. BGH, Urteil
vom 2. Oktober 2003 - I ZR 150/01, BGHZ 156, 250, 255 - Marktführerschaft;
Urteil vom 9. Juni 2011 - I ZR 113/10, GRUR 2012, 215 Rn. 16 = WRP 2012,
75 - Zertifizierter Testamentsvollstrecker).
bb) Entgegen der Ansicht der Revision erwartet der Verkehr bei der Ver-
wendung der Bezeichnung „Bio“ im Zusammenhang mit Mineralwasser nicht,
dass die so gekennzeichnete Ware den Regeln der EG-Öko-Verordnung ge-
nügt und entsprechend den Grundprinzipien des biologischen Landbaus er-
zeugt worden ist. Der Begriff
„Bio“ hat je nach dem Produkt, für das er benutzt
wird, unterschiedliche Bedeutungen (vgl. Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO
§ 5 Rn. 4.65; MünchKomm.UWG/Busche, § 5 Rn. 343). Für pflanzliche Le-
bensmittel weist „Bio“ darauf hin, dass das Produkt nach den Bestimmungen
der EG-Öko-Verordnung gewonnen worden ist (vgl. Bornkamm in Köhler/
Bornkamm aaO § 5 Rn. 4.65). Für Lebensmittel außerhalb des durch ihren
Art. 1 Abs. 2 geregelten Anwendungsbereichs der EG-Öko-Verordnung kann
dagegen nicht von vornherein unterstellt werden, dass der Verbraucher durch
den Beg
riff „Bio“ zu einer derartigen Assoziation geführt wird (vgl. Leible in
Streinz aaO Abschnitt III F Rn. 475; ders., Festschrift Welsch, 2010, S. 327,
331). Dies gilt zumal dann, wenn das betreffende Produkt - wie vorliegend - mit
ökologischem Landbau nichts zu tun hat (vgl. Leible in Streinz aaO).
Der Verkehr wird bei verständiger Würdigung allerdings annehmen, dass
Mineralwasser bereits von Natur aus bestimmte Reinheitserfordernisse erfüllt.
Welche Reinheitserfordernisse dies im Einzelnen sind, wird der durchschnittlich
informierte Verbraucher, dem die hierzu in der Mineral- und Tafelwasser-
Verordnung bestimmten Anforderungen regelmäßig nicht bekannt sind, jedoch
nicht wissen. Eine völlige Reinheit wird der Verkehr in diesem Zusammenhang
nicht erwarten. Denn er hat Erfahrungswissen dahin gebildet, dass nahezu
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überall Schadstoffe anzutreffen sind und dies selbst für solche Lebensmittel gilt,
die die Reinheitsbezeichnung „natürlich“ oder „Bio“ tragen (vgl. BGH, Urteil vom
17. Oktober 1996 - I ZR 159/94, GRUR 1997, 306, 308 = WRP 1997, 302 - Na-
tur
kind; Leible/Schäfer, ZLR 2011, 657, 680). Mit dem Begriff „Bio“ verbindet ein
erheblicher Teil des Verkehrs jedoch die Erwartung, dass das so bezeichnete
Produkt weitestgehend frei von Rückständen und Schadstoffen ist und nur un-
vermeidbare Geringstmengen deutlich unterhalb der rechtlich zulässigen
Grenzwerte enthält (vgl. BGH, Urteil vom 4.
November 2010 - I ZR 139/09,
GRUR 2011, 633 Rn. 26 = WRP 2011, 858 - BIO TABAK; Bornkamm in Köh-
ler/Bornkamm aaO § 5 Rn. 4.65; MünchKomm.UWG/Busche, § 5 Rn. 343;
Hahn, BioR 2010, 38, 40).
Der Verkehr erwartet danach von einem als „Biomineralwasser“ bezeich-
neten Mineralwasser, dass es nicht nur unbehandelt und frei von Zusatzstoffen
ist, sondern im Hinblick auf das Vorhandensein von Rückständen und Schad-
stoffen auch deutlich reiner ist als herkömmliches Mineralwasser (vgl. Leible,
Festschrift Welsch, 2010, S. 327, 338; OLG Frankfurt, WRP 2007, 1386, 1388;
Hahn, BioR 2011, 38, 40). Dem steht die vom Beklagten unter Hinweis auf eine
Verbraucherbefragung und als Anlage B18 vorgetragene und von der Klägerin
zugestandene Verkehrsauffassung nicht entgegen, wonach ein „Biomineral-
wasser“ unbehandelt sei und keine Zusatzstoffe enthalte, aber auch besonders
rein sei.
cc) Danach werden dem Verbraucher im Hinblick auf die Bezeichnung
„Biomineralwasser“ keine Eigenschaften vorgegeben, die alle anderen natürli-
chen Mineralwässer als vergleichbare Lebensmittel ebenfalls aufweisen.
