Urteil des BGH vom 05.12.2006

BGH (strafbefehl, geldstrafe, stpo, totschlag, gesamtstrafe, beleidigung, verurteilung, aufhebung, bildung, hauptverhandlung)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 484/06
vom
5. Dezember 2006
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts und des Beschwerdeführers am 5. Dezember 2006 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Essen vom 21. Juni 2006 im Ausspruch
über die beiden Gesamtfreiheitsstrafen mit den Feststel-
lungen aufgehoben.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Ver-
handlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zustän-
dige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags unter Einbezie-
hung der durch Strafbefehl des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 2. Mai 2005
verhängten Geldstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren sechs
Monaten und einer Woche und wegen verbotenen Führens einer halbautomati-
schen Kurzwaffe sowie wegen falscher Verdächtigung zu einer weiteren Ge-
samtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Mit seiner Revi-
sion rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts.
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Das Rechtsmittel führt lediglich zur Aufhebung der beiden Gesamtfrei-
heitsstrafen; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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Nach den Feststellungen hat der Angeklagte den Totschlag am Abend
des 10. März 2005 nach 20.00 Uhr begangen, den Verstoß gegen das WaffG
am 14. November 2005 und das Vergehen der falschen Verdächtigung am
28. November 2005. Bei der Bildung der beiden Gesamtstrafen ist das Landge-
richt davon ausgegangen, dass der am 2. Mai 2005 wegen Beleidigung erlas-
sene Strafbefehl des Amtsgerichts Gelsenkirchen Zäsurwirkung entfalte. Dabei
hat das Landgericht übersehen, dass diese Tat am 20. Februar 2005 begangen
wurde. Demgemäß hätte aus der wegen Beleidigung verhängten Geldstrafe von
30 Tagessätzen und der durch den Strafbefehl des Amtsgerichts Krefeld vom
10. März 2005 wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung verhängten
Geldstrafe von 90 Tagessätzen, deren Vollstreckung ebenfalls noch nicht erle-
digt war, nachträglich eine Gesamtstrafe gebildet werden müssen (§ 460 StPO).
Daraus ergibt sich, dass allein von dem Strafbefehl vom 10. März 2005 eine
Zäsurwirkung ausgehen kann (vgl. BGHSt 32, 190, 193: "Zäsurwirkung der ers-
ten Vorverurteilung").
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Dass dieser Strafbefehl hinsichtlich des Totschlags eine Zäsur bildet,
liegt jedoch nach den bisherigen Feststellungen fern, denn bei einer Verurtei-
lung durch Strafbefehl ist eine Straftat nur dann im Sinne des § 55 Abs. 1 StGB
vor der früheren Verurteilung begangen worden ist, wenn sie in die Zeit vor Un-
terzeichnung des Strafbefehls durch den Richter fällt (vgl. BGHSt 33, 230, 232).
Lässt sich in der neuen Hauptverhandlung nicht klären, ob der Strafbefehl, was
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nahe liegt, am Tattage bereits unterzeichnet war, als der Angeklagte den Tot-
schlag beging, ist hiervon nach dem Zweifelsgrundsatz auszugehen und aus
den verhängten Einzelfreiheitsstrafen eine Gesamtstrafe zu bilden.
Tepperwien Kuckein Athing
Solin-Stojanović Ernemann