Urteil des BGH vom 21.12.2005

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 88/05 Verkündet
am:
21. Dezember 2005
P o t s c h
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
HGB § 75 h Abs. 1
a) § 75 h Abs. 1 HGB ist auch auf einen im Außendienst tätigen Handlungsgehilfen
anwendbar, der nicht ausschließlich mit Geschäften außerhalb des Betriebes des
Prinzipals betraut ist.
b) Zum wesentlichen Inhalt des von dem Handlungsgehilfen abgeschlossenen Ge-
schäfts gehört alles, was nach Lage des Falles für die Entschließung des Unter-
nehmers, ob er das Geschäft ablehnen oder gegen sich gelten lassen will, be-
deutsam ist.
c) Unverzüglich i.S.d. § 75 h Abs. 1 HGB ist eine Ablehnung, wenn sie innerhalb ei-
ner angemessenen Überlegungsfrist - im Regelfall zwei Wochen - dem Dritten zu-
geht.
BGH, Urteil vom 21. Dezember 2005 - VIII ZR 88/05 - OLG Naumburg
LG Dessau
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 21. Dezember 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die
Richter Dr. Beyer, Ball, Dr. Leimert und Dr. Frellesen
für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Naumburg vom 16. März 2005 wird zurück-
gewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung des Kaufpreises für
20 Chemieschutzanzüge und acht Lungenautomaten. Dem liegt folgender
Sachverhalt zu Grunde:
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Am 23. Juli 2003 kam es auf dem Betriebsgelände der Streithelferin der
Beklagten in W. zu einem Unfall, bei dem eine größere Menge Flusssäure
austrat. Zur Beseitigung der Säure wurden verschiedene Feuerwehren der
Verwaltungsgemeinschaft W. eingesetzt; die Arbeiten zogen sich bis zum
24. Juli 2003 hin. Am Nachmittag dieses Tages wandte sich die Streithelferin
mit der Bitte um Beratung an die Beklagte, die im Chemiepark B.
ein Entsorgungszentrum betreibt. Daraufhin nahm deren damaliger Mitarbeiter
G. , dem bei der Beklagten die Erstellung von Angeboten, die Akqui-
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rierung von Aufträgen und die Betreuung von Kunden – auch im Außendienst –
oblag, an einer Einsatzbesprechung auf dem Betriebsgelände der Streithelferin
teil. Anschließend fand eine weitere Besprechung statt, bei der außer G.
auch die Betriebsleiterin des Betriebsteils der Beklagten im Chemie-
park B. , W. , der Schichtleiter der Streithelferin und der zustän-
dige Abschnittsleiter der Freiwilligen Feuerwehren W. anwesend wa-
ren und bei der die Art und Weise des weiteren Vorgehens sowie die Mitwir-
kung der Beklagten bei der Beseitigung der Unfallfolgen erörtert wurden. Auf
Grund dieser Besprechung erteilte G. dem Kläger, der in B.