Gemäß §§ 2 ff. MTVO muss natürliches Mineralwasser allerdings beson-
dere Anforderungen erfüllen. So muss es seinen Ursprung in unterirdischen, vor
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Verunreinigungen geschützten Wasservorkommen haben (§ 2 Nr. 1 MTVO) und
von ursprünglicher Reinheit und durch seinen Gehalt an Mineralien, Spuren-
elementen oder sonstigen Bestandteilen und gegebenenfalls durch bestimmte,
insbesondere ernährungsphysiologische Wirkungen gekennzeichnet sein (§ 2
Nr. 2 MTVO). Des Weiteren müssen - auch bei Schwankungen in der Schüttung
- seine Zusammensetzung, seine Temperatur und seine übrigen wesentlichen
Merkmale im Rahmen natürlicher Schwankungen konstant bleiben (§ 2 Nr. 3
MTVO). Darüber hinaus darf natürliches Mineralwasser nach § 3 MTVO nur in
den Verkehr gebracht werden, wenn es amtlich anerkannt ist, und muss es den
in § 4 MTVO geregelten mikrobiologischen Anforderungen entsprechen. Über-
dies darf es nach § 5 MTVO vorbehaltlich anderer Rechtsvorschriften nur aus
Quellen gewonnen werden, für die die zuständige Behörde eine Nutzungsge-
nehmigung erteilt hat, dürfen bei seiner Herstellung nur die in § 6 MTVO be-
stimmten Verfahren angewendet werden und sind bei seiner Abfüllung gemäß
§ 6a MTVO die Höchstgehalte der in Anlage 4 dieser Verordnung aufgeführten
Stoffe einzuhalten und entsprechende Untersuchungen durchzuführen. Schließ-
lich sind nach § 7 MTVO die nicht unmittelbar nach ihrer Gewinnung oder Bear-
beitung verbrauchten natürlichen Mineralwässer am Quellort abzufüllen und die
dazu verwendeten Fertigpackungen mit Verschlüssen zu versehen, die geeig-
net sind, Verfälschungen oder Verunreinigungen zu vermeiden.
Aus den vorstehenden Ausführungen folgt allerdings nicht, dass es bei
denjenigen Wässern, die die Anforderungen an natürliches Mineralwasser erfül-
len, im Hinblick auf das Vorhandensein von Rückständen und Schadstoffen
keinerlei Unterschiede gibt. Auch wenn die Mineral- und Tafelwasser-Verord-
nung bereits hohe Anforderungen an jedes natürliches Mineralwasser stellt (vgl.
Leible, Festschrift Welsch, 2010, S. 327, 338), unterscheiden sich Mineralwäs-
ser, die die dort festgesetzten Grenzwerte nochmals deutlich unterschreiten,
38
- 19 -
von natürlichen Mineralwässern, bei denen der Gehalt an Rückständen und
Schadstoffen nahe an diesen Grenzwerten liegt.
cc) Die Klägerin hat nicht geltend gemacht, dass die von der Qualitäts-
gemeinschaft aufgestellten Gren
zwerte, die ein von ihr zertifiziertes „Biomine-
ralwasser“ einhalten muss, für die Verbraucher ohne Belang wären. Sie hat
auch nicht behauptet, der Beklagte erfülle mit seinem Mineralwasser die dort
gesetzten Anforderungen nicht.
dd) Aus denselben Gründen, aus denen der Verkehr bei der Bezeich-
nung „Biomineralwasser“ keiner Irreführung über eine Selbstverständlichkeit
des so bezeichneten natürlichen Mineralwassers im Sinne des lebensmittel-
rechtlichen Irreführungsverbots unterliegt, fehlt es auch an einem Verstoß ge-
gen das wettbewerbsrechtliche Irreführungsverbot nach §§ 3, 5 Abs. 1 Satz 2
Nr. 1 UWG.
