Urteil des BGH vom 01.10.2004

BGH (stpo, beleidigung, bedrohung, sache, schweden, bestand, annahme, stgb, umfang, gebrauch)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 11/05
vom
23. März 2005
in der Strafsache
gegen
wegen Beleidigung u.a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundes-
anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 23. März 2005 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landge-
richts Limburg a.d. Lahn vom 1. Oktober 2004
a) im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte der Be-
drohung in fünf Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit
Beleidigung sowie der Beleidigung in zwei weiteren Fällen
schuldig ist,
b) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufge-
hoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an
eine Strafkammer des Landgerichts Marburg zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bedrohung in fünf Fällen,
Bedrohung in Tateinheit mit Beleidigung in zwei Fällen sowie wegen Beleidi-
gung in zwei Fällen zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstra-
fe von einem Jahr verurteilt. Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten
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hat in dem aus dem Beschlußtenor ersichtlichen Umfang Erfolg, im übrigen ist
sie unbegründet gemäß § 349 Abs. 2 StPO.
Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge teilweise Erfolg.
1. Die Verfahrensrügen sind bereits nicht zulässig ausgeführt, jedenfalls
aber aus den Erwägungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts
vom 10. Februar 2005 unbegründet.
2. a) Die Sachrüge führt zur Änderung des Schuldspruchs hinsichtlich
der Taten II. 4.-6. der Urteilsgründe. Die Annahme des Landgerichts, diese Ta-
ten stünden im Verhältnis der Tatmehrheit zueinander, hält - wie der General-
bundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat - rechtlicher
Prüfung nicht stand. Nach den Feststellungen sind die Schreiben an die Zeu-
gen Dr. F. (Tat 4.), T. (Tat 5.) und H. (Tat 6.) jeweils am
15. Oktober 2001 in Dänemark bzw. Schweden abgestempelt worden. Das
Landgericht hält es für möglich, daß der Angeklagte von der ihm als früheren
Briefmarkensammler bekannten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, die Briefe
frankiert an die Postämter in Dänemark und Schweden zu versenden, um diese
dort abstempeln zu lassen. Unter diesen Umständen ist es nicht ausgeschlos-
sen, daß der Angeklagte die gleichlautenden Briefe auch gleichzeitig auf den
Postweg gebracht hat. In diesem Fall - von dem zugunsten des die Vorwürfe
bestreitenden Angeklagten auszugehen ist - ist aber nicht Tatmehrheit sondern
Tateinheit - hinsichtlich der Bedrohungen in drei rechtlich zusammentreffenden
Fällen - gegeben, weil jedenfalls teilweise Tatidentität vorliegt. Die Vorschrift
des § 265 StPO steht der Änderung des Schuldspruchs nicht entgegen; der
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Angeklagte hätte sich gegen den Vorwurf, die Delikte tateinheitlich begangen
zu haben, nicht anders als geschehen verteidigen können.
Entgegen der Auffassung der Revision steht der Verfolgung dieser Tat
auch nicht entgegen, daß das Landgericht einen weiteren angeklagten Einzel-
akt (Bedrohung der Zeugin R. ) - ausgehend von der unzutreffenden An-
nahme mehrerer selbständiger Taten - nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt hat.
Der Sache nach handelt es sich um eine Beschränkung der Strafverfolgung
nach § 154 a Abs. 1 und 2 StPO.
b) Der Strafausspruch hat insgesamt keinen Bestand. Die Ausführungen
des Landgerichts, mit denen es eine uneingeschränkte Schuldfähigkeit bejaht
hat, begegnen durchgreifenden Bedenken. Das Landgericht hat insoweit - dem
Sachverständigen folgend - mitgeteilt, daß bei dem Angeklagten massive
Symptome einer Persönlichkeitsstörung mit querulatorischen und narzißtischen
Elementen festzustellen seien, die jedoch nicht zu einer erheblichen Ein-
schränkung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit geführt haben. Im folgen-
den hat das Landgericht nähere Ausführungen zur erhaltenen Einsichtsfähig-
keit
des
Angeklagten
gemacht,
seine
Auffassung
von
dessen
uneingeschränkter Steuerungsfähigkeit jedoch nicht erläutert. Es wird schon
nicht deutlich, ob das Landgericht bereits das Vorliegen einer schweren seeli-
schen Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB oder lediglich erhebliche
Auswirkungen auf die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit im konkreten Fall
verneinen wollte. Zur näheren Erörterung der Frage, ob ein Defektzustand im
Sinne des § 20 StGB bei dem Angeklagten gegeben war, und auch zu einer
dadurch bedingten erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit bestand
hier aber umso mehr Anlaß, als das Landgericht die Notwendigkeit der
Verhängung kurzer Freiheitsstrafen wesentlich damit begründet hat, daß nach
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sentlich damit begründet hat, daß nach den Ausführungen des Sachverständi-
gen - neben dem bei dem Angeklagten vorliegenden Persönlichkeitsmerkmal,
sich gegen angebliches Unrecht zur Wehr zur setzen, - "ein pathologischer
Lustgewinn an der Begehung der Taten (hinzukomme), welcher als sehr stark
einzuordnen sei". Angesichts dessen ist es ein durchgreifender Darstellungs-
mangel, daß sich die Urteilsgründe mit diesen Fragen nicht näher auseinan-
dergesetzt haben.
3. Der Senat macht angesichts der Besonderheiten des Verfahrens von
der Möglichkeit Gebrauch, die Sache an ein anderes Landgericht zurückzu-
verweisen.
Rissing-van Saan Maatz Bode
Otten Roggenbuck