Urteil des BGH vom 06.06.2002

BGH (wichtiger grund, partner, franchisenehmer, treu und glauben, höhe, verhältnis zu, positive vertragsverletzung, vertrag, optik, werbung)

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
KZR 22/02
Verkündet am:
13. Juli 2004
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 30. März 2004 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs
Prof. Dr. Hirsch und die Richter Prof. Dr. Goette, Ball, Prof. Dr. Bornkamm und
Dr. Raum
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Kartellsenats des
Oberlandesgerichts München vom 6. Juni 2002 im Kostenpunkt
und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin erkannt
worden ist.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 4. Kammer für
Handelssachen des Landgerichts München I vom 8. Februar 2001
teilweise geändert.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, der Klägerin in Gestalt
einer geordneten Darstellung Auskunft über alle Einkaufs-
vorteile aus Einkäufen der Klägerin bei Apollo-Lieferanten
zu erteilen, die der Beklagten in dem Zeitraum vom
30. November 1992 bis zum 28. Februar 2000 insbeson-
dere in Gestalt von Differenzrabatten, Boni, Provisionen
und sonstigen Vergütungen von Apollo-Lieferanten ge-
währt und nicht an die Klägerin weitergeleitet worden sind.
Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin den Schaden zu
ersetzen, der ihr durch die unbegründeten Kündigungen
des Franchisevertrages vom 26. November 1999 und vom
3. August 2000 entstanden ist.
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Im weitergehenden Umfang der Aufhebung wird die Sache zur
neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten über Ansprüche aus einem inzwischen beendeten
Franchiseverhältnis.
Die Beklagte betreibt bundesweit eine Kette von Optik-Einzelhandels-
geschäften mit - im Jahre 1999 - rund 150 eigenen Filialbetrieben und 90 weite-
ren Einzelhandelsgeschäften, die von Franchisenehmern betrieben werden. Die
Klägerin war von Juli 1985 bis Februar 2000 als Franchisenehmerin der Beklag-
ten Inhaberin eines Apollo-Optik-Fachgeschäfts in R.. Die nach einem
von der Beklagten vorformulierten und bundesweit im wesentlichen gleichlau-
tend verwendeten Vertragsmuster abgeschlossenen Franchiseverträge sehen,
soweit hier von Interesse, folgende Regelungen vor:
1. Gegenstand und Geltungsbereich des Vertrages
1.2 Der Partner ist berechtigt und verpflichtet, die von Apollo gehandel-
ten Waren und die Apollo-Dienstleistungen ausschließlich in seinem Be-
trieb an oben genannter Adresse Endverbrauchern anzubieten / zu ver-
kaufen und die gewerblichen Schutzrechte von Apollo bei allen Tätigkei-
ten im Rahmen dieses Vertrages zu benutzen. ...
1.3 Apollo verpflichtet sich, dem Partner alle gemäß der jeweils gültigen
Apollo-Sortiments-Preisliste von ihm bestellten Waren zu liefern bzw. lie-
fern zu lassen und auf Wunsch des Partners, von Fall zu Fall, für diesen
Dienstleistungen in der zentralen Werkstatt gegen Entgelt zu erbringen.
...
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4. Leistungen von Apollo bezüglich Werbung, Verkaufsförderung
und Öffentlichkeitsarbeit
4.1 Apollo erarbeitet die einheitliche Marketing-Konzeption, insbesonde-
re die Werbe-, Verkaufsförderungs- und Public-Relation-Maßnahmen für
Apollo-optik-Fachgeschäfte.
4.2 Überregionale und regionale Werbung und Verkaufsförderung sowie
Public-Relation sind Ermessenssache von Apollo; die Partner sind ver-
pflichtet, sich dieser Werbung anzuschließen.
4.3 Der Partner übernimmt die von Apollo erarbeitete Marketing-
Konzeption für sein Einzugsgebiet und führt in diesem alle vorgegebe-
nen einheitlichen Werbe- und Promotion-Aktionen des Apollo-Systems
auf eigene Kosten durch. ...
