Urteil des BGH vom 14.04.2010

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IV ZB 6/09
vom
14. April 2010
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
RVG § 15; RVG VV Nrn. 3100, 3104
Wird in einem Verfahren mündlich verhandelt und dieses sodann mit einem
anderen Verfahren verbunden, in dem bisher noch nicht mündlich verhandelt
wurde, so ist die bereits entstandene Terminsgebühr auf die nach Verbindung
aus dem Gesamtstreitwert zu ermittelnde Terminsgebühr (Nr. 3104 VV RVG)
anzurechnen.
Sind Gebührentatbestände - hier die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV
RVG - jeweils sowohl vor als auch nach der Verbindung entstanden, so steht
dem Rechtsanwalt ein Wahlrecht zu, ob er die Gebühren aus den Einzelwer-
ten oder aus dem Gesamtwert nach Verbindung verlangt. Wird die Klage erst
nach Verbindung erhöht, so kann die Erhöhung nur nach dem Gesamtstreit-
wert des verbundenen Verfahrens berechnet werden.
BGH, Beschluss vom 14. April 2010 - IV ZB 6/09 - OLG Dresden
LG Bautzen
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Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richterinnen Dr. Kessal-Wulf, Harsdorf-Gebhardt, die
Richter Dr. Karczewski und Lehmann
am 14. April 2010
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Be-
schluss des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dres-
den vom 9. März 2009 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsbeschwerde-
verfahrens zu tragen.
Beschwerdewert: 652,36 €
Gründe:
I. Der Antragsteller begehrt im Verfahren nach § 11 RVG die Fest-
setzung seiner anwaltlichen Vergütung gegenüber seinem Mandanten,
dem Antragsgegner. In zunächst zwei gerichtlichen Verfahren hat der
Antragsgegner seinen Enkel vor dem Landgericht auf Zahlung von
4.323,17 € (3 O 693/06) und von 26.313,47 € (3 O 685/06) in Anspruch
genommen. Im Verfahren 3 O 693/06 hat dieser Widerklage über
8.551,47 € erhoben. Über dieses Verfahren hat das Landgericht am
6. Februar 2007 verhandelt und mit Beschluss vom 27. Februar 2007 das
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Verfahren 3 O 685/06 hierzu verbunden. Im letztgenannten Verfahren
hatte bis zur Verbindung keine mündliche Verhandlung stattgefunden,
sondern erst anschließend im verbundenen Verfahren. Zusätzlich hat der
Antragsgegner nach Verbindung und gemeinsamer Verhandlung mit ver-
schiedenen Forderungen die Aufrechnung gegenüber der Widerklagefor-
derung erklärt, über die das Landgericht i.H.v. insgesamt 3.951,47 € im
Urteil vom 29. Juli 2008 entschieden hat. Der Streitwert ist ab dem
14. März 2008 auf "bis 45.000 €" festgesetzt worden.
Im Verfahren 3 O 693/06 macht der Antragsteller aus einem
Streitwert von 12.874,64
€ eine Verfahrens- und Terminsgebühr
(Nrn. 3100, 3104 VV RVG) - nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer
(Nrn. 7002, 7008 VV RVG) - geltend, gleiches für das Verfahren 3 O
685/06 - und zwar aus einem Streitwert von 30.264,94 €, der sich aus
dem Gegenstandswert der Klage und der Summe der beschiedenen Auf-
rechnungsforderungen im Verfahren 3 O 693/06 errechnet. Hiernach er-
gibt sich ein Gesamtbetrag von 4.081,70 €.
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Das Landgericht hat dem Antrag des Antragstellers entsprochen.
Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners hat das Beschwerde-
gericht die Gesamtvergütung auf 3.429,34 € festgesetzt. Hiergegen wen-
det sich die zugelassene Rechtsbeschwerde.
