Urteil des BGH vom 11.07.2005

BGH (antragsteller, berufsausübung, genehmigung, vorbehalt des gesetzes, verbindung, rechtspflege, staatliches handeln, kooperation, ermächtigung, bewerber)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
NotZ 5/05
vom
11. Juli 2005
in dem Verfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
GG Art. 12 Abs. 1, 33 Abs. 2; BNotO § 9 Abs. 1
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen die Aufsichtsbehörde die Genehmi-
gung einer Verbindung mehrerer hauptberuflicher Notare zur gemeinsamen Be-
rufsausübung (hier: Kooperation) versagen darf (im Anschluß an BGHZ 127, 83).
BGH, Beschluß vom 11. Juli 2005 - NotZ 5/05 - OLG Dresden
wegen Verbindung zur gemeinsamen Berufsausübung
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Der Bundesgerichtshof, Senat für Notarsachen, hat durch den Vor-
sitzenden
Richter
Schlick,
den
Richter
Becker,
die
Richterin
Dr. Kessal-Wulf sowie die Notare Dr. Ebner und Eule
am 11. Juli 2005
beschlossen:
Die sofortige Beschwerde der Antragsteller gegen den
Beschluß des Senats für Notarsachen des Oberlandesge-
richts Dresden vom 13. Dezember 2004 wird zurückge-
wiesen.
Die Antragsteller haben die Gerichtskosten des Be-
schwerdeverfahrens zu tragen und die dem Antragsgegner
im Beschwerderechtszug entstandenen außergerichtlichen
Kosten zu erstatten.
Der Geschäftswert in beiden Instanzen wird auf
25.000 €
festgesetzt.
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Gründe:
I. Die Antragsteller sind zur hauptberuflichen Amtsausübung be-
stellte Notare mit Amtssitz in D. . Dort sind insgesamt 20 Notare
zugelassen, unter denen mehrere Zweiersozietäten bestehen. Auch die
Antragsteller zu 1) (geboren 1954) und 2) (geboren 1944) sind mit Ge-
nehmigung des Antragsgegners seit dem Jahre 1991 zu einer Sozietät
verbunden. Sie schlossen am 15. Juni 2004 mit dem Antragsteller zu 3)
(geboren 1942) eine "Kooperationsvereinbarung", die eine gemeinsame
Nutzung der Geschäftsräume der Sozietät unter anteiliger Beteiligung
des Antragstellers zu 3) an den Kosten für Personal, Räumlichkeiten und
sonstige Sachmittel bei im übrigen wirtschaftlich getrennten Betriebsein-
nahmen vorsieht. Vor ihrer internen Verteilung sollen die von allen Nota-
ren erwirtschafteten Einnahmen zunächst auf ein gemeinsames Treu-
handkonto fließen und erst anschließend auf die jeweiligen Geschäfts-
konten umgebucht werden. Nach außen wollen die Antragsteller ihre Ko-
operation durch einen gemeinsamen Briefbogen (B. * H. *
Dr. H. ) unter einem gemeinsamen Logo und der Be-
zeichnung "Notariat K. -straße 17" verlautbaren. In den bisherigen Ge-
schäftsräumen des Antragstellers zu 3) soll eine gemeinsame Gütestelle
unterhalten werden. Gemäß § 8 der Kooperationsvereinbarung beabsich-
tigen die Antragsteller Verhandlungen mit dem Ziel, ihre Kooperation in
eine Sozietät umzuwandeln.
Der Antragsgegner hat den Antragsteller zu 3), nachdem gegen
diesen Ende 2002 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, des Amtes
enthoben. Der Senat hat unter Aufhebung des Beschlusses des Ober-
landesgerichts seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die-
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sen Bescheid zurückgewiesen (Beschluß vom 22. März 2004 - NotZ
23/03 - DNotZ 2004, 886). Auf die Verfassungsbeschwerde des An-
tragstellers zu 3) hat das Bundesverfassungsgericht die Vollziehung der
Amtsenthebung vorläufig ausgesetzt; eine Entscheidung in der Hauptsa-
che ist bislang nicht ergangen.
Mit Bescheid vom 19. August 2004 hat der Antragsgegner den An-
trag auf Genehmigung der gemeinsamen Berufsausübung zurückgewie-
sen. Er hat zur Begründung ausgeführt, durch das gemeinsame Auftreten
der Antragsteller im Rechtsverkehr entstehe eine "verfestigte" Koopera-
tion, die einer Verbindung zur gemeinsamen Berufsausübung gleichzu-
setzen sei. Sie gefährde die Erfordernisse einer geordneten Rechtspfle-
ge, weil sie die Personalhoheit der Landesjustizverwaltung beschränke.