4.4 Apollo erarbeitet für den Partner Pläne für die laufende Werbung und
Dekoration. Apollo stattet
- nach eigenem Ermessen kostenlos
- oder nach Beauftragung durch den Partner zum Selbstkostenpreis
diesen mit einheitlichen Werbe- und Dekorationsmitteln, z.B. Plakaten,
Preisschildern, Displays, Handzetteln u.ä. aus; ferner mit Anzeigen, Fil-
men, Text- und Layout-Standards und sonstigen Druckvorlagen für loka-
le Anzeigen und Verkaufsaktionen in ausreichender Zahl gemäß Wer-
beplan. Der Partner verpflichtet sich, diese Werbe- und Dekomittel nach
den Vorgaben von Apollo für seinen Betrieb einzusetzen. ...
6. Weitere Leistungen von Apollo
6.1 Apollo berät den Partner regelmäßig in Fragen des Einkaufs und
Verkaufs, des Apollo-optik-Fachgeschäft-Angebotes und in Organisati-
onsfragen.
Während der Vertragsdauer werden Vertreter von Apollo den Partner
von Zeit zu Zeit, spätestens vierteljährlich, besuchen und ihn dabei in
geschäftlichen Angelegenheiten beraten und unterstützen.
6.2 Apollo berät den Partner auf Wunsch bei der Beschaffung von Mitar-
beitern anhand der erforderlichen Qualifikationsmerkmale.
6.3 Apollo betreut den Partner hinsichtlich der Geschäftsentwicklung und
des systemgerechten Betriebsablaufes und gibt Vorteile, Ideen und Ver-
besserungen zur Erreichung optimaler Geschäftserfolge an den Partner
weiter. ...
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7. Lizenzgebühren, Werbekosten
7.2 Als Kostenbeitrag für die aus diesem Vertrag abzuleitenden laufen-
den Rechte und Dienstleistungen von Apollo entrichtet der Partner ...
während der Vertragsdauer eine laufende monatliche Lizenz-/
Servicegebühr in Höhe von 4 % ... vom Gesamt-Netto-Jahres-Umsatz
bis 800.000,-- DM seines Apollo-Fachgeschäft-Betriebes, jedoch minde-
stens monatlich 2.000,-- DM. Für den 800.000,-- DM übersteigenden
Nettoumsatz beträgt die Lizenz-/Servicegebühr 2 % ... vom Nettoum-
satz.
7.3 Der Partner erklärt sich bereit, für die einheitliche überregionale
Werbung sowie für die zur Verfügung gestellten Werbe- und Dekorati-
onsmaterialien einen laufenden pauschalen monatlichen Werbebeitrag
in Höhe von 2 % seines Netto-Umsatzes an Apollo zu zahlen.
Der monatliche Mindestwerbebeitrag ... beträgt 1.000,-- DM. Für den
800.000,-- DM übersteigenden Netto-Umsatz beträgt die Werbefondge-
bühr 1 % vom Netto-Umsatz. ...
12. Dauer und Beendigung des Vertrages
12.1 Dieser Vertrag wird für eine Laufzeit von 5 Jahren ab Unterzeich-
nung geschlossen. Der Partner erhält ein einseitiges Optionsrecht für
weitere 5 Jahre. Der Vertrag verlängert sich dann jeweils um 2 weitere
Jahre, wenn er nicht von einer der Parteien mit einer Frist von 12 Mona-
ten vor seinem jeweiligen Ablauf gekündigt wird. ...
12.4 Jede der Vertragsparteien ist berechtigt, diesen Vertrag, dessen
Durchführung ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen den Betei-
ligten voraussetzt, aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündi-
gungsfrist zu kündigen.
Ein wichtiger Grund ist insbesondere die grobe Verletzung des Vertra-
ges. ...
Ohne, daß ein wichtiger Grund im Sinne des Gesetzes vorliegt, kann im
übrigen jede Partei diesen Vertrag mit einer Frist von drei Monaten zum
Monatsende dann kündigen, wenn das Vertrauensverhältnis ernsthaft
gestört ist ...
