Urteil des BGH vom 21.06.2006

BGH: abtretung, steuerberater, verjährung, einwilligung, nichtigkeit, verein, aktivlegitimation, befangenheit, verkündung, honorarforderung

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Gericht:
OLG Frankfurt 17.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
17 U 59/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 49b Abs 4 Nr 2 BRAO, § 59a
Abs 1 BRAO, § 64 Abs 2 S 2
StBerG
(Steuerberaterhonorar: Nichtigkeit einer Honorarabtretung
an eine Rechtsanwalts- und Steuerberatersozietät)
Leitsatz
Die Abtretung von Gebührenforderungen eines Steuerberaters an eine Sozietät -
bestehend aus Rechtsanwälten und Steuerberatern - ist ohne Einwilligung der
Mandanten unzulässig.
Tenor
[Anmerkung der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs: Der Tenor wurde
vom Gericht nicht mitgeteilt.]
Gründe
I.
Der Kläger, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in einer Sozietät, bestehend aus
Rechtsanwälten und Steuerberatern, begehrt aus abgetretenem Recht des
ebenfalls in der Sozietät tätigen Steuerberaters A die Zahlung von
Steuerberaterhonorar aus 2 Rechnungen der B mbH aus den Jahren 2000 und
2001. Das Vermögen dieser Steuerberatergesellschaft ist zunächst als Ganzes auf
den Steuerberater A übergegangen. Der Steuerberater A hat die ausstehenden
Forderungen gegen den beklagten Verein in die Sozietät eingebracht. Die Partner
der oben erwähnten Sozietät beschlossen unter Tagesordnungspunkt 5 in der
Partnerversammlung vom 8.10.2002, dass jeder einzelne Partner ermächtigt sei,
Forderungen gegen Mandanten, die der Sozietät zur gesamten Hand zustehen,
gerichtlich und/oder außergerichtlich im eigenen Namen und für eigene Rechnung
geltend zu machen. In dem Protokoll heißt es weiter:
"Die vorstehende Befugnis soll nicht nur im Innenverhältnis, sondern auch im
Außenverhältnis gelten. Dies bedeutet, dass jedes Mitglied der Partnerschaft auch
nach außen bevollmächtigt ist, Forderungen der Sozietät im eigenen Namen und
auf eigene Rechnung einzuziehen. Dieser Beschluss kann zum Nachweis der
Abtretung und der Bevollmächtigung des die Forderung einziehenden
Gesellschafters jederzeit dem zustehenden Gericht oder jeder anderen natürlichen
oder juristischen Person vorgelegt werden.
Zur Klarstellung wird darauf hingewiesen, dass dieser Gesellschaftsbeschluss für
sämtliche Forderungen der Partnerschaft gilt, die in der Vergangenheit bereits
entstanden sind sowie für sämtliche Forderungen, die in Zukunft noch entstehen
werden.“
Am 24.12.2003 hat der Kläger über die Klageforderung von 5.390,98 € nebst
Zinsen den Erlass eines Mahnbescheides beantragt, der dem Beklagten am
31.1.2004 zugestellt worden ist. Am 30.9.2005 hat der Kläger die Klage begründet.
Nachdem am 24.11.2005 ein klageabweisendes Versäumnisurteil ergangen war,
hat der Kläger beantragt,
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unter Aufhebung des Versäumnisurteils
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 5.390,89 € nebst 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz seit dem 23.12.2003 zu zahlen, ii) den Beklagten zu verurteilen, an
ihn Zinsen aus der Hauptforderung von 5.390,89 € für den Zeitraum vom
24.12.2000 bis 22.12.2003 in Höhe von 1.072,25 € sowie 7,50 € Mahnkosten zu
zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
das Versäumnisurteil aufrecht zu erhalten.
Der Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Er hat die Auffassung
vertreten, die Abtretung an den Kläger sei mangels Einwilligung unzulässig. Die
Leistungen seien im übrigen durch verschiedene Teilzahlungen bereits beglichen
worden.