3. Mit Recht hat das Berufungsgericht den Unterlassungshauptantrag
zu a auch nicht deshalb als begründet angesehen, weil - wie die Klägerin des
Weiteren geltend gemacht hat - der Verkehr aufgrund
der Bezeichnung „Biomi-
neralwasser“ irrtümlich eine besondere staatliche Überwachung oder Lizenzie-
rung des vom Beklagten vertriebenen Mineralwassers erwartet.
a) Entgegen der Ansicht der Revision ist es aus Rechtsgründen nicht zu
beanstanden, dass das Berufungsgericht dem Begriff „Bio“ bei Mineralwasser
kein Verkehrsverständnis dahin beigelegt hat, dass gesetzliche Vorgaben be-
stehen und gesetzlich oder staatlich gewährleistet ist, dass die so bezeichneten
Produkte bestimmte Vorgaben einhalten. Diese im Wesentlichen auf tatsächli-
chem Gebiet liegende Beurteilung des Berufungsgerichts zur Verkehrsauffas-
sung ist in der Revisionsinstanz nur daraufhin zu überprüfen, ob das Beru-
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fungsgericht bei seiner Würdigung gegen die Denkgesetze oder gegen Erfah-
rungssätze verstoßen oder aber wesentliche Umstände unberücksichtigt gelas-
sen hat (vgl. BGH, GRUR 2012, 215 Rn. 13 - Zertifizierter Testamentsvollstre-
cker). Ein entsprechender Rechtsfehler liegt im Streitfall nicht vor. Damit ist hier
weder von einer zur Täuschung geeigneten Bezeichnung im Sinne des § 11
Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LFGB noch von einer irreführenden Verhaltensweise im
Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG auszugehen.
aa) Die Revision rügt auch in diesem Zusammenhang ohne Erfolg, dass
das Berufungsgericht die maßgebliche Verkehrsauffassung ohne die Einholung
eines Sachverständigengutachtens festgestellt hat. Ob das Gericht eine Begut-
achtung durch einen Sachverständigen anordnet oder aufgrund eigener Sach-
kunde entscheidet, steht grundsätzlich in seinem pflichtgemäßen Ermessen
(vgl. Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rn. 3.15). Die Revision weist
zwar mit Recht darauf hin, dass eine Beweisaufnahme dann erforderlich ist,
wenn sich dem Gericht trotz eigener Sachkunde Zweifel am Ergebnis aufdrän-
gen, und dass solche Zweifel auch deshalb naheliegen können, weil das Beru-
fungsgericht die Sache insoweit anders beurteilen möchte als die erste Instanz.
Eine prozessrechtliche Notwendigkeit stellt die Verkehrsbefragung auch in ei-
nem solchen Fall aber nicht dar (vgl. Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5
Rn. 3.13).
Das Berufungsgericht hat sein Ermessen im Streitfall ohne Rechtsfehler
ausgeübt, weil es für die Beurteilung, wie der durchschnittliche Verbraucher die
Bezeichnung „Biomineralwasser“ versteht, keiner besonderen Sachkunde be-
durfte. Es konnte zudem mögliche Zweifel, die sich aufgrund der abweichenden
Feststellungen durch das Landgericht etwa hätten aufdrängen können, auch
ohne Beweisaufnahme überwinden. Die Beurteilung der Verkehrsauffassung
durch das Landgericht, nach der der Verkehr einen hoheitlich reglementierten
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Herstellungsprozess erwartete, war davon beeinflusst, dass das Landgericht bei
seinen Erwägungen die Anbringung des BiO-Mineralwasser-Zeichens, wie es
auf der konkreten Verletzungsform vorhanden ist, fehlerhaft berücksichtigt hat.
Demgegenüber hat sich das Berufungsgericht mit Recht auf die Beurteilung der
abstrakten Bezeichnung „Biomineralwasser“ beschränkt, die den Gegenstand
des Unterlassungsbegehrens der Klägerin darstellt.
bb) Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Verkehr erwarte aufgrund
der Bezeichnung „Bio“ nicht, dass eine staatliche Überwachung oder Lizenzie-
rung vorliege, ist auch nicht deshalb erfahrungswidrig, weil das Begriffsver-
ständnis des Verkehrs bei landwirtschaftlich erzeugten Produkten an die Erfül-
lung bestimmter Vorgaben hinsichtlich ihres Anbaus und die ökologische Land-
wirtschaft anknüpft (vgl. BGH, GRUR 2011, 633 Rn. 26 - BIO TABAK). Es kann
dabei offenbleiben, ob sich die Verbraucher - wenn ihnen entsprechende Hin-
weise für landwirtschaftlich erzeugte Produkte begegnen - im Hinblick darauf,
dass sie in der Regel über keine detaillierte Kenntnis der EG-Öko-Verordnung
und der Kennzeichnung entsprechender Erzeugnisse verfügen, überhaupt Ge-
danken darüber machen, ob es sich um eine staatlich geregelte und überwach-
te oder um eine von einem Verband organisierte Zertifizierung handelt (vgl. zum
Begriff der Zertifizierung vgl. BGH, GRUR 2012, 215 Rn. 12 - Zertifizierter Tes-
tamentsvollstrecker). Dem Verkehr ist jedenfalls bewusst, dass Mineralwasser
kein landwirtschaftlich erzeugtes Produkt ist. Er wird daher die Vorstellung über
Regeln, die den ökologischen Landbau betreffen, nicht auf die Gewinnung na-
türlichen Mineralwassers übertragen (vgl. Leible, Festschrift Welsch, 2010,
S. 327, 334). Im Hinblick auf die Vielzahl der unterschiedlichen Verwendungs-
möglichkeiten
der Bezeichnung „Bio“ auch für andere als landwirtschaftliche
Produkte geht der Verkehr nicht stets von einer staatlichen Zertifizierung aus
(vgl. Leible/Schäfer, ZLR 2012, 92, 97).
