Urteil des BGH vom 13.02.2013

BGH: rechtskraft, verzinsung, veröffentlichung, vvag, pensionskasse, verzug, geldschuld, zahlungsaufforderung, familienrecht, anfechtung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 631/12
vom
13. Februar 2013
in der Familiensache
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Februar 2013 durch
den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Dr. Klinkhammer, Schilling,
Dr. Nedden-Boeger und Dr. Botur
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 2 wird der Beschluss
des 16. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts
München vom 12. Oktober 2012 aufgehoben, als darin über den
Ausgleich der von dem Antragsteller bei der BMW AG erworbenen
Anrechte entschieden worden ist, und die Entscheidung insoweit
wie folgt neu gefasst:
Im Wege externer Teilung wird zu Lasten des Anrechts des An-
tragstellers bei der BMW AG (Vers.-Nr.: ) zu-
gunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe von 6.411,28
€,
bezogen auf den 31. August 2011 als Ende der Ehezeit, bei der
Versorgungsausgleichskasse Pensionskasse VVaG begründet.
Die BMW AG wird verpflichtet,
den Betrag von 6.411,28 € nebst
Zinsen in Höhe von 5,15 % vom 1. September 2011 bis zur
Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich an
die Versorgungsausgleichskasse Pensionskasse VVaG zu zahlen.
Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht
erhoben; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Beschwerdewert: 1.605
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Gründe:
I.
Die am 1. August 2003 geschlossene Ehe der Parteien wurde auf einen
am 15. September 2011 zugestellten Scheidungsantrag durch Endbeschluss
des Amtsgerichts vom 29. März 2012 rechtskräftig geschieden.
Während der ehevertraglich vereinbarten Ausgleichszeit haben beide
Ehegatten Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben. Dane-
ben hat der Antragsteller Anrechte aus der betrieblichen Altersversorgung bei
der Beteiligten zu 2 (BMW AG) erworben. Das Amtsgericht hat den Versor-
gungsausgleich im Scheidungsverbund geregelt und dabei die von den Parteien
erworbenen Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung intern geteilt. Fer-
ner hat es zulasten des von dem Antragsteller bei der Beteiligten zu 2 erworbe-
nen betrieblichen Anrechts im Wege interner Teilung zugunsten der Antrags-
gegnerin ein Anrecht in Höhe von 4.406,60
€, bezogen auf den 31. Juli 2009,
übertragen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 2, die darauf
hinweist, bereits in erster Instanz auf eine externe Teilung des Anrechts ange-
tragen zu haben. Das Oberlandesgericht hat - soweit für das Rechtsbeschwer-
deverfahren von Interesse - die Entscheidung des Amtsgerichts dahingehend
abgeändert, dass es im Wege externer Teilung zulasten des Anrechts des An-
tragstellers bei der Beteiligten zu 2 zugunsten der Antragsgegnerin bei der Be-
teiligten zu 3 (Versorgungsausgleichskasse) ein Anrecht in Höhe von
6.411,28
€ nebst Zinsen in Höhe von 5,15 % seit dem 1. September 2011 be-
gründet hat. Den von der Beteiligten zu 2 begehrten Ausspruch zur Beendigung
des Zinslaufes bei Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung zum Versorgungs-
ausgleich hat das Oberlandesgericht abgelehnt, weil nach seiner Auffassung
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Zinsen bis zur Zahlung des Ausgleichsbetrages an den Zielversorgungsträger
zu leisten seien.
Gegen die Entscheidung zum Zinslauf wendet sich die Beteiligte zu 2 mit
ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 1 FamFG statthaft und auch
im Übrigen zulässig. Sie hat in der Sache Erfolg und führt im Umfang der An-
fechtung zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung.
Die Verzinsung des Ausgleichswertes ist für den Zeitraum seit dem Ende
der Ehezeit bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsaus-
gleich anzuordnen. Soweit demgegenüber - mit dem Beschwerdegericht - die
Auffassung vertreten wird, dass die Verzinsung des Ausgleichswertes grund-
sätzlich bis zum tatsächlichen Eingang der Zahlung beim Zielversorgungsträger
erfolgen müsse, vermag der Senat dem nicht zu folgen (vgl. Senatsbeschluss
vom 6. Februar 2013 - XII ZB 204/11 - zur Veröffentlichung bestimmt).
Die Anordnung der externen Teilung ist ein richterlicher Gestaltungsakt.
