Urteil des BGH vom 14.03.2017

Anwaltswerbung II Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 300/98
Verkündet am:
1. März 2001
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : ja
BGHR : ja
Anwaltswerbung II
UWG § 1; BRAO § 43b
Der Zulässigkeit einer Informationsveranstaltung von Rechtsanwälten zur eige-
nen anwaltlichen Tätigkeit oder zu allgemeinen rechtlichen Themen steht
grundsätzlich nicht entgegen, daß zu ihr Personen eingeladen werden, zu de-
nen kein mandantschaftliches Verhältnis besteht oder bestanden hat, und daß
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ein kostenloser Mittagsimbiß gereicht wird (teilweise Aufgabe von BGHZ 115,
105, 110 ff. - Anwaltswerbung I).
BGH, Urt. v. 1. März 2001 - I ZR 300/98 - Brandenburgisches OLG
LG Potsdam
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 1. März 2001 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann
und die Richter Starck, Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Büscher und Dr. Schaffert
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten zu 4 bis 7 wird das Urteil des
6. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom
20. Oktober 1998 aufgehoben.
Die Berufung der Kläger gegen das Teilanerkenntnis- und
Schlußurteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom
6. März 1998 wird zurückgewiesen.
Die Kosten beider Rechtsmittelverfahren haben die Kläger zu tra-
gen.
Von Rechts wegen
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Tatbestand:
Die Beklagten zu 4 bis 7 (im weiteren: die Beklagten) sind Rechtsan-
wälte und betreiben in P. eine gemeinsame Kanzlei.
Unter Verwendung des von ihnen gemeinsam mit den früheren Beklag-
ten zu 1 bis 3, die ebenfalls Rechtsanwälte sind und in P. eine Kanzlei
betreiben und die den Klageanspruch im Verfahren vor dem Landgericht aner-
kannt haben, benutzten Kanzleibogens luden sie mit Schreiben vom 29. August
1997 verschiedene in der P. Innenstadt geschäftsansässige Einzel-
händler, die nicht zu ihren Mandanten gehörten, für Samstag, den 20. Sep-
tember 1997, von 10.00 bis 15.00 Uhr, zu einem Informationsgespräch inkl.
Mittagsimbiß in das Parkhotel P. ein. Das Einladungsschreiben kündigte
"fundierte Ratschläge und Informationen praxiserfahrener Rechtsanwälte" zu
folgenden Fragen an:
"Was muß ich tun, wenn ich die Abmahnung eines Mitbewerbers
oder anderer erhalte?
Wie verhalte ich mich bei Räumungsverkäufen?
Was muß ich bei meiner eigenen Werbung beachten?
Wie kann ich rechtlich zulässig Rabatte gewähren?"
Die Kläger sind ebenfalls Rechtsanwälte und betreiben in P. eine
Kanzlei. Sie sehen die Einladung zu dem Informationsgespräch als Verstoß
gegen § 43b BRAO und damit zugleich gegen § 1 UWG an. Die Werbung mit
unentgeltlicher Rechtsberatung und einem kostenlosen Mittagsimbiß diene
nicht der sachlichen Unterrichtung über die berufliche Tätigkeit. Die gezielte
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Bewerbung eines interessierten Personenkreises sei zudem auf die Erlangung
von Einzelaufträgen gerichtet.
Die Kläger haben beantragt,
die Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen,
es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des
Wettbewerbs gegenüber natürlichen und juristischen Personen, zu
denen kein mandantschaftliches Verhältnis besteht oder bestanden
hat, zu einem Informationsgespräch inklusive Mittagsimbiß einzu-
laden und hierbei durch ein berufsbezogenes Referat fundierte
Ratschläge und Informationen unentgeltlich anzubieten.
Die Beklagten sind dem entgegengetreten. Nach ihrer Auffassung ver-
stößt die Einladung zu der Informationsveranstaltung insbesondere mit Blick
auf die durch Art. 12 GG gewährleistete Freiheit der Berufsausübung nicht ge-
gen § 43b BRAO und § 1 UWG.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat
die Beklagten antragsgemäß verurteilt.
Mit ihrer (zugelassenen) Revision erstreben die Beklagten weiterhin die
Abweisung der Klage. Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
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Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat gemeint, der geltend gemachte Unterlas-
sungsanspruch sei gemäß §§ 1, 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG begründet. Die Einla-
dung verstoße gegen § 1 UWG, weil die Beklagten mit dieser Werbemaßnah-
me das in § 43b BRAO enthaltene Werbeverbot verletzt und sich dadurch ei-
nen nicht gerechtfertigten Vorsprung vor gesetzestreuen Mitbewerbern ver-
schafft hätten.