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II. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
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1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, im Verfahren 3 O
693/06 sei im ersten Termin nur zur Klage und Widerklage, d.h. mit ei-
nem Streitwert von 12.874,64 €, nicht aber zu weiteren Ansprüchen ver-
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handelt worden. Da im Verfahren 3 O 685/06 nie isoliert verhandelt wor-
den sei, sondern erst nach Verbindung beider Verfahren, bestehe das
dem Antragsteller zustehende Wahlrecht zwischen einer Abrechnung
nach den Einzelwerten oder derjenigen nach dem Gesamtwert daher nur
bzgl. der Verfahrensgebühr, nicht aber bzgl. der Terminsgebühr. Für die
Berechnung der jeweiligen Gebühren sei - jedenfalls zugunsten des An-
tragstellers - bei 3 O 693/06 von einem Streitwert von 12.874,64 €, bei
3 O 685/06 von 26.313,47 € auszugehen. Nach der Verbindung sei die
gerichtliche Wertfestsetzung von bis 45.000 € maßgeblich. Nur aus die-
sem Wert sei die Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG zu berechnen.
Die Verbindung sei in ihrer Wirkung einer Klageerweiterung vergleichbar.
Der Auftrag zur Terminsvertretung erstrecke sich auf den Gesamtwert.
Die Auslagenpauschale sei nur doppelt angefallen. Die Vergütung be-
rechne sich netto mit 2.878 €, so dass sich zuzüglich der Umsatzsteuer
ein Betrag von 3.424,82 € ergebe. Nach Abzug der Vorschusszahlungen
seien 396,54 € festzusetzen.
2. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO
aufgrund der Zulassung statthaft und auch im Übrigen zulässig, jedoch
unbegründet. Zu Recht geht das Beschwerdegericht davon aus, dass die
Terminsgebühr gem. Nr. 3104 VV RVG nach Verbindung zweier Verfah-
ren nur aus dem Gesamtstreitwert zu errechnen ist, hierauf die zunächst
im Verfahren vor dem Landgericht - 3 O 693/06 - angefallene Termins-
gebühr in vollem Umfang anzurechnen ist (unten a) und die Verfahrens-
gebühr nach Nr. 3100 VV RVG dem Antragsteller nur aus den Gegens-
tandswerten von 12.874,64 € und 26.313,47 € zustehen kann (unten b).
Es trifft auch zu, dass nach Verbindung keine weitere - dritte - Auslagen-
pauschale nach Nr. 7002 VV RVG angefallen ist (unten c).
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a) Die Frage, welche Terminsgebühren anfallen, wenn zunächst in
einem Rechtsstreit mündlich verhandelt worden ist und zu einem späte-
ren Zeitpunkt eine Verbindung mit einem anderen Verfahren erfolgt, in
dem bis zur Verbindung nicht mündlich verhandelt wurde, wird in Recht-
sprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet (offen gelassen bei
BGH, Urteil vom 20. Januar 1988 - VIII ZR 296/06 - NJW 1988, 1204 un-
ter D).
aa) (1) Im Sinne des Beschwerdegerichts geht die überwiegend
vertretene Auffassung davon aus, dass die bereits entstandene Termins-
gebühr auf die nach Verbindung aus dem Gesamtstreitwert zu ermitteln-
de Terminsgebühr anzurechnen ist (OLG Köln JurBüro 1987, 380; OLG
München JurBüro 1986, 556; OLG Bamberg JurBüro 1986, 219; OLG
Stuttgart JurBüro 1982, 1670; OLG Zweibrücken JurBüro 1981, 699; KG
Rpfleger 1973, 441; Niedersächsisches FG EFG 2008, 242; VGH Baden-
Württemberg NVwZ-RR 2006, 855; VG Hamburg NVwZ-RR 2008, 741;
Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG 18. Aufl. VV 3100 Rdn. 86, 88;
Xanke in Göttlich/Mümmler, RVG 3. Aufl. "Verbindung" 2.2 S. 1053 f.;
Fraunholz in Riedel/Sußbauer, RVG 9. Aufl. § 7 Rdn. 21, § 15 Rdn. 29;
Keller in Riedel/Sußbauer aaO VV Teil 3 Vorbem. 3 Rdn. 36; Enders,
JurBüro 2007, 169, 170).
