Urteil des BGH vom 10.06.2003
BGH (wiedereinsetzung in den vorigen stand, einhaltung der frist, zpo, antrag, frist, bewilligung, zustellung, wiedereinsetzung, partei, datum)
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
X ZR 45/03
vom
10. Juni 2003
in dem Rechtsstreit
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Der  X.  Zivilsenat  des  Bundesgerichtshofs  hat  am  10. Juni  2003  durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter Scharen, die Richterin Müh-
lens und die Richter Dr. Meier-Beck und Asendorf
beschlossen:
Der  Antrag  des  Klägers  vom  11.  April  2003  auf  Bewilligung  von
Prozeßkostenhilfe  für  die  Einlegung  einer  Nichtzulassungsbe-
schwerde  gegen  das  Urteil  des  4.  Zivilsenats  des  Oberlandesge-
richts Celle vom 29. August 2002 wird abgelehnt.
Gründe:
Der  Antrag  des  Klägers  auf  Bewilligung  von  Prozeßkostenhilfe  ist  zu-
rückzuweisen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung auch nach dem Vorbrin-
gen  des  Klägers  in  seinem  erneuten  Antrag  keine  Aussicht  auf  Erfolg  bietet
(§ 114 ZPO).  Die Zulässigkeit  der  beabsichtigten,  aber  noch  nicht  eingelegten
Nichtzulassungsbeschwerde scheitert daran, daß der Kläger die Frist zur Einle-
gung  des  Rechtsmittels  nicht  gewahrt  hat  (vgl.  Sen.Beschl.  v.  25.2.2003
- X ZA 3/02).  Da  die  Versäumung  der  Rechtsmittelfrist  nicht  unverschuldet  ist
(§ 233 ZPO), kann ihm insoweit auch Wiedereinsetzung in die Rechtsmittelfrist
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nicht gewährt werden, so daß es auch unter Einbeziehung eines darauf gerich-
teten Gesuchs an der erheblichen Erfolgsaussicht fehlt.
Unterbleibt  die  rechtzeitige  Vornahme  einer  fristwahrenden  Maßnahme
wie die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 544 ZPO wegen des
wirtschaftlichen  Unvermögens  einer  Partei,  so  ist  die  Frist  unverschuldet  ver-
säumt, sofern die Partei bis zu deren Ablauf um Bewilligung der Prozeßkosten-
hilfe  nachsucht  oder  - im  Falle  fehlenden  Verschuldens -  der  Antrag  auf  Pro-
zeßkostenhilfe  noch  später  innerhalb  der  Frist  des  §  234  ZPO  gestellt  wird
(BGH,  Beschl.  v.  21.2.2002  - IX  ZA  10/01,  NJW  2002,  2180  m.w.N.).  Daran
fehlt es hier.
Der mit einem "Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur rechtzeitigen
Beantragung  von  Prozeßkostenhilfe"  verbundene  Antrag  auf  Bewilligung  von
Prozeßkostenhilfe  vom  11.  April 2003 ist nicht in  der  Frist  des  §  234  Abs.1,  2
ZPO gestellt worden. Das Hindernis für die fristgemäße  Beantragung  von  Pro-
zeßkostenhilfe  war  behoben,  nachdem  der  Kläger  das  Schreiben  des  Senats
mit  dem  Hinweis  auf  den  Fristablauf für  die  Einlegung der  Nichtzulassungsbe-
schwerde  mit  Fristsetzung  zur  Stellungnahme  bis  zum  30. Januar  2003  ein-
schließlich erhalten hatte und nicht erst mit der am 27. März 2003 erfolgten Zu-
stellung des ersten die Prozeßkostenhilfe verweigernden  Beschlusses des  Se-
nats. Insoweit gilt,  daß  zur  Angabe  der  die  Einhaltung  der Frist  begründenden
Tatsachen (§ 236 Abs. 2 S. 1 ZPO) grundsätzlich auch Sachvortrag gehört, aus
dem  sich  ergibt,  daß  der Wiedereinsetzungsantrag  rechtzeitig  nach  der  Behe-
bung  des  Hindernisses  gestellt  worden  ist.  Davon  kann  nur  dann  abgesehen
werden, wenn die Frist nach Lage der Akten offensichtlich eingehalten worden
ist (BGH, Beschl. v. 13.12.1999 - II ZR 225/98, NJW 2000, 529).
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Der Senat hat davon abgesehen, den Kläger auf diesen Umstand hinzu-
weisen und ihm erneut Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, da die Frist-
versäumung nicht unverschuldet ist (§ 233 ZPO). Wie sich aus den vom Kläger
mit seinem Antrag eingereichten eidesstattlichen Versicherungen ergibt, hat der
vorinstanzlich tätige Prozeßbevollmächtigte des Klägers bei der Abfassung des
Schreibens, mit dem er den Kläger auf die Zustellung des Berufungsurteils und
die Rechtsmittelfristen hingewiesen hat, nicht bemerkt, daß die Bürovorsteherin
das  ordnungsgemäß  im  Fristenkalender  vermerkte  Datum  der  Zustellung  des
Berufungsurteils sowie das ebenso ordnungsgemäß vermerkte  Datum  des  Ab-
laufs  der  Beschwerdefrist  falsch  übertragen  hat.  Darin  liegt  ein  Anwaltsver-
schulden, das sich der Kläger gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muß.
Denn es ist in ständiger Rechtsprechung anerkannt, daß der in der  Vorinstanz
tätige Prozeßbevollmächtigte, wenn er den Zeitpunkt  der  Zustellung  des  anzu-
fechtenden  Urteils  und  die  berechnete  Rechtmittelfrist  angibt,  die  Richtigkeit
dieser Angaben eigenverantwortlich prüfen muß und sich insoweit nicht auf sei-
ne  Bürokraft  verlassen  darf  (BGH,  Beschl.  v.  13.2.2001  -  VI  ZB  34/00,  NJW
2001, 1579 m.w.N.). Das gilt nicht nur, wenn die Mitteilung gegenüber dem mit
der  Führung  des  Rechtsmittels  beauftragten  Rechtsanwalt  erfolgt,  sondern
auch für die Mitteilung der  genau  berechneten Fristen an  den  Mandanten  per-
sönlich.
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Da die Voraussetzungen der Wiedereinsetzung im Rahmen des Prozeß-
kostenhilfeverfahrens  inzident  zu  prüfen  waren,  hat  der  mit  dem  weiteren  An-
trag  auf  Bewilligung  von  Prozeßkostenhilfe  gestellte  Antrag  auf  Wiedereinset-
zung in  den  vorigen  Stand  keine  selbständige  Bedeutung.  Von  der  förmlichen
Bescheidung dieses Antrags, der im  übrigen in der Form  der  versäumten  Pro-
zeßhandlung  (Nichtzulassungsbeschwerde)  hätte  gestellt  und  mit  der  Nachho-
lung  der  Prozeßhandlung  verbunden  werden  müssen  (§  236  Abs.  1,  2  ZPO),
hat der Senat daher abgesehen.
Melullis
Scharen
Mühlens
Meier-Beck
Asendorf