Es bestehe die Gefahr, daß bei Neubesetzung einer der drei Notarstellen
eine "Nullstelle" geschaffen werde. Da der Antragsteller zu 3) bald das
62. Lebensjahr vollende und auch der Antragsteller zu 2) das
60. Lebensjahr überschritten habe, sei zudem von keinem auf Dauer an-
gelegten Kooperationsverhältnis auszugehen, zumal der Verbleib des
Antragstellers zu 3) im Amt ungewiß sei.
Nach Zurückweisung ihres Antrags auf gerichtliche Entscheidung
durch das Oberlandesgericht verfolgen die Antragsteller ihr Begehren mit
der sofortigen Beschwerde weiter.
II. Die gemäß § 111 Abs. 4 BNotO i.V. mit § 42 Abs. 4 BRAO zu-
lässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Der An-
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tragsgegner hat zu Recht die Genehmigung der von den Antragstellern
angestrebten Kooperation versagt.
1. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 BNotO dürfen sich zur hauptberufli-
chen Amtsausübung bestellte Notare (sogenannte Nur-Notare) mit am
selben Amtssitz bestellten Notaren zur gemeinsamen Berufsausübung
verbinden oder mit ihnen gemeinsame Geschäftsräume haben. Durch die
ausdrückliche Verwendung der Mehrzahl hat der Gesetzgeber die unter
der Geltung des § 9 Abs. 2 Satz 1 BNotO a.F. geäußerten Bedenken, ob
das Gesetz im Bereich des Nur-Notariats überhaupt eine Notarsozietät
von mehr als zwei Mitgliedern zulasse (vgl. Michalski, ZIP 1996, 11 ff.),
die der Senat schon nach alter Rechtslage nicht geteilt hat (Senat BGHZ
127, 83, 87 f.), ausgeräumt.
§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BNotO ermächtigt die Landesregierungen
oder von ihnen bestimmte Stellen, um den Erfordernissen einer geordne-
ten Rechtspflege insbesondere im Hinblick auf die örtlichen Bedürfnisse
und Gewohnheiten Rechnung zu tragen, eine Verbindung zur gemeinsa-
men Berufsausübung oder eine gemeinsame Nutzung der Geschäfts-
räume von der Genehmigung der Aufsichtsbehörde abhängig zu machen,
die mit Auflagen verbunden oder befristet werden kann. Von dieser Er-
mächtigung hat das Sächsische Staatsministerium der Justiz in § 9 sei-
ner Verordnung zur Ausführung der Bundesnotarordnung (BNotOVO)
vom 16. Dezember 1998 Gebrauch gemacht (SächsGVBl. S. 666).
2. Der Notar übt als Träger eines öffentlichen Amtes einen staat-
lich gebundenen Beruf aus, der auf dem Gebiet der vorsorgenden
Rechtspflege (§ 1 BNotO) der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben dient
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(BVerfGE 73, 280, 292; Beschluß vom 20. September 2002 – 1 BvR
819/01 und 826/01 – DNotZ 2002, 891, 892). Wegen seiner Nähe zum
öffentlichen Dienst ist es der Organisationsgewalt der Justizverwaltung
vorbehalten, Zahl und Zuschnitt der Notariate zu bestimmen (BVerfGE
17, 371, 379; 73, 280, 292; Senat BGHZ 37, 179, 183; 127, 83, 90). Ihr
kommt ein - durch die örtlichen Befugnisse und Gewohnheiten und ins-
besondere die Erfordernisse einer geordneten Rechtspflege begrenztes -
(Organisations-)Ermessen zu, das sich auf alle Maßnahmen erstreckt,
die die Errichtung, Ausgestaltung und Einziehung von Notarstellen be-
treffen. Dazu gehört die Verbindung mehrerer Nur-Notare zur gemeinsa-
men Berufsausübung, weil hierdurch vormals selbständige Notariate or-
ganisatorisch vereinigt werden (BGHZ 127, 83, 90; 59, 274, 279). § 9
Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BNotO i.V. mit § 9 BNotOVO läuft dabei nicht, wie die
Antragsteller meinen, auf ein Totalverbot der beruflichen Zusammenar-
beit zwischen Nur-Notaren hinaus, sondern beinhaltet ein präventives
Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, das mehrgliedrige Sozietäten zwischen
Nur-Notaren nicht grundsätzlich verbietet, sondern sie einer vorherigen
Kontrolle unterstellt, ohne daß insoweit von einem Regel-Ausnahme-
Verhältnis zwischen Erteilung und Versagung der Genehmigung gespro-
chen werden könnte (vgl. Senat BGHZ 127, 83, 91 f.; 59, 274, 276). Die
Entscheidung über die Genehmigung, von der die gemeinsame Be-
rufsausübung im Einzelfall abhängig ist, steht ebenfalls im Ermessen der
Landesjustizverwaltung, das sich wiederum an den Erfordernissen einer
geordneten Rechtspflege zu orientieren hat (vgl. BGHZ 59, 274, 278;
127, 83, 89 ff.).