Die für die Franchisebetriebe benötigten Waren wurden von den Fran-
chisenehmern im eigenen Namen bei Lieferanten eingekauft. Hierfür überließ
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die Beklagte ihren Franchisenehmern sogenannte Rabattstaffeln, in denen nach
Abnahmemenge gestaffelte Preisnachlässe auf die jeweiligen Listenpreise der
bei Apollo gelisteten Lieferanten von Brillengläsern und anderem optischen Zu-
behör aufgeführt waren. Grundlage dieser Rabattstaffeln waren Rabattvereinba-
rungen, die die Beklagte sowohl für ihre eigenen Filialen als auch für die Fran-
chisenehmer mit den einzelnen Lieferanten getroffen hatte. Die dabei ausge-
handelten Rabatte wurden auf Veranlassung der Beklagten jedoch nicht in vol-
ler Höhe in die Rabattstaffeln aufgenommen und an die Franchisenehmer wei-
tergegeben; vielmehr ließ sich die Beklagte von den Lieferanten für Warenein-
käufe ihrer Franchisenehmer sogenannte Differenzrabatte in Höhe des Unter-
schiedsbetrages zwischen dem für die eigenen Filialen ausgehandelten Rabatt-
satz (im Höchstfall: 52 % der Listenpreise) und den niedrigeren Rabattsätzen,
die die Lieferanten den Franchisenehmern der Beklagten einzuräumen hatten
(im Höchstfall: 38 % des Listenpreises), auszahlen. Die Franchisenehmer wur-
den nicht darüber unterrichtet, daß die Beklagte für die eigenen Filialen mit den
Lieferanten höhere Rabattsätze vereinbart hatte und daß sie sich für Einkäufe
ihrer Franchisenehmer bei den gelisteten Lieferanten von diesen Differenzra-
batte auszahlen ließ. Sichere Kenntnis hiervon erlangten die Klägerin und ande-
re Franchisenehmer der Beklagten erst im Frühjahr 1999.
Im zweiten Halbjahr 1998 entwickelte die Beklagte ein neues Werbekon-
zept. Zur Abdeckung der damit verbundenen höheren Werbeausgaben forderte
sie von ihren Franchisenehmern eine Aufstockung des Werbekostenbeitrags
auf 6 % des Nettoumsatzes. Die Klägerin und die überwiegende Zahl der übri-
gen Franchisenehmer lehnten den Abschluß einer entsprechenden Zusatzver-
einbarung ab. Die Beklagte reagierte darauf mit der Ankündigung, diesen Fran-
chisenehmern bestimmte Werbematerialien, die auf eine ab September 1998
laufende Fernsehwerbung abgestimmt waren, nur noch gegen Bezahlung zu
überlassen.
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Ab Februar 1999 warb die Beklagte in mehreren bundesweiten Kampag-
nen für verschiedene "günstige Set-Angebote" (z.B. das "VariView"-Angebot für
Gleitsichtbrillen) unter Angabe von Verkaufspreisen (z.B. "jetzt 299 statt 899
DM"). Die Klägerin und andere Franchisenehmer der Beklagten, von denen sich
57 zwischenzeitlich in der "Interessengemeinschaft der Franchise-Nehmer der
Apollo-Optik e.V." zusammengeschlossen hatten, sahen darin eine unzulässige
Preis- und Konditionenempfehlung und forderten die Beklagte zur Unterlassung
auf. Nach weiteren, zum Teil gerichtlich ausgetragenen Auseinandersetzungen
ließen die Klägerin sowie weitere Franchisenehmer mit Anwaltsschreiben vom
17. November 1999 Minderungs- und Schadensersatzansprüche sowie ein Zu-
rückbehaltungsrecht geltend machen. Die Klägerin widerrief die der Beklagten
erteilte Bankeinzugsermächtigung, machte die bereits erfolgten Abbuchungen
der Lizenzgebühren und Werbebeiträge für die Monate September und Oktober
1999 in Höhe von insgesamt ca. 10.000 DM rückgängig und leistete auch in der
Folgezeit keine Zahlungen mehr. Zugleich stellte sie die monatlichen Umsatz-
meldungen an die Beklagte (Nr. 8.1 des Franchisevertrages) ein. Die Beklagte
sprach daraufhin mit Schreiben vom 26. November 1999 unter Hinweis auf die
Regelung in Nr. 12 Abs. 4 des Vertrages die fristlose Kündigung, hilfsweise die
Kündigung des Franchisevertrages zum 29. Februar 2000 aus. Eine weitere
fristlose Kündigung vom 3. August 2000 stützte sie auf die Weigerung der Klä-
gerin, eine Werbegebühr in Höhe von 6 % zu bezahlen.
