Urteil des BGH vom 07.06.2007

BGH (allgemeine geschäftsbedingungen, zpo, begriff, reinigung, land, geltungsbereich, bezirk, zulassung, aussicht, interesse)

BUNDESGERICHTSHOF
HINWEISBESCHLUSS
X ZR 83/07
vom
15. September 2008
in dem Rechtsstreit
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Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. September 2008
durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter Scharen, die Richterin
Mühlens und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck und Gröning
beschlossen:
Der Senat beabsichtigt, die Revision der Beklagten gegen das Urteil
des 8. Zivilsenats des Kammergerichts vom 7. Juni 2007 durch Be-
schluss zurückzuweisen.
Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum
21. Oktober 2008.
Gründe:
I. Die Kläger verlangen von der Beklagten, der die Straßenreinigungslast
im Land B. obliegt, die Rückzahlung von nach ihrer Auffassung rechts-
grundlos erlangten, von ihnen unter Vorbehalt gezahlten Entgelten für die Stra-
ßenreinigung des Jahres 2005.
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Die Kläger sind erbbauberechtigte Besitzer von Hausgrundstücken in ei-
ner … Siedlergemeinschaft. Die Hausgrundstücke grenzen jeweils an vier
so genannten Privatstraßen des öffentlichen Verkehrs (Privatstraßen, auf denen
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öffentlicher Verkehr zugelassen ist) im Sinne von § 1 Abs. 1 Straßenreini-
gungsgesetz B. (StrReinG B. ), die im Eigentum des Landes B. ste-
hen. Zwei dieser privaten Straßen münden in eine öffentliche Straße, daneben
verfügt die Siedlung über einen Anschluss an eine weitere öffentliche Straße.
Die Kläger trifft aufgrund erbbauvertraglicher Vereinbarung die Pflicht zur Reini-
gung des jeweils angrenzenden Teils der Privatstraßen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und ausgeführt, die Beklagte
habe die nach dem gültigen Tarif für das Jahr 2005 jeweils in Rechnung gestell-
ten Zahlungen gemäß § 7 Abs. 2 StrReinG B. zu Recht erlangt. Die Kläger
seien als Anlieger von Privatstraßen des öffentlichen Verkehrs zugleich als ent-
geltpflichtige Hinterlieger im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 StrReinG B. anzu-
sehen, da diese Privatstraßen eine "Zufahrt" bzw. ein "Zugang" zu einer öffent-
lichen Straße im Sinne des Straßenreinigungsgesetzes darstellten.
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Auf die Berufung der Kläger hat das Kammergericht das Urteil des Land-
gerichts abgeändert und die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Es hat die Auf-
fassung vertreten, die Kläger seien weder Anlieger noch Hinterlieger einer öf-
fentlichen Straße im Sinne des Straßenreinigungsgesetzes B. und daher
zur Zahlung der Entgelte für Straßenreinigung nicht verpflichtet. Sie müssten
von jeher bereits für die ordnungsgemäße Reinigung der Privatstraßen des öf-
fentlichen Verkehrs Sorge tragen. Es entspreche nicht dem Willen des Gesetz-
gebers, für mehr Gerechtigkeit bei der Verteilung der Kosten der Straßenreini-
gung zu sorgen, wenn die Kläger zusätzlich zu den Kosten für die Reinigung
öffentlicher Straßen herangezogen würden. Durch eine entsprechende Rege-
lung entstünde ihnen zudem eine unzulässige Doppelbelastung, die gegen
Art. 3 GG verstieße.
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Das Kammergericht hat die Revision zugelassen: Zwar spreche gegen
die Zulassung der Revision der eindeutige Wortlaut des § 545 Abs. 1 ZPO. Da
aber nicht ausgeschlossen sei, dass der Begriff des Oberlandesgerichts in
§ 545 Abs. 1 ZPO seit der Eröffnung der Revision auch gegen die Urteile des
Landgerichts durch die Zivilprozessnovelle 2002 als Synonym für den Begriff
des Berufungsgerichts zu verstehen sei, sei die Revision im Interesse der Ein-
heitlichkeit der Rechtsprechung der im Land B. mit Berufungsverfahren be-
fassten Gerichte zuzulassen.
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II. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor
und die Revision hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a ZPO).
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Das Berufungsgericht hat die Revision im Interesse der Einheitlichkeit
der Rechtsprechung der im Land B. mit Berufungsverfahren befassten Ge-
richte zugelassen. Dieser Revisionsgrund liegt nicht vor, denn nach § 545
Abs. 1 ZPO kann die Revision nur darauf gestützt werden, dass die Entschei-
dung auf der Verletzung von Bundesrecht oder einer Vorschrift beruht, deren
Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Oberlandesgerichts hinaus er-
streckt. Dies trifft auf das Straßenreinigungsgesetz des Landes B. nicht zu.
Der Geltungsbereich dieses Gesetzes erstreckt sich nicht über den Bereich des
Kammergerichts hinaus. Aus dem eindeutigen Wortlaut des § 545 Abs. 1 ZPO
folgt demnach, dass die Revision nicht auf die Verletzung des Straßenreini-
gungsgesetzes B. gestützt werden kann.
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Allerdings hat der Senat entschieden, dass das Revisionsgericht Allge-
meine Geschäftsbedingungen selbst auslegen kann, wenn eine unterschiedli-
che Auslegung durch verschiedene Berufungsgerichte - verschiedene Landge-
richte, verschiedene Oberlandesgerichte oder ein Landgericht und ein Oberlan-
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desgericht - denkbar ist. Dass die Klausel nur im Bezirk eines Oberlandesge-
richts angewendet wird, steht danach der Auslegung durch das Revisionsge-
richt nicht entgegen (BGHZ 163, 321). Diese Entscheidung ergibt sich daraus,
dass der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die freie Auslegbar-
keit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen von ihrer Anwendbarkeit über den
Bereich eines Berufungsgerichts hinaus abhängig gemacht hat. Soweit in ein-
zelnen Entscheidungen statt dessen der Begriff Oberlandesgericht statt Beru-
fungsgericht verwendet worden ist, wurde dieser Begriff als Synonym zu Beru-
fungsgericht benutzt, weil ein anderes Berufungsgericht, gegen dessen Urteil
die Revision zugelassen war, nicht in Betracht kam. Der Senat hat es nach dem
Sinn und Zweck dieser Rechtsprechung für geboten gehalten, seit Geltung des
neuen Revisionsrechts zu dem Begriff Berufungsgericht zurückzukehren. An
einer entsprechenden Handhabung in Bezug auf Landesrecht ist der Senat a-
ber durch den klaren und unzweideutigen Wortlaut des § 545 Abs. 1 ZPO ge-
hindert.
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung in Anwendung nicht revi-
siblen Landesrechts getroffen; diese Begründung trägt das Ergebnis. Soweit
das Berufungsgericht seine Entscheidung auch auf Art. 3 GG gestützt hat, han-
delt es sich um eine Hilfsbegründung.
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Die Revision hat daher auch keine Aussicht auf Erfolg.
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Melullis
Scharen
Mühlens
Meier-Beck
Gröning
Hinweis:
worden.
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 19.09.2006 - 13 O 576/05 -
KG Berlin, Entscheidung vom 07.06.2007 - 8 U 179/06 -