Mit der Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich wird
zwischen der ausgleichsberechtigten Person und dem Träger der Zielversor-
gung unmittelbar ein Rechtsverhältnis begründet bzw. ein bestehendes Rechts-
verhältnis ausgebaut. Der ausgleichsberechtigte Ehegatte erwirbt deshalb be-
reits mit Rechtskraft der Entscheidung im Umfang des zu seinen Gunsten zu
begründenden Anrechts einen Anspruch auf die von der Zielversorgung nach
seiner Versorgungsordnung gewährten Leistungen, und zwar unabhängig
davon, ob und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt es zu einem Kapitaltrans-
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fer zwischen dem Träger der Zielversorgung und dem zahlungspflichtigen
Versorgungsträger kommt. Das Risiko der Beitreibung des vom Gericht nach
§ 222 Abs. 3 FamFG i.V.m. § 14 Abs. 4 VersAusglG festgesetzten Kapitalbe-
trages trägt somit der Träger der Zielversorgung (Senatsbeschluss vom
6. Februar 2013 - XII ZB 204/11 - zur Veröffentlichung bestimmt; vgl. auch
Johannsen/Henrich/Holzwarth Familienrecht 5. Aufl. § 14 VersAusglG Rn. 29;
MünchKommBGB/Gräper 6. Aufl. § 14 VersAusglG Rn. 30; FAKomm-FamR/
Wick 5. Aufl. § 14 VersAusglG Rn. 24; Häußermann BetrAV 2008, 428, 431;
kritisch hierzu MünchKommBGB/Dörr 6. Aufl. § 222 FamFG Rn. 9). Diese Risi-
koverteilung entspricht erkennbar den Vorstellungen des Gesetzgebers (vgl.
BT-Drucks. 16/10444 S. 95), was sich auch daraus erschließt, dass für die ge-
setzliche Rentenversicherung als Auffangversorgung (§ 15 Abs. 5 Satz 1
VersAusglG) mit § 120 g SGB VI eine vom Gesetzgeber ausdrücklich als "Son-
derbestimmung" (BT-Drucks. 16/10444 S. 101) bezeichnete Vorschrift geschaf-
fen wurde, durch die - an sich systemwidrig - die Begründung des Anrechts zu-
gunsten der ausgleichsberechtigten Person auf den Zeitpunkt des tatsächlichen
Kapitaltransfers hinausgeschoben worden ist.
Vor diesem Hintergrund besteht kein Bedürfnis für die Anordnung einer
Verzinsung des Ausgleichswertes über den Zeitpunkt der Rechtskraft der Ent-
scheidung zum Versorgungsausgleich hinaus. Der ausgleichsberechtigte Ehe-
gatte erwirbt aufgrund der Gestaltungswirkung der gerichtlichen Entscheidung
über den Versorgungsausgleich mit deren Rechtskraft beim Träger der Zielver-
sorgung ein Anrecht in einer konkret bestimmbaren Höhe. Selbst wenn man
- was allerdings zweifelhaft erscheint - davon ausgehen wollte, dass der Verzin-
sungsvorgang im Versorgungssystem des Zielversorgungsträgers erst nach
Eingang des zu transferierenden Betrages beginnt (so Borth Versorgungsaus-
gleich 6. Aufl. Rn. 1139), gebieten weder die Interessen der ausgleichsberech-
tigten Person noch die Interessen des Zielversorgungsträgers die Anordnung
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einer über die Rechtskraft der Entscheidung hinausgehenden Verzinsung. Leis-
tet der zahlungspflichtige Versorgungsträger auf eine Zahlungsaufforderung
nicht, kann der Träger der Zielversorgung nach den allgemeinen Regeln über
den Verzug mit einer Geldschuld (§§ 288 ff. BGB) seinen Verzögerungsscha-
den geltend machen; dieser Schaden kann sich auch auf die kapitalisierten Zin-
sen beziehen und den im Versorgungssystem des zahlungspflichtigen Versor-
gungsträgers verwendeten Rechnungszins durchaus übersteigen (vgl. Senats-
beschluss vom 6. Februar 2013 - XII ZB 204/11 - zur Veröffentlichung be-
stimmt).
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Von einer weitergehenden Begründung der Entscheidung wird nach § 74
Abs. 7 FamFG abgesehen.
Dose
Schilling
Klinkhammer
Nedden-Boeger
Botur
Vorinstanzen:
AG München, Entscheidung vom 29.03.2012 - 534 F 9842/11 -
OLG München, Entscheidung vom 12.10.2012 - 16 UF 707/12 -
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