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- 22 -
Im Übrigen wäre eine Fehlvorstellung eines Teils des Verkehrs hinzu-
nehmen, wenn ein Teil der Verbraucher aufgrund der staatlichen Regelungen
der Bezeichnung „Bio“ in einigen Bereichen darauf schließt, dass auch die Zerti-
fizierung eines „Biomineralwassers“ nach staatlich gesetzten Regeln erfolgt.
Dem Gesetzgeber steht es frei, Bezeichnungen, die den Bestandteil „Bio“ ent-
halten, einer Regelung zu unterwerfen. Macht er von dieser Möglichkeit nur in
einigen wenigen Teilbereichen Gebrauch, führt dies nicht dazu, dass der Zusatz
„Bio“ in den anderen Bereichen, für die keine Regelung besteht, nicht mehr
verwendet werden dürfte, weil stets die Gefahr bestünde, die Verbraucher gin-
gen von einer offiziellen Zertifizierung aus. Solange die Zertifizierung durch ei-
nen Verband nach sinnvollen und angemessenen Kriterien erfolgt (BGH, GRUR
2012, 215 Rn. 13 - Zertifizierter Testamentsvollstrecker) und das fragliche Pro-
dukt die in einem solchen Verfahren verliehene Bezeichnung zu Recht führt,
handelt es sich um eine objektiv zutreffende Angabe. In einem solchen Fall sind
die widerstreitenden Interessen gegeneinander abzuwägen (st. Rspr.; vgl. nur
BGH, Beschluss vom 16. August 2012 - I ZR 200/11, WRP 2012, 1526 Rn. 3
Über 400 Jahre Brautradition). Im Streitfall überwiegt das Interesse der Anbie-
ter, die mangels gesetzlicher Regelung grundsätzlich zulässige Bezeichnung
„Bio“ nach einer angemessenen Regeln folgenden Zertifizierung durch einen
Verband zu verwenden, das Interesse des flüchtigen Verbrauchers, der auf-
grund einer staatlichen Regulierung eines anderen Bereichs zu Unrecht auf ei-
ne amtliche Zertifizierung schließt.
c) Soweit die Revision auf die Annahme des Landgerichts verweist, in
dem „Kriterienkatalog Bio-Mineralwasser“ der Qualitätsgemeinschaft sei ein An-
satz für die Kennzeichnung mit „Bio“ gewählt worden, der dem Verbraucherver-
ständnis nicht entspreche, macht sie nicht deutlich, worin der Rechtsfehler der
entgegenstehenden Beurteilung des Verkehrsverständnisses durch das Beru-
fungsgericht liegen soll. Das Berufungsgericht hat - aufgrund der Lebenserfah-
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rung ohne weiteres nachvollziehbar - festgestellt, der Verbraucher erwarte von
einem mit „Bio“ gekennzeichneten natürlichen Mineralwasser, dass es sich von
anderen Mineralwässern im Hinblick auf Gewinnung und Schadstoffgehalt ab-
hebe; genau dies sei bei dem Mineralwasser des Beklagten der Fall.
d
) Wenn nach alledem der Verkehr mit der Bezeichnung „Biomineral-
wasser“ nicht über eine staatliche Regulierung getäuscht wird, kommt es für die
Verneinung eines darauf gestützten Unterlassungsbegehrens nicht mehr auf die
vom Berufungsgericht gegebene Hilfsbegründung an, eine den Bestimmungen
der EG-Öko-Verordnung widersprechende Verbrauchererwartung über die Ein-
beziehung von Mineralwasser in den Regelungsbereich dieser Verordnung sei
unbeachtlich.