einen Handel mit Gegenständen des Industrie- und Baubedarfs betreibt, na-
mens der Beklagten telefonisch von der Unfallstelle aus den Auftrag zur Liefe-
rung von 20 Chemieschutzanzügen und acht Lungenautomaten. Die Lieferung
wurde vom Kläger noch am Nachmittag des 24. Juli 2003 ausgeführt. Den Lie-
ferschein, auf dem die Beklagte als Auftraggeber genannt ist, unterzeichnete
G. einige Tage später.
Unter dem 29. Juli 2003 stellte der Kläger der Beklagten eine Rechnung
über insgesamt 68.058,36 €; davon entfielen auf die Schutzanzüge jeweils
2.880,- €, auf sechs Lungenautomaten je 125,10 € und auf zwei Lungenauto-
maten je 160,20 € zuzüglich Mehrwertsteuer. Mit Schreiben vom 29. August
2003 sandte die Beklagte die Rechnung an den Kläger mit dem Hinweis zurück,
nach Rücksprache mit dem Katastrophenamt und der Feuerwehr habe es Un-
stimmigkeiten über die vom Kläger erbrachte Leistung gegeben. Mit weiterem
Schreiben vom 3. September 2003 forderte die Beklagte den Kläger auf, die
Rechnung an die Feuerwehr als Leistungsempfänger zu stellen. Daraufhin hat
der Kläger gegen die Beklagte Klage auf Zahlung des genannten Betrages er-
hoben. Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich des Kaufpreises für die
Schutzanzüge (66.816,- € einschließlich Mehrwertsteuer) stattgegeben und sie
im Übrigen abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten
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zurückgewiesen und auf die Anschlussberufung des Klägers die Beklagte zur
Zahlung weiterer 1.242,36 € – des Kaufpreises für die Lungenautomaten – ver-
urteilt. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Be-
klagte ihren Klageabweisungsantrag in vollem Umfang weiter. Die Streithelferin
der Beklagten hat sich lediglich in den Tatsacheninstanzen am Verfahren betei-
ligt.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeu-
tung, im Wesentlichen ausgeführt:
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Nach der Beweiswürdigung des Landgerichts, gegen die keine Bedenken
bestünden, sei davon auszugehen, dass der Zeuge G. namens der
Beklagten den Kaufvertrag über die Schutzanzüge und Lungenautomaten mit
dem Kläger abgeschlossen habe. Zwar sei der Zeuge nur mit der Vermittlung
von Rechtsgeschäften betraut gewesen; Abschlussvollmacht habe er nicht ge-
habt. Die Beklagte habe das zunächst unwirksame Geschäft aber gemäß
§ 75 h HGB stillschweigend genehmigt. Dessen Voraussetzungen habe das
Landgericht nicht verkannt; der Aufgabenbereich des Zeugen – die Akquisition
von Neukunden und die Betreuung von Stammkunden – habe die Vorbereitung
und Ermöglichung des Abschlusses von Geschäften, mithin deren Vermittlung
umfasst. G. sei auch mit der Vermittlung solcher Geschäfte betraut
gewesen, wie er sie am 24. Juli 2003 im Namen der Beklagten abgeschlossen
habe. Die Bestellung von Schutzkleidung sei Teil des Entsorgungsauftrages
gewesen, den die Streithelferin der Beklagten erteilt habe. Der Zeuge sei, wie
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nach der durchgeführten Beweisaufnahme feststehe, auch außerhalb des Be-
triebes der Beklagten tätig gewesen. Es sei nicht erforderlich, dass sich die
Vermittlungstätigkeit des Handlungsgehilfen ausschließlich außerhalb des Be-
triebes abspiele; das Wort "nur" in § 75 h Abs. 1 HGB diene lediglich der Ab-
grenzung der Befugnis des Handlungsgehilfen zur Vermittlung von derjenigen
zum Abschluss eines Geschäfts. Schließlich sei die Beklagte spätestens durch
die Rechnung des Klägers über den wesentlichen Inhalt des Geschäfts – Lie-
ferumfang, Ort und Zeit der Lieferung, Lieferschein und Preis – informiert wor-
den. Das Geschäft gelte als genehmigt, da die Beklagte es nicht unverzüglich
nach der Benachrichtigung abgelehnt habe. Dabei sei dem Unternehmer eine
angemessene Überlegungsfrist einzuräumen, deren Dauer sich nach den Um-
ständen des Einzelfalles bestimme und deren Obergrenze bei zwei Wochen
anzusetzen sei. Diese Frist habe die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 29. Au-
gust 2003, mit dem sie die Bezahlung verweigert habe, nicht eingehalten.
