Urteil des BGH vom 08.10.2013
BGH: unterbringung, erpressung, absturz, unterbrechung, rückfall, übereinstimmung, alter, cannabis, anhörung, diebstahl
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 406/13
vom
8. Oktober 2013
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundes-
anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 8. Oktober 2013 ge-
mäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-
gerichts Bochum vom 4. Juni 2013, soweit es ihn betrifft,
a) in der Urteilsformel dahin berichtigt, dass der Angeklagte
zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei
Monaten verurteilt ist,
b) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit
eine Entscheidung über die Unterbringung des Ange-
klagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-
tels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück-
verwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten
„wegen versuchter schwerer räu-
berischer Erpressung in Tatmehrheit mit Diebstahl zu einer Freiheitsstrafe von
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drei Jahren und zwei Monaten
“ verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die Ver-
letzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision erzielt mit der
Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist
das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Der Senat hat den Tenor des angefochtenen Urteils wegen eines
offensichtlichen Schreibversehens berichtigt. Das Landgericht hat den Ange-
klagten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe
(nicht: zu einer „Freiheitsstrafe“) verur-
teilt.
2. Mit dieser Klarstellung hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der
Revisionsrechtfertigung keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler
zum Schuld- und Strafausspruch ergeben.
3. Das Urteil kann jedoch keinen Bestand haben, soweit eine Entschei-
dung zur Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt
nach § 64 StGB unterblieben ist.
Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift Folgendes
ausgeführt:
„Die Feststellungen zum langjährigen Drogenabusus des Angeklagten
und zum jeweils unmittelbar vor der Tat stattgefundenen Drogenkonsum
drängten zu der Prüfung, ob die Voraussetzungen einer Unterbringung
nach § 64 StGB gegeben sind.
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Der zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 22 Jahre alte Angeklagte kon-
sumiert seit seinem 13./14. Lebensjahr Cannabis und seit seinem
17. Lebensjahr zusätzlich Ecstasy und Speed. Noch im minderjährigen
Alter er
litt er einen ‚Absturz‘ und führte auf Veranlassung seiner Mutter
eine Langzeittherapie durch. Nach einer haftbedingten Unterbrechung
des Konsums hatte er im Sommer 2012 einen Rückfall und nimmt seit-
dem täglich Drogen (UA S. 7). Mit der Tatbeute sollten in beiden Fällen
Betäubungsmittel erworben werden (UA S. 10, 3. Absatz, S. 11, 3. Ab-
satz).
Diese Feststellungen legen nahe, dass der Angeklagte einen Hang im
Sinne des § 64 S. 1 StGB hat, Betäubungsmittel im Übermaß zu sich zu
nehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. September 2012 - 4 StR 253/12
Rn. 2) und die abgeurteilte Tat auch hierauf beruht. Die festgestellten
Vorstrafen wegen typischer Beschaffungskriminalität und die durch die
mitgeführten Tatmittel gezeigte latente Bereitschaft des Angeklagten, bei
günstiger Gelegenheit weitere Raubüberfälle zu begehen, deuten darauf
hin, dass ihm auch die für eine Maßnahme nach § 64 StGB erforderliche
Gefährlichkeitsprognose zu stellen ist. Die frühere freiwillige Alkoholthe-
rapie (UA Bl. 7) spricht für einen grundsätzlichen Therapiewillen des An-
geklagten und die Annahme einer positiven Behandlungsprognose im
Sinne des § 64 S. 2 StGB. Die Frage der Unterbringung nach § 64 StGB
bedarf daher unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO)
der Prüfung und Entscheidung durch ein neues Tatgericht.
Der Umstand, dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, steht dem
nicht entgegen (§ 358 Abs. 2 S. 3 StPO). Der Beschwerdeführer hat die
Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht nicht von seinem
Rechtsmittelangrif
f ausgenommen.“
Dem tritt der Senat bei.
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In Übereinstimmung mit dem Generalbundesanwalt schließt der Senat
aus, dass das Landgericht bei Anordnung der Unterbringung in einer Entzie-
hungsanstalt auf niedrigere Strafen erkannt hätte.
Sost-Scheible
Roggenbuck
Cierniak
Mutzbauer
Bender
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