Die Bestimmung des § 43b BRAO erhalte das bisher standesrechtlich
sanktionierte Werbeverbot für Rechtsanwälte im Grundsatz aufrecht. Sie eröff-
ne lediglich insoweit eine - als Ausnahme vom Grundsatz eng zu verstehende -
Werbemöglichkeit, als sie dem Rechtsanwalt gestatte, über seine berufliche
Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich zu berichten.
Eine derartige Unterrichtung über die berufliche Tätigkeit aber habe die
Einladung weder enthalten noch für die Veranstaltung angekündigt. Mit dem
Angebot eines Mittagsimbisses im Parkhotel - worunter die Eingeladenen bei
verständiger Würdigung ein ordentliches Essen hätten verstehen müssen -
hätten Informationen über die berufliche Tätigkeit der Beklagten ohnehin nicht
vermittelt werden können. Anstößig und unzulässig sei die Werbemaßnahme
der Beklagten, weil diese damit ansonsten kostenpflichtige anwaltliche Lei-
stungen sowie auch noch ein Essen offeriert hätten, um in einer Angehörigen
des Anwaltsstands nicht anstehenden Weise Kunden zu beeindrucken und
anzulocken.
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Daß das Verhalten der Beklagten nicht direkt auf die Erteilung von Auf-
trägen im Einzelfall gerichtet gewesen sei, ändere nichts an seiner Verbotswid-
rigkeit. Der Bestimmung des § 43b BRAO sei zu entnehmen, daß selbst eine
grundsätzlich zulässige sachliche Unterrichtung über die berufliche Tätigkeit
des Anwalts dann verbotene Werbung darstelle, wenn sie dem Ziel diene, ei-
nen Rechtsuchenden zur Erteilung eines Auftrags im Einzelfall zu bewegen.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben
Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wiederherstel-
lung des die Klage abweisenden landgerichtlichen Urteils. Die beanstandete
Einladung zu einem Informationsgespräch verstößt nicht gegen § 43b BRAO.
1. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen,
daß die Einladung als Werbung anzusehen ist. Werbung ist ein Verhalten, das
darauf angelegt ist, andere dafür zu gewinnen, die Leistung desjenigen in An-
spruch zu nehmen, für den geworben wird (BGH, Beschl. v. 7.10.1991
- AnwZ (B) 25/91, NJW 1992, 45). Danach handelt es sich bei dem fraglichen
Schreiben um Werbung. Die Beklagten haben mit ihm nach den rechtsfehlerfrei
getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts die Gelegenheit gesucht,
sich gegenüber einem Kreis von wirtschaftlich interessanten potentiellen
Rechtsuchenden, mit denen bisher Mandatsverhältnisse nicht bestanden, zu
präsentieren und das Leistungsvermögen ihrer Kanzlei zu demonstrieren, um
auf diesem Weg neue Klienten zu gewinnen.
2. Das Berufungsgericht hat jedoch zu Unrecht angenommen, daß die
Werbung gegen § 43b BRAO verstößt.
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a) Bereits im rechtlichen Ansatz nicht zutreffend ist die Annahme des
Berufungsgerichts, § 43b BRAO halte das bisher standesrechtlich sanktionierte
Werbeverbot für Rechtsanwälte im Grundsatz aufrecht und eröffne lediglich
insoweit eine - als Ausnahme vom Grundsatz eng zu verstehende - Werbe-
möglichkeit, als sie dem Rechtsanwalt gestatte, über seine berufliche Tätigkeit
in Form und Inhalt sachlich zu berichten.
aa) Rechtsanwälten ist die Werbung für ihre berufliche Tätigkeit im
Grundsatz nicht verboten, sondern erlaubt. Die Werbefreiheit ist als Teil der
Berufsausübungsfreiheit durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistet. Zu der Freiheit
der Berufsausübung gehört nicht nur die berufliche Praxis selbst, sondern auch
jede Tätigkeit, die mit der Berufsausübung zusammenhängt und dieser dient.
Sie umfaßt daher auch die Außendarstellung von selbständig Berufstätigen
einschließlich der Werbung für die Inanspruchnahme ihrer Dienste (vgl.