Soweit das Landgericht auf Grund seiner Beweisaufnahme zu dem Er-
gebnis gelangt sei, dass der Kläger die bestellten 20 Schutzanzüge und acht
Lungenautomaten geliefert und absprachegemäß direkt an die Feuerwehrleute
übergeben habe, sei dies nicht zu beanstanden. Etwaige Mängel habe die Be-
klagte nicht rechtzeitig gerügt (§ 377 HGB). Den Preis für die Schutzanzüge,
der vor der Lieferung nur mit "ca. 3.000,- € pro Stück" vereinbart worden sei,
habe der Kläger in entsprechender Anwendung der §§ 315, 316 BGB auf
2.880,- € netto festsetzen können. Gleiches gelte für die acht Lungenautoma-
ten, für die dem Kläger entgegen der Auffassung des Landgerichts ein Kauf-
preis von insgesamt 1.242,36 € brutto zustehe.
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II.
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Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung in vollem Um-
fang stand. Die Vorinstanzen haben zu Recht und mit zutreffender Begründung
angenommen, dass die Beklagte zur Bezahlung des geltend gemachten Kauf-
preises verpflichtet ist, weil die Voraussetzungen des § 75 h Abs. 1 HGB erfüllt
sind und dem Anspruch des Klägers auch im Übrigen keine rechtlichen Hinder-
nisse entgegenstehen.
Dass der Zeuge G. den Auftrag an den Kläger im Namen der
Beklagten vergeben hat, wird von der Revision ausdrücklich hingenommen. Der
Zeuge G. hat den Kaufvertrag zwar geschlossen, ohne von der Be-
klagten hierzu bevollmächtigt zu sein. Der Vertrag ist aber wirksam geworden
(§§ 182, 184 BGB).
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Nach § 75 h Abs. 1 HGB gilt ein Geschäft, das ein Handlungsgehilfe, der
nur mit der Vermittlung von Geschäften außerhalb des Betriebes des Prinzipals
betraut ist, im Namen des Prinzipals abgeschlossen hat, als vom Prinzipal ge-
nehmigt, wenn dieser dem Dritten gegenüber nicht unverzüglich das Geschäft
ablehnt, nachdem er von dem Handlungsgehilfen oder dem Dritten über den
Abschluss und wesentlichen Inhalt des Geschäfts benachrichtigt worden ist;
Voraussetzung für die Annahme der stillschweigenden Genehmigung ist weiter,
dass dem Dritten der Mangel der Vertretungsmacht nicht bekannt war.
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1. Nach Auffassung der Revision ist die Anwendung des § 75 h Abs. 1
HGB im vorliegenden Fall schon deshalb ausgeschlossen, weil die Vorschrift
nur solche Handlungsgehilfen mit Vermittlungsauftrag betreffe, die ausschließ-
lich im Außendienst tätig seien. Dies trifft nicht zu. Die Bestimmung gilt auch für
Handlungsgehilfen, die nur teilweise im Außendienst tätig werden, daneben
aber – wie der Zeuge G. – auch im Innendienst eingesetzt sind. Die
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Frage ist allerdings im Schrifttum weitgehend ungeklärt und – vom vorliegenden
Berufungsurteil abgesehen – bislang obergerichtlich oder höchstrichterlich nicht
beantwortet.
