Urteil des BGH vom 16.05.2002

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5 StR 137/02
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 16. Mai 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung u.a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Mai 2002
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird
das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 16. November
2001 gemäß § 349 Abs. 4 StPO im gesamten Strafaus-
spruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird gemäß
§ 349 Abs. 2 StPO verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache
zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die
Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Straf-
kammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur Steuerhin-
terziehung in drei Fällen und wegen Beihilfe zur versuchten Steuerhinterzie-
hung zu einer Gesamtgeldstrafe in Höhe von 270 Tagessätzen zu je 60 DM
verurteilt. Seine Revision führt zur Aufhebung des gesamten Strafaus-
spruchs; im übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
Die Strafzumessung des Landgerichts begegnet durchgreifenden
rechtlichen Bedenken. Die Urteilsgründe lassen nicht erkennen, daß die
Strafkammer im Hinblick auf Fall 4 (Beihilfe zur versuchten Steuerhinterzie-
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hung) eine Strafrahmenverschiebung nach § 23 Abs. 2 StGB i.V.m. § 49
Abs. 1 StGB geprüft hat. Dies hätte im vorliegenden Fall aber der Erörterung
bedurft (BGHR StGB § 23 Abs. 2 Strafrahmenverschiebung 4, 11). Da die
Einsatzstrafe somit keinen Bestand haben kann, war die Aufhebung auf die
übrigen Strafen zu erstrecken, weil nicht ausgeschlossen werden kann, daß
auch diese von dem Rechtsfehler beeinflußt sind.
II.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
1. Die ungewöhnlich lange Verfahrensverzögerung wird bei der ge-
botenen Neubestimmung des Strafausspruches erhebliches Gewicht erlan-
gen müssen. Wie sich aus den Urteilsgründen ergibt, hat der Haupttäter be-
reits im November 1995 ein umfassendes Geständnis abgelegt. Damit stan-
den die Tat, ihr Schuldumfang und die Tatbeteiligten im wesentlichen fest.
Hinderungsgründe, die es nachvollziehbar erscheinen lassen, warum es erst
im November 2001 zu einer Aburteilung der Taten des Angeklagten kam,
sind nicht ersichtlich. Bei dieser Sachlage wird der neue Tatrichter zu erör-
tern haben, ob eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung vorliegt und
diese gegebenenfalls durch Vergleich mit der ohne Berücksichtigung der
Verletzung des Beschleunigungsgebots angemessenen Strafe exakt zu be-
stimmen haben (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 11). Bei
einer dann vorzunehmenden Kompensation wird auch angemessen zu be-
rücksichtigen sein, daß die ungewöhnlich lange Zeit der Ungewißheit sich
für den Angeklagten schon deshalb in besonderem Maße belastend aus-
wirkte, weil er als Steuerberater in seiner beruflichen Betätigung durch das
schwebende Steuerstrafverfahren existentiell berührt war (vgl. BGHR StGB
§ 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 13).
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2. Weiterhin wird die Höhe des festzusetzenden Tagessatzes näher
zu belegen sein. Dies setzt neben der Feststellung einer Unterhaltspflicht
des Angeklagten gegenüber seinen Kindern auch voraus, daß dargelegt
wird, inwieweit der Angeklagte an seine Ehefrau oder an seine geschiedene
Ehefrau noch Unterhaltsleistungen zu erbringen hat.
Harms Häger Basdorf
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