4. Die Revision wendet sich schließlich ohne Erfolg gegen die Abweisung
der Klage mit dem Unterlassungshauptantrag zu a, soweit die Klägerin diesen
darauf gestützt hat, dass der Beklagte m
it der Bezeichnung „Biomineralwasser“
eine nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 LMKV,
§ 8 MTVO unzulässige Verkehrsbezeichnung verwendet. Das Berufungsgericht
ist zutreffend davon ausgegangen, dass die im Sinne von § 4 Abs. 1 LMKV bin-
dend vorgeschriebene Verkehrsbezeichnung für das vom Beklagten als „Biomi-
neralwasser“ bezeichnete Lebensmittel nach § 8 MTVO „natürliches Mineral-
wasser“ ist. Mit Recht hat es auch angenommen, dass das Gebot des § 3
Abs. 1 Nr. 1 LMKV, diese Verkehrsbezeichnung beim Inverkehrbringen des Le-
bensmittels nach Maßgabe der §§ 3, 4 Abs. 1 bis 4 LMKV anzugeben, nicht zur
Folge hat, dass dem Beklagten die Verwendung der Bezeichnung „Biomineral-
wasser“ für natürliches Mineralwasser schlechthin zu untersagen ist.
Die Bestimmungen der §§ 3, 4 LMKV stehen zusätzlichen Angaben wie
Hinweisen auf eine besondere Qualität oder besondere Beschaffenheit nicht
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entgegen. Eine Ergänzung verkehrsüblicher Bezeichnungen im Sinne von § 4
Abs. 1 Nr. 1 LMKV mit beschreibenden Angaben, Hersteller- oder Handelsmar-
ken oder auch Phantasiebezeichnungen ist zulässig, soweit der Verkehr
dadurch nicht irregeführt wird (vgl. Rathke in Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht,
C 110, 145. Lief. Juli 2011, § 4 LMKV Rn. 10a und 19; Hagenmeyer, LMKV,
2. Aufl., § 4 Rn. 21 mwN). Dasselbe gilt auch für gesetzlich festgelegte Ver-
kehrsbezeichnungen im Sinne von § 4 Abs. 1 LMKV. Auch insoweit kann das
Informationsbedürfnis des Verbrauchers durch zusätzliche Angaben besser be-
friedigt werden, sofern dadurch keine Fehlvorstellungen über den Inhalt des in
der Fertigpackung angebotenen Lebensmittels erzeugt werden.
Eine generelle Irreführung über die Art des Lebensmittels durch die Be-
zeichnung „Biomineralwasser“ hat das Berufungsgericht daher mit Recht ver-
neint.
Soweit auch die gesetzlich vorgeschriebene Bezeichnung „natürliches
Mineralwasser“ entsprechend den Vorgaben des § 3 LMKV angegeben wird,
wird der Verkehr über die Art des Lebensmittels als natürliches Mineralwasser
nicht getäuscht.
Die Revision wendet hiergegen ohne Erfolg ein, der Beklagte gebe sei-
nem Produkt in der konkreten Ausgestaltung des Hauptetiketts der Mineralwas-
serflaschen aus der maßgeblichen Sicht des angesprochenen Verkehrs die
neue Verkehrsbezeichnung „Biomineralwasser“. Gegenstand des mit dem Un-
terlassungshauptantrag zu a verfolgten Klagebegehrens ist jedoch nicht das
Verbot einer bestimmten Verletzungsform, sondern das davon losgelöste Ver-
bot, die Bezeichnung „Biomineralwasser“ für natürliches Mineralwasser zu be-
nutzen.
5. Erweist sich der Unterlassungsantrag zu a mit dem in erster Linie ver-
folgten Klageziel als unbegründet, bedarf es keiner Erörterung mehr, ob dieser
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Antrag auch deswegen unbegründet ist, weil er auch Verhaltensweisen erfasst,
die mangels eines Verstoßes nicht untersagt werden können (vgl. BGH, Urteil
vom 29. März 2007 - I ZR 164/04, GRUR 2007, 987 Rn. 22 = WRP 2007, 1341
- Änderung der Voreinstellung; Urteil vom 29. April 2010 - I ZR 202/07, GRUR
2010, 749 Rn. 32 = WRP 2010, 1030 - Erinnerungswerbung im Internet).
6. Das Berufungsgericht hat die von der Klägerin in der Berufungsinstanz
hinsichtlich des Unterlassungsantrags zu a gestellten Hilfsanträge mit Recht als
nicht hinreichend bestimmt und deshalb unzulässig angesehen.