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In der Literatur wird nur vereinzelt (Etzel in GK-HGB, 6. Aufl., § 75 h
Rdnr. 5) ausdrücklich die Ansicht vertreten, § 75 h Abs. 1 HGB gelte lediglich
für solche Handlungsgehilfen, die ausschließlich im Außendienst tätig seien. Im
Übrigen wird ohne nähere Differenzierung nach dem Aufgabenbereich des
Handlungsgehilfen im Innen- oder Außendienst – wörtlich oder sinngemäß –
darauf hingewiesen, dass die Vorschrift auf Handlungsgehilfen anzuwenden
sei, die (nur) mit der Vermittlung von Geschäften im Außendienst betraut seien
(so z.B. Baumbach/Hopt, HGB, 31. Aufl., § 75 h Rdnr. 1; Brüggemann/Würdin-
ger, HGB, 3. Aufl., § 75 h Anm. 1; Ebenroth/Boujong/Joost/Boecken, HGB,
§ 75 h Rdnr. 3 und § 75 g Rdnr. 5; Heymann/Henssler, HGB, 2. Aufl., § 75 h
Rdnr. 3; HK-HGB/Ruß, 6. Aufl., § 75 h Rdnr. 1; MünchKommHGB/v. Hoynin-
gen-Huene, 2. Aufl., § 75 h Rdnr. 3; Röhricht/Graf von Westphalen/Wagner,
HGB, 2. Aufl., § 75 h Rdnr. 1; Staub/Konzen/Weber, HGB, 4. Aufl., § 75 h
Rdnr. 3). Der Senat legt § 75 h Abs. 1 HGB dahin aus, dass er auch auf einen
Handlungsgehilfen anzuwenden ist, der nicht ausschließlich mit Geschäften
außerhalb des Betriebes des Prinzipals betraut ist, soweit er im Rahmen seiner
Außendiensttätigkeit gehandelt hat.
a) Der Wortlaut des § 75 h Abs. 1 HGB ist insoweit, anders als die Revi-
sion meint, nicht eindeutig. Er lässt beide Auslegungen zu, ohne dass eine der
beiden Möglichkeiten näher liegt als die andere. Sowohl bei dem weiteren als
auch bei dem engeren Verständnis der Vorschrift ergibt sie sprachlich und
sachlich einen Sinn.
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b) Für die Auslegung, dass sich das Wort "nur" allein auf die unmittelbar
anschließende Wendung "mit der Vermittlung" bezieht, die Bestimmung mithin
auch Handlungsgehilfen betrifft, die sowohl im Innen- als auch im Außendienst
beschäftigt sind, sprechen jedoch zum einen die systematische Stellung der
Norm und insbesondere ihr Sinn und Zweck.
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§ 75 h Abs. 1 HGB grenzt den Fall einer Kompetenzüberschreitung des
Vermittlungsgehilfen von derjenigen eines Abschlussgehilfen (Abs. 2) ab; da die
Vermittlungsbefugnis ein Weniger gegenüber der – wenn auch eingeschränk-
ten – Abschlussvollmacht darstellt, lag es für den Gesetzgeber nahe, dieses
Weniger durch das Wort "nur" zu betonen. Das erklärt entgegen der Ansicht der
Revision auch, weshalb in Abs. 2 eine ähnliche Einschränkung fehlt. Überdies
findet sich die Formulierung "nur mit der Vermittlung von Geschäften betraut"
ebenso in der Bestimmung des § 91 a Abs. 1 HGB, der eine mit § 75 h Abs. 1
HGB nahezu identische Regelung für den Handelsvertreter ohne Abschluss-
vollmacht enthält; dass dort die Worte "außerhalb des Betriebes des Prinzipals"
fehlen, beruht auf dem Umstand, dass der Handelsvertreter nach der Legaldefi-
nition des § 84 Abs. 1 HGB ohnehin als selbständiger Gewerbetreibender nur
außerhalb des Betriebes des von ihm vertretenen Unternehmers tätig ist.