Die Klägerin hat die Beklagte im Wege der Stufenklage auf Auskunft
über die in der Zeit vom 30. November 1992 bis zum 28. Februar 2000 für das
Franchisegeschäft in R. vereinnahmten Differenzrabatte in Anspruch
genommen sowie die Feststellung begehrt, daß die Beklagte zum Ersatz des
Schadens verpflichtet sei, der ihr aus der wirtschaftlichen Bindung an Verkaufs-
preise und -bedingungen aufgrund von Werbeaktionen der Beklagten sowie aus
den unbegründeten Kündigungen des Franchisevertrages entstanden sei. Die
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auf die Feststellung der Pflicht der Beklagten gerichtete Klage, ihr, der Klägerin,
den Schaden zu ersetzen, den sie dadurch erlitten habe, daß die Überlassung
von Werbematerial ab dem 25. August 1999 von der Zahlung einer zusätzli-
chen, die vertraglich vereinbarte Werbegebühr in Höhe von 3 % (richtig: 2 %)
des Nettoumsatzes übersteigenden Vergütung abhängig gemacht worden war,
sowie die diesbezügliche Unterlassungsklage hat die Klägerin zurückgenom-
men. Einen weiteren ursprünglich angekündigten Unterlassungsantrag hat sie
im Hinblick auf die faktische Beendigung des Franchiseverhältnisses einseitig
für erledigt erklärt.
Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Es hat die Beklag-
te für verpflichtet gehalten, der Klägerin den aus der wirtschaftlichen Bindung
an Verkaufspreise seit dem 1. März 1999 entstandenen Schaden zu ersetzen.
Hinsichtlich des ursprünglichen Antrags auf Unterlassung von Vereinbarungen
mit Lieferanten, durch die diesen verboten werde, der Klägerin höhere als die
von der Beklagten festgelegten Rabatte zu gewähren, hat das Landgericht die
Erledigung der Hauptsache festgestellt. Im übrigen hat es die Klage abgewie-
sen.
Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht unter Zurück-
weisung des weitergehenden Rechtsmittels die Erledigung der Hauptsache
auch insoweit festgestellt, als der Beklagten nach dem ursprünglichen Unterlas-
sungsbegehren der Klägerin Absprachen mit Apollo-Lieferanten über die Abfüh-
rung von Differenzrabatten verboten werden sollten. Nach teilweiser Klagerück-
nahme hat es die Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz des Schadens, der
der Klägerin durch die wirtschaftliche Bindung an die Verkaufspreise der Be-
klagten entstanden ist, auf die Zeit ab 1. November 1999 begrenzt. Die weiter-
gehende Klage hat es abgewiesen und die Anschlußberufung der Beklagten
zurückgewiesen.
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Mit der Revision verfolgt die Klägerin die in zweiter Instanz erfolglos ge-
bliebenen Anträge weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuwei-
sen.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Klägerin hat Erfolg.
A.
Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin Auskunft über die Differenz-
rabatte und sonstige Einkaufsvorteile zu erteilen, die ihr aufgrund von Einkäufen
der Klägerin bei Apollo-Lieferanten zugeflossen sind.
I. Das Berufungsgericht hat die Stufenklage mit der Begründung abge-
wiesen, der Klägerin stehe aus dem Vertrag weder ein vertraglicher noch ein
gesetzlicher Anspruch auf Herausgabe der von der Beklagten vereinnahmten
Differenzrabatte und folglich auch kein vorbereitender Auskunfts- und Rech-
nungslegungsanspruch zu. Vertragliche Ansprüche scheiterten am Schriftform-
erfordernis des § 34 GWB a.F., da die Rabattstaffel Gläser, ferner die Gebüh-
ren und Konditionen sowie die Preisliste für Einschleifarbeiten Gegenstand ver-
traglicher Absprachen der Parteien gewesen, aber nicht in Schriftform verein-
bart worden seien. Der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) stehe
einer Berufung der Beklagten auf die Formnichtigkeit des Vertrages nicht ent-
gegen. Daß die Vertragsurkunde von der Beklagten vorgegeben wurde, sei kein
maßgeblicher Umstand. Auch vermöge die Klägerin keine Umstände aufzuzei-
gen, wonach die Loseblattform von seiten der Beklagten deshalb gewählt wor-
den sei, um sich gegebenenfalls auf die Formnichtigkeit des Vertrages berufen
zu können. Ein dahingehender Grundsatz, daß die Beklagte vorrangig für die
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Einhaltung der Schriftform als verantwortlich anzusehen wäre, weil sie im Ver-
hältnis zu der nicht anwaltlich beratenen Klägerin über die überlegene Sach-
kunde verfüge, sei nicht anzuerkennen. Es verbleibe daher bei dem Grundsatz,
daß es Sache jeder Vertragspartei sei, für den formwirksamen Abschluß des
Vertrages Sorge zu tragen.