a) Soweit die Klägerin den Unterlassungsantrag zu a dadurch einzu-
schränken versucht hat, dass sie ein Verbot der „hervorgehobenen Bezeich-
nung“ von „Biomineralwasser“ für natürliches Mineralwasser begehrt, ist schon
unklar, unter welchen Voraussetzungen die betreffende Bezeichnung „hervor-
gehob
en“ sein soll. Für die insoweit vorzunehmende Beurteilung ist das jeweili-
ge Erscheinungsbild der Bezeichnung auf der Fertigpackung entscheidend, das
jedoch maßgeblich davon abhängt, wie die Verpackung im Einzelnen gestaltet
ist und in welcher Weise die Bez
eichnung „Biomineralwasser“ darauf ange-
bracht ist. Das Merkmal ist damit nicht so eindeutig und konkret gefasst, dass
seine Übernahme in den Unterlassungsantrag dem Bestimmtheitsgebot des
§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügt. Es kann auch nicht davon ausgegangen wer-
den, dass eine weitere Konkretisierung im Streitfall nicht möglich und damit die
gewählte Antragsformulierung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes erfor-
derlich wäre. Die Klägerin hätte sich bei der Formulierung des Unterlassungs-
hauptantrags zu a ohne weiteres an der konkreten Verletzungsform orientieren
können.
b) Aus denselben Gründen erweist sich auch der von der Klägerin des
Weiteren gestellte Hilfsantrag, wonach dem Beklagten verboten werden soll,
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natürliches Mineralwasser unter der „Verkehrsbezeichnung 'Bio-Mineralwasser'“
zu bewerben und/oder in Verkehr zu bringen, als nicht hinreichend bestimmt.
Unter welchen Umständen aufgrund der Bezeichnung „Bio-Mineralwasser“ eine
unrichtige Verkehrsbezeichnung anzunehmen ist, hängt von der jeweiligen Ge-
staltung der Verpackung und damit insbesondere davon ab, ob dort ausschließ-
lich die Bezeichnung „Biomineralwasser“ verwendet wird oder ob sie - und ge-
gebenenfalls in welcher Weise - etwa als eine Qualitätsangabe neben die ge-
setzlich bestimmte Verkehrsbezeic
hnung „natürliches Mineralwasser“ tritt.
III. Die Anschlussrevision des Beklagten hat ebenfalls keinen Erfolg. Das
Berufungsgericht hat sowohl den Unterlassungsantrag zu b als auch den Zah-
lungsantrag rechtsfehlerfrei als begründet angesehen.
1. Das Berufungsgericht hat in der Verwendung des BiO-Mineralwasser-
Zeichens im Ergebnis zu Recht ein nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit
§ 1 Abs. 2 Nr. 2 ÖkoKennzG unzulässiges Verhalten des Beklagten gesehen.
a) Nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 ÖkoKennzG ist es verboten, ein Erzeugnis oder
einen sonstigen Gegenstand mit einer dem Öko-Kennzeichen nach Maßgabe
der Anlage 1 zu § 1 Abs. 1 ÖkoKennzV nachgemachten Kennzeichnung in Ver-
kehr zu bringen, wenn die Kennzeichnung zur Irreführung über die Art der Er-
zeugung, die Zusammensetzung oder andere verkehrswesentliche Eigenschaf-
ten des gekennzeichneten Erzeugnisses oder Gegenstandes geeignet ist. We-
gen des damit bezweckten Schutzes der Verbraucher vor Irreführung handelt
es sich bei dieser Bestimmung um eine Marktverhaltensregelung im Sinne des
§ 4 Nr. 11 UWG (vgl. MünchKomm.UWG/Schaffert, § 4 Nr. 11 Rn. 194). Zum
Inverkehrbringen im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 ÖkoKennzG gehört auch die
produktbezogene Werbung (vgl. Rathke in Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht,
C 133, 112. Lief. Juli 2002, § 1 ÖkoKennzG Rn. 16).
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b) Das vom Beklagten benutzte BiO-Mineralwasser-Zeichen ist ein dem
Öko-Kennzeichen nachgemachtes Kennzeichen.
aa) Das Berufungsgericht hat bei seiner Beurteilung sowohl die Unter-
schiede zwischen den sich gegenüberstehenden Kennzeichen wie auch deren
Gemeinsamkeiten berücksichtigt. Unterschiede hat es bei der geometrischen
Form, bei der Farbe der Umrandung und des Schriftzugs
„BiO“, bei der Abbil-
dung des Buchstabens
„i“ und beim unterhalb von „BiO“ angebrachten Schrift-
zug gesehen. Im Blick auf die Gemeinsamkeiten hat es maßgeblich darauf ab-
gestellt, dass beide Zeichen eine geometrische farbige Umrandung aufweisen,
der Hintergrund jeweils weiß ist, sich bei beiden Zeichen unterhalb der Bezeich-
nung
„BiO“ ein kleingedruckter Text befindet und beide Zeichen durch den we-
gen der Mischung von großen und kleinen Buchstaben besonderen Schriftzug
„BiO“ geprägt werden.