3. Die von den Antragstellern dagegen aus Art. 20, 80 und 12 GG
geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken greifen nicht durch. Die in
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§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BNotO enthaltene Ermächtigung zum Erlaß einer
Rechtsverordnung ist verfassungsgemäß. Dafür sind die gleichen Grün-
den maßgeblich, die der Senat - mit Billigung des Bundesverfassungsge-
richts (vgl. Beschlüsse vom 19. Februar 1973 - 1 BvR 593/72 - DNotZ
1973, 493 f. und vom 24. Oktober 1994 - 1 BvR 1793/94 - nicht veröffent-
licht) – bereits zu § 9 Abs. 2 BNotO in seiner bis zum 7. September 1998
geltenden Fassung angeführt hat (BGHZ 59, 274, 275 ff.; 127, 83, 93 ff.).
a) Das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) schützt
auch die Freiheit des Notars, seinen Beruf gemeinsam mit anderen aus-
zuüben (vgl. BVerfGE 54, 237, 245 f.; 80, 269, 278; BGHZ 127, 83, 91).
Der Genehmigungsvorbehalt, zu dem § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BNotO er-
mächtigt, greift in dieses Grundrecht ein. Er betrifft aber nicht den Be-
reich der Berufswahl, sondern lediglich den der Berufsausübung. Die
Freiheit der Berufsausübung kann gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG durch
Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes beschränkt werden, soweit sach-
gerechte und vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls dies zweckmä-
ßig erscheinen lassen und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ge-
wahrt ist (Senat BGHZ 59, 274, 278; 127, 83, 94; BVerfGE 7, 377, 405
und ständig). Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG erlaubt damit eine Beschränkung
der Berufsfreiheit auch durch untergesetzliche Normen wie die in Rede
stehende Rechtsverordnung.
(1) Allerdings verlangt der Vorbehalt des Gesetzes (Art. 20 Abs. 2
GG), daß staatliches Handeln in bestimmten grundlegenden Bereichen
durch förmliches Gesetz legitimiert wird. Der Gesetzgeber ist verpflichtet,
wesentliche Entscheidungen selbst zu treffen, und darf sie nicht anderen
Normgebern überlassen. Wann es danach einer Regelung durch den
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Gesetzgeber bedarf, läßt sich nur mit Blick auf den jeweiligen Sachbe-
reich und auf die Eigenart des betroffenen Regelungsgegenstandes be-
urteilen (BVerfGE 98, 218, 251; 40, 237, 248 ff.; 49, 89, 127; 95, 267,
307 f.); entscheidend ist vor allem die Intensität, mit der die Grundrechte
des Regelungsadressaten durch die jeweilige Maßnahme betroffen sind
(BVerfGE 58, 257, 274).
(2) Hier durfte sich der Gesetzgeber darauf beschränken, den
Landesregierungen die Möglichkeit zu eröffnen, einen Genehmigungs-
vorbehalt einzuführen, ohne selbst im einzelnen zu bestimmen, unter
welchen Voraussetzungen die Genehmigung zu erteilen ist. Mit der Vor-
schrift des § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BNotO wollte er den länderspezifi-
schen Besonderheiten ("örtliche Bedürfnisse und Gewohnheiten") in be-
zug auf die Ausgestaltung des Notariats Rechnung tragen. Die in Art. 20
Abs. 2 GG als Grundsatz normierte organisatorische Trennung der Ge-
walten zielt auch darauf, daß staatliche Entscheidungen möglichst rich-
tig, das heißt von den Organen – vorliegend den Landesjustizverwaltun-
gen - getroffen werden, die dafür nach ihrer Organisation, Zusammen-
setzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzun-
gen verfügen (vgl. BVerfGE 98, 218, 252). Zudem ist es wegen der er-
wähnten ausgeprägten Nähe des Notars zum öffentlichen Dienst und der
von ihm zu erfüllenden originären Staatsaufgaben (Art. 33 GG) gerecht-
fertigt, ihn der Organisationsgewalt des Staates bei der Organisation öf-
fentlicher Ämter zu unterwerfen und der Justizverwaltung mit Blick darauf
einen entsprechenden Ermessensspielraum einzuräumen, der sowohl bei
der Einführung eines abstrakten Genehmigungsvorbehalts als auch bei
der Entscheidung über die Erteilung der Genehmigung im Einzelfall
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durch die Erfordernisse einer geordneten Rechtspflege begrenzt ist (vgl.