BVerfGE 85, 248, 256; 94, 372, 389; BVerfG WRP 2000, 720, 721 = NJW
2000, 3195). Die Bestimmung des § 43b BRAO, die dem Rechtsanwalt Wer-
bung erlaubt, soweit sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sach-
lich unterrichtet und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet
ist, eröffnet mithin nicht etwa eine ansonsten nicht bestehende Werbemöglich-
keit, sondern konkretisiert lediglich die verfassungsrechtlich garantierte Wer-
befreiheit. Dementsprechend bedarf nicht die Gestattung der Anwaltswerbung
der Rechtfertigung, sondern deren Einschränkung (vgl. Mayen, NJW 1995,
2317, 2318;
Krämer, FS Piper, 1996, S. 327, 330 f.; Feuerich/Braun, BRAO, 5. Aufl., § 43b
Rdn. 2; Hartung/Holl/Römermann, Anwaltliche Berufsordnung, Vor § 6
Rdn. 31). Eine solche Einschränkung erfordert, da sie einen Eingriff in die
Freiheit der Berufsausübung darstellt, eine - mit der Regelung des § 43b BRAO
gegebene - gesetzliche Grundlage. Sie ist außerdem nur dann mit Art. 12
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Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie im Einzelfall durch ausreichende Gründe des
Gemeinwohls gerechtfertigt ist und im übrigen dem Grundsatz der Verhältnis-
mäßigkeit entspricht (BVerfGE 76, 196, 207). Sinn und Zweck des § 43b BRAO
bestehen gerade darin, einerseits die Werbung auf solche für das Publikum
nachvollziehbare und nützliche, rein sachbezogene Maßnahmen zu beschrän-
ken, andererseits aber dem Anwalt die Möglichkeit einzuräumen, in dem gezo-
genen Rahmen zur Förderung eigener Erwerbstätigkeit sich nach außen zu
wenden.
bb) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat die durch das
Gesetz zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und Patentan-
wälte vom 2. September 1994 (BGBl. I S. 2278) in die Bundesrechtsanwalts-
ordnung eingefügte Bestimmung des § 43b BRAO die Rechtslage verändert.
Das früher aus § 43 BRAO hergeleitete Verbot berufswidriger Werbung
untersagte aufdringliche Werbemethoden, die sich als Ausdruck eines rein ge-
schäftsmäßigen, ausschließlich am Gewinn orientierten Verhaltens darstellten.
Hierzu wurden das sensationelle oder reklamehafte Sich-Herausstellen und
das unaufgeforderte direkte Herantreten an potentielle Mandanten als gezielte
Werbung um Praxis gerechnet (vgl. BVerfG NJW 1992, 1613; BGHZ 115, 105,
108 ff. - Anwaltswerbung I; BGH, Beschl. v. 13.9.1993 - AnwSt (R) 6/93, NJW
1994, 2035, 2036; Urt. v. 16.6.1994 - I ZR 67/92, GRUR 1994, 825, 826 =
WRP 1994, 608 - Strafverteidigungen).
Die nunmehr in § 43b BRAO enthaltene gesetzliche Regelung der Gren-
zen der dem Rechtsanwalt gestatteten Werbung erschöpft sich nicht in einer
bloßen Übernahme und Festschreibung der überkommenen Grundsätze zum
Verbot berufswidriger Werbung. Diese Grundsätze können daher bei der Aus-
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legung der Neuregelung nicht ohne weiteres heranzogen werden. Mit den vom
früheren Sprachgebrauch abweichenden Formulierungen in § 43b BRAO wollte
der Gesetzgeber Änderungen in der Sache deutlich machen (vgl. Henssler/
Prütting/Eylmann, BRAO, § 43b Rdn. 5). Während früher das reklamehafte An-
preisen schlechthin als unzulässig angesehen wurde, setzt die nunmehr gel-
tende Regelung voraus, daß die Werbung über die berufliche Tätigkeit in Form
und Inhalt sachlich unterrichtet. Wurde früher das unaufgeforderte direkte Her-
antreten an potentielle Mandanten als grundsätzlich verboten angesehen, so
darf nunmehr nach § 43b BRAO die Werbung nur nicht auf die Erteilung eines
Auftrags im Einzelfall gerichtet sein.
b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts enthält die im vorliegen-
den Fall zu prüfende Einladung eine in Form und Inhalt sachliche Unterrichtung
über die berufliche Tätigkeit der Beklagten.
aa) Die Einladung zu dem Informationsgespräch stellt eine Unterrichtung
über die berufliche Tätigkeit der beklagten Rechtsanwälte dar.