Sinn und Zweck des § 75 h Abs. 1 HGB erlauben es entgegen der An-
sicht der Revision nicht, den Anwendungsbereich der Vorschrift auf den aus-
schließlich im Außendienst tätigen Handlungsgehilfen zu beschränken. Die Be-
stimmung begründet in Abweichung von dem Grundsatz des § 177 BGB, wo-
nach die Wirksamkeit eines von einem vollmachtlosen Vertreter abgeschlosse-
nen Geschäfts von der Genehmigung des Vertretenen abhängt, einen besonde-
ren handelsrechtlichen Vertrauenstatbestand. Aus dem Gesichtspunkt des Ver-
kehrsschutzes soll der Dritte, der mit dem Handlungsgehilfen ohne Vertre-
tungsmacht einen Vertrag abgeschlossen hat, darauf vertrauen dürfen, dass
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der Vertrag als genehmigt gilt, wenn der Prinzipal nach Benachrichtigung über
den Vertragsschluss das Geschäft nicht unverzüglich ablehnt (Münch-
KommHGB/v. Hoyningen-Huene, aaO Rdnr. 2; ähnlich Ebenroth/Boujong/Joost/
Boecken, aaO Rdnr. 1). Bei derartigen, außerhalb des Betriebes des Prinzipals
des Handlungsgehilfen zustande gekommenen Vertragsabschlüssen besteht
für den Dritten ein gesteigertes Schutzbedürfnis, weil die Fiktion der Vollmacht
des Angestellten im Innendienst (§ 56 HGB) hier nicht eingreift und überdies
der Dritte keine wirksame Möglichkeit zur Überprüfung der Befugnisse des
Handlungsgehilfen hat. Träfe die Auffassung der Revision zu, so würde der vom
Gesetz gewollte Vertrauensschutz in all den Fällen leer laufen, in denen der
Handlungsgehilfe nicht ausschließlich im Außendienst, sondern daneben oder
sogar in erster Linie im Innendienst eingesetzt ist. Ob das eine oder das andere
der Fall ist, kann der Dritte ohne Kenntnis des Aufgabenbereiches des Hand-
lungsgehilfen nicht erkennen.
Durch die Genehmigungsfiktion des § 75 h Abs. 1 HGB auch bei Ge-
schäftsabschlüssen von nicht ausschließlich im Außendienst tätigen Hand-
lungsgehilfen werden die Rechte des Prinzipals nicht unangemessen beein-
trächtigt. Wie er den Aufgabenbereich seiner Angestellten organisiert, bleibt ihm
überlassen. Überträgt er einem Angestellten neben einer Tätigkeit im Innen-
dienst auch eine Vermittlungstätigkeit im Außendienst, so besteht kein Anlass,
ihn bei den Folgen einer Kompetenzüberschreitung des Angestellten, der im
Außendienst tätig wird, besser zu stellen als dann, wenn er einen Mitarbeiter
ausschließlich mit einer Außendiensttätigkeit betraut hat.
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2. Ohne Erfolg rügt die Revision überdies, der Anwendung des § 75 h
Abs. 1 HGB stehe im vorliegenden Fall die Art des Geschäftes entgegen, das
der Zeuge G. im Namen der Beklagten mit dem Kläger abgeschlos-
sen hat. Zwar gilt der hier zu erörternde besondere handelsrechtliche Vertrau-
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ensschutz nur für solche von dem Handlungsgehilfen oder Handelsvertreter
abgeschlossenen Geschäfte, die der Betrieb des Gewerbes seines Prinzipals
gewöhnlich mit sich bringt; insofern sind die Regelungen der §§ 54 Abs. 1, 55
Abs. 1 und 91 Abs. 1 HGB Ausdruck eines allgemeinen, das Handelsrecht be-
herrschenden Grundsatzes, der sich auch auf die Genehmigungsfiktion der
§§ 75 h Abs. 1, 91 a Abs. 1 HGB erstreckt (vgl. z.B. MünchKommHGB/
v. Hoyningen-Huene aaO, § 91 a Rdnr. 7; Ebenroth/Boujong/Joost/Löwisch
aaO, § 91 a Rdnr. 5). Demzufolge umfasst dieser Vertrauensschutz nicht solche
Geschäfte, die nach Art, Umfang oder Risiko für den betreffenden Betrieb au-
ßergewöhnlich sind (MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene aaO). Davon kann
hier jedoch nicht ausgegangen werden.
Die Beklagte betreibt im Chemiepark B. ein Entsorgungszentrum.