Senat BGHZ 46, 29, 35; BGHZ 127, 83, 91 f.).
b) Die Ermächtigungsgrundlage in § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1
BNotO genügt den Anforderungen des Art. 80 GG. Es ist ausreichend,
wenn sich Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung durch
Auslegung und Sinnzusammenhang der Norm und Gesetzeszweck erfas-
sen lassen (vgl. Senat BGHZ 59, 274, 275; BVerfGE 19, 354, 362; 58,
257, 277). Das ist für eine Ermächtigung der Fall, die zur organisatori-
schen Gestaltung des Nur-Notariats die Einführung eines Genehmi-
gungserfordernisses für die Bildung von Sozietäten im Verordnungswege
zum Gegenstand hat, die nach der BNotO selbst einer Zustimmung der
Aufsichtsbehörde nicht bedürfen. Die Ermächtigung ist in ihrem Ausmaß
deutlich dahin umrissen, daß der Zusammenschluß von Nur-Notaren zu
Sozietäten oder die Schaffung gemeinsamer Geschäftsräume von einer
vorherigen Genehmigung abhängig gemacht werden kann, um dadurch
den Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege insbesondere im Hin-
blick auf die örtlichen Bedürfnisse und Gewohnheiten Rechnung zu tra-
gen (vgl. Senat BGHZ 59, 274, 275 f.; 46, 29, 31 f., bestätigt durch
BVerfG DNotZ 1973, 493 f.). Dem steht nicht entgegen, daß die Landes-
regierungen gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BNotO zusätzlich die Mög-
lichkeit haben, die Voraussetzungen der gemeinsamen Berufsausübung
oder der gemeinsamen Nutzung der Geschäftsräume zu regeln, insbe-
sondere auch die Höchstzahl der beteiligten Berufsangehörigen, von der
der Antragsgegner keinen Gebrauch gemacht hat. Denn hierdurch wollte
der Gesetzgeber den Landesregierungen lediglich einen weiteren Spiel-
raum eröffnen, im Rahmen des Ermächtigungszwecks allgemein Bedin-
gungen und Einzelheiten einer beruflichen Verbindung zwischen Nur-
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Notaren verbindlich festzulegen (BT-Drucks. 13/4184, 22). Damit wird
nicht zum Ausdruck gebracht, daß - sind abstrakte Regelungen dieser
Art nicht getroffen - über die Frage der Genehmigung mehrgliedriger So-
zietäten nicht im Einzelfall nach pflichtgemäßem Ermessen entschieden
werden darf.
c) Der mit dem Genehmigungsvorbehalt verbundene Eingriff in die
Berufsausübungsfreiheit der Nur-Notare ist auch inhaltlich zulässig (vgl.
Senat BGHZ 127, 83, 94 ff.; 59, 274, 278 f.), insbesondere ist der Grund-
satz der Verhältnismäßigkeit gewahrt.
(1) Nach der Rechtsprechung des Senats sichert die Personalho-
heit der Landesjustizverwaltung eine geordnete Rechtspflege und damit
ein Gemeingut mit hohem Stellenwert, das die Einschränkung der Be-
rufsausübungsfreiheit grundsätzlich rechtfertigt (Senat BGHZ 127, 83,
94 f.; 59, 274, 279; 46, 29, 34; 37, 179, 183; BVerfGE 80, 269, 279; 54,
237, 249). In diese Personalhoheit, die bei der Besetzung von Notarstel-
len gegeben ist, wird eingegriffen, haben sich Notare zur gemeinsamen
Berufsausübung verbunden. Scheidet einer von ihnen aus dem Amt aus,
kann seine Stelle praktisch nur mit einem Bewerber besetzt werden, den
der oder die verbleibenden Partner in ihre Sozietät oder Bürogemein-
schaft aufnehmen wollen. Wird die Stelle aus der Sozietät abgespalten,
etwa weil die Justizverwaltung sie mit einem Bewerber besetzt, der sich
mit dem oder den Kollegen aus der ursprünglichen Sozietät beruflich
nicht verbinden möchte oder mit dem sich die verbliebenen Notare nicht
verbinden wollen, wird sie im Regelfall einer "Nullstelle" gleichkommen.
