Urteil des BGH vom 29.10.2008

BGH (stpo, stgb, aufhebung, verurteilung, gesamtstrafe, schuldspruch, wegfall, verjährungsfrist, vergehen, vorschrift)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 58/09
vom
25. März 2009
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern u. a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundes-
anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 25. März 2009 gemäß
§§ 206 a, 349 Abs. 2 und 4, 354 Abs. 1 b Satz 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landge-
richts Limburg an der Lahn vom 29. Oktober 2008 wird
a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte in den Fäl-
len II 12 und II 13 der Urteilsgründe wegen sexuellen Miss-
brauchs Schutzbefohlener verurteilt worden ist; insoweit wer-
den die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten
entstandenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufer-
legt;
b) das genannte Urteil im Schuldspruch dahin abgeändert, dass
in den Fällen II 5 bis II 11, II 14 und II 15 der Urteilsgründe
die tateinheitliche Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs
Schutzbefohlener entfällt;
c) das genannte Urteil im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit
der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtli-
che Entscheidung über die Gesamtstrafe nach §§ 460, 462
StPO zu treffen ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Die Entscheidung über die verbleibenden Kosten des Rechts-
mittels, bleibt dem für das Nachverfahren nach §§ 460, 462
StPO zuständigen Gericht vorbehalten.
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Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen (II 1 bis II 4 der Ur-
teilsgründe), wegen sexuellen Missbrauchs Schutzbefohlener in zwei Fällen
(II 12 und II 13 der Urteilsgründe) sowie wegen sexuellen Missbrauchs Schutz-
befohlener in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern in neun Fällen
(II 5 bis II 11, II 14 und II 15 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe
von vier Jahren verurteilt.
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Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er ein Ver-
fahrenshindernis geltend macht, sowie die Verletzung formellen und materiellen
Rechts rügt. Sein Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtli-
chen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es aus den zutreffen-
den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im
Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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1. In den Fällen II 12 und II 13 der Urteilsgründe war das Verfahren ein-
zustellen, weil die Taten verjährt sind. Der Tatrichter ist zu Gunsten des Ange-
klagten davon ausgegangen, dass die Taten zwar nach dem 14. Geburtstag
des Opfers (4. Mai 1997) begangen wurden, so dass eine Strafbarkeit nach
§ 176 StGB nicht in Betracht kommt, dass sie aber vor dem 1. November 1997
verübt wurden. Die für das Vergehen nach § 174 StGB geltende fünfjährige
Verjährungsfrist (§ 78 b Abs. 3 Nr. 4 StGB) war somit spätestens am 1. No-
vember 2002 abgelaufen. Eine die Verjährung unterbrechende Handlung erfolg-
te frühestens 2006. Die Verjährung ruhte auch nicht gemäß § 78 b Abs. 1 Nr. 1
StGB, da diese Vorschrift erst zu einem Zeitpunkt in Kraft trat (1. April 2004) als
die Verjährung schon eingetreten war (vgl. u. a. BGHR StGB § 78 b Abs. 1 Ru-
hen 12).
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2. In den Fällen II 5 bis II 11, II 14 und II 15 hat die tateinheitliche Verur-
teilung wegen sexuellen Missbrauchs Schutzbefohlener zu entfallen, da bezüg-
lich dieses Straftatbestandes jeweils Verjährung eingetreten ist. Denn diese
Taten fanden jedenfalls spätestens im Juni 1998 statt, so dass sie spätestens
im Juni 2003 verjährt waren.
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Der Senat hat insoweit den Schuldspruch geändert.
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Dies führt hier nicht zur Aufhebung der betreffenden Einzelstrafaussprü-
che. In Übereinstimmung mit dem Generalbundesanwalt schließt der Senat
aus, dass die Strafaussprüche auf der Annahme der Verwirklichung zweier tat-
einheitlich begangener Delikte beruht, da der Tatrichter - ausweislich der Ur-
teilsgründe - diesen Umstand nicht strafschärfend berücksichtigt hat.
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Der Senat schließt weiter aus, dass diese (maßvollen) Einzelstrafen von
den in den Fällen II 12 und II 13 verhängten Einzelstrafen, die zum Wegfall
kommen, beeinflusst sind.
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3. Der Wegfall der beiden Einzelstrafen in den Fällen II 12 und II 13 zieht
jedoch die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich.
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Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, nach § 354 Abs. 1 b
Satz 1 StPO zu entscheiden.
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Der Tatrichter wird mit der abschließenden Sachentscheidung auch über
die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels zu befinden haben.
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Rissing-van Saan Rothfuß Appl
Cierniak Schmitt