Schon deshalb liegt es nahe, dass sie nicht nur routinemäßige Entsorgungs-
maßnahmen für die ortsansässige Chemieindustrie durchführt, sondern auch
bei Unfällen mit chemischen Substanzen tätig wird. Dass die Mitwirkung ihres
Angestellten G. bei dem Schadensereignis vom 23./24. Juli 2003 für
ihren Betriebsteil im Chemiepark B. eine außergewöhnliche Maßnahme
darstellte, hat sie nicht geltend gemacht. Soweit die Revision darauf verweist,
die Beklagte verfüge selbst nicht über Schutzanzüge und verleihe diese auch
nicht an ihre Kunden, spricht dieser Umstand gerade dafür, dass sie für die
Durchführung schwieriger Entsorgungsmaßnahmen im Bedarfsfall solche
Schutzanzüge bei einem Dritten erwerben muss. Nach den Feststellungen des
Berufungsgerichts hat der Zeuge G. bereits früher für die Beklagte
solche Schutzanzüge, wenn auch in geringerer Stückzahl, gekauft. Im Übrigen
ergeben sich aus den tatrichterlichen Feststellungen keine Anhaltspunkte für
die Annahme der Revision, der vom Zeugen G. mit dem Kläger ab-
geschlossene Kaufvertrag sei nach seinem Umfang für den Betriebsteil B.
der Beklagten außergewöhnlich gewesen.
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3. Vergeblich rügt die Revision des Weiteren, für eine Anwendung des
§ 75 h Abs. 1 HGB fehle es an der Voraussetzung, dass die Beklagte über den
Abschluss und den wesentlichen Inhalt des Vertrages informiert worden sei.
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Wesentlicher Inhalt des Vertrages ist alles, was nach Lage des Falles für
die Entschließung des Unternehmers, ob er das Geschäft ablehnen oder gegen
sich gelten lassen will, bedeutsam sein kann. Dazu gehören namentlich eine
hinreichend deutliche Beschreibung von Leistung und Gegenleistung, im Regel-
fall darüber hinaus bei Kaufverträgen auch Zeitpunkt und Ort der Lieferung so-
wie etwaige besondere Abreden über Gewährleistung und Qualitätsanforderun-
gen; einer besonderen Form bedarf die Benachrichtigung nicht (vgl.
MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene aaO § 75 h Rdnr. 6; Ebenroth/Boujong/
Joost/Boecken aaO, § 75 h Rdnr. 8; Baumbach/Hopt aaO, § 91 a Rdnr. 6). Die-
se Informationen hat der Kläger der Beklagten durch die Übersendung seiner
Rechnung vom 29. Juli 2003 vermittelt. Durch die einleitenden Worte "Wir dan-
ken Ihnen für Ihren Auftrag", die Bezugnahme auf den Lieferschein vom 24. Juli
2003 und den Hinweis auf den "Havarieeinsatz Q. " war für die Beklagte,
die sich insoweit das Wissen ihrer Betriebsleiterin W. zurechnen lassen muss,
klar, dass der der Rechnung zugrunde liegende Kaufvertrag am 24. Juli 2003
durch ihren Mitarbeiter G. im Zusammenhang mit dem Schadensfall
vom 23./24. Juli 2003 abgeschlossen worden war. Anzahl und Art der Schutz-
anzüge, des Zubehörs und der Lungenautomaten waren im Einzelnen angege-
ben; außerdem enthielt die Rechnung den jeweiligen Einzelpreis und den Ge-
samtpreis der Artikel sowie die Zahlungsbedingungen.
4. Die Beklagte hat sich nicht unverzüglich gegen die Inanspruchnahme
aus dem Kaufvertrag durch den Kläger gewandt.