Denn erfahrungsgemäß werden die Mandanten des ausgeschiedenen
Notars bei der ihnen bereits bekannten Sozietät bleiben und nicht zu
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dem nunmehr als Einzelnotar tätigen Nachfolger wechseln (vgl. Senat
BGHZ 127, 83, 94 f.; 59, 274, 282; BT-Drucks. III/219 S. 45; Vollhardt,
MittBayNot 1999 Heft 4 Sonderbeilage 7, 14; Weingärtner/Wöstmann,
Richtlinienempfehlungen der BNotK, Richtlinien der Notarkammern
2. Teil Rdn. 29).
(2) Die Personalhoheit der Landesjustizverwaltung bei Neubeset-
zung einer freigewordenen Notarstelle soll aber auch die Chancengleich-
heit aller Bewerber (Art. 3 Abs. 1 GG) und den gemäß Art. 33 Abs. 2 GG
verfassungsrechtlich garantierten gleichen Zugang zu dem öffentlichen
Amt des Notars nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ge-
währleisten. Sie verhindert, daß die Besetzung der Notarstellen nach
sachfremden Motiven wie persönlichen Beziehungen oder finanziellen
Zuwendungen erfolgt. Zugleich wird dadurch die erforderliche Besten-
auslese sichergestellt, die ebenfalls dem Interesse der Allgemeinheit an
einer geordneten Rechtspflege dient. Zwar bleibt auch bei mehrgliedri-
gen beruflichen Verbindungen die nach den Kriterien des § 6 BNotO zu
treffende Personalentscheidung letztlich der Justizverwaltung überlas-
sen. Gleichwohl kann bereits der Kreis der Bewerber, aus dem die Aus-
wahl zu treffen ist, eingeengt sein, weil an einer Mitarbeit in der betref-
fenden Sozietät und einer abgespaltenen "Nullstelle" kein Interesse be-
steht. Der von der Beschwerde in diesem Zusammenhang angestellte
Vergleich mit der Zusammenlegung von Ämtern durch die öffentliche
Hand, durch die ihre Personalhoheit faktisch gleichermaßen einge-
schränkt werde, weil sich qualifizierte Bewerber angesichts der dadurch
bedingten Verknappung von Beförderungsstellen von einer Bewerbung
abhalten ließen, vermag nicht zu überzeugen. Dies schon deshalb nicht,
weil eine solche Maßnahme Ausdruck eigener Organisationsgewalt der
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Verwaltung ist, in ihre alleinige freie Entscheidung fällt und keiner Ein-
flußnahme von dritter Seite unterliegt.
4. Auch die Rechtsanwendung im Einzelfall ist nicht zu beanstan-
den. Der Antragsgegner hat weder die Grenzen des ihm eingeräumten
Ermessens überschritten, noch hat er davon in einer der Ermächtigung
nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht.
a) Die von den Antragstellern beabsichtigte Kooperation ist ge-
nehmigungsbedürftig. Die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BNotO
i.V. mit § 9 BNotOVO bezieht sich sowohl auf die Verbindung zur ge-
meinsamen Berufsausübung als auch auf die gemeinsame Nutzung von
Geschäftsräumen. Die Vorschrift umfaßt damit die Sozietät wie die Bü-
rogemeinschaft gleichermaßen (Lerch in Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO
5. Aufl. § 9 Rdn. 4 f; Schippel, BNotO 7. Aufl. § 9 Rdn. 1). Aus dem Ko-
operationsvertrag geht hervor, daß die Antragsteller eine gemeinsame
Geschäftsstelle mit gemeinsamer Ausstattung und gemeinsamem Per-
sonal unterhalten wollen. Diese Verbindung geht aber wegen ihrer Ver-
lautbarung nach außen (Briefkopf, Logo, Bezeichnung als Notariat "K.