bb) Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
(1) Ein Nachmachen im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 2 ÖkoKennzG setzt zu-
nächst voraus, dass das beanstandete Zeichen dem Öko-Kennzeichen ähnlich
ist (vgl. Rathke/Zipfel in Zipfel/Rathke aaO § 1 ÖkoKennzG Rn. 19). Bei der
Beurteilung der Frage, ob Kennzeichen einander ähnlich sind, ist hier - nicht
anders als bei anderen Kennzeichen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 5. Dezember
2002 - I ZR 91/00, BGHZ 153, 131, 143 - Abschlussstück; Urteil vom 20. Sep-
tember 2007 - I ZR 6/05, GRUR 2007, 1071 Rn. 35 = WRP 2007, 1461 - Kin-
der II, jeweils zu § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) - grundsätzlich auf die Gesamtwir-
kung der sich gegenüberstehenden Zeichen abzustellen. Entgegen der Ansicht
der Anschlussrevision hat das Berufungsgericht diesen Grundsatz beachtet.
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Das Berufungsgericht hat die Bestandteile der beiden Kollisionszeichen
allerdings auch im Einzelnen gegenübergestellt. Dies bedeutet jedoch nicht,
dass es die Zeichen einer zergliedernden Betrachtung unterzogen hätte. Denn
das Berufungsgericht hat ebenfalls angenommen, dass die besondere Schreib-
weise des Wortes
„BiO“ für beide Zeichen prägend ist. Damit hat es zum Aus-
druck gebracht, dass es die Bestandteile der beiden Zeichen nicht nur isoliert,
sondern auch in ihrer jeweiligen Wirkung auf die Zeichen als Ganzes in den
Blick genommen hat.
(2) Liegt eine Ähnlichkeit der Zeichen in ihrem jeweils prägenden Be-
standteil vor, kann dies eine Zeichenähnlichkeit begründen (vgl. etwa BGH, Ur-
teil vom 22. März 2012 - I ZR 55/10, GRUR 2012, 635 Rn. 22 = WRP 2012, 712
- METRO/ROLLER´s Metro, zu § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG). Entgegen der An-
sicht der Anschlussrevision ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden,
dass das Berufungsgericht in beiden Zeichen die bildliche Wiedergabe des
Wortes
„BiO“ im Hinblick auf die Mischung von großen und kleinen Buchstaben
als prägend angesehen hat. Insbesondere erweist es sich nicht als erfahrungs-
widrig, dass das Berufungsgericht in der Schreibweise eine Besonderheit gese-
hen hat.
Soweit die Anschlussrevision demgegenüber meint, die bei beiden Zei-
chen gewählte Schreibweise sei nicht ungewöhnlich, weil der Buchstabe
„i“
häufig kleingeschrieben werde, um Verwechslungen mit dem kleinen Buchsta-
ben
„l“ auszuschließen, besteht eine entsprechende Erfahrung für den Begriff
„Bio“ jedenfalls nicht. Der Verbraucher wird den Begriff „Bio“, dem er insbeson-
dere bei Lebensmitteln häufig begegnet, auch dann ohne Verwechslung der
Buchstaben
„i“ und „l“ sinnentsprechend und nicht etwa als Phantasiebezeich-
nung erkennen, wenn das Wort zwischen den Großbuchstaben
„B“ und „O“ mit
einem großen
„I“ geschrieben wird.
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(3) Soweit die Anschlussrevision des Weiteren geltend macht, die Unter-
schiede zwischen den beiden Zeichen dominierten entgegen der Ansicht des
Berufungsgerichts deren jeweiligen Gesamteindruck, setzt sie lediglich ihre ei-
gene Sicht der Dinge an die Stelle der vom Berufungsgericht vorgenommenen
Beurteilung, ohne dass sie dabei einen Rechtsfehler aufzuzeigen vermag. Dies
gilt auch insoweit, als sich unterhalb des Wortes
„BiO“ im BiO-Mineralwasser-
Zeichen des Beklagten kein Hinweis auf die EG-Öko-Verordnung, sondern das
Wort
„Mineralwasser“ findet. Denn die Bezeichnung „Mineralwasser“ tritt dort
angesichts ihrer geringeren Schriftgröße deutlich hinter das hervorgehobene
Wort
„BiO“ zurück und findet daher beim Durchschnittsverbraucher in der maß-
geblichen Kaufsituation keine besondere Beachtung.
(4) Entgegen der Ansicht der Anschlussrevision genügt für ein Nachma-
chen im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 ÖkoKennzG eine Ähnlichkeit der beanstan-
deten Kennzeichnung mit dem Öko-Kennzeichen, die die Gefahr einer Irrefüh-
rung in dem in dieser Bestimmung beschriebenen Sinn begründet. Anders als
etwa beim ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz, wo bei einer
selbständigen Zweitentwicklung keine Nachahmung im Sinne von § 4 Nr. 9
UWG vorliegt (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2008 - I ZR 170/05, GRUR 2008,
1115 Rn. 24 = WRP 2008, 1510 - ICON, mwN), muss das Öko-Kennzeichen
dem Gestalter eines Kollisionszeichens nicht als Vorbild bekannt gewesen sein.