Auskunfts- und Zahlungsansprüche hinsichtlich der Differenzrabatte
stünden der Klägerin auch nicht aus Auftrag oder Geschäftsführung ohne Auf-
trag, aus Kommissionsrecht, aus unterlassener Aufklärung über die Differenz-
rabatte vor Vertragsschluß, aus ungerechtfertigter Bereicherung oder unter
Schadensersatzgesichtspunkten zu.
II. Diese Beurteilung greift die Revision mit Erfolg an.
1. Vertragliche Ansprüche der Klägerin scheitern nicht bereits am Schrift-
formerfordernis des § 34 GWB a.F. Das gilt unabhängig davon, ob die Verfah-
rensrügen, die die Revisionserwiderung zur Verteidigung der insoweit vom Be-
rufungsgericht getroffenen Feststellungen erhebt, berechtigt sind. Denn der Be-
klagten wäre es jedenfalls nach § 242 BGB verwehrt, sich auf einen etwaigen
Mangel der Schriftform zu berufen (Senatsurt. v. 20.5.2003 - KZR 27/02,
WuW/E DE-R 1170, 1171 f. - Preisbindung durch Franchisegeber II).
2. Nach Abschnitt 6.3 der Franchiseverträge hat die Klägerin Anspruch
auf Weitergabe sämtlicher Einkaufsvorteile und damit auch der Teile der Liefe-
rantenrabatte, die der Beklagten als "Differenzrabatte" aus Wareneinkäufen der
Klägerin bei den Apollo-Lieferanten zugeflossen sind. Die Regelung in Nr. 6.3
des Franchisevertrages ist dahin auszulegen, daß die Beklagte Einkaufsvorteile
in Gestalt von Preisnachlässen der gelisteten Lieferanten in vollem Umfang an
ihre Franchisenehmer weiterzugeben hat (BGH WuW/E DE-R 1170, 1172 f.).
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3. Zur vollständigen Weitergabe der Einkaufsvorteile an die Franchise-
nehmer wäre es erforderlich gewesen, diese über die mit den Lieferanten tat-
sächlich ausgehandelten Rabatte für Wareneinkäufe der Franchisenehmer in
Kenntnis zu setzen und es zugleich zu unterlassen, die Lieferanten zu veran-
lassen, den Apollo-Franchisenehmern jeweils nur geringere als die ausgehan-
delten Preisnachlässe einzuräumen und die Differenz zu den ausgehandelten
Rabatten an die Beklagte abzuführen. Diese Vertragspflicht hat die Beklagte
vorsätzlich dadurch verletzt, daß sie die gelisteten Lieferanten veranlaßte, in
den Rabattstaffeln für ihre Franchisenehmer jeweils nur geringere als die tat-
sächlich vereinbarten Rabattsätze anzugeben, und daß sie sich ohne Wissen
ihrer Franchisenehmer die jeweilige Differenz von den Lieferanten selbst aus-
zahlen ließ. Dieses Verhalten stellt eine schuldhafte positive Vertragsverletzung
dar, durch die die Beklagte sich ihren Franchisenehmern gegenüber schadens-
ersatzpflichtig gemacht hat. Diese können daher im Wege des Schadensersat-
zes verlangen, so gestellt zu werden, wie wenn die Beklagte ihrer Pflicht zur
vollständigen Weitergabe der Einkaufsvorteile genügt hätte. Soweit die Beklag-
te für Wareneinkäufe der Klägerin bei den gelisteten Lieferanten Differenzrabat-
te vereinnahmt hat, steht der Klägerin mithin ein Anspruch auf Schadensersatz
in Geld zu. Da der Klägerin die Höhe der von der Beklagten jeweils verein-
nahmten Differenzrabatte und etwaiger sonstiger Einkaufsvorteile nicht bekannt
ist, hat ihr die Beklagte nach § 242 BGB hierüber Auskunft zu erteilen (BGH
WuW/E DE-R 1170, 1173).