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(2) Andere nehmen an, dass neben der bereits angefallenen Ter-
minsgebühr eine weitere aus dem höheren Streitwert nach der Verbin-
dung zu errechnen und diese in dem Verhältnis zu kürzen ist, das dem
Anteil der schon verhandelten Sache am Gesamtstreitwert nach Verbin-
dung entspricht (OLG Düsseldorf Rpfleger 1995, 477; 1978, 427; OLG
Frankfurt NJW 1958, 554 m. zust. Anm. Tschischgale; AnwK-RVG/On-
derka/N. Schneider, 5. Aufl. VV Vorbem. 3 Rdn. 208 f.; Feller in Göttlich/
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Mümmler aaO "Terminsgebühr des Teils 3" 9.2 S. 986; Hartmann, Kos-
tengesetze 39. Aufl. § 2 RVG Rdn. 5). Nur diese Berechnung werde dem
Grundsatz gerecht, dass einer Prozessverbindung gebührenrechtlich
keine rückwirkende Kraft zukomme und dass durch sie - anders als bei
einer nachträglichen Klageerweiterung oder Widerklage - keine Gebüh-
rennachteile entstehen sollen. Die Verbindung der Verfahren dürfe sich
insbesondere deswegen nicht nachteilig auswirken, weil die Parteien in
aller Regel keinen Einfluss auf die Vornahme der Verbindung durch das
Gericht hätten.
Nach diesem Ansatz wäre - ohne Berücksichtigung der Aufrech-
nung mit ihrer Auswirkung auf die Streitwertfestsetzung - neben der
Terminsgebühr aus dem zunächst verhandelten Streitwert von
12.874,64 € (Verfahren 3 O 693/06) eine solche aus dem Streitwert von
39.188,11 € anzusetzen, da hierüber zunächst nach Verbindung münd-
lich verhandelt wurde; letztere allerdings nur zu einem Anteil von
(39.188,11 - 12.874,64)/ 39.188,11 = 67,1%.
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(3) Das OLG Koblenz (JurBüro 1986, 1523) geht vom Entstehen
zweier Gebühren aus, die sich aus den jeweiligen Streitwerten der ver-
bundenen Verfahren errechnen. Gebührenrechtlich handele es sich bei
dem verbundenen Verfahren um eine besondere Angelegenheit. Dabei
sollen die Gebühren aus dem Streitwert vor Verbindung sowie aus einem
Teilstreitwert errechnet werden, der sich aus der Differenz des Gesamt-
streitwerts nach Verbindung und dem Streitwert vor Verbindung ergibt.
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Dies hätte hier zur Folge, dass dem Antragsteller Terminsgebüh-
ren nach Nr. 3104 VV RVG - wiederum unter Außerachtlassung der Auf-
rechnung
- aus den Streitwerten 12.874,64
€ und 26.313,47
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(= 39.188,11 € - 12.874,64 €) zustünden. Das entspricht inhaltlich dem
Begehren des Antragstellers.
bb) Der Senat erachtet die vom Beschwerdegericht zugrunde ge-
legte Berechnung für zutreffend. Die Verfahren 3 O 685/06 und 3 O
693/06 sind bis zur Verbindung gesonderte gebührenrechtliche Angele-
genheiten (§ 15 Abs. 1 RVG). Mit der Verbindung liegt jedoch nur noch
eine gebührenrechtliche Angelegenheit vor. Die Gegenstandswerte sind
zu addieren und aus dieser Summe sind diejenigen Gebühren zu errech-
nen, deren Tatbestand nach der Verbindung erfüllt wird, § 15 Abs. 2
Satz 1 RVG (vgl. auch KG KGR Berlin 2008, 486; OLG Koblenz
MDR 2005, 1017; OLG Stuttgart OLGR Stuttgart 2001, 270; Xanke in
Göttlich/Mümmler aaO "Verbindung" 2.2 S. 1053 f.).