Das Landgericht hat in einem am Schluss der Sitzung nach mündlicher
Verhandlung am 19.1.2006 verkündeten Urteil das Versäumnisurteil vom
24.11.2005 aufrecht erhalten. Vor der Verkündung der Entscheidung nach Schluss
der mündlichen Verhandlung kam es zu einem Gespräch zwischen der
Prozessbevollmächtigten des Klägers und dem Vorsitzenden Richter, welches der
Kläger zum Anlass nahm, den Vorsitzenden Richter am Landgericht mit einem an
das Landgericht Gießen unter dem 20.1.2006 gerichteten Gesuch wegen
Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Das Landgericht Gießen hat unter dem
22.2.2006 das Ablehnungsgesuch des Klägers als unzulässig zurückgewiesen.
Wegen Einzelheiten der Begründung wird auf den Beschluss des Landgerichts vom
22.2.2006 (Bl. 171-173 d.A.) Bezug genommen. Die Abweisung der Klage hat das
Landgericht damit begründet, dass dem Kläger die zur Geltendmachung der
Klageforderung notwendige Aktivlegitimation fehle. Der Beklagte habe einer
Abtretung unstreitig nicht zugestimmt, die Abtretung sei demzufolge nichtig, weil
auch der Steuerberater der Verschwiegenheitspflicht unterliege. Wegen weiterer
Einzelheiten der Begründung wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Mit seiner zulässigen Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlich gestellten
Anträge.
Der Kläger ist der Auffassung, die Begründetheit des Ablehnungsgesuchs sei in der
Rechtsmittelinstanz zu überprüfen, weil festzustellen sei, dass die von dem
Vorsitzenden Richter getätigten Äußerungen Misstrauen gegen die Unparteilichkeit
des Richters rechtfertigen, so dass das erstinstanzliche Urteil den Grundsätzen
des fairen Verfahrens zuwider laufe. Die Besorgnis der Befangenheit sei auch
durch den Inhalt der angegriffenen Entscheidung dokumentiert. Während im
Hinweisbeschluss des Landgerichts vom 21.12.2005 die Verjährungsproblematik
behandelt worden sei, die nochmals ausführlich im Termin zur mündlichen
Verhandlung am 19.1.2006 diskutiert worden sei, sei das angegriffene Urteil
ausschließlich auf die fehlende Aktivlegitimation gestützt worden. Das
erstinstanzliche Gericht habe sich somit mit den rechtlichen Ausführungen des
Klägervortrags nicht auseinander gesetzt, da es diese offensichtlich als
unqualifiziert erachtet habe.
Unzweifelhaft sei nach der vorgelegten notariellen Urkunde, dass Forderungen
gegen Mandanten, die der Sozietät zur gesamten Hand zustünden, ein einzelner
Partner im eigenen Namen und für eigene Rechnung geltend machen könne. Dass
der Beklagte der Abtretung nicht zugestimmt habe, sei unbeachtlich. Die
Abtretung von Anwaltshonoraransprüchen an einen anderen Rechtsanwalt sei
auch ohne Zustimmung des Mandanten wirksam, wenn der Abtretungsempfänger
seinerseits der Schweigepflicht unterliege. Auf die Zustimmung des Mandanten
komme es deshalb nicht an. Im übrigen habe das erstinstanzliche Gericht
unberücksichtigt gelassen, dass es sich bei der vorgelegten Vereinbarung der
Sozietät nicht um eine Abtretung im klassischen Sinne handele, sondern um eine
Inkassozession, wobei der Inkassozessionar die abgetretene Forderung selbst
dann einklagen dürfe, wenn er selbst an ihr wirtschaftlich nicht interessiert sei. Ein
Verstoß gegen § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB sei insgesamt nicht festzustellen.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils vom 19.1.2006 sowie unter Aufhebung des
Versäumnisurteils vom 24.11.2005 wird der Beklagte verurteilt,
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an den Kläger 5.390,89 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem
23.12.2003 zu zahlen, ii) an den Kläger Zinsen aus der Hauptforderung von
5.390,89 € für den Zeitraum vom 24.12.2000 bis 22.12.2003 in Höhe von 1.072,25
€ sowie 7,50 € Mahnkosten zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verweist hinsichtlich der Ablehnung auf den Beschluss der 4.
Zivilkammer des Landgerichts Gießen vom 22.2.2006 und beruft sich im Hinblick
auf die eingeklagte Forderung auf die Verjährung. Darüber hinaus habe das
erstinstanzliche Gericht zu Recht entschieden, dass die eingeklagte Forderung
daran scheitere, dass sie auf einer Abtretung beruhe, für die ein gesetzliches
Verbot bestehe.