Eine Werbung unterrichtet über die berufliche Tätigkeit eines Rechtsan-
walts, wenn sie die interessierte Öffentlichkeit darauf aufmerksam macht, daß
der Werbende oder Beworbene als Rechtsanwalt tätig ist. Enthält die Werbung
darüber hinaus weitere Informationen, so stehen diese mit der Berufstätigkeit in
ausreichendem Zusammenhang, wenn sie für die Entscheidung der Rechtsu-
chenden, ob dieser Rechtsanwalt gegebenenfalls beauftragt werden soll, bei
vernünftiger und sachbezogener Betrachtung von Bedeutung sein können (vgl.
Feuerich/Braun aaO § 43b Rdn. 8; Henssler/Prütting/Eylmann aaO § 43b
Rdn. 21).
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Das Einladungsschreiben entspricht diesen Anforderungen. Aus ihm
geht hervor, daß die Beklagten als Rechtsanwälte tätig sind und sich mit wett-
bewerbsrechtlichen Fragen beschäftigen. Die Einladung bietet den ange-
schriebenen Geschäftsleuten darüber hinaus an, sich durch die Teilnahme an
dem Informationsgespräch ein Bild von den Kenntnissen und Fähigkeiten der
Beklagten zu machen.
bb) Die Form und der Inhalt der Werbung sind nicht unsachlich.
(1) Die Beurteilung der Form einer Werbung als unsachlich kommt ins-
besondere in Betracht, wenn ihr Erscheinungsbild derart im Vordergrund steht,
daß ihr Inhalt weit dahinter zurückbleibt (vgl. Eylmann, AnwBl 1996, 481, 483).
Informationsveranstaltungen von Rechtsanwälten zur eigenen anwaltlichen
Tätigkeit oder zu allgemeinen rechtlichen Themen sind dabei im Grundsatz
nicht als unsachlich anzusehen (vgl. Henssler/Prütting/Eylmann aaO § 43b
Rdn. 50; Kleine-Cosack, Das Werberecht der rechts- und steuerberatenden
Berufe, Rdn. 335, 384 f.). Sie entsprechen dem mit § 43b BRAO verfolgten
zweifachen Zweck, einerseits dem Rechtsanwalt die Möglichkeit zu verschaf-
fen, sich Mandanten und potentiellen Mandanten darzustellen, und anderer-
seits dem rechtsuchenden Publikum die Gelegenheit zu geben, sich über das
Angebot anwaltlicher Leistungen zu informieren (vgl. Begründung des Regie-
rungsentwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechts-
anwälte und Patentanwälte, BT-Drucks. 12/4993, S. 28). Gegen das Sachlich-
keitsgebot verstößt eine Informationsveranstaltung ihrer Form nach allerdings
dann, wenn bei ihr weitere Leistungen angeboten werden, die geeignet sind,
die angesprochenen Verkehrskreise dazu zu bewegen, an der Veranstaltung
nicht wegen der Informationen, sondern vor allem wegen dieser weiteren Lei-
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stungen teilzunehmen. Insbesondere das kostenlose Angebot ansonsten ent-
geltlicher Leistungen kann eine unzulässige Anlockwirkung entfalten.
Die im vorliegenden Fall in der Einladung angekündigte Erteilung von
Ratschlägen und Informationen zum Wettbewerbsrecht erfüllt keinen der in der
BRAGO oder in einem sonstigen Gesetz geregelten Gebührentatbestände. Da
eine rechtliche Beratung im Einzelfall nicht in Aussicht gestellt war, fehlt es an
einer Angelegenheit oder einem Auftrag, die die Grundlage für einen entspre-
chenden anwaltlichen Vergütungsanspruch hätten darstellen können. Die in
dem Einladungsschreiben angekündigte Informationsveranstaltung stellt auch
keine sonstige rechtsanwaltliche Berufstätigkeit im Sinne des § 2 BRAGO dar,
die als solche in sinngemäßer Anwendung der Vorschriften dieses Gesetzes zu
vergüten gewesen wäre.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann auch nicht ange-
nommen werden, daß das Angebot eines kostenlosen Mittagsimbisses geeig-
net war, die angeschriebenen Einzelhändler in unzulässiger Weise anzulocken
(vgl. Kleine-Cosack aaO Rdn. 379 ff.; Feuerich/Braun aaO § 43b Rdn. 18). Die
Auffassung des Berufungsgerichts, die Eingeladenen hätten unter einem Mit-
tagsimbiß im Parkhotel bei verständiger Würdigung ein ordentliches Essen
verstehen müssen, ist, wie die Revision mit Recht rügt, rechtsfehlerhaft, weil
sie ohne nähere Feststellungen vom allgemeinen Sprachgebrauch abweicht
(§ 286 ZPO). Unter einem Imbiß wird erfahrungsgemäß eine kleine Mahlzeit
verstanden; es handelt sich mithin lediglich um eine Kleinigkeit, einen Gabel-
bissen (vgl. auch Duden, Band 8, Sinn- und sachverwandte Wörter, 2. Aufl.