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Die Verbindung zeitigt gebührenrechtlich allerdings keine Rückwir-
kung. Die aus den Einzelstreitwerten vor der Verbindung bereits entstan-
denen Gebühren bleiben nach dem Grundgedanken des § 15 Abs. 4
RVG bestehen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 1988 aaO; OLG Mün-
chen aaO). Daher bleibt die schon angefallene Terminsgebühr (Verfah-
ren 3 O 693/06) erhalten, wird jedoch auf diejenige, die aus dem höheren
Gegenstandswert nach Verbindung zu ermitteln ist, in vollem Umfang
angerechnet.
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Der aus der Verbindung entstandene Rechtsstreit ist für die Be-
rechnung der Terminsgebühr so zu behandeln, als ob eine Klagenhäu-
fung oder Klageerweiterung bestanden bzw. eine Widerklage vorgelegen
hätte (vgl. mit Blick auf Rechtsmittelsumme BGH, Urteil vom 30. Oktober
1956 - I ZR 82/55 - NJW 1957, 183). Wie im Falle der Verbindung ist
auch dort die gemeinsame Verhandlung - zumindest einer Partei - aufge-
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zwungen. Differenzierte man insoweit - wie es die oben II 2 a aa (2) ge-
nannte Auffassung machen will -, würde der Anfall der Gebühren von Zu-
fälligkeiten des Prozessverlaufs und des Verhaltens der Prozessbeteilig-
ten abhängen. Es besteht insofern aber kein sachlich gerechtfertigter
Grund, den Rechtsanwalt im Falle der Verbindung von Verfahren besser
zu stellen als bei einer Klageerweiterung oder einer Widerklage (vgl.
OLG München aaO; OLG Stuttgart JurBüro 1982 aaO; OLG Zweibrücken
aaO; KG Rpfleger 1973 aaO; Müller-Rabe aaO Rdn. 88; Keller aaO). In
diesen Fällen ist anerkannt, dass die bereits verdiente Gebühr in vollem
Umfang auf die Gebühr aus dem Gesamtstreitwert anzurechnen und je-
weils nur der höchste Wert der anwaltlichen Tätigkeit maßgeblich ist (vgl.
nur Müller-Rabe Rdn. 88, 119, 131). Diese Gleichbehandlung von Ver-
bindung einerseits und Klagerhöhung bzw. Widerklage andererseits steht
im Einklang damit, dass es einem Rechtsanwalt nicht gestattet ist, an-
stehende Verfahren seines Auftraggebers nur im eigenen Gebühreninte-
resse zu vereinzeln, statt sie in ihrer objektiven Zusammengehörigkeit
gebührenrechtlich als eine Angelegenheit zu behandeln und damit zu ei-
ner geringeren Kostenbelastung beizutragen (vgl. BGH, Urteil vom
11. Dezember 2003 - IX ZR 109/00 - NJW 2004, 1043 unter II 1 b; Hart-
mann aaO § 15 RVG Rdn. 16). Auch hier ist kein Grund ersichtlich, wa-
rum der Antragsteller bezüglich der Terminsgebühr im verbundenen Ver-
fahren besser stehen soll, als er stünde, wenn er nach Einklagen einer
der beiden Forderungen und mündlicher Verhandlung die Klage um die
weitere Forderung erhöht und es dann eine weitere Verhandlung über
die im Wege der Klageerweiterung geltend gemachte Gesamtforderung
gegeben hätte.
