Urteil des BGH vom 03.11.2010

BGH (wiedereinsetzung in den vorigen stand, akte, hamburg, frist, fristablauf, akten, begründung, ergebnis, zpo, richtigkeit)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 143/10
vom
3. November 2010
in der Familiensache
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. November 2010 durch die
Vorsitzende Richterin Dr.
Hahne und die Richter Weber-Monecke,
Dr. Klinkhammer, Schilling und Dr. Günter
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 1. Familiense-
nats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom
4. März 2010 wird auf Kosten des Beklagten verworfen.
Wert: 1.387 €
Gründe:
I.
Die Klägerin nimmt den Beklagten aus übergegangenem Recht nach § 7
UVG auf rückständigen Kindesunterhalt für dessen Sohn in Anspruch. Das
Amtsgericht hat den Beklagten, der die Klageforderung teilweise anerkannt hat,
antragsgemäß verurteilt. Das Urteil ist dem Beklagten am 21. September 2009
zugestellt worden. Der Beklagte hat rechtzeitig Berufung eingelegt. Die vom
23. November 2009 (Montag) datierende Berufungsbegründung ist beim Ober-
landesgericht am 24. November 2009 eingegangen. Nach dem Hinweis des
Oberlandesgerichts auf die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist hat der
Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
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Der Beklagte hat dargelegt, zu der Fristversäumung sei es gekommen,
weil seinem Rechtsanwalt die Akte mit dem Vermerk "Fristablauf heute" zwar
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vorgelegt worden sei, auf die Akte aber wegen eines Versehens einer Ange-
stellten die Akten mit dem Vermerk "Wiedervorlage" gelegt worden seien und
der Stapel zudem an den Platz verschoben worden sei, wo stets die Wiedervor-
lagen lägen. Der Rechtsanwalt habe demzufolge, als er am Abend von einem
auswärtigen Termin in die Kanzlei zurückgekehrt sei, auf der für die Fristabläufe
vorgesehenen Stelle keine Akte vorgefunden und die Akte erst am
24. November 2009 bearbeitet.
Das Oberlandesgericht hat durch den angefochtenen Beschluss den
Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig
verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.
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II.
Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig.
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Auf das Rechtsmittel findet noch das bis zum 31. August 2009 geltende
Verfahrensrecht Anwendung, weil das Verfahren vor dem 1. September 2009
eingeleitet worden ist (Art. 111 Abs. 1 FGG-RG; vgl. Senatsurteil vom 16. De-
zember 2009 - XII ZR 50/08 - FamRZ 2010, 357 Rn. 7).
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Die Rechtsbeschwerde ist zwar nach §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522
Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Es fehlt indessen an den besonderen Zulässig-
keitsvoraussetzungen nach § 574 Abs. 2 ZPO. Der von der Rechtsbeschwerde
geltend gemachte Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Recht-
sprechung liegt nicht vor.
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1. Das Oberlandesgericht hat im angefochtenen Beschluss darauf abge-
stellt, dass offenbar die Vorfrist für die Berufungsbegründung nicht eingetragen
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worden sei. Zum anderen überzeuge die Argumentation des Beklagten nicht.
Die Berufungsbegründungsschrift datiere vom 23. November 2010, eingegan-
gen beim Oberlandesgericht am 24. November 2009 zwischen Dienstschluss
und 24 Uhr.
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2. Auch wenn dem nicht in vollem Umfang zu folgen ist, liegt ein Zulas-
sungsgrund nicht vor, weil das Oberlandesgericht im Ergebnis richtig entschie-
den hat.
a) Allerdings macht die Rechtsbeschwerde mit Recht geltend, dass das
Oberlandesgericht das Vorbringen des Beklagten zur Notierung einer Vorfrist
übergangen hat. Das Oberlandesgericht ist davon ausgegangen, dass der
Rechtsanwalt des Beklagten nicht veranlasst habe, eine Vorfrist zu notieren. In
seinem Schriftsatz vom 7. Dezember 2009 hat der Beklagte hingegen Näheres
dazu vorgetragen, dass die Frist und auch die Vorfrist im Fristenkalender einge-
tragen und die Akten zum Fristablauf mit einem entsprechenden Vermerk auf
dem Aktendeckel auf den Schreibtisch des Rechtsanwalts gelegt würden. Der
Vortrag bezieht sich sowohl auf die Berufungsfrist als auch auf die Berufungs-
begründungsfrist. Bei Zweifeln des Oberlandesgerichts hätte es demnach eines
gerichtlichen Hinweises auf die Ergänzungs- oder Klärungsbedürftigkeit des
Vorbringens bedurft. Darauf kommt es indessen nicht entscheidend an, weil der
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b) Die Entscheidung wird von der weiteren Erwägung getragen, dass
auch nach der Glaubhaftmachung durch die Angaben des Rechtsanwalts und
die eidesstattlichen Versicherungen der beiden Angestellten erhebliche Zweifel
an der Richtigkeit der Angaben des Beklagten bestehen. Dies kommt in der
- wenn auch kurz gehaltenen - Begründung des Oberlandesgerichts zum Aus-
druck, dass das Datum der beim Oberlandesgericht eingegangenen Berufungs-
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begründung (23. November 2009) nicht mit dem Vorbringen des Beklagten
übereinstimmt, sein Rechtsanwalt habe die Sache erst am 24. November 2009
bearbeitet. Ein mögliches Versehen bei der Angabe des Datums, auf das die
Rechtsbeschwerde hinweist, ist bereits nicht glaubhaft gemacht worden. Dage-
gen spricht der Umstand, dass die Berufungsbegründungsfrist bereits am
23. November 2009 - als erledigt - gestrichen wurde. Die für die Fristenkontrolle
verantwortliche Rechtsfachwirtin kontrollierte die Fristen, bevor sie am 23. No-
vember 2009 das Büro verließ, konnte sich aber nicht daran erinnern, dass sie
die Frist gestrichen habe. Nach ihrer eidesstattlichen Versicherung ging sie bei
der Kontrolle ("wohl") davon aus, dass der Rechtsanwalt die Frist gestrichen
habe. Das spricht ebenfalls dafür, dass der Schriftsatz bereits am 23. Novem-
ber 2009 angefertigt wurde und aus anderen als den dargelegten Gründen zu
spät bei dem Oberlandesgericht eingegangen ist. Anders wäre schließlich auch
kaum zu erklären, dass der Rechtsanwalt erst auf den Hinweis der Berichter-
statterin des Oberlandesgerichts vom 2. Dezember 2009 einen Wiedereinset-
zungsantrag gestellt hat und nicht schon am 24. November 2009, als er nach
dem Vorbringen des Beklagten die Fristversäumung hätte bemerken müssen.
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c) Das Oberlandesgericht ist demnach im Ergebnis zu Recht davon aus-
gegangen, dass der Beklagte Umstände für eine unverschuldete Fristversäu-
mung nicht hinreichend glaubhaft gemacht hat.
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Hahne Weber-Monecke
Klinkhammer
Schilling
Günter
Vorinstanzen:
AG Hamburg, Entscheidung vom 07.08.2009 - 272 F 377/08 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 04.03.2010 - 10 UF 79/09 -