1986). Eine solche kleine Mahlzeit ist nach der Lebenserfahrung nicht geeig-
net, Geschäftsleute dazu zu veranlassen, samstags an einer fünfstündigen In-
formationsveranstaltung teilzunehmen. Hinzu kommt, daß das Angebot eines
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Mittagsimbisses, wie die Revision zutreffend ausführt, hier sachlich gerechtfer-
tigt war, weil die Informationsveranstaltung von 10.00 Uhr bis 15.00 Uhr dauern
und sich damit über die Mittagszeit erstrecken sollte. Für eine Einladung über
diesen Zeitraum hinweg ist ein Mittagessen oder ein Imbiß erfahrungsgemäß
nicht unüblich. Schon deshalb kann das Angebot einer kleinen Zwischenmahl-
zeit nicht als Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot angesehen werden.
(2) Während auf den Beruf bezogene Tatsachenbehauptungen, deren
Richtigkeit überprüft werden kann, grundsätzlich nicht gegen das auf den Inhalt
bezogene Sachlichkeitsgebot verstoßen, sind Werturteile über die eigene
Dienstleistung, deren Berechtigung nicht beurteilt werden kann, weil sie weit-
gehend von subjektiven Einschätzungen abhängen, regelmäßig nicht mit dem
Sachlichkeitsgebot vereinbar (vgl. Eylmann, AnwBl 1996, 481, 482; Feuerich/
Braun aaO § 43b Rdn. 20; Henssler/Prütting/Eylmann aaO § 43b Rdn. 20). Bei
Werturteilen über anwaltliche Leistungen liegt die Gefahr, daß durch nicht
überprüfbare Werbeaussagen unrichtige Erwartungen entstehen, besonders
nahe, weil die Rechtsuchenden die Leistungen eines Rechtsanwalts in der Re-
gel nur schwer einschätzen können (BVerfGE 76, 196, 208; BGHZ 115, 105,
113 f. - Anwaltswerbung I).
Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen
kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Einladung unzulässige Wert-
urteile über die anwaltlichen Leistungen und Fähigkeiten der Beklagten enthält.
Auch soweit das Schreiben "fundierte" Ratschläge und Informationen "praxi-
serfahrener" Rechtsanwälte ankündigt, ist nicht vorgetragen worden oder sonst
ersichtlich, daß es sich um Äußerungen handelt, deren Wahrheitsgehalt nicht
überprüft werden kann.
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c) Die Werbung kann ferner nicht mit der Begründung als unzulässig
beurteilt werden, sie sei unter Verstoß gegen § 43b BRAO auf die Erteilung
von Aufträgen im Einzelfall gerichtet.
aa) Der Senat hat allerdings in seiner vor der Novellierung des anwaltli-
chen Werberechts ergangenen Entscheidung "Anwaltswerbung I" ausgespro-
chen, daß es gegen das - seinerzeit aus § 43 BRAO hergeleitete - Verbot der
gezielten Werbung um Praxis verstoße, wenn Rechtsanwälte Personen, zu de-
nen kein mandantschaftliches Verhältnis bestehe oder bestanden habe, zu ei-
nem Essen in ein Hotel einladen und bei diesem Anlaß dann durch ein berufs-
bezogenes Referat auf ihre Leistungsfähigkeit hinweisen (BGHZ 115, 105,
110 ff.). Diese Entscheidung ist insoweit jedoch durch die Neuregelung des
anwaltlichen Werberechts in § 43b BRAO überholt (vgl. auch Har-
tung/Holl/Römermann aaO § 6 Rdn. 94 und 102). Das dort enthaltene Verbot
einer auf Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichteten Werbung ist nicht
mit dem früher aus § 43 BRAO abgeleiteten Verbot der gezielten Werbung um
Praxis durch unaufgefordertes Herantreten an potentielle Mandanten gleichzu-
setzen (Feuerich/
Braun aaO § 43b Rdn. 25). Die Bestimmung des § 43b BRAO verbietet grund-
sätzlich nur die Werbung um einzelne Mandate (vgl. BT-Drucks. 12/4993,
S. 28), d.h. unmittelbar auf die Erteilung eines Auftrags in einem konkreten
Einzelfall gerichtete Maßnahmen. Demgegenüber ist die Werbung um einzelne
Mandanten, die darauf gerichtet ist, die Umworbenen dafür zu gewinnen, die
Leistungen des Werbenden in Anspruch zu nehmen, nach dieser Vorschrift
grundsätzlich erlaubt (vgl. BGH, Urt. v. 15.12.1997 - StbSt (R) 5/97, NJW 1998,
1965, 1966 zum gleichlautenden § 57a StBerG; OLG Stuttgart NJW 1997,
2529, 2530 f.; Feuerich/Braun aaO § 43b Rdn. 25 und § 6 BO Rdn. 17; Har-
tung/Holl/Römermann aaO § 6 Rdn. 96; Henssler/Prütting/Eylmann aaO § 43b
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Rdn. 44 f.; Kleine-Cosack aaO Rdn. 200; Busse, NJW 1999, 3017, 3020 f.).