Die Regelung des § 15 Abs. 4 RVG steht dem nicht entgegen. Die-
se verbietet keine Anrechnung einer bereits verdienten Gebühr, sondern
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schließt nur deren Reduzierung aus. Ein darüber hinausgehender Vorteil,
der - so der Ansatz bei OLG Koblenz JurBüro 1986, 1523 - auf eine
Freistellung von dem in § 13 RVG niedergelegten Prinzip der Gebühren-
degression bei höheren Streitwerten hinausliefe, soll dadurch nicht ge-
währt werden (vgl. OLG Köln aaO; OLG München aaO; OLG Stuttgart
JurBüro 1982 aaO; OLG Zweibrücken aaO; KG Rpfleger 1973 aaO; VG
Hamburg aaO; Müller-Rabe aaO Rdn. 88). Die durch das Gesetz vorge-
schriebene Gebührendegression darf nicht dadurch unterlaufen werden,
dass bei der Gebührenberechnung ganz oder teilweise so getan wird, als
habe es die Verbindung nicht gegeben.
Nach Verbindung und gemeinsamer Verhandlung der beiden Ver-
fahren erfolgte noch eine - jedenfalls so vom Landgericht festgesetzte -
streitwertrelevante Aufrechnung, über die i.H.v. 3.951,47 € entschieden
wurde. Dies ist bei Berechnung der Terminsgebühr nach Nr. 3104
VV RVG zu berücksichtigen, so dass diese aus einem Streitwert bis
45.000 € zu errechnen ist.
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b) Auch die Frage der Berechnung der Verfahrensgebühr nach
Nr. 3100 VV RVG infolge einer erst nach Verbindung eingetretenen
Streitwerterhöhung wird unterschiedlich beurteilt.
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aa) Sind Gebührentatbestände - hier die Gebühr nach Nr. 3100
VV RVG - jeweils sowohl vor als auch nach Verbindung erfüllt, steht dem
Rechtsanwalt nach allgemeiner Meinung ein Wahlrecht zu, d.h. er kann
die Gebühren aus den Einzelwerten vor oder aus dem Gesamtwert nach
Verbindung verlangen (AnwK-RVG/Onderka/N. Schneider VV Vorbem. 3
Rdn. 62; AnwK-RVG/N. Schneider § 15 Rdn. 169; Müller-Rabe aaO
Rdn. 81; Keller aaO). Zusätzlich können die Gebühren dagegen nicht
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verlangt werden, da das verbundene Verfahren mit den vorher geführten
Einzelverfahren dieselbe gebührenrechtliche Angelegenheit i.S. von § 15
Abs. 2 RVG bildet (AnwK-RVG/Onderka/N. Schneider aaO Rdn. 64;
AnwK-RVG/N. Schneider aaO; Müller-Rabe aaO).
In den Verfahren 3 O 693/06 (12.874,64 €) und 3 O 685/06
(26.313,47 €) sind vor Verbindung jeweils Verfahrensgebühren nach
Nr. 3100 VV RVG angefallen. Diese bereits verdienten Gebühren bleiben
erhalten. Aus dem verbundenen Verfahren folgt zunächst eine Verfah-
rensgebühr aus dem addierten Streitwert von 39.188,11 €, später - infol-
ge der Aufrechnung - aus einem solchen bis 45.000 €. Zwischen diesen
Gebührenansätzen kann der Antragsteller wählen, nicht aber - wie die
Rechtsbeschwerde meint - zu einem der vor Verbindung getrennten Ge-
genstände die erst danach erklärte und vom Landgericht - im Verfahren
3 O 693/06 - beschiedene Aufrechnungsforderung (3.951,47 €) hinzuad-
dieren und demnach Gebühren nach Nr. 3100 VV RVG aus Gegen-
standswerten von 12.874,64
€ und 30.264,94
€ (=
26.313,47
€ +
3.951,47 €) beanspruchen. Dies steht der Annahme einer einzigen ge-
bührenrechtlichen Angelegenheit nach Verbindung entgegen.