Die Bestimmung des § 1 Abs. 2 Nr. 2 ÖkoKennzG regelt keinen Fall des Leis-
tungsschutzes, bei dem der Grundsatz der Nachahmungsfreiheit unter be-
stimmten Voraussetzungen ausnahmsweise durchbrochen wird (vgl. BGH,
GRUR 2008, 1115 Rn. 32 - ICON), sondern - wie schon ihr Wortlaut zeigt - ei-
nen speziellen Fall der Irreführung (vgl. Rathke in Zipfel/Rathke aaO § 1
ÖkoKennzG Rn. 21). Der Schutz der Personen, deren Täuschung diese Be-
stimmung verhindern soll, kann nicht davon abhängen, ob das betreffende Zei-
chen in Kenntnis des Öko-Kennzeichens bewusst so gestaltet worden ist, dass
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sich daraus die Gefahr einer Irreführung der Verbraucher in dem in der Be-
stimmung beschriebenen Sinn ergibt.
c) Das Berufungsgericht hat die Verwendung des BiO-Mineralwasser-
Zeichens mit der Begründung als zur Irreführung der Verbraucher geeignet an-
gesehen, mit ihm werde der Eindruck erweckt, es handele sich um ein Derivat
des Okö-Kennzeichens und die Bezeichnung sei ebenfalls staatlich geschützt.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung ebenfalls stand.
aa) Entgegen der Rüge der Anschlussrevision hat das Berufungsgericht
damit nicht eine Irreführung allein in Bezug auf die Kennzeichnung angenom-
men. Mit seiner Beurteilung, der Verbraucher sehe in dem BiO-Mineralwasser-
Zeichen ein Derivat oder eine Ableitung des staatlichen Okö-Kennzeichens, hat
das Berufungsgericht vielmehr angenommen, dass der Verkehr davon ausgeht,
neben dem Öko-Kennzeichen sei das BiO-Mineralwasser-Zeichen ein weiteres
staatlich geschütztes und damit ein unter staatlicher Kontrolle vergebenes Zei-
chen. Hierin liegt eine relevante Irreführung über eine verkehrswesentliche Ei-
genschaft des so gekennzeichneten Mineralwassers, weil der Verbraucher da-
mit auch die unrichtige Vorstellung einer staatlichen Kontrolle der von einem
Biomineralwasser erwarteten besonderen Qualität verbindet.
bb) Ohne Erfolg macht die Anschlussrevision ferner geltend, bei den an-
gesprochenen Verkehrskreisen entstehe keine unzutreffende Vorstellung über
die Eigenschaften des mit dem BiO-Mineralwasser-Zeichen gekennzeichneten
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Erzeugnisses. Sie weist in diesem Zusammenhang zwar mit Recht darauf hin,
dass die Verbraucher den Wortbestandteil
„BiO“ des von der Klägerin angegrif-
fenen Zeichens nicht automatisch als einen Hinweis auf die EG-Öko-Verord-
nung oder eine staatliche Kontrolle verstehen werden. Dem Verkehr tritt in die-
sem Zusammenhang jedoch nicht allein die Bezeichnung
„Bio“, die er von einer
Vielzahl auch privater Verwender kennt, sondern ein besonders gestaltetes
Kennzeichen entgegen, das dem gesetzlich geschützten Öko-Kennzeichen
nachgemacht ist. Der Verbraucher wird dieses Kennzeichen deshalb gerade
auch mit dem Öko-Kennzeichen für Lebensmittel in Verbindung bringen.
2. Da danach die Abmahnung des Beklagten durch die Klägerin immer-
hin teilweise berechtigt war, stehen dieser auch die von ihr in Form einer Pau-
schale geltend gemachten Abmahnkosten zu (vgl. BGH, Urteil vom 10. De-
zember 2009 - I ZR 149/07, GRUR 2010, 744 Rn. 51 = WRP 2010, 1023 - Son-
dernewsletter).
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III. Nach allem sind die Revision der Klägerin und die Anschlussrevision
des Beklagten mit der Kostenfolge aus § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO zurückzu-
weisen.
Bornkamm
Pokrant
Büscher
Schaffert
Koch
Vorinstanzen:
LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 19.01.2011 - 3 O 819/10 -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 15.11.2011 - 3 U 354/11 -
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