Dementsprechend stellt das Verhalten der Beklagten, da es nach den rechts-
fehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht unmittelbar
auf die Erteilung konkreter Aufträge im Einzelfall gerichtet war, keinen Verstoß
gegen das in § 43b BRAO geregelte Werbeverbot der Rechtsanwälte dar.
Dem steht nicht entgegen, daß eine für sich genommen an sich zulässi-
ge Werbung um mögliche Auftraggeber sich als unzulässige Werbung um ein-
zelne Aufträge darstellen kann, wenn der Umworbene in einem konkreten Ein-
zelfall der Beratung oder der Vertretung bedarf und der Werbende dies in
Kenntnis der Umstände zum Anlaß für seine Werbung nimmt. Eine solche
Werbung ist als unzulässig anzusehen, weil sie in gleicher Weise wie die offe-
ne Werbung um die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall in einer oft als auf-
dringlich empfundenen Weise auszunutzen versucht, daß sich der Umworbene
beispielsweise in einer Lage befindet, in der er auf Hilfe angewiesen ist und
sich möglicherweise nicht frei für einen Anwalt entscheiden kann (vgl. Feue-
rich/
Braun aaO § 43b Rdn. 29; Hartung/Holl/Römermann aaO § 6 Rdn. 88; Henss-
ler/Prütting/Eylmann aaO § 43b Rdn. 11 und 47; Kleine-Cosack aaO Rdn. 212).
Im vorliegenden Fall spricht jedoch nach den vom Berufungsgericht getroffenen
Feststellungen nichts dafür, daß die oder jedenfalls einzelne der angeschrie-
benen Einzelhändler eine Beratung oder Vertretung in einer bestimmten wett-
bewerbsrechtlichen Angelegenheit benötigten und die Beklagten sie aus die-
sem Grund zu dem geplanten Informationsgespräch eingeladen haben. Daß
die Beklagten sich mit ihrer Werbung an Personen gewandt haben, bei denen
sie ein generelles Interesse an ihren Leistungen erwarten durften und die sie
deshalb als Auftraggeber zu gewinnen hofften, ist demgegenüber rechtlich
nicht zu beanstanden.
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bb) Unbedenklich ist schließlich, daß die Werbung der Beklagten an
Personen gerichtet war, die bislang nicht zu deren Mandanten gehört hatten.
Der Wortlaut des Gesetzes schränkt den Kreis der möglichen Adressaten an-
waltlicher Werbung nicht ein. Die Begründung des Gesetzentwurfs weist im
Gegenteil sogar ausdrücklich darauf hin, daß Rechtsanwälte auch die Möglich-
keit haben müssen, sich potentiellen Mandanten darstellen zu können (BT-
Drucks. 12/
4993, S. 28). Eine Anwaltswerbung ist demnach nicht deshalb unzulässig, weil
sie sich an Personen richtet, zu denen kein mandantschaftliches Verhältnis
besteht oder bestanden hat (vgl. Henssler/Prütting/Eylmann aaO § 43b
Rdn. 50; Kleine-Cosack aaO Rdn. 209).
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III. Danach waren das angefochtene Urteil auf die Revision der Beklag-
ten aufzuheben und die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts
zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Erdmann
Starck
Bornkamm
Büscher
Schaffert