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bb) Enders (JurBüro 2007, 225, 228) und N. Schneider (AnwK-
RVG aaO Rdn. 173) befürworten - allerdings mit unterschiedlichen Be-
rechnungsweisen - ausgehend von der Überlegung, dass die Erhöhung
des Gegenstandswerts nach Verbindung auch bei Ermittlung der Verfah-
rensgebühr Berücksichtigung finden müsse, eine Differenzberechnung,
die zu einem zusätzlichen Gebührenanteil nach Nr. 3100 VV RVG führen
soll.
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Diese Ansätze berücksichtigen jedoch nicht hinreichend, dass ab
dem Zeitpunkt der Verbindung nur noch eine gebührenrechtliche Angele-
genheit vorliegt. Nur mit Blick hierauf sind weiterhin anfallende Gebühren
zu ermitteln, nicht aber aus einer Differenz zwischen dem Streitwert bei
Verbindung und dem - infolge z.B. einer Aufrechnung oder Klageerweite-
rung erhöhten - Streitwert bei Entscheidung. Der ursprünglichen Tren-
nung der Verfahren und dem damit gegebenenfalls verbundenen Mehr-
aufwand wird dadurch Rechnung getragen, dass bereits verdiente Ge-
bühren erhalten bleiben und dem Rechtsanwalt ein Wahlrecht zugebilligt
wird. Dass sich eine Streitwerterhöhung nach Verbindung - im Vergleich
zu den ursprünglich verdienten Verfahrensgebühren der noch nicht ver-
bundenen Verfahren - nicht auswirken muss, ist Folge des Prinzips der
Gebührendegression (vgl. auch Müller-Rabe aaO Rdn. 91, 86 ff.; Xanke
in Göttlich/Mümmler aaO "Verbindung" 2.2 S. 1053 f.). Anderenfalls wür-
de es zu einer faktischen Rückwirkung einer Streitwerterhöhung nach
Verbindung auf einen davor liegenden Zeitraum kommen.
c) Da durch die Verbindung keine neue - und damit dritte - gebüh-
renrechtliche Angelegenheit entsteht, ist die Auslagenpauschale nach
Nr. 7002 VV RVG nicht ein drittes Mal zu berechnen. Die bis zur Verbin-
dung verdienten zwei Pauschalen bleiben bestehen (vgl. AnwK-RVG/
N. Schneider aaO Rdn. 168, 170, VV 7001-7002 Rdn. 42; Müller-Rabe
aaO Rdn. 81; Hartmann aaO § 15 RVG Rdn. 20, 37; Winkler in Mayer/
Kroiß, RVG 4. Aufl. § 15 Rdn. 65; Enders aaO 169 f.).
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3. Die dem Antragsteller zustehende Vergütung errechnet sich so-
mit - wie vom Beschwerdegericht angenommen - wie folgt:
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1,3 Gebühr nach Nr. 3100 VV RVG
aus 12.874,64 € (3 O 693/06)
683,80 €
1,3 Gebühr nach Nr. 3100 VV RVG
aus 26.313,47 € (3 O 685/06)
985,40 €
1,2 Gebühr nach Nr. 3104 VV RVG
aus bis 45.000 € (nach Verbindung) 1.168,80
2 Pauschalen nach Nr. 7002 VV RVG
40,00 €
2.878,00
19% Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG
aus 2.878 €
546,82
3.424,82
Dem Antragsteller sind Verfahrensgebühren gemäß Nr.
3100
VV RVG nach den Streitwerten der landgerichtlichen Verfahren 3 O
693/06 und 3 O 685/06 vor Verbindung zuzubilligen, da die aus dem
Streitwert von bis 45.000 € zu errechnende Gebühr nach Nr. 3100
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VV RVG von 1.266,20 € niedriger als deren Summe (683,80 € + 985,40 €
= 1.669,20 €) ist.
Terno Dr. Kessal-Wulf Harsdorf-Gebhardt
Dr. Karczewski Lehmann
Vorinstanzen:
LG Bautzen, Entscheidung vom 04.02.2009 - 3 O 685/06 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 09.03.2009 - 3 W 176/09 -