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Nach § 75 h Abs. 1 HGB gilt das von dem vollmachtlosen Vermittlungs-
gehilfen abgeschlossene Geschäft als von dem Prinzipal genehmigt, wenn die-
ser dem Dritten gegenüber nicht unverzüglich nach der Benachrichtigung das
Geschäft ablehnt. "Unverzüglich" (vgl. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) erfolgt die Ab-
lehnung des Unternehmers, wenn sie eine angemessene Überlegungsfrist
wahrt; dabei wird – in Anlehnung an die Bestimmung des § 177 Abs. 2 Satz 2
BGB – im Regelfall eine Frist von zwei Wochen als ausreichend anzusehen
sein. Maßgebend sind jeweils die Umstände des Einzelfalles (Ebenroth/
Boujong/Joost/Boecken aaO Rdnr. 11; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene
aaO Rdnr. 8; Baumbach/Hopt aaO § 91 a Rdnr. 8; Heymann/Sonnenschein/
Weitemeyer aaO, § 91 a Rdnr. 10). Die Überlegungsfrist beginnt mit dem Zu-
gang der Benachrichtigung zu laufen. Da die Ablehnungserklärung des Prinzi-
pals ebenfalls empfangsbedürftig ist, kommt es auch für die Frage, ob die Frist
gewahrt ist, auf den Zugang dieser Erklärung bei dem Dritten an. Nach diesen
Maßstäben gilt das von dem Zeugen G. namens der Beklagten mit
dem Kläger abgeschlossene Geschäft mangels rechtzeitiger Ablehnung als von
der Beklagten genehmigt.
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Die Rechnung des Klägers vom 29. Juli 2003 ist bei der Beklagten am
4. August 2003 eingegangen. Das Schreiben der Beklagten vom 29. August
2003, das die Vorinstanzen als Ablehnung gewertet haben, ist beim Kläger ge-
nau vier Wochen später, am 1. September 2003, eingegangen. Dies war ver-
spätet. Zwar macht die Revision geltend, der Beklagten müsse eine Verlänge-
rung der Überlegungsfrist zugebilligt werden, weil sich die Betriebsleiterin des
Entsorgungszentrums, die Zeugin W. , nach der Behauptung der Beklagten
vom 11. bis 15. August 2003 in Urlaub befunden habe. Ob eine solche vorüber-
gehende Abwesenheit eines Mitarbeiters des Unternehmers überhaupt eine
Verlängerung der Überlegungsfrist zu rechtfertigen vermag, erscheint fraglich,
kann aber letztlich dahinstehen; denn selbst bei Berücksichtigung dieses Um-
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standes würde sich die Frist allenfalls bis zum 25. August 2003 verlängern, so
dass die erst eine Woche später – am 1. September 2003 – beim Kläger einge-
gangene Ablehnungserklärung auch dann nicht mehr unverzüglich im Sinne
des § 75 h Abs. 1 HGB erfolgt wäre.
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Sonstige Gesichtspunkte, die ausnahmsweise eine Ausdehnung der
Überlegungsfrist begründen könnten, sind nicht ersichtlich. Alle etwaigen Fra-
gen konnte die Beklagte durch einfache Rücksprache mit ihrem Handlungsge-
hilfen G. in kurzer Zeit klären; das gilt namentlich für den von der
Revision in diesem Zusammenhang erwähnten Hinweis auf der Rechnung des
Klägers, dass das Material an die Einsatzleitung geliefert worden sei. Auch Art
und Umfang des Geschäfts erforderten keinen zusätzlichen Zeitaufwand für die
Entscheidung der Beklagten, ob sie das Geschäft ablehnen oder gegen sich
gelten lassen wolle.
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III.
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Nach alledem erweist sich die Revision als unbegründet. Sie ist daher
zurückzuweisen.
Dr. Deppert
Dr. Beyer
Ball
Dr. Leimert
Dr. Frellesen
Vorinstanzen:
LG Dessau, Entscheidung vom 13.08.2004 - 5 O 149/03 -
OLG Naumburg, Entscheidung vom 16.03.2005 - 4 U 173/04 (Hs) -