Wegen weiterer Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird auf die zwischen ihnen
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.
Das Ablehnungsgesuch ist von dem Landgericht Gießen ordnungsgemäß
behandelt worden, nachdem es bei ihm angebracht worden war. Eine Beschwerde
gegen die Entscheidung des Landgerichts Gießen hat der Kläger nicht eingelegt.
Der behauptete Ablehnungsgrund ist auch noch vor Verkündung des
erstinstanzlichen Urteils entstanden. Das Oberlandesgericht hat sich unter diesen
Umständen mit der Ablehnung des Vorsitzenden Richters am Landgericht nicht zu
befassen.
Auch in der Sache ist die Berufung nicht begründet. Dem Kläger steht der geltend
gemachte Anspruch schon deshalb nicht zu, weil die Geltendmachung durch ihn
gegen ein gesetzliches Verbot verstößt. Für Steuerberaterhonorarforderungen gilt
§ 64 Abs. 2 S. 2 Steuerberatergesetz (StBerG). Diese Vorschrift begründet ein
gesetzliches Verbot im Sinne von § 134 BGB und damit die Nichtigkeit der
vorgenommenen Zession.
Nach § 64 Abs. 2 StBerG ist die Abtretung von Gebührenforderungen durch einen
Steuerberater an einen nicht als Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten
zugelassenen Dritten ohne die ausdrückliche schriftliche Einwilligung des
Auftraggebers unzulässig, es sei denn, es liegen die in Abs. 2 S. 2 des § 64 StBerG
aufgeführten Ausnahmen vor. Unstreitig hat der beklagte Verein der Abtretung
nicht zugestimmt. Auch die weiteren Ausnahmen sind nicht gegeben. Hier war
schon die Einbringung der Honoraransprüche des Steuerberaters A in die aus
Rechtsanwälten und Steuerberatern bestehende Sozietät unwirksam. Insofern
konnte die Sozietät die Honorarforderungen nicht mehr rechtswirksam an den
Kläger abtreten oder diesen mit deren Geltendmachung beauftragen. § 64 Abs. 2
S. 2 StBerG bestimmt ausdrücklich die Unwirksamkeit der Zession von
Honorarforderung eines Steuerberaters an einen Berufsfremden. Dieser
Rechtsfolge steht nicht die Tatsache entgegen, dass sich der Kläger gemeinsam
mit dem Zedenten in eine nach § 59 a Abs. 1 BRAO zulässigen Anwalts- und
Steuerberatersozietät zusammengeschlossen hat. In § 59 a Abs. 1 BRAO hat der
Gesetzgeber die Kenntnisnahme von Mandantendaten durch berufsfremde Sozien
des Auftragnehmers in Kauf genommen. Dies rechtfertigt allerdings keine
Erweiterung der Abtretungsbefugnisse von Honorarforderungen. Schon der
eindeutige Wortlaut von § 64 Abs. 2 StBerG und der gemeinsam mit § 59 a BRAO
durch Gesetz vom 2.9.1994 in die BRAO eingefügte Regelung des § 49 b Abs. 4 S.
2 BRAO stehen dem entgegen. Der Gesetzgeber hat eindeutig die Frage der
Abtretung zu Gunsten des informationellen Selbstbestimmungsrechts des
Mandanten und zu Lasten der berufsfremden Abtretungsempfänger entschieden.
Dies erscheint auch vor dem Hintergrund der zunehmenden Zusammenschlüsse
überörtlicher Sozietäten sachgerecht. Eine Abtretung an Berufsfremde würde zu
einer unüberschaubaren Verbreitung von Mandantengeheimnissen entweder im
steuerlichen oder im anwaltlichen Bereich führen. Dies ist durch die gesetzlichen
Regelungen ausgeschlossen, so dass Abtretungen ohne Zustimmung des
Mandanten jedenfalls auf die jeweilige Berufsgruppe beschränkt werden (vgl. hierzu
auch Urteil des Amtsgerichts Schleiden NJW-RR 1999, 502).
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Nachdem der Kläger hinsichtlich der behaupteten Honorarforderung bereits nicht
aktiv legitimiert ist, braucht auf die Frage der weiteren Begründetheit der
Forderung und deren eventuelle Verjährung nicht eingegangen zu werden.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97, 708 Nr. 10, 713, 543 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.