-straße 17"), die durch die Einziehung der gemeinsamen Erlöse über
ein Treuhandkonto noch verstärkt wird, deutlich über eine bloße Büro-
gemeinschaft hinaus. Die beabsichtigte Form der Zusammenarbeit der
Antragsteller läßt sich, wie es auch in § 8 des Kooperationsvertrags zum
Ausdruck kommt, als Vorstufe für ein späteres Sozietätsverhältnis kenn-
zeichnen. Aufgrund dieser konkreten Ausgestaltung ist ihre Verbindung
so eng, daß sie dieselben Gefahren der Einflußnahme auf Personalaus-
wahl und Personalentscheidung des Antragsgegners in sich birgt, wie
sie bei mehr mehrgliedrigen Sozietät gegeben wären.
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(2) Hinzu tritt, daß der Antragsgegner, in dessen Zuständigkeitsbe-
reich es bis auf eine einzige aus drei Notaren bestehende Sozietät in
C. nur "Zweier-Sozietäten" gibt, im Falle der Genehmigung eines
mehrgliedrigen Zusammenschlusses zur gemeinsamen Berufsausübung
sein Ermessen bindet. Er wäre auch in künftigen Fällen zur Gleichbe-
handlung anderer Nur-Notare verpflichtet, die ebenfalls eine Verbindung
von mehr als zwei Partnern anstreben. Die Bildung von immer mehr und
immer größeren Kooperationen oder Sozietäten wäre nicht aufzuhalten
(Senat BGHZ 127, 83, 97 f). Es stünde eine Zurückdrängung verbleiben-
der Einzelnotariate zu befürchten. Die übermäßige Konzentration von
Beurkundungsgeschäften in ein und demselben Notariat gefährdet zu-
dem die gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit notariellen
Dienstleistungen und beeinträchtigt die freie Notarwahl durch den recht-
suchenden Bürger ("Aufsaugen" von Notarstellen). Das wird vorliegend
durch mögliche Vorteile, die ein mehrgliedriger Zusammenschluß für den
rechtsuchenden Bürger haben kann, nicht ausgeglichen. Zwar mag in ei-
nem ausgesprochen großstädtischen Notarbüro eine Spezialisierung der
gemeinschaftlich tätigen Notare auf bestimmte Sachgebiete angezeigt
sein. Indes ist weder von den Antragstellern dargetan, daß sie eine sol-
che Spezialisierung beabsichtigen, noch sonst ersichtlich, daß eine Spe-
zialisierung aufgrund der strukturellen Verhältnisse vor Ort wünschens-
wert wäre.
c) Des weiteren durfte der Antragsgegner die Versagung der Ge-
nehmigung auf das vorgerückte Alter des Antragstellers zu 3 stützen, der
im Zeitpunkt des Antrags vor Vollendung des 62. Lebensjahres stand. Es
ist nicht von der Hand zu weisen, daß es in Fällen wie dem vorliegenden
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den "aufnehmenden" Notaren vor allem darum gehen wird, mit dem
schon aus Altersgründen absehbaren Ausscheiden des neuen Partners
dessen Mandate zu übernehmen. Der Genehmigungsvorbehalt des § 9
Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BNotO soll aber gerade verhindern, daß ein Notar
auf diesem W eg sein Amt auf einen anderen Notar überträgt. Deshalb ist
es grundsätzlich gerechtfertigt, nur auf Dauer angelegte Sozietäts- oder
ihnen vergleichbare Kooperationsverhältnisse zu genehmigen (Schippel,
aaO § 9 Rdn. 17; Baumann, aaO Rdn. 8). Gegen die Anwendung einer
abstrakten Altersgrenze bestehen dabei keine Bedenken. Es kann re-
gelmäßig angenommen werden, daß die Mehrzahl der Notare die Alters-
höchstgrenze von 70 Jahren (§ 48a BNotO) nicht ausschöpfen, sondern
für sich die Regelgrenze von 65 Jahren in Anspruch nehmen wird. Für
die Annahme einer dauerhaften beruflichen Zusammenarbeit eine Al-
tersgrenze von 60 Jahren zu ziehen, war jedenfalls nicht ermessensfeh-
lerhaft (Senatsbeschluß BGHZ 59, 274, 284 f).
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d) Ob es im Hinblick auf die vom Bundesverfassungsgericht erlas-
sene einstweilige Anordnung zulässig wäre, die vom erkennenden Senat
ausgesprochene Amtsenthebung des Antragstellers zu 3 zum Nachteil
der Antragsteller zu berücksichtigen, kann offenbleiben. Dieser Um-
stand, der in dem angefochtenen Bescheid nur beiläufig erwähnt wird,
hat sich ersichtlich auf das Ergebnis der von der Antragsgegnerin getrof-
fenen Ermessensentscheidung nicht ausgewirkt.
Schlick Becker Kessal-Wulf
Ebner Eule