Dem von der Klägerin darüber hinaus geltend gemachten Anspruch auf
"Rechenschaft" über die von der Beklagten vereinnahmten Differenzrabatte
kommt neben dem Auskunftsanspruch keine eigenständige Bedeutung zu
(BGH WuW/E DE-R 1170, 1173).
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Für einen Wirtschaftsprüfervorbehalt, um dessen Einräumung die Be-
klagte hilfsweise gebeten hat, besteht keine Veranlassung (BGH WuW/E DE-R
1170, 1173 f.).
B.
I. Die Klägerin hat die Klage Ende August 2000 um den Antrag erweitert,
die Verpflichtung der Beklagten festzustellen, ihr allen Schaden zu ersetzen,
der ihr durch die unbegründete Kündigung des Franchisevertrages entstanden
sei. Das Landgericht hat die Klage insoweit mit der Begründung abgewiesen,
die Kündigung der Beklagten sei berechtigt gewesen. Das Berufungsgericht hat
das Schadensersatzbegehren schon wegen Formnichtigkeit des Franchisever-
trages für unbegründet gehalten.
II. Diese Beurteilung ist nicht frei von Rechtsfehlern.
1. Auf die eventuelle Formnichtigkeit der Franchiseverträge kann die Be-
klagte sich, wie dargelegt (oben A II 1), nicht berufen. An ihr kann folglich auch
das Schadensersatzbegehren nicht scheitern.
2. Der vom Landgericht angenommene wichtige Grund zur außerordent-
lichen Kündigung - Verzug der Klägerin mit der Zahlung der Franchisegebühren
für die Monate September und Oktober 1999, Widerruf der der Beklagten erteil-
ten Bankeinzugsermächtigung, Weigerung der Klägerin weitere Zahlungen an
die Beklagte zu leisten - war im Zeitpunkt der Kündigung aus Rechtsgründen
nicht gegeben, weil der Klägerin wegen der vertragswidrig nicht an sie weiterge-
leiteten Einkaufsvorteile ein Zurückbehaltungsrecht zustand (Senatsurt. v.
20.5.2003 - KZR 19/02, BB 2003, 2254 - Apollo-Optik unter C II 1). Die in
Nr. 12.4 des Franchisevertrages getroffene Regelung kommt als Grundlage
einer wirksamen Kündigung nicht in Betracht, weil die Klausel wegen unange-
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messener Benachteiligung des Franchisenehmers gemäß § 9 AGBG (jetzt
§ 307 BGB) unwirksam ist (BGH BB 2003, 2254 unter C II 2).
3. Auch die von der Beklagten ausgesprochene außerordentliche Kündi-
gung des Franchisevertrages vom 3. August 2000, gestützt auf die Weigerung
der Klägerin, eine Werbegebühr in Höhe von 6 % zu zahlen, war in Ermange-
lung eines wichtigen Grundes unbegründet. Die Weigerung der Klägerin war
berechtigt, da die Beklagte sich ihrerseits nicht vertragsgemäß verhielt. Die Be-
klagte war nicht berechtigt, die Überlassung von Werbematerial an die Klägerin
von Zahlungen abhängig zu machen, die über den in Nr. 7.3 des Franchisever-
trages vereinbarten pauschalen monatlichen Werbebeitrag hinausgehen
(BGH BB 2003, 2254 unter B II).
C.
Das Berufungsurteil ist somit aufzuheben, soweit die Stufenklage und die
Klage auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für den Kündigungsscha-
den in den Vorinstanzen erfolglos geblieben sind (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die
Sache ist hinsichtlich des auf der ersten Stufe der Leistungsklage geltend ge-
machten Auskunftsanspruchs und bezüglich der Feststellungsklage zur End-
entscheidung reif, da weitere Feststellungen insoweit nicht in Betracht kommen.
Über den Auskunfts- und den Feststellungsantrag ist daher im Sinne der Kläge-
rin zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Im übrigen ist die Entscheidung über die
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Stufenklage dem Berufungsgericht zu überlassen, das auch über die Kosten
des Revisionsverfahrens zu befinden haben wird (§ 563 Abs. 1 ZPO).
Hirsch
Goette
Ball
Bornkamm
Raum